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ASoK 3, März 2023, Seite 74

Europarechtliche Rahmenbedingungen des Streikrechts

Zu Art 28 GRC und Art 11 EMRK

Elisabeth Brameshuber

Jahrzehntelang ging die herrschende Lehre in Österreich von der sogenannten Trennungstheorie aus. Danach wurde das Streikgeschehen bzw dessen rechtliche Beurteilung in zwei nicht miteinander kommunizierende Gefäße (kollektive Gesamtaktion vs einzelvertragliche Ebene) aufgeteilt. Der Einfluss des Europarechts hat jedoch zu einem Umdenken geführt: Nach mittlerweile ganz herrschender Ansicht führt eine rechtmäßige Gesamtaktion dazu, dass eine Entlassung wegen Teilnahme an einer solchen rechtmäßigen Gesamtaktion unzulässig ist. Der vorliegende Beitrag geht den europarechtlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung rezenter EGMR-Judikatur nach und eruiert auf dieser Basis, inwiefern sich ein rechtmäßiger Streik auf das Synallagma im Arbeitsvertrag und somit letztlich auf dessen Bestand (nicht) auswirkt.

1. Unionsrecht (Art 28 GRC)

1.1. Allgemeines

Gemäß Art 28 GRC haben die Arbeitnehmer bzw ihre entsprechenden Organisationen, also vor allem Gewerkschaften, „nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verte...

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