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OGH vom 16.02.2023, 9ObA100/22d

OGH vom 16.02.2023, 9ObA100/22d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter David Hobel, LL.M. (WU) (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * B*, vertreten durch Mag. Simone Hiebler, Dr. Gerd Grebenjak ua, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Heimo Jilek Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 606,86 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 35/22x17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 25 Cga 55/21a12, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 606,86 EUR brutto samt 8,58 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Leoben, 865 EUR an Aufwandersatz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, binnen 14 Tagen der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Leoben, 555 EUR an Aufwandersatz für das Berufungsverfahren und der klagenden Partei die mit 249,79 EUR (darin 41,63 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 606,86 EUR brutto sA, davon 465,88 EUR an (strittiger) Entgeltfortzahlung sowie 123,38 EUR an restlichen Sonderzahlungen und 17,60 EUR an restlicher Urlaubsersatzleistung. Er sei bei der Beklagten von 19. 7. bis als Produktionsmitarbeiter beschäftigt gewesen und während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses an die Firma G* GmbH überlassen worden. Das Dienstverhältnis habe am durch einvernehmliche Auflösung geendet. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich in einem ordnungsgemäßen und von der ÖGK anerkannten Krankenstand befunden, der von 1. bis gedauert habe. Die Behauptung der Beklagten, von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers nichts gewusst zu haben, sei unrichtig. Im Übrigen komme es für den Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 5 EFZG nicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Arbeitsverhinderung an, sondern auf das objektive Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. Die Rückdatierung der einvernehmlichen Auflösung auf den sei unzulässig gewesen. Wenn die Beklagte am der Beschäftigerin mitgeteilt habe, dass der Kläger nicht mehr zur Arbeit komme, sei möglicherweise dadurch die Weitermeldung des Krankenstands vom Beschäftigerbetrieb an den Überlasserbetrieb vereitelt worden; dies für den Fall, dass eine Information der Beklagten vom Krankenstand durch den Kläger nicht erfolgt wäre.

[2] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe das Dienstverhältnis am per WhatsApp gekündigt. Lediglich über Ersuchen des Klägers habe sich die Beklagte in weiterer Folge bereit erklärt, das Dienstverhältnis nachträglich zum einvernehmlich aufzulösen. Der Kläger habe weder an diesem Tag noch an den darauffolgenden Tagen der Beklagten oder dem Beschäftigerbetrieb einen Krankenstand gemeldet. Die Beklagte habe erst am Kenntnis vom Krankenstand des Klägers erhalten, da sich der Kläger bei ihrer Mitarbeiterin telefonisch darüber beschwert habe, dass kein Krankengeld eingelangt sei. Entgegen seiner Verpflichtung habe er seine krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung nicht gemeldet, was für die Dauer der Säumnis einen Verlust des Entgeltanspruchs zur Folge habe. Die gegenständliche Geltendmachung von Ansprüchen sei als rechtsmissbräuchlich und schikanös zu betrachten, da der Kläger offenbar anstrebe, neben einem bei Dienstnehmerkündigung nicht zustehenden umgehenden Arbeitslosenbezug auch Krankengeld zu lukrieren. In Kenntnis des Krankenstands hätte die Beklagte einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses keinesfalls zugestimmt. Im Krankheitsfall habe der Leiharbeiter seine Krankmeldung sowohl an den Beschäftigerbetrieb als auch an den Überlasserbetrieb zu übermitteln. Die Meldepflicht direkt an den Überlasserbetrieb beruhe auch darauf, dass der Überlasserbetrieb nicht darauf angewiesen sein könne, dass ein Beschäftigerbetrieb alle notwendigen Informationen unverzüglich weiterleite.

[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus:

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag trägt unter anderem folgenden Wortlaut:

„… Bei Krankheit oder sonstiger Dienstverhinderung hat der DN den Beschäftigerbetrieb und [die Beklagte] unverzüglich zu informieren und so rasch als möglich einen schriftlichen Nachweis zu erbringen. Bei Nichtbefolgung erfolgt die Einstellung der Entgeltfortzahlung bis zur Klärung der Umstände. …“

[4] Der Beschäftigerbetrieb stellt Glasfasermatten her. Der Kläger war mit seiner Aufgabe innerhalb des Betriebs nicht zufrieden. Dies teilte er der zuständigen Leiterin der Niederlassung der Beklagten (S*) per WhatsApp mit. Diese versuchte daraufhin, für den Kläger innerhalb des Unternehmens eine andere Beschäftigung zu finden. In weiterer Folge teilte ihr der Kläger wieder per WhatsApp mit, dass er an seiner Arbeit ohnedies nicht mehr sehr interessiert sei und schon Gespräche wegen eines Arbeitsplatzes bei einem anderen Arbeitgeber führe. Er erkundigte sich auch über die Kündigungsfristen. S* teilte ihm mit, dass er an jedem Freitag mit 14tägiger Kündigungsfrist kündigen könne. Einige Tage später, nämlich am Mittwoch, dem , während der Kläger in der Nachmittagsschicht beim Beschäftigerbetrieb arbeitete, schrieb er S* um 17:47 Uhr eine WhatsAppNachricht mit folgendem Wortlaut:

„Hallo Sandra – ich kündige mit heutigem Datum – ich hoffe, dass wir das einvernehmlich machen können – es geht nicht mehr, ... .“

S* rief den Kläger am nächsten Tag an und vereinbarte mit ihm am Telefon eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses, um ihm entgegenzukommen, da er sonst eine einmonatige Sperrfrist beim Bezug der Arbeitslosenunterstützung gehabt hätte.

S* teilte dem Beschäftigerbetrieb am selben Tag, dem – noch vor Schichtbeginn – mit, dass der Kläger zur Nachmittagsschicht nicht mehr kommen werde. Der Kläger hatte S* nicht gesagt, dass er seit dem Abend des Vortags wegen einer Magenverstimmung krank geschrieben ist. Er hatte nämlich während der Nachmittagsschicht (des Vortags) um 18:00 Uhr – also rund eine viertel Stunde nach Absenden der KündigungsWhatsAppNachricht, nach einer Pause ein Gefühl von Schwindel und Übelkeit gehabt, musste sich hinlegen und wurde vorzeitig vom Vorarbeiter nach Hause geschickt. Am nächsten Tag suchte er seinen Hausarzt auf, der ihn rückwirkend ab krank schrieb.

[5] Der Kläger teilte lediglich dem für ihn zuständigen Meister im Beschäftigerbetrieb seinen Krankenstand am telefonisch mit. Diese Information wurde vom Beschäftigerbetrieb nicht an die Beklagte weitergeleitet, weil zwischenzeitig von S* die Mitteilung gekommen war, dass der Kläger zur Nachmittagsschicht nicht mehr kommen werde.

S* forderte den Kläger in dem Telefonat auf, am nächsten Tag, also am 3. 9., in das Büro der Beklagten zu kommen. Dem kam der Kläger nach. Nachdem die einvernehmliche Auflösung bereits am Vortag telefonisch mündlich ausgemacht worden war, wurde einvernehmlich das Ende des Dienstverhältnisses mit festgelegt.

[6] Die entsprechende Urkunde hat folgenden Wortlaut:

Auflösung des Dienstverhältnisses

Sehr geehrter Herr B*!

Wie besprochen, beenden wir das Dienstverhältnis einvernehmlich mit seitens Dienstgeber. …“

[7] Die Urkunde ist sowohl von S* als auch vom Kläger unterfertigt.

[8] Der Krankenstand des Klägers dauerte bis . Von diesem Krankenstand erfuhr S* erst nach Ende desselben.

[9] In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Beschäftigerbetrieb sei grundsätzlich als Stellvertreter des Überlasserbetriebs anzusehen, weshalb an sich eine Krankmeldung an den Beschäftigerbetrieb ausreiche, um der Mitteilungspflicht nach § 4 Abs 1 EFZG zu entsprechen. Im Fall des Klägers habe jedoch der Beschäftigerbetrieb die Krankmeldung deshalb nicht weitergeleitet, da das Arbeitsverhältnis am selben Tag aufgelöst und dies dem Beschäftigerbetrieb noch vor Beginn der Nachmittagsschicht am 2. 9. mitgeteilt worden sei. Damit habe der Beschäftigerbetrieb nicht mehr als Stellvertreter des Arbeitskräfteüberlassers für die Entgegennahme der Krankmeldung fungiert, und zwar unabhängig davon, ob die Krankmeldung an diesem Tag kurz vor oder nach der Mitteilung der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei, da es jedenfalls keinen Grund mehr gegeben habe, die Krankmeldung weiterzuleiten. In dieser speziellen Fallkonstellation wäre daher die Meldung wieder direkt an den Arbeitgeber zu erstatten gewesen, was auch die Treuepflicht des Arbeitnehmers gebiete, da der Arbeitgeber sonst keine Möglichkeit habe, einen Nachweis (Krankenstandsbestätigung) vom (richtig) Arbeitnehmer zu verlangen, zumal mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses sämtliche wechselseitigen Rechte und Pflichten, also auch die zitierte Nachweispflicht, entfielen. Dies würde zu einem unbilligen Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber das Entgelt fortzahlen müsse, ohne vom Krankenstand Kenntnis erlangt zu haben und ohne diesen überprüfen zu können. Da der Kläger seiner Mitteilungspflicht nicht entsprochen habe, gehe er seines Entgeltfortzahlungsanspruchs gemäß § 4 Abs 4 EFZG verlustig. Das Klagebegehren sei abzuweisen, weil es aus der Annahme resultiere, dass das Dienstverhältnis bis gedauert habe.

[10] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung des Klägers keine Folge. Zusammengefasst war es der Ansicht, dass die Meldung eines Krankenstands bloß an den Beschäftiger in keinem Fall ausreichend sei. Den Beschäftiger, mit dem die Arbeitskraft in keiner vertraglichen Beziehung stehe, träfen zwar einzelne Arbeitgeberpflichten. Diese Pflichtenübertragungund Stellvertreterfunktion des Beschäftigers könne aber nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer von jenen Verpflichtungen befreit werde, die ihn auch bei Vorliegen eines zweipersonalen Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Dienstgeber treffen. Eine gesetzliche Regelung, die den Beschäftiger verpflichten würde, eine ihm von der überlassenen Arbeitskraft bekannt gegebene Arbeitsverhinderung an den Überlasser weiterzuleiten, existiere nicht. Wohl aber sehe § 4 Abs 1 EFZG die ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitnehmers vor, eine Arbeitsverhinderung ohne Verzug dem Arbeitgeber bekanntzugeben. Mit einer Krankmeldung an den Beschäftiger erfülle der Arbeitnehmer demgemäß seine Meldepflicht nicht. Die Revision sei zu dieser Frage zulässig.

[11] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[14] Der Kläger wiederholt darin seine Ansicht, dass für die Erfüllung der Mitteilungspflicht nach § 4 Abs 4 EFZG eine Mitteilung an den Beschäftiger ausreichend sei. Im Übrigen komme es auf eine solche Mitteilung nicht an, weil für die Entgeltfortzahlung iSd § 5 EFZG das objektive Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ausreiche.

Dazu war Folgendes zu erwägen:

[15] 1. Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit beendet (telefonische Erklärungen am , schriftlich festgehalten am ). Das ist nicht anders zu verstehen, als dass das Dienstverhältnis mit Ablauf des beendet sein sollte. Der Kläger war bereits am Abend des arbeitsunfähig und wurde noch während der laufenden Schicht vom Beschäftiger nach Hause geschickt. Die Arbeitsunfähigkeit für den (Abend des) wurde durch das am Folgetag ausgestellte ärztliche Attest bestätigt. Damit trat die Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses ein.

2. Zur Frage, ob die Unkenntnis der Beklagten von der Arbeitsunfähigkeit der Entgeltfortzahlung für die Dauer der Erkrankung entgegensteht:

[16] 2.1 Gemäß § 2 Abs 1 EFZG behält ein Arbeitnehmer, der nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert wird, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, seinen (näher bestimmten) Anspruch auf das Entgelt.

[17] Gemäß § 4 Abs 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ohne Verzug die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber bekanntzugeben und auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers oder eines Gemeindearztes über Beginn, voraussichtliche Dauer und Ursache der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen.

[18] Kommt der Arbeitnehmer einer seiner Verpflichtungen nach (ua) Abs 1 nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf Entgelt (Abs 4 leg cit).

2.2 Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sieht § 5 EFZG vor:

[19] Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gemäß § 2 einvernehmlich beendet wird.

[20] 2.3.1 Die Erweiterung des Entgeltfortzahlungs-anspruchs im Fall einer einvernehmlichen Auflösung durch § 5 S 2 EFZG erfolgte mit BGBl I 2017/153 (ohne nähere Erläuterungen). Der Oberste Gerichtshof hat dazu in der Entscheidung 10 ObS 67/21g (mwN) unter Darlegung der Entwicklung der Rechtslage zum Normzweck festgehalten, dass nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2017/153 die Entgeltfortzahlungsbestimmungen des § 5 Abs 1 EFZG bzw § 9 Abs 1 AngG (nur) verhindern sollten, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst, seit der Novellierung der Bestimmungen (BGBl I 2017/153) aber nicht mehr (allein) von diesem Normzweck ausgegangen werden kann und durch die Erweiterung bezüglich einvernehmlicher Auflösungen während einer Arbeitsverhinderung sowie im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung auch Konstellationen unter den Schutz der Entgeltfortzahlungsbestimmungen gestellt wurden, die vom bisherigen Normzweck nicht erfasst waren. Dafür, dass nur bestimmte Arten der einvernehmlichen Auflösung (vom Arbeitgeber ausgehende oder im Interesse beider Vertragsparteien liegende) während einer Arbeitsverhinderung den Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus begründen, besteht keine Grundlage (RS0109426 [T6, T7]).

[21] 2.3.2 Für die Frage der erforderlichen Kenntnis des Arbeitgebers von der Arbeitsunfähigkeit ist hervorzuheben, dass § 5 S 2 EFZG zwei Anwendungsfälle erfasst: Einerseits die einvernehmliche Beendigung während einer Arbeitsverhinderung nach § 2, andererseits die einvernehmliche Beendigung im Hinblick auf eine solche Arbeitsverhinderung. Bei der einvernehmlichen Beendigung im Hinblick auf einen Krankenstand muss das Motiv zur Beendigung im (bevorstehenden) Krankenstand liegen, was die diesbezügliche Kenntnis des Arbeitgebers voraussetzt (Burger in Reissner, AngG3 § 9 Rz 17; Rauch, EFZG2 § 5 Anm 7). Bei der einvernehmlichen Beendigung während eines Krankenstandes ist das Motiv der Beendigung dagegen ohne Bedeutung (vgl Burger in Reissner, AngG3 § 9 Rz 16).

[22] 2.4 In einer früheren, vor Schaffung des EFZG ergangenen Rechtsprechung wurde angenommen, dass eine Auslegung der (Parallel)Bestimmung des § 1156b S 2 ABGB – nunmehr § 1156 S 2 ABGB – dahin, dass den Dienstgeber eine erweiterte Entgeltpflicht über den Zeitpunkt der Lösung des Dienstverhältnisses hinaus nur treffe, wenn er von der Erkrankung des Dienstnehmers Kenntnis hatte, abzulehnen sei (RS0025781 = 4 Ob 47/63 [Arb 7749]).

[23] 2.5 Zur Arbeitgeberkündigung während eines Krankenstandes wird von der herrschendem Meinung vertreten, dass allein der Zeitpunkt des Zugangs der Beendigungserklärung maßgebend ist und eine Kenntnis des Arbeitgebers vom Krankenstand daher nicht erforderlich ist (vgl etwa Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 9 AngG Rz 19 mwN; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, Angestellten-gesetz11 § 9 AngG Rz 12; Eibensteiner, Rückwirkende Krankschreibung und Arbeitgeberkündigung, RdW 2017/248 [314 mwN]; Felten in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1156 ABGB Rz 2; Auer-Mayer/Pfeil in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Band 75 [2021] § 1156 ABGB Rz 4).

[24] Für die neue Rechtslage geht auch Haider, DRdA 2022/13 (246) davon aus.

[25] 2.6 Dass für die Anwendung von § 5 EFZG keine Kenntnis des Arbeitgebers von der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verlangt wird, ist vor allem vor dem Hintergrund jener Konstellationen zu sehen, in denen ein Arbeitnehmer nach Ausspruch der Beendigungserklärung noch für den Tag dieser Erklärung krankgeschrieben wird – was teilweise auch rückwirkend erfolgt (meist um einen Tag, s die Beispiele aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bei Eibensteiner, RdW 2017/248) – und das ärztliche Attest dem Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Beendigungserklärung vorgelegt wird. In Fällen der einvernehmlichen Auflösung liegt zwar keine Konstellation vor, in der der Arbeitgeber durch einseitige Erklärung ein Arbeitsverhältnis beendet. § 5 EFZG bietet aber keine Anhaltspunkte, dass diesbezüglich eine Unterscheidung vorzunehmen wäre.

[26] 3. Dies kann aber nicht dahin verstanden werden, dass im Beendigungsstadium die Pflicht (Obliegenheit) des Arbeitnehmers nach § 4 EFZG, dem Arbeitgeber ohne Verzug das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bekanntzugeben, obsolet würde. Die Melde- und gegebenenfalls Nachweis„pflicht“ (Obliegenheit) als solche entfällt nicht dann oder deshalb, weil in einem Arbeitsverhältnis Beendigungserklärungen ausgesprochen werden. Darauf gibt es keinen Hinweis des Gesetzgebers, derartiges wird auch von den genannten Stimmen der Literatur nicht behauptet.

[27] 4. Die Meldepflicht nach § 4 Abs 4 EFZG besteht gegenüber dem Arbeitgeber.

[28] 4.1 Die hier relevante Frage, ob dieser Meldepflicht im Fall der Arbeitskräfteüberlassung auch durch Krankmeldung an den Beschäftiger nachgekommen werden kann, wurde in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bisher offen gelassen (8 ObA 96/04g: keine klare Krankmeldung) und vom Oberlandesgericht Wien bereits in der Entscheidung 9 Ra 134/03x, ARD 5480/5/2004, verneint.

[29] 4.2 Im Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass die (hinreichend bestimmte) Krankmeldung an den Beschäftiger ausreichend sei (Adamovic, Glosse zu 8 ObA 96/04g, ZAS 2005/22; Gerhartl, Melde- und Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Erkrankungen, ASoK 2007, 427 [FN 4]; Burger in Reissner, AngG3 [2019] § 8 Rz 33; Rauch, EFZG2 § 4 Anm 1.3; Vogt in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar (39. Lfg 2022) Krankheit und Unglücksfall Rz 46 [FN 117]; ohne eigene Stellungnahme Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 69); aA Lindmayr in Lindmayr, Angestelltengesetz Kurzkommentar [2007] § 8 AngG Rz 125 [mit Verweis auf OLG Wien ARD 5480/5/2004]).

[30] 4.3 Näher hielt Adamovic in seiner Glosse zu 8 ObA 96/04g, ZAS 2005/22 fest, dass der Adressat der Krankenstandsmeldung regelmäßig der Arbeitgeber oder sein – auch nur stillschweigend – bevollmächtigter Vertreter sei. Bei der Arbeitskräfteüberlassung sei der Beschäftiger, dem das Weisungsrecht abgetreten worden sei, als Stellvertreter des Überlassers jedenfalls tauglicher Adressat der Krankenstandsmitteilung. Diesen treffe auch die Verpflichtung, eine ihm gemachte Mitteilung unverzüglich dem Überlasser weiterzuleiten bzw anzuzeigen. Umgekehrt wäre nach seiner Ansicht eine Vereinbarung, wonach der überlassene Arbeitnehmer eine Krankmeldung wirksam nur gegenüber dem Überlasser abgeben könne, unzulässig (da dies gegen den Schutzzweck der §§ 2 Abs 1, 6, 10 und 11 AÜG sowie gegen § 1401 Abs 2 ABGB verstoße).

[31] 5. Der Oberste Gerichtshof folgt der Meinung, dass eine Krankmeldung an den Beschäftiger ausreicht:

[32] 5.1 Zu bedenken ist, dass im Fall der Arbeitskräfteüberlassung der Überlasser zwar der formale Arbeitgeber ist. Teilweise gilt aber (auch) der Beschäftiger als Arbeitgeber, so etwa gemäß § 6 Abs 1 AÜG bezüglich der Arbeitnehmerschutzvorschriften, gemäß § 6 Abs 3 AÜG, wonach die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers auch den Beschäftiger treffen und gemäß § 6a Abs 1 AÜG, wonach der Beschäftiger auch im Zusammenhang mit den Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverboten als Arbeitgeber gilt.

[33] 5.2 Auch im Hinblick auf die Frage, an wen die Krankmeldung zu erfolgen hat, ist auf die Funktionsteilung zwischen Beschäftiger und Überlasser Bezug zu nehmen. Die Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit berührt einerseits die mangelnde Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers für die Erbringung der geschuldeten Leistung beim Beschäftiger, andererseits die Entgeltfortzahlung trotz unterbliebener Leistung durch den Überlasser. Der Überlasser ist daher schon als von der Entgeltfortzahlung betroffener Arbeitgeber möglicher Adressat einer Krankmeldung. Da bei einer überlassenen Arbeitskraft die Befugnis, Weisungen zu erteilen, an den Beschäftiger ausgelagert ist und diesem insbesondere auch die Organisation des Einsatzes der überlassenen Arbeitskräfte in zeitlicher Hinsicht zukommt, kann aber auch im Beschäftiger jedenfalls nicht von vornherein ein untauglicher Adressat einer Krankmeldung gesehen werden – dies unabhängig von der Frage, ob ihm insofern die Funktion eines Stellvertreters (oder Wissensvertreters) des Überlassers zukommt oder der Beschäftiger zum Machtbereich des Überlassers zu zählen ist oder nicht.

[34] 5.3 Da der überlassenen Arbeitskraft insoweit sowohl der Beschäftiger als auch der Überlasser in Arbeitgeberfunktion gegenüberstehen und sie vom Überlassungsverhältnis zwischen Beschäftiger und Überlasser als solchem informiert ist, darf eine überlassene Arbeitskraft davon ausgehen, dass die notwendigen Informationen zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser über ihre tatsächliche Einsetzbarkeit oder einen Verhinderungsgrund auch ausgetauscht werden (vgl auch Adamovic aaO: Anzeigepflicht im „Valutaverhältnis“, dem Überlassungsvertrag). Die Aufspaltung der Funktionen bei Arbeitskräfteüberlassung kann daher nicht als ausreichender Grund angesehen werden, den überlassenen Arbeitnehmer im Krankheitsfall mit einer Verdoppelung der Melde- und Nachweispflicht zu belasten, sofern er keinen Grund zur Annahme hat, dass Informationen über seine Arbeitsunfähigkeit im Verhältnis zwischen Überlasser und Beschäftiger nicht unverzüglich weitergeleitet werden.

6. Zur Anwendung auf den vorliegenden Fall:

[35] 6.1 Der Vorarbeiter des Klägers wusste am Abend des von dessen Arbeitsunfähigkeit. Am informierte der Kläger den für ihn zuständigen Meister beim Beschäftiger von der Krankschreibung. Dass der Kläger Anhaltspunkte dafür haben musste, dass seine Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht mitgeteilt wird, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Insbesondere geht daraus nicht hervor, dass er wissen musste, dass die Information vom Beschäftiger an den Überlasser deshalb nicht mehr weitergeleitet wird, weil die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt wurde. Vielmehr spricht das zwischen der Beklagten als Überlasserin und dem Beschäftiger geführte Telefonat vom objektiv gesehen dafür, dass hier alle beendigungsrelevanten Informationen erfolgen konnten. Da es in Anbetracht der geltend gemachten Ansprüche nach § 5 EFZG auch nach wie vor Grund zur Weiterleitung der erstatteten Krankmeldung gab, musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass seine Krankmeldung nicht weitergeleitet wird. Damit hat er seiner Meldepflicht aber mit der Erstattung der Krankmeldung an den Beschäftiger Genüge getan.

[36] 6.2 Für einen Fall des Rechtsmissbrauchs, der allenfalls zu einer anderen Bewertung führen könnte, bestehen im Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

[37] 7. Der Anspruch des Klägers besteht daher zurecht (wobei die nicht auf die Entgeltfortzahlung gerichteten Ansprüche unstrittig waren).

[38] 8. Der Revision des Klägers ist daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern.

[39] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO in Verbindung mit dem Aufwandersatzgesetz und der Aufwandersatzverordnung.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00100.22D.0216.000

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