Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.05.2016, RV/6100563/2015

E-Mail als verjährungsverlängernde Amtshandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden V.N. und die weiteren Senatsmitglieder Richterin, Beisitzer und  weitererBeisitzer in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch steuerl.Vertr.Bf., AdresseVertr., gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom , betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Darstellung des Verfahrensablaufes:

 

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ das Finanzamt X a m gegenüber dem Beschwerdeführer einen Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006.
Die Begründung des Bescheides verweist insbesondere auf die Niederschrift bzw. den Bericht zur Außenprüfung vom .
 

Gegen diesen Bescheid (sowie andere Bescheide) wurde am Beschwerde  erhoben. Die Beschwerde wandte sich zunächst gegen die Feststellung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung. Darüberhinaus wurde  vorgebracht, dass für den Zeitraum 2006 das Recht, diese Abgabe festzusetzen, gem. §§ 207 ff. BAO verjährt ist.
Es wurde beantragt, den Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2006 vom vollinhaltlich und ersatzlos aufzuheben.
Außerdem wurde die Entscheidung durch den Senat des Verwaltungsgerichts (§ 272 Abs. 2 BAO) und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 Abs. 1 BAO) beantragt.
Begründend wurde (unter anderem) zum Verjährungseinwand bestreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2006 ausgeführt:
Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer unterliegt grundsätzlich der Verjährung, wobei die Verjährungsfrist gem. § 207 Abs. 2 BAO ebenfalls fünf Jahre beträgt. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Außenprüfungen sind aus Verjährungssicht grundsätzlich nur hinsichtlich jener Abgaben bedeutsam, die Gegenstand der Prüfung sind (; ).
Der Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom weist als Gegenstand der Außenprüfung ausschließlich die Einkommensteuer für die Zeiträume 2006 bis 2009 aus. Die Kapitalertragsteuer war folglich von diesem Prüfungsauftrag nicht umfasst und hat bis zum Datum der Bescheidzustellung am keine nach außen hin erkennbare Amtshandlung der Abgabenbehörde zur Geltendmachung dieses konkreten Abgabenanspruches stattgefunden. Damit ist hinsichtlich dieser Ansprüche Verjährung eingetreten.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Ausgeführt wurde im Einzelnen :

Mit Einbringungsvertrag vom wurde das Einzelunternehmen Bf. rückwirkend zum in die XXX GmbH eingebracht. Dazu stellte der UFS und in der Folge der VwGH fest, dass Art. III UmgrStG nicht zur Anwendung gelangen könne und somit die Übernahme der den Wert der übereigneten Wirtschaftsgüter übersteigenden Verbindlichkeiten eine verdeckte Ausschüttung darstelle.
Demzufolge waren auch die in der
XXX GmbH angefallenen Zinsaufwendungen in den Folgejahren als verdeckte Ausschüttungen zu behandeln.
Die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer erfolgte daher materiellrechtlich zu Recht.
Was die Verjährung betrifft, so stellt die Kapitalertragsteuer eine Erhebungsform der Einkommensteuer dar. Das Recht auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer hängt somit mit der Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Jahreseinkommensteuer ab. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Recht, die Kapitalertragsteuer festzusetzen, dann verjährt, wenn das Recht, die Einkommensteuer festzusetzen, verjährt.
Bei der Einkommensteuer beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Für das Jahr 2006 bedeutet dies, dass die Verjährungsfrist am endete, aufgrund von Unterbrechungshandlung (Erstbescheiderlassung 2007, Prüfungsbeginn 2011) verlängert sich diese um ein Jahr auf .

Im Jahr 2012 wurde erneut eine Unterbrechungshandlung gesetzt.
Der Prüfer, der bereits seit 2011 mit Prüfungsauftrag offiziell ausgewiesen ist (Prüfungsbeginn ) schrieb mit seiner als dienstlich erkennbaren Mail-Adresse (Endung @bmf.gv.at) unter Hinweis auf das laufende Prüfungsverfahren ein Mail an die steuerliche Vertretung, in der er ein Verkehrswertgutachten zum mit der Bitte um Stellungnahme übermittelte.
Es liegt dabei eindeutig eine nach außen erkennbare Amtshandlung eines Organs der Finanzverwaltung vor, wobei auch das Jahr 2006 ausdrücklich erwähnt wird. In Zusammenhang mit dem laufenden Prüfungsverfahren war diese Amtshandlung eindeutig als solche erkennbar.
Die Verjährungsfrist verlängerte sich daher für 2006 auf ein weiteres Jahr, das ist der .
Da 2013 die Prüfung fortgesetzt und 2014 abgeschlossen wurde, war die Einkommensteuer und somit die Kapitalertragsteuer 2006 zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht verjährt.

Am wurde betreffend den Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 Vorlageantrag erhoben mit folgender Begründung:

Der Beschwerdeführer hat im Oktober 2004 als selbständiger Unternehmensberater einen Beratungsauftrag zur Sanierung der YYY GmbH angenommen. Im Zuge einer Sanierungsvereinbarung vom wurde dieser Beratungsauftrag um die Geschäftsführung der  YYY GmbH erweitert.
Mit Einbringungsvertrag vom hat der Beschwerdeführer sein Beratungsunternehmen rückwirkend auf den Einbringungsstichtag unter Anwendung der Bestimmung gem. des Art. III UmgrStG in die neu gegründete
XXX GmbH, Steuernummer xxxxxxx eingebracht. Im Rahmen der Einbringung wurde ein bare Entnahme gem. § 16 Abs. 5 UmgrStG in Höhe von EUR 840.000 getätigt, die von der Gesellschaft fremdfinanziert wurde.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2011/15/0028 ist auf das mit Einbringungsvertrag (Sacheinlagevertrag) vom übertragene Vermögen mangels Übertragbarkeit des Firmenwertes und folglich mangels eines positiven Verkehrswertes Art. III UmgrStG nicht anwendbar.
Die festgesetzte Kapitalertragsteuer 2006 betrifft Kreditzinsen zu dieser nicht unter Art. III UmgrStG fallenden Einbringung iHv EUR 26.829,76, die bereits vor Ergehen der angeführten VwGH-Entscheidung im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens erstmalig festgesetzt wurde. Das Betriebsprüfungsverfahren umfasste die Einkommensteuer 2006-2009 und wurde mit Bericht vom abgeschlossen. Der diesbezügliche Prüfungsauftrag wurde im Feb. 2011 ausgestellt.
Im Rahmen dieses Prüfungsverfahrens wurde in einer Stellungnahme des bundesweiten Fachbereiches vom Ausführungen zu einem weiteren Umgründungsvorgang im Jahr 2006 und deren steuerliche Würdigung (Anwendung des Tauschgrundsatzes gem. § 6 Z. 14 lit. b EStG) enthalten, eine Abgabenart oder ein bestimmter Abgabensanpruch sind darin nicht enthalten. Die Stellungnahme wurde von Herrn  
Betriebsprüfer per nicht unterzeichnetem, formlosen E-Mail am übermittelt, ohne dass die Abgabenbehörde darin aufscheint. Die Abgabenbehörde selbst ist durch diese Mailnachricht im Kalenderjahr 2012 nicht nach außen in Erscheinung getreten.
Im Juli 2013 wurden die Feststellungen der Betriebsprüfung zum Einbringungsvorgang 2005 und die Feststellungen zur Kapitalertragsteuer 2006 bis 2009 an den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers erstmals mitgeteilt. Mit angeführtem Bericht vom wurde das Prüfungsverfahren abgeschlossen und der beschwerdegegenständliche KESt-Bescheid am erlassen.
Der Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2006 wurde neben inhaltlicher Rechtswidrigkeit auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, weil das Recht, für diesen Zeitraum Kapitalertragsteuer festzusetzen, gem. §§ 207 ff BAO verjährt ist. Auch wenn der Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit durch die angeführte VwGH-Entscheidung zwischenzeitig durch das Höchstgericht entschieden ist, wird am Beschwerdegrund der Verjährung weiterhin festgehalten.
Rechtliche Beurteilung
...
Nach der Rechtsprechung des VwGH setzt die Fristverlängerung die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches voraus (; ; ; ).
Ein formloses Schreiben, das sich in der Darlegung des Rechtsstandpunktes der Abgabenbehörde erschöpft, verlängert die Verjährungsfrist nicht (, 0141). Die bloße Ankündigung einer Amtshandlung genügt nicht (; ; ).
Anzumerken ist weiters, dass nach der Rechtsprechung des VwGH ein E-Mail samt pdf-Dokument kein zulässiges Anbringen im Sinne der BAO darstellt (, ).
Das Einbringen bespielsweise von Rechtsmitteln bei der Abgabenbehörde im Wege von E-Mails ist wirkungslos. In Analogie dazu kann unseres Erachtens auch ein E-Mail eines Prüfungsorgans, in dem die Abgabenbehörde nicht angeführt ist, keine Rechtswirkungen zur Verlängerung der Verjährungsfrist erzeugen.
Außenprüfungen sind aus Verjährungssicht grundsätzlich nur hinsichtlich jener Abgaben bedeutsam, die Gegenstand der Prüfung sind (. 82/13/0050; ).
Der Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom weist als Gegenstand der Außenprüfung ausschließlich die Einkommensteuer für die Zeiträume 2006 - 2009 aus. Die Kapitalertragsteuer war folglich von diesem Prüfungsauftrag nicht umfasst und hat damit weder im Kalenderjahr 2011 noch im Kalenderjahr 2012 eine nach außen hin erkennbare Amtshandlung der Abgabenbehörde zur Geltendmachung der Kapitalertragsteuer 2006 - 2009 stattgefunden.
Der Beginn der Außenprüfung im Kalenderjahr 2011 (Prüfungsauftrag vom ) und die Prüfungshandlungen im Kalenderjahr 2011 führen zu keiner Verlängerung dieses Zeitraumes. Im Kalenderjahr 2012 (Jahr des Ablaufes der verlängerten Verjährungsfrist gem. § 209 Abs. 1  2. Satz BAO) hat keine für den Abgabepflichtigen (bzw. nach außen) erkennbare Amtshandlung der Abgabenbehörde zur Geltendmachtung eines bestimmten Abgabenanspruches, nämlich der Kapitalertragsteuer 2006, stattgefunden. Damit ist hinsichtlich dieser Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres 2012 Verjährung eingetreten.
 

Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde vor. Im Vorlagebericht stellte sie den Antrag auf Abweisung der Beschwerde und legte im Wesentlichen nochmals Ihre bereits in der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Feststellungen dar.

Zur streitgegenständlichen E-Mail:

Am wurde vom Prüfer, Herrn Name Betriebsprüfer, unter seiner dienstlichen E-Mail-Adresse, Name.Betriebsprüfer@bmf.gv.at an die Steuerberaterin Frau Mag. Name1 an ihre dienstliche E-Mail-Adresse yyy@yyy eine E-Mail gesandt, mit dem Betreff "Vekehrswert des Kapitalanteiles des Bf. an der YYY GmBH, und mit folgendem Inhalt:

Sehr geehrte Frau Mag. NameStber.!
Wie soeben tel. besprochen, darf ich Ihnen zum lfd. Prüfungsverfahren
Bf. das Verkehrswertgutachten über den Kapitalanteil des Hr. Bf. an der YYY GmbH zum - erforderlichenfalls auch zur Weiterleitung an Mag. Stber.Bf. übermitteln.
Nach diesem Gutachten ergibt sich durch die vereinbarte unbare Entnahme ein negatives eingebrachtes Vermögen, sodass anlässlich der Einbringung des Kapitalanteiles an der
YYY GmbH in die XXX GmbH zum die Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG nicht gegeben sind.
Ich ersuche Sie zu dieser Verkehrswertermittlung Stellung zu nehmen und bitte bei Rückfragen zu diesem Gutachten Kontakt mit mir bzw. direkt mit dem Sachbearbeiter Hr.
Name2 aufzunehmen.

Mündliche Verhandlung

Von den Parteien des Verfahrens wurde in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beschwerdevertreter wies ergänzend noch einmal darauf hin, dass der Betriebsprüfer nicht mit der Prüfung der Kapitalertragsteuer 2006 beauftragt gewesen sei, sondern sich der Prüfungsauftrag aus dem Jahre 2011 ausschließlich auf die Einkommensteuer bezogen habe, und nicht auf kapitalertragsteuerpflichtige Vorgänge im Zusammenhang mit der   XXX GesmbH.
Die XXX GesmbH sei bereits aufgrund des Prüfungsauftrages aus dem Jahre 2009 (Prüfer   Name3) für 2006 abgeprüft worden. Damit sei 2012 keine Unterbrechungshandlung für Kapitalertragsteuer 2006 gesetzt worden. 
Erst 2013 sei auch die Überprüfung der Kapitalertragsteuer 2006 nach außen hin sichtbar geworden, weil der Prüfer Betriebsprüfer in diesem Jahr ein Besprechungsprotokoll vorgelegt habe, in dem diese aufschien.

Der Amtsbeauftragte wies in der Folge auf das Erkenntnis des hin, in dem der Verwaltungsgerichtshof festgestellt habe, dass verjährungshemmende Amtshandlungen im Rahmen der Einkommensteuer auch für die Kapitalertragsteuer Wirkung entfalten. Die Kapitalertragsteuer sei eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Das E-Mail des Prüfungsorgans Betriebsprüfer vom sei eine solche Amtshandlung, weil darin auf das laufende Prüfungsverfahren hingewiesen worden sei.

Der Beschwerdevertreter erwiderte, dass das Finanzamt in diesem E-Mail als Abgabenbehörde nicht aufscheine. Sichtbar sei nur der Absender Betriebsprüfer, wobei außer Streit gestellt werde, dass bekannt gewesen sei, dass dieser ein Prüfungsorgan des Finanzamtes X gewesen sei. Ein E-Mail entfalte keine Wirkung nach außen. Im Geschäftsverkehr sei es üblich, dass E-Mails bestimmte Daten enthalten müssen, die hier fehlen würden. Hier hätte die Bezeichnung des Finanzamtes angeführt werden müssen.

Der Amtsbeauftragte brachte weiters vor, eine nach außen hin erkennbare Amtshandlung müsse nicht die strenge Anforderung erfüllen, die an Erledigungen oder Bescheide gestellt würden. Es reiche sogar ein Telefonat, wenn der Inhalt ausreichend dokumentiert sei. Der amtliche Charakter der E-Mail sei auch am Kürzel bmf.gv.at der E-Mail-Adresse des Prüfungsorgans ablesbar gewesen. Zudem sei auf das laufende Prüfungsverfahren hingewiesen worden.

Der Beschwerdevertreter entgegnete, auch wenn es sich um eine nach außen hin erkennbare Amtshandlung gehandelt haben sollte, fehle darin dennoch die Angabe des konkreten Abgabenanspruches. Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer sei nach Ansicht des Beschwerdevertreters Teil eines Körperschaftsteuer-Verfahrens. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung hätte deshalb dort erfolgen müssen, was bei der dortigen Prüfung aber unterblieben sei. Vorrangig habe die Vorschreibung der Kapitarertragsteuer beim Abfuhrverpflichteten ( XXX GesmbH) zu erfolgen und nicht beim Gesellschafter. Die Gesellschaft sei nicht notleidend gewesen, sie sei liquid gewesen und deshalb gebe es keinen Grund zur Vorschreibung beim Gesellschafter.

Über Befragung durch den Vorsitzenden, welchen Nachteil der Bf. aus der Direktvorschreibung erlitten habe, gab der Beschwerdevertreter an, dass die Kapitalertragsteuer von der GmbH an den Bf. weiterbelastet worden wäre, weshalb dem Gesellschafter durch die Direktvorschreibung kein Nachteil erwachsen sei. Nachteile nannte er damit nicht.

Der Amtsbeauftragte wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Direktvorschreibung eine Ermessensentscheidung sei und deshalb das Finanzamt ein Wahlrecht habe, wem es die Kapitalertragsteuer vorschreibe.
Er wies außerdem das Anbringen zurück, dass die Festsetzung von Kapitalertragsteuer nur im KöSt-Verfahren erfolgen könne. Wenn ein Sachverhalt zu Tage trete, der eine Kapitalertragsteuer-Festsetzung erforderlich mache, könne das ohne Körperschaftsteuer-Verfahren durchgeführt werden.

Sachverhalt

Dem Erkenntnis wird vom Bundesfinanzgericht der f olgende, den Akten zu entnehmende und nicht in Streit stehende  entscheidungsrelevante Sachverhalt zugrundegelegt:

Im Jahr 2011 war der Beginn einer Betriebsprüfung beim Beschwerdeführer, der Betriebsprüfungsauftrag vom legte als Gegenstand der Außenprüfung "Einkommensteuer für den Zeitraum 2006 bis 2009" fest.
Im Jahr 2012 übersandte der diese Betriebsführung durchführende Prüfer der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers im Rahmen des laufenden Betriebsprüfungsverfahren (Einkommensteur 2006 bis 2009) per dienstlicher E-Mail ein Verkehrswertgutachten des bundesweiten Fachbereiches mit dem Ersuchen um Stellungnahme. Diese E-Mail ist bei der steuerlichen Vertretung angekommen. Die Betriebsprüfung dauerte auch noch das ganze Jahr 2013 über an und wurde im Jahr 2014 beendet.
Der in Beschwerde gezogene Bescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 wurde mit Datum ausgefertigt, die Zustellung erfolgte am .
Die streitgegenständliche Vorschreibung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 wurde infolge verdeckter Gewinnausschüttung, wobei der Bf. der Empfänger war, vorgeschrieben. Wäre die befreffende Kapitalgesellschaft für die Kapitalertragsteuer zur Haftung herangezogen worden, hätte sie diese KESt vom Bf. eingefordert.

Strittig im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist:

• ob hinsichtlich der Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2006 bereits Verjährung eingetreten war und

• ob (sozusagen in eventu vorgebracht anlässlich der mündlichen Verhandlung) die streitgegenständliche Kapitalertragsteuer für 2006 dem Beschwerdeführer in seinem Einkommensteuerverfahren - ohne diesbezügliches Körperschaftsteuerverfahren bei der für dieses Jahr bereits abgeprüften XXX GmbH - vorgeschrieben werden durfte.

Rechtliche Erwägungen

• Frage der Verjährung:

Zum Einwand der Verjährung wurde vom Bf. im Einzelnen vorgebracht,

• dass der Außenprüfung betreffend die Einkommensteuer 2006 keine verjährungsverlängernde Wirkung bezüglich der Kapitalertragsteuer 2006 zukomme, weil der Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom  als Gegenstand der Außenprüfung ausschließlich die Einkommensteuer 2006 bis 2009 ausweise, die Kapitalertragsteuer von diesem Prüfungsauftrag daher nicht umfasst sei; 

• dass  ein E-Mail der Abgabenbehörde generell nicht geeignet sei, Rechtswirkungen zur Verlängerung der Verjährungsfrist zu erzeugen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein E-Mail samt pdf-Dokument kein zulässiges Anbringen im Sinne der BAO darstelle (Hinweis auf , ).
Das Einbringen bespielsweise von Rechtsmitteln bei der Abgabenbehörde im Wege von E-Mails sei wirkungslos.

• dass die Abgabenbehörde im E-Mail vom nicht genannt sei und damit auch nicht nach außen hin in Erscheinung getreten sei.

Zum Vorbringen des Bf. wird entgegnet:

In jeder Phase des Verfahrens ist von Amts wegen zu beachten, dass Abgaben nach Eintritt der Verjährung nicht mehr festgesetzt werden dürfen. Der Eintritt der Verjährung führt zur sachlichen Unzuständigkeit der Behörde (Ritz, BAO4, § 208 Tz 3 f mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 207 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt für die Einkommensteuer fünf Jahre.
Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Die "allgemeine" Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO). Werden von der Abgabenbehörde innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs. 1 BAO). Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

Daneben gibt es die absolute Verjährung. Danach verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches unabhängig von Verlängerungshandlungen jedenfalls (absolute Verjährung; § 209 Abs. 3 BAO). Diese Frist beginnt schon mit der Entstehung des Abgabenanspruches und nicht erst mit Ablauf des entsprechenden Jahres.

Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft (§ 4 Abs. 1 BAO).

Bei der veranlagten Einkommensteuer ist das der Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO). Die Verjährungsfristen des § 208 Abs. 1 BAO und des § 209 Abs. 3 BAO beginnen hier gleichzeitig zu laufen.

Die Kapitalertragsteuer ist eine Erhebungsform der Einkommensteuer (vgl. dazu auch § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO).
Das Recht auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer (vgl. § 95 Abs. 5 EStG 1988) hängt somit von der Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Jahreseinkommensteuer ab ( mit weiteren Nachweisen).

Nach ständiger Rechtsprechung des Vewaltungsgerichtshofes setzt eine Unterbrechungshandlung nach § 209 Abs. 1 BAO voraus, dass die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise etwas zur Feststellung des Steueranspruches unternimmt. Dem Schritt der Abgabenbehörde muss - über den bloßen Selbstzweck der angestrebten Unterbrechung der Verjährungsfrist hinausgehend - eine Funktion im Hinblick auf die Geltendmachung des Steueranspruches zukommen ().
 

Nach außen erkennbare Amtshandlung ist eine nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlung im Sinne von im Außenbereich wahrnehmbarer behördlicher Maßnahme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/13/0080, mwN), die auf die Geltendmachung eines Abgabenanspruches oder die Feststellung von Abgabenpflichtigen zumindest im Ergebnis ausgerichtet sind. ...  Die Amtshandlung muss, um Unterbrechungswirkung zu haben, nach außen wirksam und nach außen einwandfrei erkennbar sein (, mwN).

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist auch ein Telefongespräch zwischen der Abgabenbehörde und dem Abgabepflichtigen (oder dessen Vertreter) eine nach außen erkennbare Amtshandlung, wenn es erwiesen ist, dass dabei  von Organen der zuständigen Abgabenbehörde konkrete Fragestellungen zu einer konkreten Abgabe erfolgten (vgl. und Ritz, BAO5, § 209 Tz 2 sowie Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 209 Anm. 3).

Abgabenbehördliche Prüfungen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Amtshandlungen, die die Verjährungsfrist verlängern (vgl. Ritz, BAO5, § 209 Tz. 13 unter Hinweis auf und viele weitere höchstgerichtliche Entscheidungen).
Solch eine verlängernde Amtshandlung sieht der Verwaltungsgerichtshof auch in der Schlussbesprechung (vgl. -0198) und in der Übermittlung des Prüfungsberichtes ().
Das Höchstgericht gesteht damit offensichtlich allen nach außen hin erkennbaren Prüfungshandlungen verjährungsverlängernde Wirkung zu, die im Zeitfenster zwischen der Aufforderung des Prüfers zur Vorlage der Bücher, Aufzeichnungen oder sonstigen Unterlagen (Ritz, BAO5, Tz 7 unter Hinweis auf ; , ecolex 1999, 126; ) und der Übermittlung des abschließenden Prüfberichtes liegen.
Da es bei Außenprüfungen keinen Schriftlichkeitsgrundsatz gibt, können solche Prüfungshandlungen auch Gespräche, Telefonate oder E-Mails sein, sofern es erwiesen ist, dass konkrete Fragen gestellt bzw. (Unterlagen)Anforderungen gemacht wurden, die sich auf die zu prüfende Abgabe bezogen.

Die vom Beschwerdeführer zitierte Regelung in § 85 BAO betreffend Schriftlichkeit von Anbringen und Erfordernisse an Erledigungen der Abgabenbehörde im Sinne des § 92 BAO (Bescheide) können - wie die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig zeigt - nicht in Analogie auf Unterbrechungshandlungen betreffend die Verjährung zur Anwendung kommen.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies konkret:

Der Abgabenanspruch für die streitgegenständliche Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 ist mit Ablauf des Jahres 2006 entstanden. Mit Ablauf des Jahres 2011 ist das Ende der allgemeinen, fünfjährigen Verjährungsfrist anzusetzen.

Im Jahr 2011 war der Beginn einer Betriebsprüfung beim Beschwerdeführer, der Betriebsprüfungsauftrag vom legte als Gegenstand der Außenprüfung "Einkommensteuer für den Zeitraum 2006 bis 2009" fest. Die Verjährungsfrist wurde dadurch bis zum Ablauf des Jahres 2012 verlängert.

Im Jahr 2012 wurde vom Prüfer die streitgegenständliche E-Mail übersandt.

Die E-Mail wird insbesondere aufgrund nachstehender Umstände eindeutig als eine nach außen hin erkennbare Prüfungshandlung qualifiziert:

• Die E-Mail wurde unter Hinweis auf ein zuvor geführtes Telefongespräch von jenem Prüfer, der das laufende Betriebsprüfungsverfahren durchführte (der Name des Absenders der E-Mail scheint auch auf dem Prüfungsauftrag des zuständigen Finanzamtes auf), unter Verwendung seines dienstlichen E-Mail-Accounts, dessen Endung @bmf.gv.at lautet, an die steuerliche Vertretung gesandt.
• In der E-Mail wurde auf das laufende Betriebsprüfungsverfahren hingewiesen und geht aus dem Inhalt auch hervor, dass es sich um Handlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruches (das laufende Betriebsprüfungsverfahren betraf Einkommensteuer 2006 bis 2009) handelt. Das mit dieser E-Mail übermittelte "Verkehrswertgutachten" betraf zudem den Stichtag und damit wiederum das Jahr 2006.

Im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes wird diese E-Mail eindeutig als verjährungsverlängernde Unterbrechungshandlung im Sinne der BAO angesehen.
Die Verjährungsfrist wurde durch diese E-Mail bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert.

Unbestritten ist, dass die Verjährungsfrist in der Folge durch die 2013 weiter andauernde (z.B. Übermittlung der geplanten Feststellungen etc.) und 2014 abgeschlossene (Schlussbesprechung ) Betriebsprüfung weiter verlängert wurde.

Das Recht, die Kapitalertragsteuer 2006 festzusetzen, war somit nicht verjährt. Die Erlassung des Kapitalertragsteuerbescheides für 2006 erfolgte zu Recht.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2006 (verdeckte Ausschüttung) als Begleitmaßnahme zur Einkommensteuerveranlagung:

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass die Festsetzung der Kapitalertragsteuer Teil eines Körperschaftsteuerverfahrens sei. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung hätte deshalb dort erfolgen müssen, was bei der dortigen Prüfung aber unterblieben sei. Vorrangig habe die Vorschreibung der Kapitarertragsteuer beim Abfuhrverpflichteten (das heißt im Beschwerdefall bei der XXX GesmbH) zu erfolgen und nicht beim Gesellschafter. Die Gesellschaft sei nicht notleidend gewesen, sie sei liquid gewesen und deshalb gebe es keinen Grund zur Vorschreibung beim Gesellschafter.

Aufgrund dieses neuen Vorbringens anlässlich der mündlichen Verhandlung wird Folgendes ausgeführt:

Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Solche Einkünfte unterliegen, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (inländische Kapitalerträge), der Kapitalertragsteuer (§ 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Unter sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung iSd § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG fallen auch verdeckte Ausschüttungen; sie gehören somit zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen (; ...).

Gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

Die Kapitalertragsteuer ist somit eine Erhebungsform der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer.

Die Besteuerungsfolgen einer verdeckten Ausschüttung auf Ebene des Anteilsinhabers sind grundsätzlich unabhängig von den Konsequenzen auf Ebene der Körperschaft. Es ist zwar von einem starken faktischen Zusammenhang auszugehen, rechtlich besteht aber keine Bindungswirkung (Roman Leitner (Hrsg), Handbuch Verdeckte Gewinnausschüttung2, S. 172).

In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:

Für die Zurechnung einer verdeckten Ausschüttung an den Gesellschafter kommt es darauf an, ob, wann und in welcher Höhe ihm ein vermögenswerter Vorteil zugeflossen ist. An diesen nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 zu bestimmenden Zeitpunkt des Zuflusses knüpft auch der Kapitalertragsteuerabzug an. Die Kapitalertragsteuerpflicht hängt hingegen in keiner Weise davon ab, in welchem Zeitraum es bei der Körperschaftsteuer zu einer Einkommenskorrektur kommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0057, mwN).

Wenn der Bf. darüberhinaus vorbringt, dass die Kapitalertragsteuer vorrangig bei der Körperschaft vorzuschreiben ist, ist dem zu erwidern:

§ 95 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:

(1) Die Kapitalertragsteuer beträgt 25 %.

(2) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.
...
(5) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.
...

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Erkenntnis , zu entnehmen:

Im Geltungsbereich des EStG 1972 war es nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass es im Auswahlermessen der Abgabenbehörde lag, ob dem Abzugsverpflichteten oder dem Steuerschuldner (Empfänger der Ausschüttung) die Kapitalertragsteuer vorgeschrieben wird (vgl. Achatz, ÖStZ 1989, 252, 255). Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988 geht klar die Absicht des Gesetzgebers hervor, die Rechtslage in Bezug auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer grundsätzlich nicht zu verändern.
Sowohl für das EStG 1972 wie auch für das EStG 1988 gilt, dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist. Nur ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 2). Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 erfüllt, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11). Dabei wird es vor allem dann zu einer Vorschreibung an den Steuerschuldner kommen, wenn es der abzugspflichtigen Gesellschaft trotz sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt (vgl. Achatz, a. a.O., 256 f, siehe zu Beispielen für weitere Umstände, auf die bei der Ermessensübung Bedacht genommen werden kann, Blasina in SWK 11/2015, 529).
§ 95 Abs. 5 (nunmehr Abs. 4) EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung regelt die Fälle der direkten Inanspruchnahme des Steuerschuldners (Empfänger der Kapitalerträge) für die Kapitalertragsteuer.
Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 gegeben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/15/0170, und vom , 2008/15/0153). Solcherart liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11; Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 95 Tz 66; Jakom/Marschner, EStG 2015, § 95 Tz 41; Ritz, BAO5, § 20 Tz 4).

Da die streitgegeständliche Kapitalertragsteuer als Folge einer verdeckten Ausschüttung anfiel, lag es im Ermessen der Abgabenbehörde, die Kapitalertragsteuer entweder dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben oder die ausschüttenden Körperschaft zur Haftung heranzuziehen.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (vgl zB ; VwGH 17.5.2004, 2003/17/0132; ).
Die "Billigkeit" gebietet etwa die Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei (vgl zB Stoll, BAO, 208). Zur "Zweckmäßigkeit" iSd § 20 gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (zB Ritz, ÖStZ 1996, 70), siehe Tz. 9.
Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (-381; ; Orientierung an der Intention des Gesetzgebers, ).
...
Bei der Inanspruchnahme persönlich Haftender ist somit vor allem die Nachrangigkeit der Haftung zur berücksichtigen (vgl zB Ritz, ÖStZ 1991, 94; ).
..
Bei der Ermessensübung ist auch das, ua aus Art. 126b B-VG ableitbare (zB , Slg 5421) Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung zu beachten (Ritz, ÖStZ 1996, 70; Werndl, in Hofer-Zeni-FS, 278 f)

(aus Ritz, BAO5, Kommentar, Linde).

Im Rahmen der Ermessensübung wurde nicht nur die Intention des Gesetzgebers, die ja aus den zitierten Bestimmungen hervorgeht und dadurch bereits genannt wurde, berücksichtigt, sondern wurde insbesondere auch das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Verwaltungsökonomie beachtet.

Wie der steuerliche Vertreter des Bf. bestätigt hat, hätte die Kapitalgesellschaft, die die verdeckte Ausschüttung vorgenommen hat, bei Heranziehung zur Haftung für die darauf entfallende Kapitalertragsteuer diese an den Bf. "weiterverrechnet", sodass dem Bf. durch die Direktvorschreibung kein Nachteil erwachsen wäre.

Vom steuerlichen Vertreter wurden auch nach Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keine Billigkeitsgründe vorgebracht, die gegen die Direktvorschreibung der streitgegenständlichen Kapitalertragsteuer sprechen würden. Diese ist damit weder unzweckmäßig noch unbillig.

Die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer beim Bf. als Empfänger der verdeckten Ausschüttung entspricht somit den gesetzlichen Bestimmungen unter rechtmäßiger Ausübung des Ermessens.

Die Beschwerde war somit abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision:

Art. 133 Abs. 4 B-VG besagt, dass gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig ist, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wie in der Begründung ausgeführt, ist die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentliche österreichische Judikatur sowohl zum Beschwerdevorbringen betreffend "verjährungsunterbrechende Handlung" als auch zum Thema "Vorschreibung der Kapitalertragsteuer im Rahmen der  abgabenbehördlichen Prüfung betreffend Einkommensteuer direkt an den Beschwerdeführer" einheitlich.
Eine Revision an den VwGH ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

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