Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuernachforderungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Linz vom zu St.Nr. 000/0000, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma F GmbH im Ausmaß von 15.737,94 € in Anspruch genommen wurde, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
1) Veranlagungs- und Insolvenzverfahren der Gesellschaft
Mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom wurde die Firma F GmbH (FN, Primärschuldnerin) gegründet, deren alleiniger Geschäftsführer der Beschwerdeführer war.
Am langte beim Finanzamt die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2011 ein. Darin wurden Umsätze in Höhe von 372.434,82 € und Vorsteuern in Höhe von 33.411,88 € erklärt. Aus der mit Bescheid vom erklärungsgemäß durchgeführten Veranlagung der Primärschuldnerin zur Umsatzsteuer 2011 ergab sich eine Nachforderung von 2.544,75 €.
Da von der Gesellschaft keine Umsatzsteuervoranmeldung für die Monate ab Juli 2012 mehr abgegeben worden waren, führte das Finanzamt eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. In der diesbezüglichen Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer erst nach mehrmaliger Aufforderung am Unterlagen für die Kalendermonate Juli 2012 bis März 2013 vorgelegt hatte. Vom Prüfer wurden die Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen betreffend den Prüfungszeitraum anhand der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ermittelt; dabei wurden auch Vorsteuern in Ansatz gebracht (Tz. 2 der Niederschrift).
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und setzte mit Bescheiden vom die einzelnen Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Juli 2012 bis März 2013 fest. Für September 2012 ergab sich eine Nachforderung von 6.526,38 €, für Oktober 2012 eine Nachforderung von 5.755,33 € und für Februar 2013 eine Nachforderung von 4.546,41 €.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. In diesem Verfahren wurden Insolvenzforderungen in Höhe von rund 500.000,00 € angemeldet.
In seinem zweiten Bericht vom führte der Insolvenzverwalter unter anderem aus, dass nach Darstellung des Beschwerdeführers durch die Insolvenz des Hauptauftraggebers der Primärschuldnerin mit einem Ausfall von ca. 94.000,00 € sowie aufgrund der schlechten Zahlungsmoral einiger weiterer Kunden eine massive Liquiditätskrise eingetreten sei. Am hätten schließlich drei ehemalige Dienstnehmer der Primärschuldnerin wegen offener Lohnansprüche die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt (Punkt 1.1.). Bereits mit Generalabtretungsvertrag vom wären sämtliche Forderungen (inkl. künftiger Forderungen) der Gesellschaft aus der betrieblichen Tätigkeit an die V-Bank abgetreten worden (Punkt 7.2.). Dem Beschwerdeführer mangle es an grundlegenden kaufmännischen Kenntnissen um ein Unternehmen zu leiten. Der Beschwerdeführer habe kein ausreichendes Rechnungswesen, Planungs- und internes Kontrollsystem gemäß § 22 GmbHG geführt und dadurch den Überblick verloren (Punkt 13.).
Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom wurde das Insolvenzverfahren mangels alle Masseforderungen deckenden Vermögens gemäß §§ 124a iVm 123a IO aufgehoben; Insolvenzforderungen konnten somit nicht bedient werden.
2) Haftungsverfahren
In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt den Beschwerdeführer darauf hin, dass bei der Gesellschaft folgende, bereits vor Insolvenzeröffnung fällig gewesene Abgaben aushaftend würden:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag |
Umsatzsteuer | 2011 | 898,88 | |
Umsatzsteuer | 09/2012 | 6.526,38 | |
Umsatzsteuer | 10/2012 | 3.863,39 | |
Umsatzsteuer | 02/2013 | 4.539,33 | |
Summe | 15.827,98 |
Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Schließlich wurde der Beschwerdeführer um Darstellung seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse ersucht.
Der Vorhalt wurde laut aktenkundigem Rückschein durch Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist: ). Der Beschwerdeführer gab dazu jedoch keine Stellungnahme ab.
Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom für die im Vorhalt dargestellten Abgabenforderungen in Anspruch, wobei sich die Umsatzsteuer 2011 zwischenzeitlich auf einen Betrag von 808,84 € vermindert hatte. Die Summe der haftungsgegenständlichen Abgaben reduzierte sich dadurch auf 15.737,94 €. In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, dass die Haftungsinanspruchnahme im Wesentlichen für Umsatzsteuern erfolgt sei, die mangels Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen erst im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt wurden. Zu den Pflichten des Vertreters gehöre auch, dass die Selbstbemessungsabgaben richtig und rechtzeitig bekanntgegeben werden. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend sei daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden. Das Finanzamt gehe insbesondere aufgrund der festgestellten Umsätze bzw. der erst mit Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgten Betriebsschließung davon aus, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeiten der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel (noch) vorhanden waren, diese aber nicht zur (zumindest anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet wurden. Im Übrigen habe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen dürfe. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten. Mit Ergänzungsersuchen vom sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden, darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Abgaben entrichtet werden. Dieses Ergänzungsersuchen sei nicht beantwortet worden. Es sei daher vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Die Geltendmachung der Haftung sei eine geeignete Maßnahme um den Abgabenausfall zu verhindern. Der Beschwerdeführer sei 47 Jahre alt und werde voraussichtlich noch etliche Jahre am Erwerbsleben teilnehmen können. Es könne daher nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Abgaben auch bei ihm uneinbringlich sein werden.
Das Finanzamt schloss dem Haftungsbescheid zu den einzelnen haftungsgegenständlichen Abgaben in einer Anlage die an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheide sowie die oben erwähnte Niederschrift über die Schlussbesprechung vom an.
Mit Schriftsätzen vom wurden die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Haftungsbescheid sowie „Berufungen“ gemäß § 248 BAO gegen die an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheide eingebracht.
In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid inhaltlich unrichtig sei. „Es mag sein“, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer seiner Verpflichtung zur Vornahme einer ordnungsgemäßen Selbstberechnung nicht nachgekommen sei. Eine Benachteiligung der Abgabenbehörde sei jedoch nicht eingetreten, da er als Geschäftsführer keine Bevorzugung anderer Gläubiger herbeigeführt habe, da aus den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln Zahlungen an andere Gläubiger, wenn überhaupt nur anteilig erfolgt seien. Darüber hinaus sei die im Wege der Schätzung vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer nicht korrekt. Er werde auch diese Bescheide mit gesondertem Rechtsmittel bekämpfen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer sei in der angegebenen Höhe zu Unrecht erfolgt und es sei auch eine anfallende Vorsteuer nicht berücksichtigt worden. Bei „ordnungsgemäßer Beurteilung“ würde sich keine Zahllast ergeben.
In den gleichlautenden Beschwerden gegen die Abgabenbescheide brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, dass die „im Wege der Schätzung“ vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuern nicht korrekt sei und auch anfallende Vorsteuern nicht berücksichtigt worden wären. Ein Großteil der „gestellten“ Rechnungen sei uneinbringlich, sodass auch eine „Wertberichtigung der Forderungen“ zu erfolgen habe. Dieser Umstand sei bei der Festsetzung der Umsatzsteuern zu berücksichtigen. Bei „ordnungsgemäßer Beurteilung“ würde sich keine Zahllast ergeben.
Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft sei es Sache des Geschäftsführers, darzulegen, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen dürfe. Den Vertreter treffe eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Die Beschwerde erschöpfe sich diesbezüglich in der lapidaren Behauptung, dass eine Benachteiligung der Abgabenbehörde nicht eingetreten sei, da aus den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln Zahlungen an andere Gläubiger, wenn überhaupt nur anteilig erfolgt seien, ohne dies in irgendeiner nachvollziehbaren Form darzustellen. Zum Einwand in der Beschwerde, dass die im Wege der Schätzung vorgenommene Festsetzung der Umsatzsteuer nicht korrekt sei, werde festgehalten, dass über die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren zu entscheiden sei.
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Auf die Ausführungen in der Beschwerde wurde verwiesen. Weitergehendes Sachvorbringen wurde nicht erstattet.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten und oben zitierten Aktenteilen, dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den Eintragungen im Firmenbuch, der Ediktsdatei sowie dem Abgabeninformationssystem.
Rechtslage und Erwägungen
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
1) Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob (und in welchem Umfang) ein Abgabenanspruch gegeben ist, nur dann als Vorfrage eigenständig im Haftungsverfahren nach § 9 BAO zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (z.B. mwN). Sind dagegen Bescheide über den Abgabenanspruch ergangen, können Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht mit Erfolg erhoben werden und dürfen von der Abgabenbehörde sachlich nicht geprüft werden (Stoll, BAO, 2548). Auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (). Einwendungen gegen den Abgabenanspruch sind nicht im Haftungsverfahren, sondern durch eine dem Haftenden durch § 248 BAO ermöglichte Beschwerde gegen den Abgabenbescheid geltend zu machen (Judikaturnachweise bei Ellinger u.a., BAO, § 248, E 12, E 14 bis E 21).
Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde erhebt, ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 248 Tz 16 mit zahlreichen Judikaturnachweiesen).
Im vorliegenden Haftungsverfahren ist daher von der Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenvorschreibungen auszugehen. Die diesbezüglichen Einwände des Beschwerdeführers werden in dem nach Abschluss des Haftungsverfahrens zu erledigenden Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO (Beschwerden vom gegen die Umsatzsteuerbescheide) zu prüfen sein, sofern diese Beschwerden im Hinblick auf das Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers (siehe dazu unten Punkt 6) aufrecht erhalten werden.
2) Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer
Die Stellung des Beschwerdeführers als alleiniger Geschäftsführer seit Gründung der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist im gegenständlichen Fall unbestritten. Er hatte daher alle die Gesellschaft treffenden abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Gesellschaftsmitteln entrichtet werden.
3) Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft
Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft steht im Hinblick auf das bereits beendete Insolvenzverfahren fest. Die im Zuge dieses Verfahrens verwerteten Gesellschaftsmittel reichten lediglich zur weitgehenden Befriedigung der Massegläubiger aus, die Forderungen der Insolvenzgläubiger konnten nicht bedient werden.
4) Schuldhafte Pflichtverletzung
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (z.B. mwN).
Wenngleich im Haftungsverfahren die den Vertreter treffende besondere Behauptungs- und Beweispflicht einerseits nicht überspannt und andererseits nicht so aufgefasst werden darf, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre, obliegt es dem (potentiell) Haftungspflichtigen, nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufzustellen. Die bloße Behauptung, Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter gestellt zu haben, stellt ein derartiges Vorbringen nicht dar () und löst keine (weitere) Ermittlungspflicht der Behörde aus (vgl. auch mit Hinweis auf ; ; ; ; ).
Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer bereits mit Vorhalt des Finanzamtes vom aufgefordert worden, eine allfällige anteilige Mittelverwendung (Gleichbehandlung aller Gesellschaftsgläubiger) durch geeignete Unterlagen zu belegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer jedoch nicht nach. Auch in der Beschwerde selbst wird lediglich eine anteilige Bedienung der „anderen Gläubiger“ behauptet, ohne dies näher zu konkretisieren. Eine solche Konkretisierung wurde auch im Vorlageantrag unterlassen, obwohl das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich auf die den Beschwerdeführer treffende qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht hingewiesen hatte. Damit erschöpft sich das Vorbringen des Beschwerdeführers aber in einer bloßen Behauptung, Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter gestellt zu haben, die nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht.
Dazu kommt, dass zu den abgabenrechtlichen Pflichten im Sinne des § 9 BAO auch die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen zählt (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 9 Tz 12 mit Hinweis auf ). Dass der Beschwerdeführer der Verpflichtung zur zeitgerechten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen nicht entsprochen hat, gestand dieser selbst zu.
Lediglich der Vollständigkeit halber und aufgrund der Feststellungen des Masseverwalters in seinem zweiten Bericht (Punkt 7.2.) sei noch darauf hingewiesen, dass auch der Abschluss des Generalabtretungsvertrages vom , mit dem sämtliche Forderungen (einschließlich künftiger Forderungen) der Gesellschaft aus der betrieblichen Tätigkeit an die V-Bank abgetreten worden sind, eine Pflichtverletzung darstellt, wenn der Geschäftsführer damit rechnen muss, durch die Zession die liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden als der Bankschulden, insbesondere der Abgabenschulden der Gesellschaft, zu entziehen. Der Abschluss eines Zessionsvertrages ist dem Vertreter der Körperschaft als Pflichtverletzung somit bereits vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese als bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt wird ( mit Hinweis auf ).
5) Kausalität der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit
Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig. Bei Selbstbemessungsabgaben ist zudem maßgebend, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (gesetzlicher Fälligkeitstermin der Abgaben). Die später eingetretene Insolvenz der Gesellschaft erweist sich daher insofern lediglich als eine weitere Ursache für den eingetretenen Abgabenausfall, als dadurch eine Entrichtung der Abgaben aufgrund der bescheidmäßigen Festsetzungen im Anschluss an die durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung zu den Zahlungsterminen gemäß § 210 Abs. 4 BAO (lange nach Fälligkeit der Abgaben) nicht mehr möglich war. An der Kausalität der dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Pflichtverletzungen, die sich bei den Selbstbemessungsabgaben immer auf deren Fälligkeitstermin beziehen, ändert dies nichts ().
6) Ermessen
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Solche Billigkeitsgründe wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sind auch nicht aktenkundig. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Haftung keineswegs nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden darf (; ). Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nur zum Teil eingebracht werden kann, steht aber deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen ().
Ein Teil der Haftungsschuld konnte im vorliegenden Fall auch bereits am durch Überrechnung eines Guthabens in Höhe von 494,14 € vom persönlichen Abgabenkonto des Beschwerdeführers auf das Abgabenkonto der Gesellschaft eingebracht werden. Dadurch vermindert sich zwar der vom Beschwerdeführer restlich noch zu entrichtenden Haftungsbetrag, es ändert sich aber nichts an dem grundsätzlich im Haftungsbescheid bzw. in der gegenständlichen Entscheidung aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht (; einer Zahlung des Haftungspflichtigen ist eine Umbuchung oder Überrechnung entsprechender Guthaben vom persönlichen Abgabenkonto des Haftungspflichtigen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin zum Zwecke der teilweisen Abdeckung haftungsgegenständlicher Abgaben gleichzuhalten – vgl. dazu etwa ). Die Haftung bestand daher in dem im gegenständlichen Spruch angeführten Ausmaß zu Recht, ein Teil dieser Haftungsschuld wurde vom Beschwerdeführer aber bereits entrichtet, wodurch sich der offene Rest der Haftungsschuld entsprechend vermindert.
Schließlich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Schärding vom , AZ, ein Schuldenregulierungsverfahren betreffend den Beschwerdeführer (mit Eigenverwaltung des Schuldners) eröffnet; die erste Tagsatzung ist für den anberaumt. Die Einbringung eines (weiteren) Teiles der Haftungsschuld im Zuge dieses Schuldenregulierungsverfahrens erscheint nicht ausgeschlossen, sodass sich insgesamt gesehen die Geltendmachung der Haftung als zweckmäßig erweist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.5101420.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at