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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2019, RV/5100779/2017

Stimmbildung und Chorgesang als beantragte Werbungskosten bei einer AHS-Lehrerin für Mathematik und Religion

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt datiert vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Darstellung des verwaltungsbehördlichen Verfahrens:

Nachdem die als AHS-Lehrerin tätige Beschwerdeführerin ihre Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung 2010 am elektronisch abgegeben hatte, wurde sie vom Finanzamt mit Schreiben datiert vom dazu aufgefordert, alle Unterlagen, welche die von ihr geltend gemachten Werbungskosten belegen könnten, vorzulegen.

Dazu legte die Beschwerdeführerin eine Aufstellung an Kursgebühren vor, welche Aufwendungen für Stimmbildung und den Besuch einer Chorakademie i.H.v. € 1.453,90 enthielten. In einer weiteren Liste führte die Beschwerdeführerin € 1.889,52 an Aufwendungen für Arbeitsmittel an. Die dritte tabellarische Darstellung zeigte die geltend gemachten Reisekosten von € 1.324,12. Darin waren auch € 176,40 für den Besuch der oben genannten Stimmbildungskurse enthalten. An Aufwendungen für Fachliteratur 2010 nannte die Beschwerdeführerin € 373,35.

Im Einkommensteuerbescheid datiert vom kürzte das Finanzamt die geltend gemachten Arbeitsmittel auf € 1.499,53. Gewerkschaftsbeiträge und ähnliches wurden keine berücksichtigt, die geltend gemachten Reisekosten auf € 1.147,72 reduziert und die von der Beschwerdeführerin beantragten Fortbildungskosten vollständig aberkannt.

Dies wurde damit begründet, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessensvertretungen bereits im Rahmen der laufenden Lohnverrechnung vom Arbeitgeber abgezogen worden seien. Hinsichtlich der übrigen Abweichungen gegenüber der Steuererklärung wurde auf ein mit der Beschwerdeführerin geführtes Telefongespräch verwiesen.

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Beschwerdeführerin mit elektronischer Beschwerde vom und führte darin aus, dass die Stimme das persönlichste Ausdrucksmittel und vor allem für den Lehrberuf essenziell sei. Heiserkeit und Halsschmerzen seien vertraute Begleiter von Pädagoginnen und Pädagogen. Die Überbelastung der Stimme könne erwiesenermaßen zu vielen Krankenständen im schlimmsten Fall zur Berufsunfähigkeit führen (ungünstige Rahmenbedingungen wie trockene Luft, hohe CO2 Konzentration, besonders viele Keime, Ansteckungsgefahr, Lärmpegel in Schulklassen). Durch die überdurchschnittlich hohen Anforderungen an die Stimme von Lehrkräften, sei es erforderlich, für ein Berufsleben lang und darüber hinaus diese zu trainieren und gesund zu halten, um im wahrsten Sinne des Wortes bei Stimme zu bleiben. Die Beschwerdeführerin wolle auf keinen Fall Stimmprobleme oder Berufsunfähigkeit riskieren. Es sei ihr auch vom HNO-Arzt dringend empfohlen worden Stimmbildung zu betreiben oder Gesangsunterricht zu nehmen. Sie erachte Stimmbildung als Möglichkeit, ihren Beruf lange und mit voller, gesunder Stimme ausüben zu können. Auch für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern, vor allem im Religionsunterricht, habe Musik oder Singen eine sehr wichtige Bedeutung und beeinflusse jeden Bereich der Persönlichkeit in positivster Weise.

In der Beschwerdevorentscheidung datiert vom wurde das Begehren der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Dazu führte das Finanzamt aus, dass Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen seien, deren steuerliche Abzugsfähigkeit sich aus der beruflichen Veranlassung ergebe. Andererseits dürften Kosten der Lebensführung nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht als Werbungskosten abgezogen werden, auch würde es sich um gemischt veranlasste Aufwendungen handeln. Nicht nur Lehrkräfte sondern auch andere Berufsgruppen wie Vortragende, Kindergärtnerinnen und andere seien starken stimmlichen Belastungen ausgesetzt und würde ein Großteil dieser Berufstätigen trotzdem von Stimmbeschwerden nicht betroffen sein.

Im elektronisch via FinanzOnline abgegebenen als "Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung" bezeichneten Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, verwies die Beschwerdeführerin hinsichtlich Begehren und Begründung auf den Inhalt ihrer Beschwerde und erklärte, dass sie die Beschwerdevorentscheidung nicht akzeptieren könne.

Im auch der Beschwerdeführerin übermittelten Vorlagebericht des Finanzamtes an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt noch aus, dass die Beschwerdeführerin Lehrerin für Religion und Mathematik sei. In den von ihr übermittelten Unterlagen seien Fortbildungskurse und Seminare für die Stimmbildung an der Landesmusikschule und Chorakademie angeführt, welche nicht anerkannt worden seien. Bei den Reisekosten seien die dazugehörigen vom 9. bis beim Seminar A i.H.v. € 176,40 gestrichen worden. Bei Nichtanerkennung der Stimmbildungskurse seien auch noch die Reisekosten vom 4. bis für das Seminar B i.H.v. € 105,00 zusätzlich bei den Werbungskosten zu kürzen. Insoweit werde eine Verböserung im Rahmen der Beschwerdeentscheidung beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Beweiswürdigung und sich daraus ergebender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist AHS-Lehrerin für die Fächer Mathematik und Religion. Im Beschwerdejahr hat sie an der Landesmusikschule Kurse für Stimmbildung und weitere Seminare für Chorgesang besucht und die dafür anfallenden Kursgebühren und Reisekosten als Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) geltend gemacht.

Dies ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Belegen in den Akten des Finanzamtes. Dafür sind insgesamt € 1.453,99 an Kursgebühren und € 181,40 an Reisekosten angefallen.

Rechtslage und rechtliche Erwägungen:

Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 85/2008 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Zu diesen Werbungskosten zählen nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 auch „Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.“

Nun sieht aber § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 im Sinne einer Gleichbehandlung derjenigen ohne Privatleben, welches in irgendeiner Weise das berufliche berührt, mit denjenigen, welche beides miteinander verbinden können, vor, dass Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst, wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringen und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, nicht abzugsfähig sind. Dabei besteht insofern ein einheitliches Abzugsverbot als sich private und berufliche Veranlassung nicht trennen lassen (vergleiche etwa unter Hinweis auf die Vorjudikatur ). Bei der Unterscheidung zwischen beruflicher Veranlassung und Lebensführung ist dabei nach der ständigen Judikatur eine typisierende Betrachtungsweise anzuwenden (siehe plastisch: : "Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung ist eine typisierende Betrachtungsweise derart anzuwenden, dass nicht die konkrete tatsächliche Nutzung, sondern die typischerweise zu vermutende Nutzung als allein erheblich angesehen werden muss.").

Diese Grenze gilt auch dort, wo im § 16 Abs. 1 EStG 1988 Werbungskosten einzeln angeführt werden, wie etwa dem schon genannten § 16 Abs. 1 Z 10 EStG. Dies ändert jedoch nichts an der notwendigen Abgrenzung, Aufwendungen entweder der beruflichen beziehungsweise betrieblichen Aus- oder Fortbildung beziehungsweise Umschulung oder der in privaten Lebensführung begründeten Wissensvermittlung, welche auf Persönlichkeitsbildung abzielt, zuzuordnen.

Zur Erläuterung dieser Gesetzesbestimmung und um den Hintergrund aufzuzeigen, vor dem die Abgrenzung zwischen abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Aufwendungen der privaten Lebensführung erfolgt, sei die Kommentarmeinung (Werner/Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, EStG 1988, § 20 Tz 278; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, EStG 1988, § 20 Tz 10) angeführt:

"Die wesentliche Aussage dieser Gesetzesbestimmung besteht darin, dass gemischt genutzte veranlasste Aufwendungen, also Aufwendungen mit einer privaten und einer betrieblichen Veranlassung, nicht abzugsfähig sind. Im Interesse der Steuergerechtigkeit soll vermieden werden, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und somit Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann. Dies wäre ungerecht gegenüber jenen, die eine Tätigkeit ausüben, welche eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen nicht ermöglicht und derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen."

Demnach stellen Aufwendungen oder Ausgaben, die sowohl durch die Berufsausübung als auch durch die Lebensführung veranlasst sind, grundsätzlich keine Werbungskosten dar (Aufteilungsverbot). Eine Aufspaltung in einen beruflichen und einen privaten Teil ist auch im Schätzungswege nicht zulässig. Ein Werbungskostenabzug kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn feststeht, dass solche Aufwendungen ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind.

Aufwendungen, die in gleicher Weise mit der Einkunftserzielung wie mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, bei denen die Behörde aber nicht in der Lage zu prüfen ist, ob die Aufwendungen durch die Einkunftserzielung oder durch die privaten Lebensführung veranlasst worden sind, darf die Behörde nicht schon deshalb als Werbungskosten anerkennen, weil die im konkreten Fall gegebene Veranlassung nicht feststellbar ist. In Fällen von Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahe legen, darf die Veranlassung durch die Einkunftserzielung vielmehr nur dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen das verlässliche Indiz der beruflichen im Gegensatz zur privaten Veranlassung (; unter Verweis auf Vorjudikatur).

Dem Abgrenzungskriterium der Notwendigkeit eines Aufwandes ist dann keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn ein Aufwand seiner Art nach nur eine berufliche Veranlassung erkennen lässt.

Legt man diese Kriterien an den Fall der Beschwerdeführerin an, so liegt auf der Hand, dass Stimmbildung und Gesangsunterricht Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die es erleichtern, die Stimme gesund zu halten und in einem Beruf, in welchem die Stimme ein wesentliches Werkzeug ist, das Erhalten der Gesundheit und auch der Berufsunfähigkeit zu fördern.

Allerdings sind Stimmbildung und Gesangsunterricht in typisierender Betrachtungsweise dann als privat veranlasst anzusehen, wenn diese nicht auf das Erlernen eines musikalischen Berufes ausgerichtet sind. Dass die Beschwerdeführerin eine Umschulungsmaßnahme beabsichtigt habe, um auf diese Weise, sich eine neue Einkunftsquelle zu erschließen, hat sie nicht behauptet und legt auch der Akteninhalt nicht nahe.

Liegen aber bei der Beschwerdeführerin Aufwendungen vor, die in typisierender Betrachtungsweise privat veranlasst sind, welche aber auch berufliche Vorteile bringen können, so greift das oben beschriebene Aufteilungsverbot und verbietet § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten € 1.453,99 an Kursgebühren und € 181,40 an Reisekosten als Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 anzusehen und war dementsprechend die Beschwerde abzuweisen und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Reisekosten nach B abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da dieses Erkenntnis in der Beurteilung der zu beantworten Rechtsfragen sich an der herrschenden Judikatur und Lehre (siehe oben) orientiert, wurden keine Rechtsfragen behandelt, welche in ihrer Bedeutung über die Entscheidung dieses Einzelfalls hinausgehenden und ist daher eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100779.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at