Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in nachgereichter ESt-Erklärung geltend gemacht; Ableitung der ESt-Vz von der Veranlagung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101226/2019-RS1 |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf (Beschwerdeführerin, Bf.), dztAdresseBf, über die Beschwerde der Bf. vom (Eingangsstempel )
I.) gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 des Finanzamtes Wien (belangte Behörde) vom zu St.Nr. StNr und
II.) gegen den Vorauszahlungsbescheid 2018 der belangten Behörde vom , mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre festgesetzt wurden, wobei hinsichtlich 2019 und Folgejahre die Beschwerde gemäß § 253 BAO auch als gegen den Vorauszahlungsbescheid 2019 vom gerichtet gilt,
zu Recht erkannt:
I.) Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Dieser Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2016 wird mit -577,00 Euro festgesetzt; die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem beigefügten Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II.) Der Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid 2018 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre werden mit 0,00 Euro festgesetzt.
III.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Soweit die Beschwerde der Bf. vom gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 gerichtet ist, wird auf die Mitteilung gemäß § 281a BAO in Punkt 2 der Erwägungen über die Beschwerde verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) war im Jahr 2016 laut österreichischem zentralem Melderegister in AdrBfStreitjahr, Unterkunftgeber: Vermieter, gemeldet.
Für die Bf. wurden von drei Arbeitgebern Lohnzettel für das Jahr 2016 übermittelt. Die Summe der Beträge bei Kennzahl 245 dieser drei Lohnzettel beträgt 17.886,67 €. Weiters erzielte die Bf. Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die belangte Behörde (Finanzamt Wien) erließ an die Bf. unter St.Nr. StNr folgende, mit datierte Bescheide:
Einkommensteuerbescheid 2016, mit welchem die Einkommensteuer für 2016 mit 2.906,00 € festgesetzt wurde, und in welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 5.000,00 € und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 17.754,67 € (=17.886,67 € abzüglich 132,00 € Pauschbetrag für Werbungskosten) angesetzt waren, und welcher wie folgt begründet war: „Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurden die Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt.“
Verspätungszuschlagsbescheid 2016, mit welchem der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2016 mit 10% von 2.906,00 €, sohin mit 290,60 € festgesetzt wurde.
Vorauszahlungsbescheid 2018, mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre mit 3.167,00 € festgesetzt wurden, und welcher wie folgt begründet war: „Die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgebliche Veranlagung betrifft das Jahr 2016. Gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 wurde daher die maßgebliche Abgabenschuld in Höhe von 2.906,00 € um 9,00 % erhöht.“
Mit Schreiben vom (Eingangsstempel ) erhob die Bf. gegen die drei vorgenannten Bescheide Beschwerde unter Beantragung der Veranlagung bzw. Festsetzung nach der mit gesonderter Post übermittelten Einkommensteuererklärung 2016.
Aus diesen ausgefüllten Steuererklärungsformularen geht folgendes Entscheidungswesentliches hervor:
Punkt 1.2: angekreuzt ist „ledig“; nicht angekreuzt ist „verheiratet/in eingetragener Partnerschaft lebend“; nicht angekreuzt ist „in Lebensgemeinschaft lebend“
Punkt 4.2 und 4.3: Beantragung des Alleinerzieherabsetzbetrages für ein Kind/mindestens 7 Monate Familienbeihilfe.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Kennzahl 330): 1.151,60 €.
Punkt 14.10 (Kennzahl 300): Geltendmachung von Kosten für Familienheimfahrten nach Polen, 2 x 350 km, 16 x im Jahr, mit Linienbus, Kosten je Fahrt 60,00 €, sohin insgesamt 960,00 €.
Punkt 14.11 (Kennzahl 723): Geltendmachung von Kosten für doppelte Haushaltsführung, Wohnungskosten am Arbeitsort in Wien (12 x 369,00 €), sohin insgesamt 4.428,00 €.
Punkt 22.2 (Kennzahl 456): Geltendmachung von Sonderausgaben („Summe aller Beiträge sowie Rückzahlungen von Darlehen und Zinsen, die zur Schaffung und Errichtung oder Sanierung von Wohnraum geleistet wurden“) in Höhe von 4.200,74 €.
Angaben auf Formular L 1k-2016 zum Kind: Geburtsdatum Ende.2000, Beantragung des Kinderfreibetrages für ein haushaltszugehöriges Kind iHv 440 Euro.
Die belangte Behörde richtete an die Bf. ein mit datiertes Ersuchen um Ergänzung (Vorhalt), welches zu den Streitpunkten doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten und Wohnraumschaffung/-sanierung lautete:
„Die Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind nachzuweisen.
Die beantragten Sonderausgaben für Wohnraumschaffung/-sanierung sind mittels Unterlagen nachzuweisen.“
Die Bf. antwortete darauf hinsichtlich doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten: „Die Verlegung des Familienwohnsitzes durch meine Tochter wegen ihrer Schulpflicht, in die Nähe meines Beschäftigungsortes in Österreich niemals zumutbar war. Ich erziehe sie allein. Deshalb war ich gezwungen einen doppelten Haushalt zu führen. Siehe auch Beilagen im Beihilfenakt.
Hinsichtlich Sonderausgaben sei eine Bestätigung der polnischen Bank bei der Übersiedlung der Bf. in ihre jetzige Wohnung verloren gegangen. Eine Bestätigung über den rückbezahlten Betrag im Jahr 2016 könne erst später nachgereicht werden.
Die belangte Behörde richtete an die Bf. ein mit datiertes Ersuchen um Ergänzung (Vorhalt), welches lautete:
„Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung: Die beantragten Beträge sind aufzugliedern und mittels Unterlagen nachzuweisen. Ein Nachweis über zwei haushaltsführende Wohnsitze ist zu erbringen_ Wer beaufsichtigt die Tochter am auswärtigen Wohnsitz?
Der Nachweis über die Aufwendungen für Wohnraumschaffung/-sanierung fehlt in der Vorhaltsbeantwortung vom .“
Darauf ist keine Antwort der Bf. aktenkundig.
Die belangte Behörde erließ folgende, mit datierte Bescheide:
Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO hinsichtlich Einkommensteuerbescheid 2016, mit welcher die Einkommensteuer für 2016 mit 1.298,00 € festgesetzt wurde, und in welcher die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 1.151,60 € und unverändert die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 17.754,67 € angesetzt waren, und welcher wie folgt begründet war: „Da Sie zu dem Ihnen übermittelten Bedenkenvorhalt keine stichhaltige Gegenäußerung abgegeben haben, wurde die Veranlagung im Sinne des Vorhaltes vorgenommen.
Der Nachweis über die doppelte Haushaltsführung wurde nicht erbracht. Aufwendungen für Wohnraumschaffung/-sanierung wurde nicht nachgewiesen.“gemäß § 295 Abs. 3 BAO erlassener (geänderter) Verspätungszuschlagsbescheid 2016, mit welchem der Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 2016 mit 10% von 1.298,00 €, sohin mit 129,80 € festgesetzt wurde.
Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO hinsichtlich Vorauszahlungsbescheid 2018, mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 mit 1.414,00 € festgesetzt wurden, und welcher wie folgt begründet war: „Die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgebliche Veranlagung (Beschwerdevorentscheidung) betrifft das Jahr 2016.
Gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 wurde daher die maßgebliche Abgabenschuld in Höhe von 1.298,00 € um 9,00 % erhöht.“Vorauszahlungsbescheid 2019, mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2019 und Folgejahre mit 1.479,00 € festgesetzt wurden, und welcher wie folgt begründet war: „Die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgebliche Veranlagung betrifft das Jahr 2016. Gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 wurde daher die maßgebliche Abgabenschuld in Höhe von 1.298,00 € um 14,00 % erhöht.“
Mit Schreiben vom stellte die Bf. zu den beiden Beschwerdevorentscheidungen vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden (vom , eingelangt ) durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Die Bf. kündigte die Nachreichung der Nachweise über die Kosten für doppelte Haushaltsführung sowie für Aufwendungen für Wohnraumschaffung/-sanierung bis zum an.
Mit Schreiben vom reichte die Bf. beim Finanzamt ein:
„- Bescheinigung eines Transportunternehmens vom , als Nachweis für die Kosten meiner Familienheimfahrten 2016.
- Bestätigung der Bank in Polen über die Summe der rückgezahlten Darlehen vom .
- Kontoauszüge 2016 mit Zahlungen an Mietzins in 2016. Die Summe € 4.334,40 beträgt.
- Bitte um allfällige Berichtigungen in meiner Erklärung 2016.“
Nach Auffassung des BFG ist somit der Betrag bei Kennzahl 723 (Kosten für doppelte Haushaltsführung) mit 4.334,40 € anzusetzen. Aus der Umrechnung der Beträge laut Bestätigung der polnischen Bank in Euro ergibt sich ein Betrag von 4.213,22 € bei Kennzahl 456.
Erwägungen über die Beschwerde(n):
1.) Welche Beschwerden (vor der Zustellung der vorliegenden Entscheidung des BFG) anhängig sind:
Auch wenn im Vorlagebericht des Finanzamtes nur die Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuer 2016 sowie die Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuervorauszahlungen 2018 angeführt sind, ist aus der vorgelegten Beschwerde und der sonstigen – auch elektronischen – Aktenlage auf folgende anhängige Beschwerden zu schließen:
Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom ;
hierzu ist eine Beschwerdevorentscheidung vom ergangen;
aufgrund des Vorlageantrages gilt die Beschwerde diesbezüglich wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO). Hierüber wird mit dem vorliegenden Erkenntnis des BFG entschieden.Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid 2018 vom , dessen ´Sache´ die Festsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre ist;
die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom nahm an der Festsetzung der „Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018“ eine Änderung vor und ließ die Festsetzung der Vorauszahlungen für die Folgejahre, d.h. die Jahre 2019 und folgende, unverändert;
aufgrund des Vorlageantrages gilt die Beschwerde hinsichtlich des Vorauszahlungsbescheides 2018, dessen ´Sache´ – wie erwähnt – die Festsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre ist, wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO);
zu einem Teil dieser ´Sache´ tritt der Vorauszahlungsbescheid 2019, dessen ´Sache´ die Festsetzung der Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2019 und Folgejahre ist, an die Stelle des Vorauszahlungsbescheides 2018, sodass gemäß § 253 BAO die Beschwerde auch als gegen den Vorauszahlungsbescheid 2019 vom gerichtet gilt.
Auch hierüber wird mit dem vorliegenden Erkenntnis des BFG entschieden.Beschwerde gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 vom ;
diesbezüglich ist keine Beschwerdevorentscheidung und kein Vorlageantrag aktenkundig, sodass darüber (zumindest derzeit) keine Entscheidung des BFG möglich ist, was den Parteien gemäß § 281a BAO mitzuteilen ist (vgl. anschließend Punkt 2);
diesbezüglich ist der gemäß § 295 Abs. 3 BAO erlassene (geänderte) Verspätungszuschlagsbescheid 2016 vom an die Stelle des Verspätungszuschlagsbescheides 2016 vom getreten, sodass gemäß § 253 BAO die Beschwerde auch als gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 vom gerichtet gilt.
2.) Mitteilung gemäß § 281a BAO zur Beschwerde vom , soweit sie gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 gerichtet ist:
Aufgrund der Aktenlage ist das Bundesfinanzgericht (BFG) der Auffassung, dass gemäß § 262 Bundesabgabenordnung (BAO) die belangte Behörde noch über die Beschwerde vom (Eingangsstempel ), soweit sie gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 gerichtet ist, mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) zu entscheiden hat.
Das BFG ist aufgrund der Aktenlage weiters der Auffassung, dass gegen die – nach Auffassung des BFG noch zu erlassende – Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Verspätungszuschlagsbescheid 2016 ein Vorlageantrag (Antrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO auf Entscheidung über die Beschwerde vom , soweit gegen den Verspätungszuschlagsbescheid 2016 gerichtet, durch das Verwaltungsgericht) noch nicht eingebracht wurde.
Bei der Beurteilung, ob gemäß § 262 BAO zwingend eine BVE zu erlassen ist/wäre und ob dies geschehen ist, ist die Beschwerde gegen jeden einzelnen angefochtenen Bescheid für sich zu beurteilen.
Wenn es sich um eine Beschwerde handelt, über welche gemäß § 262 BAO zwingend mit BVE zu entscheiden gewesen wäre, welche aber ohne Erlassung einer BVE und Erhebung eines Vorlageantrages dagegen an das BFG vorgelegt wird, dann darf das BFG zumindest vorläufig nicht über die Beschwerde entscheiden (vgl. : „Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.“
Bis zum Bekanntwerden der neuesten diesbezüglichen Rsp des VwGH (Erkenntnis vom , Zl. Ra 2017/13/0010) wurde beim Fehlen einer (wirksamen) zwingenden Beschwerdevorentscheidung vom BFG in der Regel (idR) folgende Lösung angewendet: Es wurde ein Beschluss zur Feststellung der Unzuständigkeit des BFG zur Entscheidung über die vorgelegte Beschwerde erlassen, woraufhin man davon ausging, dass die belangte Behörde eine zwingende Beschwerdevorentscheidung nachholen konnte, ohne dass diese gemäß § 300 BAO wiederum von Nichtigkeit bedroht wäre. Durch wurde dieser Lösungsweg verbaut, indem der VwGH einen derartigen Unzuständigkeitsbeschluss als rechtswidrig aufgehoben hat mit der Begründung, dass das BFG seinerseits nicht zuständig sei, derartige Unzuständigkeitsbeschlüsse zu erlassen. Zu Details wird auf Urban-Kompek in SWK 3/2018, 97 und auf Lenneis in BFGjournal 1/2018, 32 verwiesen.
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2018, BGBl. I 62/2018, ausgegeben am , wurden folgende Bestimmungen geschaffen, die einerseits die Information der Parteien sicherstellen sollen und andererseits der belangten Behörde ermöglichen, auch nach Vorlage der Beschwerde an das BFG (zu unterscheiden von der Erstattung des Vorlageberichtes an das BFG) die fehlende BVE nachzuholen:
§ 281a BAO: „Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.“
Die – (laut Literatur) bis auch die Erlassung einer wirksamen BVE nach der Beschwerdevorlage verhindernde – Entscheidungssperre im ersten Satz des § 300 Abs. 1 BAO idF BGBl. I 117/2016 („Ab Vorlage der Beschwerde (§ 265) bzw. ab Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs. 6) bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 2 bis 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde können Abgabenbehörden beim Verwaltungsgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben.“) wurde durch BGBl. I 62/2018 mittels Einfügung des folgenden zweiten Satzes in § 300 Abs. 1 BAO für BVE gelöst: „Die Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 1) wird dadurch nicht berührt.“
§ 281a BAO idF BGBl. I 62/2018 sieht nur eine Mitteilung vor.
3.) Zu dem laut BVE-Begründung zur ESt 2016 nicht beantworteten Bedenkenvorhalt sowie zur Anerkennung von doppelter Haushaltsführung (DHHF) und Familienheimfahrten sowie zur Nichtanerkennung der beantragten Sonderausgaben:
§ 2a Satz 1 BAO: „Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten.“
§ 161 Abs. 2 BAO: „(2) Wenn die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt, hat sie die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält. Sie kann den Abgabepflichtigen unter Bekanntgabe der Bedenken zur Aufklärung bestimmter Angaben auffordern (Bedenkenvorhalt). Erforderliche Beweise sind aufzunehmen.“
Das BFG hegt keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Erklärungen der Bf. hinsichtlich doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Im Streitjahr 2016 war die Tochter der Bf. anfangs 15 Jahre alt, am Ende 16 Jahre alt. Das Vorbringen der Bf., wonach eine Übersiedlung der Tochter nach Wien aus Gründen des Schulbesuches in Polen nicht zumutbar gewesen wäre, ist somit glaubwürdig. Weiters ist auch durch die Bestätigung der polnischen Bank über die Darlehensrückzahlungen glaubhaft gemacht worden, dass es einen Familienwohnsitz in Polen gibt und aus diesem der Bf. Kosten erwachsen. Es ist aus den geographischen Gegebenheiten unmittelbar ableitbar, dass ein Familienwohnsitz in Polen außerhalb der Entfernung für eine tägliche Anreise nach Wien und tägliche Rückreise liegt. Die Tochter der Bf. war im Jahr 2016 minderjährig, sodass aus der Unzumutbarkeit der Übersiedlung der Tochter ein steuerlich relevanter Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes der Bf. in Polen resultiert. Die Mietzahlungen für die Wohnung, die die Bf. im Jahr 2016 in Wien bewohnt hat, sind durch die Kontoauszüge nachgewiesen, denn der darin genannte Empfänger der Mietzahlungen iHv jeweils 361,20 € ist identisch mit dem Unterkunftgeber laut Zentralem Melderegister. 12 x 361,20 € = 4.334,40 €. Die Fahrtkosten für die 16 Familienheimfahrten nach Polen im Jahr 2016 (=16 Hinfahrten + 16 Rückfahrten = 32 Einzelfahrten zu je 30,00 €; insgesamt sohin 960,00 €) sind durch die Bestätigung des Busunternehmens nachgewiesen.
Somit hätte das BFG der Bf. den Bedenkenvorhalt hinsichtlich doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht erteilt. Obwohl die Bf. einen Teil der von der belangten Behörde geforderten Nachweise nicht erbracht hat, sind für das BFG die Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 4.334,40 € und für Familienheimfahrten iHv 960,00 € glaubwürdig.
Wenn auch glaubwürdig ist, dass die Bf. die gegenständlichen Darlehensrückzahlungen iZm ihrer Wohnstätte (Überbegriff für Wohnung und Haus) in Polen getätigt hat, hegt das BFG Bedenken, ob die der Darlehensaufnahme zugrundeliegende Anschaffung bzw. Errichtung bzw. Sanierung dieser Wohnstätte alle für einen Sonderausgabenabzug erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 EStG erfüllt. Somit hätte auch das BFG – wie schon die belangte Behörde – der Bf. hinsichtlich Wohnraum-Sonderausgaben einen Bedenkenvorhalt erteilt. Die Bf. hat zu diesen beantragten Sonderausgaben keine volle Aufklärung geliefert. Es wird somit davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 3 EStG für einen Sonderausgabenabzug nicht erfüllt sind.
Die Bf. erzielte im Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Grunde nach sind Kosten der doppelten Haushaltsführung und für Familienheimfahrten nicht nur als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig, sondern auch als Betriebsausgaben (vgl. Zorn in Doralt et al., § 4 EStG Tz 330 „Doppelte Haushaltsführung“ und „Familienheimfahrten“)
Die hier anzuerkennenden Kosten sind daher nicht zur Gänze als Werbungskosten bei der nichtselbständigen Arbeit (nsA) abzuziehen, sondern aliquot auf Betriebsausgaben (bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb abzuziehen) und Werbungskosten (bei den Einkünften aus nsA abzuziehen) aufzuteilen:
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Basis | Ausgaben | |
doppelte Haushaltsführung (DHHF) gesamt | 4.334,40 € | |
aliquot für Einkünfte aus Gewerbebetrieb | 1.151,60 € | 262,18 € |
aliquot für Einkünfte aus nsA | 17.886,67 € | 4.072,22 € |
Kontrollsumme | 4.334,40 € | |
Familienheimfahrten gesamt | 960,00 € | |
aliquot für Einkünfte aus Gewerbebetrieb | 1.151,60 € | 58,07 € |
aliquot für Einkünfte aus nsA | 17.886,67 € | 901,93 € |
Kontrollsumme | 960,00 € |
Eine solche aliquote Aufteilung auf die beiden Einkunftsarten wird im Regelfall ohne Auswirkung auf den Gesamtbetrag der Einkünfte (und damit auf den weiteren Berechnungsablauf) sein. Hier im konkreten Einzelfall resultiert aus der Aliquotierung aber eine Auswirkung auf den Gesamtbetrag der Einkünfte (und damit auf den weiteren Berechnungsablauf), indem durch die Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Bereich zwischen 730 und 1.460 Euro die Ausschleifung des Veranlagungsfreibetrages gemäß § 41 Abs. 3 EStG beeinflusst wird.
4.) Zu dem beantragten Kinderabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag:
In der BVE zur ESt 2016 wurde der Kinderabsetzbetrag für ein haushaltszugehöriges Kind in Höhe von (iHv) 440,00 € einkommensmindernd berücksichtigt, wogegen der die Tarifsteuer mindernde Alleinerzieherabsetzbetrag ohne Begründung nicht berücksichtigt wurde.
Die Voraussetzungen des Kinderfreibetrages (in Verbindung mit dem Alleinerzieherabsetzbetrag) iHv 440,00 € gemäß § 106a Abs. 1 und 3 EStG (Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG, kein Kinderabsetzbetrag für einen Unterhaltspflichtigen gemäß § 106a Abs. 2 Satz 1 EStG ersichtlich) sind erfüllt. Wie in der BVE wird daher mit dem vorliegenden Erkenntnis der Kinderfreibetrag mit 440,00 € einkommensmindernd berücksichtigt.
Auch der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag hat u.a. die hier erfüllte Voraussetzung eines haushaltszugehörigen Kindes gemäß § 106 Abs. 1 EStG (Familienbeihilfenbezug der Bf.). Weitere Voraussetzung ist gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG, dass die Bf. mindestens sechs Monate im Jahr nicht verheiratet war und nicht in einer Lebensgemeinschaft gelebt hat. Laut den unbedenklichen Angaben der Bf. zu ihrer Person auf der im Beschwerdeverfahren eingereichten Einkommensteuererklärung war sie das ganze Jahr ledig und nicht in einer Lebensgemeinschaft lebend. Der Alleinerzieherabsetzbetrag iHv 494,00 € wird daher steuermindernd berücksichtigt.
Da die beantragten Sonderausgaben nicht anerkannt werden, wird der Beschwerde, soweit sie gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 gerichtet ist, teilweise stattgegeben (=teilweise Folge gegeben).
5.) Zur Höhe der Vorauszahlungen für 2018 und Folgejahre:
Basis ist gemäß § 45 Abs. 1 EStG die Einkommensteuerschuld für das mit dem vorliegenden Erkenntnis letztveranlagte Jahr 2016. Diese Steuerschuld (als Negativbetrag defacto eine Gutschrift) beträgt vor Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer -360,75 €. Davon ist gemäß § 45 Abs. 1 Teilstrich 1 EStG iVm § 46 Abs. 1 Z 3 EStG die durch Steuerabzug einbehaltene Lohnsteuer iHv 216,18 € abzuziehen. Dies ergibt -576,93 € „zuzüglich“ 9% (§ 45 Abs. 1 Teilstrich 2 EStG), d.h. es sind -51,92 € zu addieren mit dem Resultat -628,85 €. Gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz EStG sind „Vorauszahlungen, deren Jahresbetrag 300 Euro nicht übersteigen würde, … mit Null festzusetzen.“ Arithmetisch betrachtet, kann ein Negativbetrag niemals einen positiven Betrag (hier 300 €) übersteigen. Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer sind daher mit 0,00 € festzusetzen.
Da die beantragte Ableitung der Einkommensteuervorauszahlungen von der nachgereichten Steuererklärung auch kein anderes Ergebnis als 0,00 € erbracht hätte, lautet die Entscheidungsrichtung auf Stattgabe.
Zur (Un)Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur ESt 2016: Tatfragen (hier: die tatsächlichen Voraussetzungen für die strittigen Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten) sind keine Rechtsfragen und damit nicht revisibel. Die aliquote Verteilung der anzuerkennenden Kosten auf zwei Einkunftsarten wird in vielen Fällen keine Auswirkung auf einen Spruchbestandteil (Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, Einkommensteuer; vgl. auch Ritz, BAO6, § 198 Tz 17) gegenüber dem Ansatz zur Gänze bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit haben. Im vorliegenden Fall resultiert aus der Aliquotierung aber eine Auswirkung auf den Gesamtbetrag der Einkünfte (und damit auf den weiteren Berechnungsablauf), indem durch die Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Bereich zwischen 730 und 1.460 Euro die Ausschleifung des Veranlagungsfreibetrages gemäß § 41 Abs. 3 EStG beeinflusst wird. Zur aliquoten Verteilung der anzuerkennenden Kosten auf zwei Einkunftsarten ist keine Rechtsprechung des VwGH ersichtlich. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die mehr Fälle (mit einer Auswirkung auf das Einkommen) als dauernd nur wenige Einzelfälle betreffen kann. Es handelt sich daher um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
Zu den ESt-Vorauszahlungen für 2018 ff.: Mit dem vorliegenden Erkenntnis wird davon ausgegangen, dass die Beschwerde gegen den Bescheid, mit welchem die Vorauszahlungen für 2018 und Folgejahre festgesetzt wurden, gemäß § 253 BAO auch als gegen den später erlassenen Bescheid, mit welchem die Vorauszahlungen für 2019 und Folgejahre festgesetzt wurden, gerichtet gilt. Der spätere Bescheid umfasst also eine kürzeren Zeitraum als der ursprünglich angefochtene Bescheid. Der Wortlaut von Satz 2 von § 253 BAO bezieht sich aber nur auf den Fall, dass der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst. Direkt aus dem Wortlaut des Gesetzes ist somit die Frage der Weitergeltung der Beschwerde, wenn der spätere Bescheid einen kürzeren Zeitraum umfasst, nicht unmittelbar zu beantworten. Es ist auch keine Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Weitergeltung der Beschwerde, wenn der spätere Bescheid einen kürzeren Zeitraum umfasst als der frühere (ursprünglich angefochtene) Bescheid ersichtlich. Es handelt sich daher um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 45 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | DHHF doppelte Haushaltsführung |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101226.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at