Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2015, RV/1100456/2013

Keine außergewöhnliche Belastung bei Pflegekosten, die im Nachlass Deckung finden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Einkommensteuer für 2012

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist unzulässig.

Entscheidungsgründe

Vorausgeschickt wird:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Im folgenden Text wird bereits die der neuen Rechtslage entsprechende Terminologie verwendet.

Die Abgabenbehörde versagte dem Beschwerdeführer den Abzug von Pflegekosten für seinen am AABB2012 verstorbenen Schwiegervater als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung, sofern es ein Vermögen gebe, dessen Verwertung zumutbar sei, liege bei Kindern weder eine rechtliche noch eine sittliche Pflicht vor, derartige Kosten zu übernehmen.

Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und führte aus: Sein Schwiegervater sei ein 100%-iger Kriegsinvalide gewesen. Aus seiner vor dem 2. Weltkrieg ausgeübten Berufstätigkeit habe er eine bescheidene Pension bezogen. Ab September 2011 sei er auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen gewesen, die von 2 Pflegerinnen ausgeübt wurde.

Der Beschwerdeführer sei mit A, einer der beiden Töchter des Schwiegervaters verheiratet. Sie sei Hausfrau und verfüge über kein Einkommen. Die zweite Tochter, B, sei Witwe und "maximal teilzeitbeschäftigt". Sie bewohne die Wohnung in C, D-straße und bezahlte keine Miete (Anm.: Wohnung im Eigentum des Schwiegervaters des Beschwerdeführers). Der Schwiegervater habe im Jahr 2012 das Haus in E als Teileigentümer allein bzw. mit der jeweils diensthabenden Pflegerin bewohnt. Das Haus sei 2002 behindertengerecht für ihn adaptiert worden. Es sei ihm daher unzumutbar gewesen, seine Liegenschaften zu verwerten.

Der Beschwerdeführer als Gatte der einkommenslosen Tochter habe sich daher rechtlich und sittlich verpflichtet gefühlt, die Pflegekosten zu übernehmen. Sein Verhalten erscheine nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung geboten.

Er begehre daher die Berücksichtigung von 13.800,00 € als außergewöhnliche Belastung.

Es erging eine abweisende Berschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde. Darin wurde ausgeführt, tatsächliche Gründe für eine Zwangsläufigkeit seien eigene Krankheitskosten oder Kosten der eigenen Pflege. Als rechtlicher Grund für eine Zwangsläufigkeit käme die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern iSd § 143 Abs. 1 ABGB in Betracht. Diese Unterhaltspflicht treffe die leiblichen Nachkommen. Eine sittliche Verpflichtung, die Pflegekosten für den Schwiegervater zu tragen, wäre dann zu bejahen, wenn niemand anderer rechtlich verpflichtet wäre, für diese Kosten aufzukommen. Nicht jedes lobenswerte Verhalten könne auf Kosten der Allgemeinheit steuermindernd berücksichtigt werden. Ein freiwilliger Entschluss des Steuerpflichtigen führe nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung.

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Er erläuterte, nach neuesten Erkenntnissen sei in einem ähnlich gelagerten Fall zugunsten der Partei entschieden worden. Er verweise in diesem Zusammenhang auf ein Telefonat, das er mit einer (namentlich genannten) Fachexpertin der Abgabenbehörde geführt habe.

Die Richterin des Bundesfinanzgerichtes nahm in der Folge Kontakt mit der genannten Fachexpertin auf. Diese erklärte, sie habe sich nach Besuch des Salzburger Steuerdialoges auf einen Erlass des BMF bezogen und dem Beschwerdeführer erklärt, wenn er die darin umschriebenen Voraussetzungen erfülle, könnten seine Ausgaben berücksichtigt werden.

Gleichzeitig übermittelte die Fachexpertin den entsprechenden Erlass.

Erwägungen

Das Bundesfinanzgericht legt seinem Erkenntnis nachstehende Punkte als feststehend zugrunde:

  • Der Schwiegervater des Beschwerdeführers verstarb am AABB2012.

  • Er bezog im Jahr 2012 eine Bruttopension von 2.626,95 € sowie Pflegegeld.

  • Für seine Pflegerinnen fielen nach Abzug des Pflegegeldes und der Eigenpension im Zeitraum bis Kosten in Höhe von rund 13.800,00 € an.

  • Diese Kosten wurden vom Beschwerdeführer getragen. 

  • A, die Gattin des Beschwerdeführers und B, ihre Schwester, wurden aus dem Titel des Testamentes zu je einem Hälfteanteil zu Erbinnen berufen.

  • A ist Hausfrau und hat keine eigenen Einkünfte.

  • Unter den Nachlassaktiven befanden sich folgende Liegenschaften: a) EZl. 1111, Grundbuch EE mit Gst.-Nr. ee, Hälfteeigentum, anteiliger dreifacher Einheitswert 27.906,38 € und b) EZl. 2222, Grundbuch CC mit Gst.-Nr. cc und Gst.-Nr. dd, verbunden mit Wohnungeseigentum an der Wohnung X im Haus C, F-straße, anteiliger dreifacher Einheitswert 30.847,43 €.

  • Bei Gegenüberstellung der Nachlassaktiven und -passiven ergab sich ein reiner Nachlass von 53.917,85 €.

  • In Durchführung eines Erbteilungsübereinkommens wurden die Liegenschaften a) und b) der Tochter A eingeantwortet und ihr Eigentum im Grundbuch einverleibt,  für die Tochter B wurde auf der Liegenschaft b) die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes einverleibt.

  • A entrichtete an B einen Abfindungsbetrag von 11.000,00 €.

Die Feststellungen des BFG beruhen auf dem Abhandlungsprotokoll, dem Abgabeninformationssystem sowie  unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beschwerdeführers.

Eine iSd § 34 Abs. 1 EStG abzugsfähige außergewöhnliche Belastung muss neben der Außergewöhnlichkeit (Abs. 2) auch die Kriterien der Zwangsläufigkeit (Abs. 3) und der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfüllen (Abs. 4).

Die Zwangsläufigkeit gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 ist dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung müssen alle Voraussetzungen gleichzeitig gegeben sein. Fehlt daher etwa das Merkmal der Zwangsläufigkeit, so erübrigt sich eine Prüfung des Kriteriums der Außergewöhnlichkeit bzw. umgekehrt.

Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht als iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig erwachsen anzusehen und finden daher nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung (  mit Verweis auf ).

Von einer wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann überdies dann nicht gesprochen werden, soweit eine Belastung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem Erwerb von Todes wegen steht und im Wert der übernommenen Vermögenssubstanz ihre Deckung findet (  mit Verweis auf ).

Der Beschwerdeführer argumentiert, er sei als Gatte der einkommenslosen Tochter A des Pflegebedürftigen rechtlich und sittlich verpflichtet gewesen, die Pflegekosten für seinen Schwiegervater zu übernehmen.

Nach herrschender Lehre kann eine außergewöhnliche Belastung gegeben sein, wenn Aufwendungen durch Pflegebedürftigkeit oder besondere Betreuungsbedürftigkeit verursacht wurden.  Bezahlt ein Unterhaltspflichtiger Pflegekosten und besteht ein konkreter (vertraglicher oder zeitlicher) Zusammenhang zwischen der Belastung mit den Pflegekosten und einer Vermögensübertragung - wie etwa Übertragung von Liegenschaften - so liegt insoweit keine außergewöhnliche Belastung vor, als die Kosten im Wert des übertragenen Vermögens Deckung finden (Doralt, EStG11 , § 34 Tz 78). 

Bevor sich im Streitfall die Frage der Zwangsläufigkeit daher überhaupt stellt, ist festzuhalten, dass die für Pflege geltend gemachten Aufwendungen im an die Erbinnen übergegangenen Verlassenschaftsvermögen Deckung finden. Schon der reine Nachlass laut Abhandlungsprotokoll belief sich nämlich auf 53.917,85 € und überstieg somit deutlich die Pflegekosten von 13.800,00 €. Selbst der Ansatz in halber Höhe (Einantwortung je zur Hälfte an die Gattin des Beschwerdeführers und ihre Schwester) liegt über den in Streit stehenden Kosten.

Hiebei ist zu weiters bedenken, dass die im Erbwege übergegangenen Immobilien in den Nachlassaktiven lediglich mit dem dreifachen Einheitswert aufscheinen. Wie allgemein bekannt ist, übersteigen aber die Verkehrswerte die einfachen Einheitswerte um bis zum 10-fachen. Das realiter an die Erbinnen gefallene Vermögen ist also (auch im Halbansatz) um ein Vielfaches höher als der Reinnachlass laut Abhandlungsprotokoll.

In zusammenfassender Würdigung ist festzustellen: Der Beschwerdeführer übernahm als Gatte einer Erbanwärterin, der als Hausfrau keine eigenen Einkünfte zufließen, Pflegeaufwendungen für ihren Vater. Dieser verfügte unstrittig über zu geringe flüssige Einkünfte, um die Kosten für die Pflegerinnen tragen zu können. Jedoch war er - wie oben näher umschrieben - Eigentümer eines Immobilienvermögens, das nach seinem Ableben je zur Hälfte an seine beiden Töchter fiel und im Wege eines Erbteilungsübereinkommens zugeteilt wurde (siehe oben).

Die Aufwendungen des Beschwerdeführers standen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Erwerb von Todes wegen durch seine Gattin - eine Hausfrau - und fanden im Wert der übernommenen Vermögenssubstanz  - wie erläutert - ihre Deckung (). Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wie sie der Tatbestand des § 34 Abs. 1 EStG fordert, lag daher nicht vor.  

Der in der Beschwerde angesprochenen "Zwangsläufigkeit" kommt insofern keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu, weshalb auf die vom Beschwerdeführer eingewendete rechtliche oder sittliche Veranlassung nicht weiter einzugehen war.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen, fußend auf dem "Salzburger Steuerdialog" bezieht, ist vorausschickend zu bemerken: Das Bundesfinanzgericht ist grundsätzlich nicht an Erlässe des BMF gebunden. Erlässe der Finanzverwaltung begründen keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen. Sie sind mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für den VwGH beachtlichen Rechtsquellen (; , 2006/14/002).

Im Sinne der Gewährung eines umfassenden Parteiengehörs nimmt das Bundesfinanzgericht dennoch auf die Ausführungen des Salzburger Steuerdialoges zum Thema "Pflegebedingte Kosten - Kostenübernahme durch Ehepartner bzw. nahe Angehörige" Bezug. Es heißt in dem entsprechenden Erlass: "Pflegebedingte Kosten können grundsätzlich von der pflegebedürftigen Person selbst abgesetzt werden. Reicht das Einkommen dieser Person für die Tragung nicht aus, ist eine Absetzung auch durch andere Personen möglich, wenn es bei diesen zu einem verlorenen Aufwand kommt (keine Absetzbarkeit, wenn die Zahlung eine Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten darstellt)" - siehe entsprechend auch LStR Rz 823

Weiters wird in den Papieren zum Salzburger Steuerdialog ausgeführt: "Hat die pflegebedürftige Person Vermögen bereits unter der Bedingung der späteren Pflege übertragen oder erfolgt die Vermögensübertragung in zeitlicher Nähe zur Kostenübernahme, liegt bis zur Überschreitung des Vermögenswertes (Verkehrswert) durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belatung vor."

Ungeachtet der nicht bestehenden Bindungswirkung für das Bundesfinanzgericht, wäre daher auch aus dem Salzburger Steuerdialog und den Lohnsteuerrichtlinien für die Position des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, zumal die im Streitfall erfolgte Vermögensübertragung, die die geltend gemachten Pflegekosten bei Weitem übersteigt, in wirtschaftlichem und zeitlichem Zusammenhang mit diesen stand.

Soweit der Beschwerdeführer argumentierte, sein Schwiegervater als Hälfteeigentümer des Hauses in E (die andere Hälfte stand gleichteilig im Eigentum der Töchter A und B) habe seine Liegenschaften zu Lebzeiten nicht verwerten können - was übrigens nicht Streitgegenstand war - ist der Vollständigkeit halber auszuführen: Dem Erfordernis, seine Wohnbedürfnisse decken zu müssen, mangelt es am Element der Außergewöhnlichkeit, da die Mehrzahl der Steuerpflichtigen Wohnungskosten zu tragen hat (). Für den betreuungsbedürftigen Schwiegervater des Beschwerdeführers wäre auch eine Unterbringung in einem Senioren- oder Pflegeheim bzw. ein betreutes Wohnen denkbar gewesen. Hinsichtlich der in seinem Eigentum stehenden Wohnung in C, die mietfrei der Tochter B zu Wohnzwecken überlassen wurde, ist zu bemerken, dass grundsätzlich keine rechtliche Verpflichtung besteht, einem erwachsenen und selbsterhaltungsfähigen Kind unentgeltlich eine Immobilie zur Benützung zur Verfügung zu stellen. Dass diese Wohnung weder verkauft noch zumindest unter marktgerechten Bedingungen vermietet wurde, beruht daher auf einer freiwilligen Entscheidung des Eigentümers und macht einen für ihn erforderlichen, anderweitig aufzubringenden monetären Aufwand nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung im steuerrechtlichen Sinn.

Es war somit insgesamt wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Streitfall zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der zitierten Rechtsprechung des VwGH.

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at