Abzugsfähigkeit von Vergleichszahlungen
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/13/0062. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
In der Einkommensteuererklärung 2015 machte der Beschwerdeführer (Bf.) auf Grund eines mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der GmbH, abgeschlossenen Vergleichs einen Betrag iHv 14.678 € (Rückzahlung GmbH 8.000 €, Anwaltsgebühr 6.678 €) als sonstige Werbungskosten geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid vom anerkannte das Finanzamt die geltend gemachten Werbungskosten nicht und führte begründend aus, dass die Vergleichszahlungen - zumindest mittelbar - auf Strafzahlungen der ehemaligen Arbeitgeberin des Bf. im Zusammenhang mit Kartellrechtswidrigkeiten zurückzuführen seien. Derartige Zahlungen unterlägen gem. § 20 EStG einem Abzugsverbot. Die Kosten für die Rechtsvertretung würden das steuerliche Schicksal der Vergleichszahlungen teilen und seien ebenso nicht zu berücksichtigen. Es handle sich im gegenständlichen Fall nicht um berufsbedingte Prozesskosten bzw. um Kosten eines berufsbedingten außergerichtlichen Rechtsstreit, sondern um eine (teilweise) Schadloshaltung bzw. Regressierung der GmbH für ein Kartellverfahren. Gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Geldbußen seien generell nicht abzugsfähig.
Mit Eingabe vom brachte der Bf. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid ein und führte darin aus, dass er laut seiner seinerzeitigen Rechtsberatungskanzlei die Rückzahlung steuerlich geltend machen könne. Die gleiche Aussage habe er auch anlässlich eines Telefonates mit einem Mitarbeiter des Finanzamtes bekommen.
Der Bf. beantragte, seine Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Der Bf. erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Pensionseinkünfte.
Als ehemaliger Arbeitnehmer der GmbH (GmbH) war er zuständig für den Geschäftsfall Stahlrohrtransporte für die KG von Österreich in die ehemaligen GUS-Staaten.
Mit Beschluss vom ****, GZ, hat das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht u.a. gegen die ehemalige Arbeitgeberin des Bf. wegen kartellrechtswidriger Absprachen betreffend den übergeordneten Markt für Güterverkehrs- und Logistikdienstleistungen, speziell im Bereich grenzüberschreitender Transportlogistik, eine Geldbuße iHv 2,000.000 € verhängt. Die GmbH sowie die weiteren beteiligten Unternehmen hatten sich im Zeitraum von November 2005 bis Ende Dezember 2010 im Rahmen von wiederkehrenden Ausschreibungen der Voest für den Transport von Stahlrohren in frühere GUS-Staaten über die Aufteilung von Transportmengen, die Abwicklung von Teilstrecken, die Preise sowie die Aufteilung der erzielten Erlöse abgesprochen.
Wegen des Vorwurfs, für diese kartellrechtswidrige Verhaltensweise mitverantwortlich zu sein, hat die GmbH den Bf. mit Vergleichsanbot vom aufgefordert, einen Beitrag iHv insgesamt 25.000 € zur Schadenswiedergutmachung zu leisten, wobei eine Zahlung in Raten von jeweils 1.000 € pro Monat, beginnend mit , vereinbart wurde. Mit Zahlung der ersten Rate am wurde der Vergleich rechtsgültig abgeschlossen.
Im Streitjahr 2015 hat der Bf. eine Ratenzahlung von insgesamt 8.000 € geleistet; weiters sind ihm iZm dem gegenständlichen Vergleich Rechtsberatungskosten iHv 6.678 € erwachsen.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt basiert auf dem vorliegenden Akteninhalt und dem Vorbringen des Bf. und ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung:
Gem. § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988 dürfen Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Unter Werbungskosten sind beruflich veranlasste Aufwendungen oder Ausgaben zu verstehen, die objektiv im Zusammenhang mit einer außerbetrieblichen Tätigkeit stehen und subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen.
Ebenso sind Ausgaben, die erst nach dem Zufließen von Einnahmen oder der Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit anfallen, Werbungskosten, wenn der Veranlassungszusammenhang mit den früheren Einnahmen gegeben ist (sog. Nachwerbungskosten oder nachträgliche Werbungskosten).
Strafen und Geldbußen, die von nationalen Gerichten oder Verwaltungsbehörden bzw. von Organen der EU verhängt werden, unterliegen einem Abzugsverbot. Dies gilt auch dann, wenn die Straftat mit Billigung oder über ausdrückliche Aufforderung des Arbeitgebers begangen wurde (vgl. Lenneis in Jakom, EStG10, § 16, Rz 56, Stichwort Strafen).
Schadenersatzleistungen sind dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn die Ersatzpflicht durch das Dienstverhältnis veranlasst ist.
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist daher im vorliegenden Beschwerdefall zu klären, ob es sich bei den in Rede stehenden, als Werbungskosten geltend gemachten Zahlungen um Schadenersatzleistungen handelt und ob ein Zusammenhang der gg. Zahlungen mit dem ehemaligen Dienstverhältnis besteht.
Unstrittig ist, dass der Bf. (als Prokurist) für die GmbH tätig gewesen ist und daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat. Unstrittig ist weiters, dass der Bf. im Rahmen seines Dienstverhältnisses bei der GmbH für "den Geschäftsfall" Stahlrohrtransporte für die Voest von Österreich in die GUS-Staaten zuständig war und dass im Zusammenhang mit diesen Stahlrohrtransporten vom Kartellgericht Wettbewerbsverstöße seitens der ehemaligen Arbeitgeberin des Bf. festgestellt wurden.
Die Annahme des Vergleichsanbotes bzw. die daraus resultierende Zahlung an die ehemalige Arbeitgeberin beruhen nach dem dem BFG vorliegenden Akteninhalt auf der Tatsache, dass über die GmbH wegen kartellrechtswidriger Absprachen eine Geldbuße verhängt wurde und dass dem Bf. als ehemaligem, für die Transporte der Stahlrohre zuständigen Mitarbeiter eine Mitverantwortung für dieses Verhalten vorgeworfen wurde. Insofern ist von einem erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang zwischen der mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin vereinbarten Vergleichszahlung und der ehemaligen Erwerbstätigkeit des Bf. auszugehen.
Dass die strittigen Zahlungen durch das ehemalige Dienstverhältnis des Bf. veranlasst sind, wird von der Abgabenbehörde im Ergebnis auch nicht in Abrede gestellt. Sie vertritt allerdings die Auffassung, dass eine Absetzbarkeit der Aufwendungen deshalb zu versagen wäre, weil im Hinblick auf den abgeschlossenen Vergleich lediglich der Vorwurf einer Mitverantwortung an der in Rede stehenden unrechtmäßige Verhaltensweise im Raum steht, das Bestehen einer Schadenersatzverpflichtung aber weder durch ein Gerichtsurteil noch den vorliegenden Vergleich bestätigt wird.
Es trifft zu, dass die Aktenlage keine Feststellungen dahingehend zulässt, ob tatsächlich eine Schadenersatzverpflichtung des Bf. besteht; die nach Ergehen des Beschlusses des Kartellgerichts im außergerichtlichen Vergleichsweg vereinbarte Einigung zwischen dem Bf. und der GmbH, derzufolge sich der Bf. zur Vermeidung einer streitigen Auseinandersetzung dazu verpflichtet, seiner ehemaligen Arbeitgeberin den Betrag von 25.000 € zu bezahlen, lässt eine solche lediglich vermuten.
Auf Basis des dargestellten Verfahrensergebnisses, insbesondere auf Grund des Schriftsatzes vom stellt sich die Sachlage für das BFG so dar, dass die GmbH wegen der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ihren ehemaligen Dienstnehmer an diesen herangetreten ist, ihn aufgefordert hat, einen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung zu leisten, und dass schließlich der Bf. zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens (mit möglicherweise höheren Schadenersatzforderungen) und des damit verbundenen Prozessrisikos dem von der GmbH angebotenen Vergleich zugestimmt hat.
Der zwischen dem Bf. und seiner früheren Arbeitgeberin abgeschlossene Vergleich gründet letztlich auch in der Ungewissheit über die Verwirklichung des Anspruchs bzw. den Ausgang eines allfälligen gerichtlichen Verfahrens und führte zu dem grundsätzlich jedem Vergleich immanenten gegenseitigen Nachgeben (§ 1380 ABGB).
Dementsprechend ist nach Auffassung des BFG davon auszugehen, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen von 1.000 € an die frühere Arbeitgeberin dem Grunde nach um eine Vergleichszahlung zur Abwehr eines drohenden Zivilprozesses auf Schadenersatz handelte.
Insoweit das Finanzamt im Vorlagebericht an das BFG ausführt, dass die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Zahlungen jedenfalls dann zu versagen wäre, wenn der Bf. im Wissen ob der Wettbewerbsverstöße gehandelt hat, da ein bewusst rechtswidriges Handeln einer Absetzbarkeit entgegenstünde, ist hilfsweise auf das Erkenntnis des , zu verweisen, in welchem der Gerichtshof ausgesprochen hat:
"Wird das eine Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen gesetzt, sind die Schadenersatzzahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar (vgl. Doralt, EStG11, § 4 Tz 330 "Schadenersatzleistungen" unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 681/78, VwSlg 5607/F). Demgegenüber sind Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar, wenn das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2002/13/0091, und vom , 95/13/0288).
Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist demnach entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung durchschneidet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0048).
Schadenersatzleistungen als Folge eines aus privaten Gründen (z.B. freundschaftliche Beziehungen) bewusst pflichtwidrigen Verhaltens sind jedenfalls nicht abziehbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/14/0030, und Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 4 Abs. 4 EStG 1998 allgemein Rz 36 Stichwort "Schadenersatzleistungen").
Wenn sich ein Dienstnehmer aufgrund seiner Dienstnehmerstellung rechtswidrig, etwa durch Veruntreuung, Vermögensgegenstände seiner Arbeitgeberin zueignet, so sind darin steuerpflichtige Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erblicken. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 95/14/0112, ausgesprochen hat, sind die nach Aufdeckung der rechtswidrigen Handlung vom Dienstnehmer zu leistenden Schadenersatzzahlungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.
....
Die belangte Behörde ist von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen, dass lediglich bei "versehentlich oder ungewollt verursachten Schäden" Ersatzzahlungen zu Erwerbsaufwendungen führen können. Sie hat es deshalb unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, aus welchen Gründen (im Bereich der Einkünfteerzielung oder im Privatbereich) der Beschwerdeführer das in Rede stehende unrechtmäßige Verhalten gesetzt hat. Erst auf der Grundlage solcher Feststellungen kann aber das steuerliche Schicksal der Ersatzzahlung beurteilt werden."
Für den zu beurteilenden Beschwerdefall bedeutet dies:
Auch wenn die Vergleichszahlung zur Vermeidung der Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche der GmbH als Indiz für das Vorliegen eines Fehlverhaltens des Bf. gewertet werden kann, lässt dies nicht den Schluss zu, dass ein solches tatsächlich vorgelegen hat bzw. dieses bewusst rechtswidrig war.
Davon abgesehen, bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der Bf. aus privaten Gründen bewusst pflichtwidrig verhalten haben soll und wird eine private Veranlassung vom Finanzamt auch gar nicht behauptet. Ein allfälliges Fehlverhalten des Bf. war unzweifelhaft durch die berufliche Sphäre des Bf. veranlasst.
Sind aber die Schadenersatzleistungen die Folge eines der beruflichen Sphäre des Bf. zurechenbaren Fehlverhaltens, sind sie als (nachträgliche) Erwerbsaufwendungen absetzbar.
Der im Vorlagebericht an das BFG vertretenen Auffassung des Finanzamtes, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den vom Bf. als Werbungskosten erklärten Beträgen und einer Strafe iSd § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988 besteht und dass eine steuerliche Anerkennung beim Bf. die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG und des 12 Abs. 1 Z 4 lit. b KStG, die ein Abzugsverbot der Geldbuße beim Arbeitgeber normiert, unterlaufen würde, ist entgegenzuhalten, dass von den genannten Bestimmungen ausdrücklich nur Strafen und Geldbußen erfasst sind und der in Rede stehenden Vergleichszahlung kein Strafcharakter zukommt.
Aus den dargelegten Gründen sind nach Auffassung des BFG die gegenständlichen Ersatzzahlungen als Werbungskosten gem. § 16 EStG abzugsfähig. Die Rechts- und Beratungskosten teilen das Schicksal der ertragsteuerlich abziehbaren Aufwendungen.
Der Beschwerde war somit Folge zu geben.
Nichtzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die vorliegende Entscheidung der angeführten VwGH-Judikatur (, 2008/15/0259) folgt, war die Revision für nicht zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Geldbuße Schadenersatzzahlung kartellrechtswidrige Absprachen Vergleichsanbot |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Kofler in SWK 8/2020, 392 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104966.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at