Eine nicht parifizierte Wohnung stellt keine "Eigentumswohnung" iSd § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 dar (Hauptwohnsitzbefreiung).
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2783/2018 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Vorsitzenden Mag. Albert Salzmann und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Ralf Schatzl, C und D, im Beisein des Schriftführers G, in der Beschwerdesache XY, vertreten durch Z, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Stadt vom betreffend Einkommensteuer für 2015 in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
bisheriger Verfahrensverlauf
Vom bis zum (Schlussbesprechung gem § 149 Abs 1 BAO) hat das Finanzamt Salzburg Stadt (FA) bei der beschwerdeführenden Partei (bP) ein Außenprüfungsverfahren gem § 147 BAO iVm § 99 FinStrG durchgeführt.
Im über die Außenprüfung erstellten Bericht vom wurde für den Nachschauzeitraum unter Tz 12 "Private Grundstücksveräußerung" der beschwerdegegenständliche Sachverhalt vom FA im Wesentlichen wie folgt festgestellt:
Die bP hat einen am erworbenen Liegenschaftsanteil am veräußert und im Kaufvertrag für den gesamten Liegenschaftsanteil die Hauptwohnsitzbefreiung gem § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 geltend gemacht. Bei diesem Liegenschaftsanteil handelt es sich um ein nicht parifiziertes Stockwerk der Liegenschaft GG). In diesem Stockwerk befanden sich zum Zeitpunkt der Veräußerung vier Wohneinheiten, von denen eine von der bP als Hauptwohnsitz genutzt wurde und die anderen drei Wohneinheiten als Ferienwohnungen vermietet wurden.
In der genannten Tz führt das FA ua aus, dass von der Besteuerung gem § 30 EStG 1988 nur Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen ausgenommen seien, wenn diese dem Veräußerer als Hauptwohnsitz gedient hätten. Nachdem beim Verkauf weder ein Eigenheim noch eine Eigentumswohnung (§ 18 EStG, Nutzwertfeststellung - Parifizierung) vorliege, sei der Veräußerungserlös in voller Höhe steuerpflichtig.
Am hat die bP die Einkommensteuererklärung für 2015 beim FA mittels FinanzOnline eingebracht. In dieser Erklärung wird die Steuerbefreiung für die von der bP als Hauptwohnsitz genutzte Wohneinheit beantragt.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für 2015 vom ist das FA von der Steuererklärung abgewichen, indem die beantragte Hauptwohnsitzbefreiung nicht zuerkannt wurde. Als Begründung wurde auf die Tz 12 des Berichtes über die Außenprüfung vom verwiesen.
Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom hat die bP Beschwerde gegen diesen Einkommensteuerbescheid Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen führt der steuerliche Vertreter in diesem Schriftsatz aus, dass mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 im § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 der Verweis auf das Wohnungseigentumgsgesetz 2002 WEG entfallen sei und sohin im Sinne einer Gleichbehandlung (Arg.: vergleichbare ausländische Wohnungen) auch inländische Wohnungen, welche durch eine bauliche Abgeschlossenheit geprägt seien und bei denen ein ausschließliches Nutzungs- bzw Verfügungsrecht gegeben sei, von der Wohnsitzbefreiung des § 30 Abs 2 EStG 1988 umfasst seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom weist das FA die Beschwerde als unbegründet ab und begründet dies im Wesentlichen mit den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 sowie mit der historischen Entwicklung der Hauptwohnsitzbefreiung. Da sohin die von der bP als Hauptwohnsitz genutzte, nicht parifizierte Wohnung nicht als Eigenheim oder Eigentumswohnung im Sinne des § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 zu beurteilen sei, stehe die beantragte Hauptwohnsitzbefreitung gem § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 nicht zu.
Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt (Vorlageantrag). Im Schriftsatz wird die Argumentation der Beschwerde wiederholt und vertieft, wobei darauf hingewiesen wird, dass die streng formale Anknüpfung bei inländischen Wohnungen an die Voraussetzungen des WEG zu unsachlichen Ergebnisse führe.
Insbesondere müsse vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und der europarechtlichen Grundfreiheiten des AEUV (Anm.: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäsichen Union) eine Gleichbehandlung von in- und ausländischen Wohnungen Platz greifen, wenn bei baulicher Abgeschlossenheit auch das Recht vorliege, diese Wohnung ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Dieses ausschließlich Nutzungs- und Verfügungsrecht könne auch auf einer schuldrechtlicher Grundlage beruhen (zB Miteigentum nach ausländischen Rechtsvorschriften verbunden mit einer schuldrechtlichen Benutzungsregelung).
Abschließend wird vom steuerlichen Vertreter darauf hingewiesen, dass die potentielle Schlechterstellung von inländischen gegenüber ausländischen Wohnungen durch eine im Zusammenhang mit Eigentumswohnungen von Lehre, Verwaltung und Rechtsprechung durchaus vertretene wirtschaftliche Betrachtungsweise verhindert werden könne.
Am hat das FA die Beschwerde elektronisch dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.
Am hat das BFG die von der bP beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat durchgeführt. Die Verfahrensparteien haben in der mündlichen Verhandlung ihre bisherigen Vorbringen wiederholt. Darüber hinaus hat der Vertreter der bP ausgeführt, dass nach dem Sinn der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen der Erlös aus der Veräußerung eines Hauptwohnsitzes zur Gänze zur Anschaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehen solle. Auch spreche die europarechtlich gewährleistete Gleichbehandlung von in- und ausländischen Grundstücken dafür, dass eine Schlechterstellung von inländischen Grundstücken europarechtswidrig sei.
Nach Beendigung des Beweisverfahrens und erfolgter Beratung des Senates hat der Vorsitzende das vorliegende Erkenntnis verkündet und die wesentlichen Entscheidungsgründe dargelegt.
festgestellter Sachverhalt
Die bP hat am einen ideellen 2/12-Anteil an der Liegenschaft GG von der Voreigentümerin J käuflich erworben. Für das Gesamtgebäude gibt es ein Nutzungsübereinkommen vom , welches zwischen der Voreigentümerin J und den anderen damaligen Eigentümern des Gebäudes abgeschlossen wurde. Im genannten Übereinkommen wurde Voreigentümerin J das alleinige Benutzungsrecht für die Räumlichkeiten im vierten Obergeschoss eingeräumt. In diesem Stockwerk haben sich zum Zeitpunkt der Veräußerung vier getrennte und nicht parifizierte Wohneinheiten befunden. Mit dem Kaufvertrag vom wurde die Rechtsposition von Voreigentümerin J auf die bP übertragen.
Am hat die bP den ideellen 2/12-Anteil an H veräußert. Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung wurde eine Wohneinheit von bP als Hauptwohnsitz genutzt und die weiteren drei Wohneinheiten von ihr als Ferienwohnungen vermietet.
Rechtslage
§ 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 idFv lautet:
"§ 18 (1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:
1. ....
2. ....
3. ....
a. ....
b. .... Eigenheim ist ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn
mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken
dienen. Das Eigenheim kann auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen
stehen. Das Eigenheim kann auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden
sein. Eine Eigentumswohnung muss mindestens zu zwei Dritteln der
Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen. ...."
§ 30 Abs 1 und 2 EStG 1988 idFv lauten:
"§ 30 (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:
1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und
Boden (§ 18 Abs 1 Z 3 lit b), wenn sie dem Veräußerer
a) ....
b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre
durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben
wird.
2. ...."
Das Bundesfinanzgericht hat dazu erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, den Ausführungen im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und ist unstrittig. Weiter unstrittig ist die Berechnung der Abgabenbemessungsgrundlagen in Bezug auf die streitgegenständlichen Immobilienertragbesteuerung für 2015 (Beilage 4 des Berichtes über das Außenprüfungsverfahren vom ).
Strittig ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob der anteilige Verkaufserlös, welcher auf jene Wohneinheit entfällt, den die bP bis zur Veräußerung als Hauptwohnsitz genutzt hat, gem § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 steuerbefreit ist (Hauptwohnsitzbefreiung).
In der gegenständlichen Beschwerdesache wird die Hauptwohnsitzbefreitung für eine von vier im ideellen Eigentum der bP befindlichen Wohnungen eines nicht parifizierten Gebäudes begehrt. Da es sich jedenfalls um ein Gebäude mit mehr als zwei Wohneinheiten handelt, sind die Voraussetzungen für ein "Eigenheim" im Sinne des § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 nicht erfüllt. Somit verbleibt ausschließlich die mögliche Steuerbefreiung als "Eigentumswohnung".
Der Begriff der "Eigentumswohnung" ist nach allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch dahin auszulegen, dass es sich um eine Wohnung handelt, an der Wohnungseigentum begründet wurde. Dass der Begriff "Eigentumswohnung" auch nach dem EStG 1988 in diesem Sinne zu verstehen war, ergab sich ausdrücklich aus § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 ("Wohnung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes 2002"). Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 (981 BlgNR 24. GP 114) ergibt sich, dass sich nach der Absicht des Gesetzgebers an dem bisherigen Begriffsverständnis bezogen auf österreichische Wohnungen nichts ändern sollte.
Den von der bP vorgebrachten Überlegungen im Zusammenhang mit dem Entfall des Verweises auf das Wohnungseigentumsgesetzes in § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I Nr 111/2010) sowie den Ausführungen zur verfassungsrechtlich und europarechtlich gebotenen Gleichbehandlung von in- und ausländischen Grundstücken ist zu entgegnen, dass nach dem klaren Wortlaut der Regelung, die mit der aus dem Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 iVm jenem zum 1. Stabilitätsgesetz 2012 (BGBl I Nr 22/2012) hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers übereinstimmt, sich die Befreiungsbestimmung (betreffend Wohnungen in Österreich) nur auf Wohnungen bezieht, an denen Wohnungseigentum begründet wurde. Eine von vier nicht parifizierten Wohnungen in einem Stockwerk eines mehrstöckigen Gebäudes, die vom ideellen Miteigentümer des Gesamtgebäudes als Hauptwohnsitz benützt wird, fällt nicht unter diesen Begriff. Daran vermag das Vorliegen einer zivilrechtlichen Benützungsvereinbarung der Voreigentümerin nichts zu ändern.
Es kann dem Gesetzgeber, der auch bei Vorliegen eines Eigenheims Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen nicht von der Hauptwohnsitzbefreiung umfasst sehen will, nicht zugesonnen werden, einen Fall wie den vorliegenden nicht mitbedacht zu haben ().
Bedenken hinsichtlich eines eventuell vorliegenden Verstoßes gegen den Gleichheitssatz sind dem BFG im Hinblick auf die Ausführung des Verfassungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom (E 3279/2016) zu einem gleichgelagerten Fall nicht entstanden. In diesem Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, die Beschwerde rüge die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Soweit diese Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde (§ 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988), lasse das Vorbringen vor dem Hintergrund des gleichgelagerten Beschwerdefalles die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Demzufolge war - unter Bezugnahme auf die genannten Bestimmungen - spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob die Revision zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG in Verbindung mit Art 133 Abs 9 B-VG und § 25a Abs 1 VwGG).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt ( ), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die Auslegung des Gesetzes ist unstrittig. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.6100045.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at