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Rechtsprechungsbericht des VfGH für das Jahr 2022
Dieser Beitrag gibt einen Überblick zur Rechtsprechung des VfGH aus dem Jahr 2022 zum gerichtlichen Strafrecht und Strafprozessrecht.
1. Ablehnungsbeschlüsse
§§ 104, 156 Abs 1 Z 2, 165 StPO; Art 6 EMRK
Im Antrag wurde zunächst die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge „und die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten nach den Bestimmungen des § 165 durchzuführen“ in § 104 StPO wegen Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit in Art 6 Abs 1 EMRK und Art 90 Abs 1 B-VG behauptet. Die Aussage eines im Ermittlungsverfahren (§§ 91 ff StPO) kontradiktorisch einvernommenen Zeugen erfolge nicht öffentlich und diese würde auch nicht durch Verlesung des Protokolls seiner Einvernahme im Hauptverfahren (§§ 210 ff StPO) zu einer öffentlichen Aussage.
Der VfGH entgegnet dem: Aus Art 90 Abs 1 B-VG und Art 6 Abs 1 EMRK folgt keineswegs, dass es generell unzulässig wäre, in einer öffentlichen Hauptverhandlung (§§ 12 Abs 1, 228 Abs 1 StPO) Protokolle von Aussagen zu verwerten, etwa durch Verlesung (vgl § 252 Abs 1 StPO), die im vorangegangenen, nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren (§ 12 Abs 1 StPO) abgegeben wurden (vgl Kühne in Pabel/Schmahl, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention (2009) Art 6 Rz 346; Schmoller in Fuchs/Ratz, WK StPO, § 12 Rz 44; EGMR , Unterpertinger gg Österreich, Bsw 9120/80, Rn 3...