Wiederaufnahme auf Antrag unter Bezugnahme auf einen Erlass des BMF
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom stellt die bf. Gemeinde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für den Umsatzsteuerbescheid 2012 und führte aus, sie habe in den Jahren 2010 und 2012 eine Photovoltaikanlage am gemeindeeigenen Objekt K. und eine weitere Anlage im Jahr 2014 auf dem ebenfalls im ihrem Besitz stehenden Objekt O. errichtet.
Beide Photovoltaikanlagen seien sogenannte „Volleinspeiser", wobei in allen Jahren das Kriterium des „wirtschaftlichen Gewichtes" für das Bestehen eines Betriebes gewerblicher Art gem. § 2 KStG und zwar jährliche Einnahmen von mindestens € 2.900 netto gegeben sei.
Umsatzsteuerrechtlich gehe für „Volleinspeiser" die Steuerschuld auf das Energieversorgungsunternehmen über („Reverse Charge"), das ist im Falle der Bf. die Ö. AG in Wien.
Gemäß dem , BMF - 010219/0488 - VI/4/2013, BMF-AV Nr. 8/2014 gültig ab , steht der Bf. von den Aufwendungen und somit von den Errichtungskosten der volle Vorsteuerabzug zu, sofern die Eingangsfakturen die Merkmale des § 11 UStG aufweisen.
a) Photovoltaikanlage K.
Von den Errichtungskosten im Jahr 2010 - 1. Bauabschnitt i.H.v. € 50.095,22 brutto wurde keine Vorsteuer in Abzug gebracht, ebenso nicht von den Errichtungskosten im Jahr 2012 - 2. Bauabschnitt i.H.v. € 34.069,50. Diese Vorsteuern daraus ergeben für 2010 € 8.439,20 und für 2012 € 5.678,25.
Die bf. Gemeinde stellt daher für die bisher nicht geltend gemachten Vorsteuern den Antrag gem. § 303 BAO den Umsatzsteuerbescheid 2012 wieder aufzunehmen und mit diesem Bescheid aus verwaltungsökonomischen Erwägungen heraus sowohl die Vorsteuern des Jahres 2010 von € 8.439,20 als auch jene des Jahres 2012 von € 5.678,25 zu gewähren. Kann dem nicht entsprochen werden, beziehe sich der Antrag nach § 303 BAO auch auf den Umsatzsteuerbescheid 2010.
b) Photovoltaikanlage O.: Von den Errichtungskosten für diese Anlage wurden die Vorsteuern bereits im Jahr 2014 geltend gemacht.
Am wurde von der belangten Behörde ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag für eine Außenprüfung hinsichtlich der Umsatz- und Körperschaftsteuer 2010-2012 erlassen.
Im abgefassten Bericht über die Außenprüfung vom vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass hinreichende Wiederaufnahmegründe hinsichtlich des gestellten Antrages nicht gegeben seien, weil zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges das Reverse Charge System (Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger) auf betrugsanfällige Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen erweitert worden seien. Dazu wurde eine Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung (UStBBKV, BGBl. I Nr. 369/2013) ab 2014 erlassen. Betreffend die Lieferung von Gas und Elektrizität nach § 1 Z 2 der Verordnung sei zu beachten, dass die Einspeisung von erzeugtem Strom (z.B. mit einer Photovoltaikanlage) ins öffentliche Netz ab erfasst sei und es zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger käme. Diese Verordnung sei auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt würden. Eine Übergangsregel gäbe es nicht. Bei der Rechnungslegung sei zu beachten, dass ein Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger enthalten sein müsse. Im Falle der vorgelegten Belege (Gutschriften der Ö. AG) gebe es keinen Hinweis auf Reverse Charge.
Der am erlassene angefochtene Bescheid verwies u.a. auf den vorhin erwähnten Außenprüfungsbericht und führte unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 303 Abs. 1 lit. b. BAO aus, dem Antrag auf Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens sei (nur) stattzugeben, wenn Tatsachen und Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde führte die bf. Gemeinde aus, mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für den Umsatzsteuerbescheid 2012 habe sie auf die Unternehmereigenschaft der Photovoltaikanlage im Sinne des § 2 KStG verwiesen, im Wesentlichen gestützt auf das Kriterium des „wirtschaftlichen Gewichts", was von der Bf. erfüllt wurde bzw. wird. Mit dieser Unternehmereigenschaft gem. § 2 KStG ist auch die Unternehmereigenschaft gem. § 2 Abs. 3 UStG verknüpft, was zur Folge habe, dass die Einnahmen der Umsatzsteuer unterliegen - in diesem Fall 20% - im Gegenzug aber der Vorsteuerabzug zulässig sei.
In Bezug auf die Unternehmereigenschaft von Betrieben gewerblicher Art (BgA) von Körperschaften öffentlichen Rechts könne diese Verordnung aber keinerlei Wirkung ausüben, sie besage lediglich, dass bis Ende 2013 die Umsatzsteuer bei Lieferungen von elektrischer Energie an ein Unternehmen - wie im Falle der Photovoltaikanlage - in Höhe von 20% abzuführen gewesen wäre.
Dazu verweise sie auf den bereits im Antrag erwähnten Erlass Pkt. 2.1.3. betr. BgA. Umfasst davon seien die sogenannten „Volleinspeiser“, wie dies auch auf die Photovoltaikanlagen der Bf. zutreffe. Dem folgend ergebe sich zwingend, dass die Photovoltaikanlage der Bf. Unternehmereigenschaft nach dem KStG, somit auch nach dem UStG besitze. Dass dieser Erlass erst ab gelte, ändere nichts an der Tatsache, dass dieser Erlass nicht die allgemeinen Grundsätze für das Begründen oder Bestehen von BgA's zum Inhalt habe, sondern nur die Sonderformen von Photovoltaikanlagen und deren Zuordnung zum Umsatzsteuerrecht behandelt, mit einem ausführlichen Exkurs zu den BgA's. Aus diesen Ausführungen könne daher keinesfalls eine Unterscheidung der Unternehmereigenschaft von Photovoltaikanlagen nach § 2 KStG bzw. § 3 Abs. 2 UStG vor bzw. ab abgeleitet werden.
So gesehen haben auch die Lieferverträge einer Gemeinde mit der Ö. AG über die Abnahme und Vergütung von Ökostrom, in der als Steuertyp „0%“ vermerkt sei, keine umsatzsteuerrechtliche Relevanz, als einerseits mit dem Begriff Steuertyp „0%" keine Aussage über eine allfällige Steuerpflicht getroffen werden könne (ausgenommen für z.B. Photovoltaikanlagen für Eigenheime im Sinne des BMF - 010203/0452-VI/6/2013) und andererseits ganz allgemein betrachtet, eine Steuerbefreiung niemals als Vertragsgegenstand zwischen einem Leistungserbringer und einem Leistungsempfänger zulässig wäre, wenn sich weder aus dem Umsatzsteuergesetz, noch aus der zitierten Verordnung, noch auch aus den angeführten Erlässen eine Steuerbefreiung ableiten lässt, sondern lediglich ab das reserve-charge-system gelte und die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht. Daraus folge, dass für eine Photovoltaikanlage, die die Voraussetzungen als BgA erfülle, der Vorsteuerabzug sowohl vor dem als auch nach dem zulässig sei.
Somit unterliegen im Gegenzug aber auch die bisher erzielten Leistungserlöse (Ö. AG- Gutschriften) bis der Umsatzsteuer, mit dem Regelsteuersatz von 20%, die wie folgt nachgemeldet werden und im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens aufzunehmen seien.
An Leistungsentgelten wurden für die Photovoltaikanlage Gutschriften 2010-2013 von der Ö. AG von insgesamt € 19.850,60 (brutto) angewiesen. Die abzuführende Leistungsumsatzsteuer betrage insgesamt € 3.308,43.
Bezüglich der Wiederaufnahme des Verfahrens verwies sie auf den bereits eingebrachten Antrag, in dem sie aus verwaltungsökonomischen Erwägungen vorgeschlagen habe, die Vorsteuern in Summe im Wiederaufnahmebescheid 2012 aufzunehmen.
Durch die Einbeziehung der Leistungsentgelte des Jahres 2013 in die Umsatzsteuer sollten daher die noch zu versteuernden vereinnahmten Gutschriften von der Ö. AG für die Jahre 2010 bis 2013 sowie die bereits beantragten Vorsteuern in den Wiederaufnahmebescheid 2013 und nicht wie ursprünglich beantragt im Jahr 2012 aufgenommen werden.
Mit Beschwerdevorentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde - gleichlautend wie im angefochtenen Bescheid - als unbegründet ab.
In ihrem Vorlageantrag verwies die Bf. im Wesentlichen auf die in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Entsprechend dem Sachvorbringen betrieb die die Bf. in den Jahren 2010 ff eine Photovoltaikanlage. Aus den Aufwendungen sind entsprechende Vorsteuern in Rechnung gestellt worden. Diese Umstände waren ihr vor Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2010 vom sowie des Umsatzsteuerbescheides 2012 vom auch bekannt.
In ihrem Antrag und ihrer Beschwerde nimmt sie ausdrücklich Bezug auf den , BMF - 010219/0488 - VI/4/2013, BMF-AV Nr. 8/2014 gültig ab , was darauf schließen lässt, dass sie ihre abgabenrechtliche Gestion des Betriebes des Photovoltaikanlage nunmehr auf Punkt 2.1.2. des zit. Erlasses stützt.
Die belangte Behörde wiederum stützt ihre Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens auf das mit BGBl. II Nr. 369/2013 eingeführte Reverse Charge System für Energielieferungen an Wiederverkäufer von Strom.
Gemäß der Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit b BAO ist die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens dann zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorkommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte („Neuerungstatbestand“).
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass den Wiederaufnahmsgrund bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei bestimmt. Sie gibt im Wiederaufnahmeantrag an, aus welchen Gründen sie eine Wiederaufnahme des Verfahrens als notwendig erachtet (Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 303 Anm. 3).
Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist das Neuhervorkommen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (, Rzeszut, SWK 2017, 396; Sutter, AnwBl 2017, 45). Nach dem , ist die Rechtsfrage zur Bedeutung des Kenntnisstandes der Parteien im Erkenntnis vom , 2014/15/0058, bereits beantwortet, sodass keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG mehr vorliege.
Nach Fischerlehner (Abgabenverfahren2, § 303 Anm. 6; aM Ehrke/Rabel in Ritz-FS, 29 ff; Ritz, ÖStZ 2014, 437; Rzeszut, SWK 2014, 1273; oV, RWP 2015, 25; vgl zu dieser Frage auch Papst, ÖStZ 2015, 345) bilden Umstände, die der Partei (§ 78) bekannt waren, keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei.
Schließlich ist auch noch zu erwähnen, dass sich die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des geltend gemachten, offengelegt gewesenen oder sonst bekannt gewesenen Sachverhalts oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung – gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege einer Wiederaufnahme beseitigen lassen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2921, mwN). Somit sind etwa neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen keine ausreichenden Wiederaufnahmsgründe (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 23, mwN).
Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. ).
Mit Erkenntnis vom , 96/15/0148, führte der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich unter Hinweis auf sowie die dort zitierte Vorjudikatur aus, dass unter Tatsachen im Sinne des § 303 BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften, zu verstehen seien. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis (Erlässe des BMF) oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden würden - seien keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - ließen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen.
Im gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurden lediglich neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des unverändert feststehenden Sachverhaltes ins Treffen geführt. Dezidiert neue Tatsachen im Sinn der im vorigen Absatz geschilderten Rechtsprechung brachte die Bf. weder in diesem Wiederaufnahmeantrag noch in ihrer Beschwerde vor.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.2100688.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at