Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2018, RV/7100022/2018

Herabsetzung eines Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO - Missverständnisse bei auf einem Notaranderkonto hinterlegter Grunderwerbsteuer und fehlender Genehmigung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF, ADR, vertreten durch NOTAR, ADR2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , StNr*** betreffend Säumniszuschlag zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert wie folgt:

Dem Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO vom wird Folge gegeben und der mit Bescheid vom festgesetzte Säumniszuschlag aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

1. bescheidmäßige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt GVG (kurz FA GVG) gegenüber der BF (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) Grunderwerbsteuer iHv€ 12.787,25 fest. Der Bescheid enthält im Spruch die Anordnung, dass der Betrag am fällig wird. Der Bescheid wurde der Bf. zu Handen ihres Geschäftsführers, Herrn GF, zugestellt. Der Grunderwerbsteuerbescheid blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.

2. Festsetzung eines Säumniszuschlages/Entrichtung

Im Fälligkeitszeitpunkt verfügte die Bf. auf ihrem Abgabenkonto beim FA GVG über ein Guthaben iHv € 1.777,80. Nachdem bis zum Fälligkeitstag keine Zahlung hinsichtlich des Restbetrages erfolgte, setzte das FA mit Bescheid vom einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 220,19 (2% des offenen Restbetrages iHv € 11.009,45) fest. Die gegen den Säumniszuschlagsbescheid von der Bf. eingebrachte Beschwerde wurde vom FA GVG mit BVE vom als unbegründet abgewiesen. Ein Vorlageantrag wurde nicht eingebracht und ist damit der Säumniszuschlagsbescheid in Rechtskraft erwachsen.

Während des Beschwerdeverfahrens wurde mit die gegenständliche Abgabenschuld zur Gänze entrichtet.

3. Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO

Mit Telefax vom brachte die Bf. einen Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO ein und beantragte die Aufhebung des Säumniszuschlages, da sie an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Der Antrag wurde wie folgt begründet:

"Obwohl die Steuerschuld gem. § 8 Abs. 2 GrEStG noch nicht entstanden war, da die Genehmigung des Rechtsgeschäftes nach dem Kärntner Grundverkehrsgesetz noch nicht vorlag, erfolgte die Abgabenerklärung betreffend den o.a. Kaufvertrag bereits am .

Am erfolgte die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer mittels Grunderwerbsteuerbescheid.

Da die Genehmigung nach dem Kärntner Grundverkehrsgesetz noch nicht vorlag, war ich der Meinung, dass die Grunderwerbsteuer von mir erst nach Vorliegen der Genehmigung zu bezahlen ist. Die Genehmigung erfolgte tatsächlich mit Bescheid vom und wurde von mir die Grunderwerbsteuer unverzüglich nach Vorliegen der Genehmigung überwiesen."

4. Abweisungsbescheid vom

Mit Bescheid vom wies das FA GVG den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass seitens des Finanzamtes der Bescheid ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Es wären die erforderlichen Dispositionen zu treffen gewesen, um die rechtzeitige Entrichtung sicherzustellen. Die in der Eingabe vom vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet, das Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO (mangelndes grobes Verschulden an der Säumnis) aufzuzeigen.

Missverständnisse bei der Abgabenentrichtung und damit verbunden Säumnisfolgen, bedingt durch die von der Bf. dargelegten Gründe, könnten seitens des Finanzamtes nicht bereinigt werden.

5. Beschwerde

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, in der folgendes eingewandt wurde:

"Es ist zwar richtig, dass der Grunderwerbsteuerbescheid am ordnungsgemäß zugestellt wurde und rechtzeitig entrichtet hätte werden können.

Der Vertragsverfasser und Bevollmächtigte, Herr Notar NOTAR, hat hievon jedoch keine Kenntnis erhalten, da ihm vom Finanzamt der Grunderwerbsteuerbescheid nicht zugestellt wurde und er daher keine Möglichkeit hatte, die von Herrn GF auf seinem Treuhandkonto bereits hinterlegte Grunderwerbsteuer an das Finanzamt zu überweisen. Herr Notar NOTAR ging daher davon aus, dass die Vorschreibung erst nach Rechtskraft erfolgen und die Grunderwerbsteuer erst dann fällig werden würde.

Herr GF war sich dieser Problematik nicht bewusst und hat den Vertragsverfasser, Herrn Notar NOTAR, von der an ihn erfolgten Vorschreibung der Grunderwerbsteuer nicht verständigt.

Die Steuerschuld war zu diesem Zeitpunkt gem. § 8 Abs. 2 GrestG noch nicht entstanden, da die Genehmigung nach dem Kärntner Grundverkehrsgesetz noch nicht vorlag. Die Genehmigung erfolgte erst mit Bescheid vom und wurde dadurch das Rechtsgeschäft erst rechtswirksam. Unverzüglich nach Genehmigung wurde die Grunderwerbsteuer und auch der Säumniszuschlag überwiesen.

Es kann kein grobes Verschulden sein, wenn er die Grunderwerbsteuer bereits auf das vom Vertragsverfasser für das Finanzamt geführte Konto überwiesen hat.

Wie soll Herr GF wissen, dass der Vertragsverfasser nicht verständigt wird.

Es ist auch unverständlich, warum der Vertragsverfasser vom Finanzamt von der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer nicht verständigt worden ist. Dann wäre nämlich von ihm die bereits auf seinem Notaranderkonto hinterlegte Grunderwerbsteuer rechtzeitig an das Finanzamt überwiesen worden und es hätte nicht zu diesem Missverständnis kommen können.

Der Säumniszuschlag kann aufgrund dieses geringen Verschuldens, eher Missverständnisses nicht zu Recht vorgeschrieben worden sein."

6. BVE

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA GVG die Beschwerde als unbegründet ab. Die Begründung lautet wie folgt:

"Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 Bundesabgabenordnung Säumniszuschläge zu entrichten. Die Säumniszuschlagsverpflichtung hat Formalschuldcharakter. Für das Entstehen der Säumniszuschlagspflicht ist allein maßgeblich, ob die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Es wird eine formelle Abgabenzahlungsschuld vorausgesetzt und es ist weder die Rechtskraft des Stammabgabenbescheides noch die sachliche Richtigkeit der zu Grunde liegenden Abgabenfestsetzung nötig.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Das Fehlen eines groben Verschuldens führt nur dann zur Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages, wenn das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung vom Begünstigungswerber im Rahmen der ihm obliegenden erhöhten Behauptungs- und Beweislast initiativ und unter Ausschluss jeglichen Zweifels dargelegt wird.

Die mit Bescheid vom vorgeschriebene Grunderwerbsteuer für den Zeitraum 06/2017 in Höhe von € 12.787,25, die mit fällig wurde, wurde erst verspätet am entrichtet, sodass die Säumniszuschlagsvorschreibung als objektive Säumnisfolge grundsätzlich zu Recht erfolgte.

Ein grobes Verschulden am Eintritt der Säumnis im Sinn des § 217 Abs. 7 BAO ist dann anzunehmen, wenn die für die Einhaltung von Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wenn also eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung vorliegt. Eine solche auffallende Sorglosigkeit liegt dann vor, wenn ganz einfache und nahe liegende Überlegungen, wie z.B. das Einholen von Erkundigungen betreffend die Entrichtung der zugestellten Grunderwerbsteuervorschreibung beim Vertragsverfasser oder bei dem Finanzamt, nicht angestellt wurden.

Da die Voraussetzungen für eine Nichtfestsetzung der Säumniszuschläge gemäß § 217 Abs. 7 Bundesabgabenordnung in diesem Fall nicht vorliegen, musste Ihrer Beschwerde der Erfolg versagt werden."

7. Vorlageantrag

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde ans Bundesfinanzgericht betonte der Bf. abermals, dass es sich nur um ein geringes Verschulden, eher Missverständnis gehandelt habe, welches vom Finanzamt mitverursacht worden sei, da der Vertragsverfasser von der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer nicht verständigt wurde.

8. Vorlage der Beschwerde ans BFG

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt. Dabei gab das FA GVG noch eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung mit dem Antrag auf Abweisung. Im Übrigen wird ausgeführt, dass sich die Fälligkeit klar aus dem nicht angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid ergibt und gerade, wenn wie angeführt bereits die GrESt beim Notar hinterlegt worden ist, eine Abstimmung der Zahlung zwischen der Abgabepflichtigen und dem Vertreter zu erwarten wäre, was offenbar unterblieben ist. Eine Zustellung des Abgabenbescheides oder (zusätzliche) Information an den Notar, war nach dem Inhalt des angezeigten Kaufvertrags nicht notwendig oder möglich, zumal dort auch noch keine Zustellungsvollmacht ersichtlich wäre. Die Zustellung des Abgabenfestsetzungsbescheides hatte daher zwingend wie erfolgt an die Gesellschaft selbst (zu Handen des Geschäftsführers) zu erfolgen."

9. Ermittlungen des BFG

Vom BFG wurde Beweis erhoben  durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Aktenteile sowie eine Abfrage bei FINANZONLINE zu ErfNr***.

II. Sachverhalt

Mit Kaufvertrag vom erwarb die EMA Beratungs- und HandelsgmbH (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) im Kaufvertrag näher bezeichnete Grundstücke um einen Kaufpreis von € 365.350,00. Im Punkt 7. des Kaufvertrages wurde festgehalten, dass der Kaufvertrag eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung und einer Genehmigung durch die Agrarbezirksbehörde bedarf. Die genannten behördlichen Genehmigungen wurden am und am erteilt. Im Punkt 8.2 des Kaufvertrages verpflichtete sich die Bf. die Grunderwerbsteuer und die gerichtliche Eintragungsgebühr unverzüglich über Aufforderung beim Urkundenverfasser zu hinterlegen.

Am wurden die Daten des gegenständlichen Erwerbsvorganges vom Urkundenverfasser Notar NOTAR bei FINANZONLINE angelegt und am sodann die Abgabenerklärung elektronisch beim FA GVG angezeigt. In der elektronischen Grunderwerbsteuererklärung wurde auf Grund eines Versehens der sowohl als Vertragsdatum als auch als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld erklärt, obwohl noch nicht alle Genehmigungen vorlagen. Mit der Abgabenerklärung wurde dem FA GVG der Zugriffscode zu der im Urkundenarchiv gespeicherten Vertragsurkunde bekannt gegeben. Die dort gespeicherte beglaubigte Kopie des Vertrages enthält eine Bestätigung der Agrarbehörde vom , dass die agrarbehördliche Genehmigung erteilt und in Rechtskraft erwachsen ist.

Vom Notar erfolgte im Zuge der Einreichung der Abgabenerklärung mittels FINANZONLINE keine elektronische Anmerkung über das Vorliegen einer Zustellvollmacht. Auch der Kaufvertrag enthält keinen Hinweis auf das Bestehen eines Vollmachtverhältnisses und wurde dem Finanzamt von Seiten der Bf., ihres Geschäftsführers oder des Notars auch sonst nicht in irgendeiner anderen Form vor der Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides bekanntgegeben, dass eine Zustellvollmacht vorliegt und nahm deshalb das FA GVG die Zustellung des Bescheids an die Bf zu Handen ihres Geschäftsführers, Herrn GF, vor.

Bei Erhalt des Grunderwerbsteuerbescheides verständigte der Geschäftsführer der Bf. den Notar nicht, weil er davon ausging, dass seitens des Finanzamtes eine Verständigung des Notars erfolgen werde. Eine Zahlung an das Finanzamt wurde vom Geschäftsführer nicht veranlasst, weil er den Grunderwerbsteuerbetrag bereits vor Erhalt des Grunderwerbsteuerbescheides auf einem Notaranderkonto hinterlegt hatte und er davon ausging, dass der Notar für die die fristgerechte Entrichtung der Grunderwerbsteuer ans FA GVG sorgen werde. Der Notar wiederrum rechnete nicht damit, dass bereits vor Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eine Bescheiderlassung erfolgen könnte und dadurch die Grunderwerbsteuer noch vor der Rechtswirksamkeit des Vertrages fällig werden könnte.

III. Beweiswürdigung

Diese Sachverhaltsfeststellungen konnten auf Grund der eingesehen Unterlagen (die vom FA GVG elektronisch übermittelten Aktenteile und Abfrage bei FINANZONLINE) und dem damit übereinstimmenden Ausführungen der Bf. in ihren Schriftsätzen getroffenen werden. Der geschilderte Geschehensablauf erscheint glaubhaft und ist nachvollziehbar.

IV. Rechtslage und Erwägungen:

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist

Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht die Steuerschuld gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG 1987 erst mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Wirksamkeit des Kaufvertrages von zwei Genehmigungen (agrarbehördliche und grundverkehrsbehördliche Genehmigung) abhängig war und dass die zweite Genehmigung erst am erteilt wurde. Die Grunderwerbsteuerschuld ist daher erst am entstanden.

Der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgänge sind nach § 10 Abs. 1 GrEStG bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat zweitfolgenden Monats, in dem die Steuerschuld entstanden ist, mit einer Abgabenerklärung beim Finanzamt anzuzeigen.

Nach § 11 Abs. 1 GrEStG sind Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 GrEStG befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung erfolgt.

Nach § 210 Abs. 1 BAO werden Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des Abgabenbescheides fällig.

Das Grunderwerbsteuergesetz sieht nur für den Fall, dass von der Befugnis zur Selbstberechnung Gebrauch gemacht wird, in § 13 Abs. 1 GrEStG eine besondere Regelung für die Fälligkeit der Abgabe vor.

Nach § 13 Abs. 1 GrEStG haben Parteienvertreter für Rechtsvorgänge, für die sie eine Selbstberechnung vornehmen, spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Anmeldungszeitraum), in dem die Selbstberechnung erfolgt, zweitfolgenden Kalendermonats eine Anmeldung über die selbstberechneten Rechtsvorgänge beim Finanzamt vorzulegen.

Nach § 13 Abs. 3 GrEStG ist die selbstberechnete Steuer spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Im Fall der Anzeige des Erwerbsvorganges mittels Abgabenerklärung wird hingen die Grunderwerbsteuer nach der Regel des § 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des Abgabenbescheides fällig.

Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch idR den Zeitpunkt der Fälligkeit zu enthalten. Der im Bescheid angegebenen Fälligkeitstag ist auch dann maßgebend, wenn er von dem Tag abweicht, der sich aus § 210 Abs. 1 BAO ergeben würde (sieh dazu Ritz, BAO6, Rz 2 zu § 210 BAO).

Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall mit der Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung am die Grunderwerbsteuerschuld entstanden ist und somit bis zum die Befugnis bestanden hätte, eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durchzuführen und wäre diesfalls die Abgabe bis zum 15. Tag des auf den Anmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten gewesen (dh bei Durchführung der Selbstberechnung erst zwischen 1. und wäre erst am eine Fälligkeit der Grunderwerbsteuer eingetreten).

Für den gegenständlichen Erwerbsvorgang wurde jedoch von der Möglichkeit der Selbstberechnung nicht Gebrauch gemacht und ist daher auf Grund der allgemeinen Regel des § 210 Abs. 1 BAO die Fälligkeit der Grunderwerbsteuer einen Monat ab Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheides eingetreten.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte zu Recht direkt an die Bf. (zu Handen dessen Geschäftsführer) und nicht an den Notar, da dem Finanzamt nicht mitgeteilt worden war, dass eine Zustellvollmacht vorliegt.

Nach der Ständigen Judikatur des VwGH sind Vollmachten für die Abgabenbehörden erst bedeutsam, wenn sie ihr bekannt sind (vgl. ua ; vwGh , 2000/13/0135). Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl ua ).

Der Vorwurf der Bf., dass das Missverständnis vom FA GVG mitverursacht worden sei, weil es den Notar nicht verständigt hat, geht daher ins Leere. 

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom enthält im Spruch eine Angabe über die Fälligkeit am , weshalb die Grunderwerbsteuer bis zu diesem Tag - auch wenn zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Fehlens der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung noch keine Grunderwerbsteuerschuld entstanden war - zu entrichten war.

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.

§ 217 Abs 1 BAO stellt nicht eine Schadenersatzregelung betreffend den Schaden des Abgabengläubigers aus einer verspäteten Abgabenentrichtung dar. Die Regelung bezweckt vielmehr die im Interesse einer ordnungsgemäßen Finanzgebarung unabdingbare Sicherstellung der pünktlichen Tilgung von Abgabenschulden (vgl. ua. ).

Die Festsetzung von Säumniszuschlägen, welche eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht sind, setzt (lediglich) den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraus (vgl ua.

Das Vorliegen eines - objektiv gesehen - Zahlungsverzuges ist hier unbestritten und ist der Bescheid über die Festsetzung des ersten Säumniszuschlage auch in Rechtskraft erwachsen.

Die im gegenständlichen Verfahren begehrte Aufhebung der Festsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO setzt voraus, dass die Bf. kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. ua. ).

Ein Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten. Das gilt nicht nur für Parteienvertreter selbst, sondern auch für Organe juristischer Personen, die zur Vertretung der Gesellschaft berufen sind (vgl. ).

(Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. ua. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Büroorganisation dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation zu entsprechen. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind (vgl. ).

Zu berücksichtigen ist, dass Umstände wie "Vergessen", "Verlegen" oder "Übersehen" nicht nur besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen passieren, sondern im Bereich des durchschnittlichen Maßes der Fahrlässigkeit liegen. Bei der Beurteilung ist jedoch immer auch auf die Schwere und Häufigkeit der Unachtsamkeit Rücksicht zu nehmen (vgl. ua -G/03).

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an (vgl. ua . ).

Im gegenständlichen Fall war die Ursache für die Säumnis eine Verkettung von Missverständnissen und Versehen.

Bei der Einreichung der Abgabenerklärung durch den Notar wurde übersehen, dass noch nicht alle Genehmigungen vorliegen und daher noch gar keine Grunderwerbsteuerschuld entstanden ist. Dieses Versehen einer "verfrühten" Abgabenerklärung kann auch sorgfältigen Menschen unterlaufen und bewirkt per se keine Verzögerungen bei der Abgabenentrichtung.

Es ist nachvollziehbar, dass der Geschäftsführer der Bf. der Meinung war, dass die Bezahlung der Grunderwerbsteuer ans Finanzamt erst bei Vorliegen aller Genehmigungen zu erfolgen hat. Dazu kommt, dass er den Grunderwerbsteuerbetrag bereits beim Vertragserrichter hinterlegt hatte. Dem Geschäftsführer der Bf. vorzuwerfen ist im vorliegenden Fall im Wesentlichen nur, dass er bei Erhalt des Grunderwerbsteuerbescheides, in dem die Fälligkeit mit ausdrücklich angeführt ist, nicht mit dem Notar Kontakt aufgenommen hat. Bei einer rechtzeitigen Kontaktausnahme hätte neben der rechtzeitigen Überweisung des hinterlegten Grunderwerbsteuerbetrages ans Finanzamt auch noch die Möglichkeit bestanden durch eine Beschwerde gegen den Grunderwerbsteuerbescheid eine Säumnis zu vermeiden. Dass die Bf. trotz fehlender Genehmigung kein Rechtsmittel gegen den Grunderwerbsteuerbescheid erhoben hat, zeigt zwar, dass die Säumnis durch bessere Kommunikation vermieden werden hätte können. Die unterlaufenen Fehler und Missverständnisse sind jedoch nicht als auffallende Sorglosigkeit einzustufen. Für eine Stattgabe des Antrages nach § 217 BAO spricht im vorliegenden Fall insbesondere der Sinn und Zweck des Säumniszuschlages als Druckmittel für eine rechtzeitige Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht zumal im gegenständlichen Fall die Steuerschuld erst am entstanden ist und die Entrichtung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung bzw. die Durchführung einer Selbstberechnung erfolgt ist.

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der festgesetzte Säumniszuschlag antragsgemäß aufzuheben.

V. Zur Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, ins­be­sondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als unzulässig zu erklären, da keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Das Bundesfinanzgericht konnte sich auf die bestehende und in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 8 Abs. 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 210 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7100022.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at