Kleinunternehmerregelung (Toleranzgrenze)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch S, gegen den Bescheid des FA Amstetten Melk Scheibbs vom , betreffend Umsatzsteuer 2011, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Aufgrund der Feststellungen einer bei der Beschwerdeführerin (Bf.) durchgeführten Außenprüfung hob das Finanzamt mit Bescheid vom den bisherigen Umsatzsteuerbescheid 2011 vom gemäß § 299 BAO auf. In dem zugleich ergangenen neuen Umsatzsteuerbescheid 2011 vom wurden Umsätze ( Lieferungen und sonstige Leistungen) in Höhe von 33.933,47 Euro mit dem Normalsteuersatz von 20 % versteuert. Nach Abzug der Vorsteuern in Höhe von 1.249,80 Euro ergab sich eine Zahllast in Höhe von 5.536,89 Euro.
In der Begründung des neuen Umsatzsteuerbescheides 2011 wurde auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung (§ 149 BAO) vom verwiesen.
Unter Tz 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung ist Folgendes ausgeführt:
Die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben wurden anhand der vorgelegten Belege überprüft. Hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlagen ergeben sich keine Änderungen. Der (Netto)umsatz im Jahr 2011 beträgt € 33.933,47 und befindet sich damit innerhalb der 15 %-igen Toleranzgrenze (30.000- 34.500 €) für Kleinunternehmer, was bei Einhaltung der weiteren Bedingung, dass innerhalb eines Fünfjahreszeitraumes nur eine einzige Überschreitung möglich ist, die Nichtvorschreibung der Umsatzsteuer zur Folge hätte. Da jedoch der Umsatz des Vorjahres diese Grenze bereits übersteigt (Nettomsatz 2010: € 42.220,--) kann diese Regelung keine Anwendung finden. Diese Grenze darf, wie bereits erwähnt, nur einmal überschritten werden und dabei ist jeweils vom aktuellen Veranlagungszeitraum auf vier weitere Veranlagungszeiträume in die Vergangenheit zurückzublicken (§ 6 (1) Z 27 UStG 1994 und Rz 997 UStR 2000).
Die Bf. erhob gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom Berufung mit folgender Begründung:
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 definiere eindeutig, dass das Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren unbeachtlich ist. Auch den Umsatzsteuerrichtlinien könne nicht entnommen werden, dass die Überschreitung im ersten Jahr die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verhindere. Die Bf. habe im Sommer 2011 die letzte Mitarbeiterin abgebaut, damit sei klar gewesen, dass die normale Umsatzgrenze auch in den nächsten fünf Jahren nicht mehr überschritten werden kann. Sie vertrete daher in diesem speziellen Fall den Standpunkt, dass schon 2011 die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zustehe, auch wenn die Überschreitung im ersten Jahr stattgefunden habe.
Nach der Aktenlage erzielte die Bf. in den Vorjahren 2007 bis 2010 Umsätze in Höhe von 48.583,29 Euro, 42.115,46 Euro, 42.014,85 Euro und 42.220,10 Euro. In dem auf das Beschwerdejahr folgenden Jahr 2012 erzielte sie Umsätze in Höhe von 20.761,70 Euro, welche im Umsatzsteuerbescheid 2012 gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 als steuerfrei behandelt wurden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen jene der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich.
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 folgenden Umsätze:
1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
2. der Eigenverbrauch im Inland.
Innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren kann - unter Beibehaltung der Anwendung der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 - die 30.000-Euro-Grenze einmal um 15 % überschritten werden (die Grenze beträgt in diesem Jahr somit 34.500 €). Von der Toleranzgrenze kann neuerlich erst wieder im fünften Jahr nach der vergangenen Anwendung der Toleranzgrenze Gebrauch gemacht werden (zB Anwendung der Toleranzgrenze im Jahr 02, neuerliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der Toleranzgrenze im Jahr 07) [vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Band III, § 6 Abs. 1 Z 27, Anm. 34].
Die Bf. hat in den Jahren 2007 bis 2011 folgende Umsätze erzielt:
2007: 48.583,29 Euro
2008: 42.115,46 Euro
2009: 42.014,85 Euro
2010: 42.220,10 Euro
2011: 33.933,47 Euro
Nach dem eindeutigen Wortlaut der eingangs zitierten Norm ist nur das einmalige Überschreiten zu tolerieren. Überschritten kann eine Grenze jedoch nur dann werden, wenn sie nicht schon vorher überschritten war. Dies bedeutet, dass die Toleranzregelung ua. nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die im Vorjahr erzielten Umsätze innerhalb der Umsatzgrenze liegen (vgl. ; ; -G/09).
Da im vorliegenden Fall die Toleranzgrenze in Höhe von € 34.500,00 im Jahr 2010 überschritten wurde, löst die weitere Überschreitung der Kleinunternehmergrenze im Jahr 2011, auch wenn diese innerhalb der Toleranzgrenze von € 34.500,00 liegt, jedenfalls die Steuerpflicht der Umsätze des Streitjahres aus.
Die von der Bf. vertretene Ansicht, die bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung ausschließlich auf die Umsätze des Streitjahres abstellt und die im Vorjahr erzielten Umsätze völlig außer Acht lässt, ist mit dem Wesen der Kleinunternehmerregelung, die nur eine einmalige Überschreitung um nicht mehr als 15 % innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren toleriert, nicht in Einklang zu bringen.
Das Finanzamt hat somit mit dem angefochtenen Bescheid die von der Bf. im Jahr 2011 erzielten Umsätze zu Recht als steuerpflichtig behandelt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall vor, weil es zur gegenständlichen Rechtsfrage keine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gibt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Zitiert/besprochen in | Mayr in SWK 28/2015, 1304 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101527.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at