Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2015, RV/6100744/2014

Keine Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO ohne Abhängigkeit des vorangegangenen Bescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) vom "Nichtbescheid"

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100744/2014-RS1
Sachverhaltsmäßige Bedingung für eine Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO ist, dass sich der aufzuhebende Änderungsbescheid nur auf einen "Nichtbescheid" stützte. Denkt man sich diesen „Nichtbescheid“ weg, wäre ein Änderungsbescheid nicht zu erlassen gewesen. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn die Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO entweder zusätzlich oder allein auf einem oder mehreren anderen Grundlagenbescheiden basierte.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch


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den Vorsitzenden
Mag. Erich Schwaiger,
den beisitzenden Richter
Dr. Bruno Hübscher,
den fachkundigen Laienrichter
Mag. Peter Lederer und
den fachkundigen Laienrichter
Mag. Gottfried Warter
über die Beschwerde
 
des Beschwerdeführers
Bf. , Anschriftvertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene
Dr. Beisteiner Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. ,
5020 Salzburg , Lasserstraße 2A und die
Prof Dr Thomas Keppert Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG
1060 Wien, Theobaldgasse 19
vom
gegen die Bescheide
 
des Finanzamtes
Salzburg-Land , 5026 Salzburg-Aigen , Aignerstraße 10 vertreten durch
Mag. Josef Nußbaumer
vom
betreffend
die Abweisung der in den Schriftsätzen vom („ Beteiligung_1 “) und vom („ Beteiligung_2 “) jeweils unter Punkt 1) angeführten Anträge auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom , des Einkommensteuerbescheides 2004 vom und des Einkommensteuerbescheides 2005 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO sowie der in diesen Schriftsätzen unter Punkt 2) angeführten Anträge auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2002 bis 2005 gem. § 303 BAO
in der am

in Salzburg abgehaltenen (nichtmündlichen) Senatsverhandlung zu Recht erkannt:

I) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die bekämpften Bescheide bleiben unverändert.

II) Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zitierungen der und Hinweise auf die Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961) beziehen sich soweit nicht gesondert angeführt auf die Rechtslage ab dem .

Nachdem das Finanzamt (kurz FA) die hier strittigen, in zwei formularartig aufgebauten Schreiben vorgebrachten 16 Anträge (siehe Tabelle) abgewiesen hatte (Bescheide vom ) und der Beschwerdeführer (kurz Bf.) dagegen mit Schreiben vom Berufung ergriffen hatte, legte das FA diese Anfang September 2013 ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung an den Unabhängigen Finanzsenat vor. Sie gilt deshalb gem. § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde, über die das Bundesfinanzgericht abzusprechen hat. Von der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013-1 zur Erledigung zugewiesen.

Bei den bekämpften Abweisungsbescheiden handelt es sich um zwei Schriftstücke vom , mit denen in Form von Sammelbescheiden über insgesamt 18 Anträge abgesprochen wurde. Dabei handelt es sich um die folgenden Anbringen, wobei die mit datierten mit Begleitschreiben vom und die mit datierten mit Begleitschreiben vom beim FA eingebracht wurden (Zur Nummerierung siehe auch ):

Tabelle: Anträge


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Nr.
Bezeichnung
Datum
Jahr
11
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_1"
2002
12
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_2"
2002
13
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_1"
2002
14
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_2"
2002
15
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_1"
2003
16
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_2"
2003
17
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_1"
2003
18
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_2"
2003
19
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_1"
2004
20
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_2"
2004
21
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_1"
2004
22
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_2"
2004
23
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_1"
2005
24
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_2"
2005
25
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_1"
2005
26
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_2"
2005
27
Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO "Beteiligung_1"
2006
28
Antrag gem. § 303 BAO "Beteiligung_1"
2006

Dieses Erkenntnis spricht nur über den Teil der Beschwerde ab, der die Abweisungsbescheide für 2002 bis 2005 betrifft (Anträge 11-26, gelb unterlegt).
Über die Beschwerde bezüglich der Anträge für das Jahr 2006 (Nr. 27 und 28) wird mit Erkenntnis zur GZ RV/6100760/2014 abgesprochen.

Nachdem ursprünglich die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt worden war, zog der Bf. (nur) sein letztgenanntes Verlangen mit Schreiben vom 7.  November 2014 zurück. Die Senatszuständigkeit blieb bestehen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Dieses Erkenntnis basiert auf dem unten dargestellten Sachverhalt, der in den Akten des Finanzamts und des Bundesfinanzgerichts abgebildet und unbestritten ist.

1. Sachverhalt

Für die Jahre 2002 bis 2005 ergingen bis 2012 die folgenden Einkommensteuerbescheide, die alle in Rechtskraft erwuchsen. Alle nachstehend dargestellten Bescheide ergingen vorläufig!

Tabelle: ESt-Bescheide 2002-2005


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Einkommensteuerbescheide vorläufig
2002
2003
2004
2005
1
Erstbescheid
2
 
 
3

1.1. Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO

Nach den aus der Tabelle ersichtlichen Erstbescheiden ergingen 2002 bis 2005 Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO. Die Details sind der folgenden Darstellung zu entnehmen. Aus der Anlage A zu diesem Erkenntnis sind die jeweiligen Bescheide und die darin berücksichtigten „Tangenten“ aus den entsprechenden Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO ersichtlich. Die Feststellungen, die dabei als Grund für die Maßnahme gem. § 295 Abs. 1 BAO herangezogen wurden, sind jeweils rot unterlegt.

Schon hier darf darauf hingewiesen werden, dass aus den Bescheidbegründungen klar hervorgeht, dass die Beteiligungen „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“ nie Anlass für auf § 295 Abs. 1 BAO gestützte Änderungsbescheide waren. Zu diesen Beteiligungen finden sich in den Finanzamtsakten bis 2013 auch keine (geänderten) Mitteilungen.

Einkommensteuer 2002 (jeweils vorläufig)

Der vorläufige Erstbescheid 2002 vom berücksichtigte keine Ergebnisse aus den Beteiligungen an der „ Beteiligung_1*** “ (in Folge kurz „Beteiligung_1“) und der „ Beteiligung_2*** “ (in Folge kurz „Beteiligung_2“). Diese Beteiligungen finden sich auch nicht in der am eingereichten Einkommensteuererklärung.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 vom stützte das FA auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA X*** zu Steuernummer 111/1111 vom . Dabei handelt es sich um das Feststellungsverfahren zur „ Beteiligung_4*** “.

Auch die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 vom begründete das FA mit einer amtlichen Feststellung für die Beteiligung an der Beteiligung_4***, diesmal vom .

Die Beteiligungsergebnisse von der Beteiligung_1 und der Beteiligung_2 wurden weiterhin nicht und damit mit EUR 0,00 angesetzt.

Einkommensteuer 2003 (jeweils vorläufig)

Im vorläufigen Erstbescheid vom wurden die Beteiligungsergebnisse aus der Beteiligung_1  mit EUR 1.417,12 und aus der Beteiligung_2 erklärungsgemäß mit EUR 4.578,39 (jeweils Gewinn) angesetzt.

Mit änderte das FA diesen Bescheid unter Berufung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA Y*** zu Steuernummer 222/2222 vom und reduzierte den bisher angesetzten Verlust aus dieser Beteiligung von EUR 180.000,00 auf EUR 19.094,00. Dabei handelte es sich um die „ Beteiligung_5*** “.

Gleichzeitig eliminierte das FA auch den Ansatz der erwähnten Gewinne aus der Beteiligung_1  und der Beteiligung_2 und stellte diese auf EUR 0,00, obwohl den Akten keine (geänderten) Mitteilungen zu entnehmen sind. Es handelte sich dabei um eine automatisierte Bescheidänderung, in die das Finanzamt nicht eingriff. Die Nichtberücksichtigung der Gewinne dürfte mit einem Programmfehler zusammenhängen.

Einkommensteuer 2004 (jeweils vorläufig)

Im vorläufigen Erstbescheid vom wurden die Beteiligungsergebnisse aus der Beteiligung_1  mit EUR 2.834,24 und aus der Beteiligung_2 mit EUR 2.398,20 (jeweils Gewinn) ebenfalls erklärungsgemäß angesetzt.

Mit änderte das FA diesen Bescheid unter Berufung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA Y*** vom zu Steuernummer 222/2222 („ Beteiligung_5*** “), 333/3333 („ Beteiligung_4*** “) und 444/4444 („ Beteiligung_6*** “) und veränderte die darauf entfallenden Ergebnisse gravierend.

Gleichzeitig eliminierte das FA auch hier den Ansatz der erwähnten Gewinne aus der Beteiligung_1  und der Beteiligung_2 und stellte diese auf EUR 0,00, ohne dass (geänderte) Mitteilungen vorgelegen wären. Der Grund dürfte sich mit 2003 decken.

Einkommensteuer 2005 (jeweils vorläufig)

Im vorläufigen Erstbescheid vom wurden die Beteiligungsergebnisse aus der Beteiligung_1  mit EUR 3.270,28 und aus der Beteiligung_2 mit EUR 29.069,13 (jeweils Gewinn) wiederum erklärungsgemäß angesetzt.

Mit änderte das FA diesen Bescheid unter Berufung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA Z*** vom zu Steuernummer 555/5555 („ Beteiligung_7*** “).
Es setzte das Ergebnis aus dieser Beteiligung mit einem Verlust von EUR 175.100,00 an, obwohl dies schon im Erstbescheid so berücksichtigt worden war. In diesem Bereich ergab sich also durch den Änderungsbescheid keine Abweichung.

Zusätzlich eliminierte das FA auch hier wieder den Ansatz der erwähnten Gewinne aus der Beteiligung_1  und der Beteiligung_2 und stellte diese auf EUR 0,00. Daraus resultierte die einzige Abweichung vom Erstbescheid und per Saldo eine Erhöhung des Verlustes aus Gewerbebetrieb, obwohl zu diesen Beteiligungen keine (geänderten) Mitteilungen vorlagen.

Mit änderte das FA den Bescheid neuerlich, diesmal unter Berufung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA Y*** vom zu Steuernummer 444/4444 („ Beteiligung_6*** “). Im Zuge dessen änderte das FA nicht nur das Ergebnis aus dieser Beteiligung, sondern auch das aus den Beteiligungen an der Beteiligung_4*** “ und der „ Beteiligung_5*** .

Zusätzlich brachte es nun auch wieder die Gewinnanteile aus der Beteiligung_1  mit EUR 3.270,28 und aus der Beteiligung_2 mit den erklärten EUR 29.069,13 in Ansatz. (Geänderte) Mitteilungen lagen nicht vor.

1.2 Anbringen vom 6. bzw.

Mit insgesamt acht Schriftsätzen vom 6. und (eingebracht beim FA mit Begleitschreiben vom 12. bzw. ) stellte der Bf. acht auf § 295 Abs. 4 BAO gestützte Anträge und begehrte für die Jahre 2002 bis 2005 die Aufhebung der jeweils letztgültigen Einkommensteuerbescheide (vom 14. und 16. September sowie vom ).

In denselben Schriftsätzen beantragte er (gleichzeitig bzw. „in eventu“) mit insgesamt acht weiteren Anbringen die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2002 bis 2005 ( § 303 BAO ).

Die formularartig aufgebauten Anbringen mit vorgedruckten Bezeichnungen und handschriftlich eingefügten Ergänzungen (Namen und Steuernummern sowie Jahre und Bescheiddaten der Beteiligten) stützte der Bf. auf zwei Bescheide des Unabhängigen Finanzsenats vom November und Dezember 2012 (-K/07 „ Beteiligung_3*** “ oder in Folge kurz „ Beteiligung_3 “ und -K/07 „Beteiligung_2***“ oder in Folge kurz „Beteiligung_2), mit denen festgestellt worden sei, dass den vermeintlichen Feststellungsbescheiden 2002 bis 2005 keine Bescheidqualität zukommt.

Die Anträge, die sich im Text auf die Beteiligung_2 bezogen, waren handschriftlich mit „Beteiligung_1***“ (in Folge kurz „Beteiligung_1“) und Steuernummer 666/6666 überschrieben. Nachdem der Bf. vom Bundesfinanzgericht darauf aufmerksam gemacht worden war, dass den Akten keine Beteiligung an der Beteiligung_2 entnommen werden kann, gestand er mit Schriftsatz vom zu, dass – trotz richtiger handschriftlicher Überschrift - in der Begründung dieser Anträge irrtümlicherweise auf eine falsche Berufungsentscheidung hingewiesen worden sei. Er verbesserte diesen Fehler und wies ergänzend auf die Berufungsentscheidung -K/07 „Beteiligung_1***“ (in Folge kurz „Beteiligung_1“) hin.

Die Anträge lauteten im Kern gleichlautend:

"1) Antrag auf Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO

Hiermit beantrage ich in offener Frist, den Einkommensteuerbescheid vom […] gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben.

Begründung:
Der genannte Bescheid wurde gem. § 295 Abs. 1 BAO von einem Schriftstück abgeleitet, das nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck eines Feststellungsbescheides bzw. einen Nichtfeststellungsbescheides erweckte. Zwischenzeitlich wurde die gegen dieses Schriftstück erhobene Berufung vom Unabhängigen Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom […] als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei diesem um einen Nichtbescheid handelt.
Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die mit dem AbgÄG 2011, BGBl I 2011/76 in die BAO eingefügte Bestimmung als Verfahrensvorschrift auch auf vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide iSd § 295 Abs. 1 BAO anzuwenden ist (Ritz, BAO4, § 295 Rz 21a).

Weiters weise ich darauf hin, dass eine Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO nicht im Ermessen der Abgabenbehörde liegt und auch dann zu erfolgen hat, wenn einer neuerlichen Änderung (§ 295 Abs. 1 BAO) des Abgabenbescheides bei nachträglicher Erlassung eines wirksamen Grundlagenbescheides der Eintritt der Bemessungsverjährung entgegensteht (Ritz, BAO4, § 295 Rz 21e).

Zur Frage der Rechtzeitig meines Antrages verweise ich auf die Grundsatzjudikatur des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2009/15/0153 über das Verhältnis von Einkommensteuerverfahren und Feststellungsverfahren. Demnach wird "durch die Regelungen des § 188 BAO [...] ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt". Daraus ergibt sich "sohin", dass sich "das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten" darstellt, weshalb "solcherart [...] die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig" wird und deren Kenntnis […] auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist'' (. 2009/15/0153).

Bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO handelt es somit in derartigen Fällen um die Berufungsentscheidungen gegen jene Schriftstücke (Nichtbescheide), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungsbescheid). Daher erfolgt mein Antrag rechtzeitig iSd § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO.

Sollte diesem Antrag nicht stattgegeben werden, beantrage ich in eventu die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO:

2) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO

Hiermit beantrage ich in offener Frist gem. § 303 BAO, das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer […] (Einkommensteuerbescheid vom […]) wieder aufzunehmen.

Der Antrag stützt sich auf eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit b BAO:

Mit am bei der Berufungswerberin eingelangten Erkenntnissen vom jeweils entschied der Verwaltungsgerichtshof in zwei Grundsatzentscheidungen wie folgt:

Soweit eine Personengesellschaft unter Benennung ihrer Gesellschafter dem Finanzamt gegenüber mit dem Begehren auf bescheidmäßige Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO auftritt (insbesondere durch Einreichung einer entsprechenden Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften), muss die bescheidmäßige Erledigung gegenüber diesen Rechtssubjekten einheitlich ergehen. Die vom Finanzamt vorgenommenen gesplitteten Erledigungen an die Komplementäre im Sinne des § 188 BAO und an die Kommanditisten mit dem Ausspruch, dass eine Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO zu unterbleiben hat, stellen demgegenüber keine Bescheide dar. Sie können daher auch keine Rechtswirksamkeit erlangen (; , 2012/15/0031).

[Nur in den Anträgen 14, 18, 22 und 26:
Infolge dessen wurden auch die gegen Wiederaufnahme“bescheide", Feststellungs- und Nichtfeststellungs"bescheide'' ergriffenen Berufungen vom UFS mit Berufungsentscheidung vom […] als unzulässig zurückgewiesen.]

Nun setzt eine Maßnahme nach § 295 BAO aber die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (z.B. „Nichtbescheid" als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassene Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) rechtswidrig. Zur Geltendmachung dieses Umstandes kommt auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des "abgeleiteten" Abgabenverfahrens in Betracht, wenn die „Nichtexistenz" des Grundlagenbescheides im Verfahren zur Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO der für die abgeleiteten Einkommensteuer (bzw. Körperschaftsteuer) zuständigen Abgabenbehörde nicht bekannt war. Diesfalls ist der Umstand, dass kein Grundlagenbescheid erlassen wurde, im abgeleiteten Abgabenverfahren eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO ( BAO-Erlässe 12/61 ,,Wiederaufnahme zur Aufhebung eines zu Unrecht auf § 295 BAO gestützten Bescheides").

Den Wiederaufnahmewerber trifft in derartigen Fällen idR kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes im abgeschlossenen Verfahren, weil er grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass kein Finanzamt einen auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Bescheid erlässt, obwohl die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen ( BAO-Erlässe 12/61).

Die Bewilligung der Wiederaufnahme, somit die Aufhebung des Änderungsbescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit ein wirksamer Grundlagenbescheid ergangen ist. Dieser saniert nämlich nicht die Rechtswidrigkeit eines trotz Fehlens der diesbezüglichen Voraussetzungen erlassenen Änderungsbescheides. Die Wiederaufnahme ist übrigens auch dann zu bewilligen, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines (den zwischenzeitlich erlassenen Grundlagenbescheid berücksichtigenden) neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht ( BAO-Erlässe 12/61).

Die Rechtsansicht des BMF betreffend der auch nach Eintritt der Verjährung zu verfügenden Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens ergibt sich zwingend aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser betont, dass „durch die Regelungen des § 188 BAO ... ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt“ wird. Daher stellt sich ,,sohin ... das Verfahren nach§ 188 BAO ... als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten“ dar, weshalb „solcherart ... die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig“ wird und deren Kenntnis (über einen Wiederaufnahmegrund) auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist ().

Bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO handelt es sich daher in derartigen Fällen um die Berufungsentscheidungen gegen jene Schriftstücke (Nichtbescheide), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungsbescheid).

Da der steuerliche Vertretet jener Personengesellschaft, an der ich als Gesellschafter beteiligt bin, erst mit der Zustellung der eingangs erwähnten Grundsatzjudikatur des VwGH am davon in Kenntnis gelangte, dass die als Nichtfeststellungsbescheide bzw. Gewinnfeststellungen iSd § 188 BAO gedachten Erledigungen des Finanzamts keine Bescheidqualität ausweisen, wird der Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens innerhalb der Dreimonatsfrist des§ 303 Abs. 2 BAO gestellt.

Auch die Berufungsentscheidung des UFS iS […] wurde erst am [bzw. ] zugestellt."

1.3 Abweisungsbescheide vom

Das FA wies mit zwei Sammelbescheiden alle 16 Anträge ab und begründete dies kurz damit, es lägen keine auf die in den Anträgen angeführten „Nichtfeststellungsbescheide“ gestützten Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO vor.

1.4. Berufungen (bzw. "Beschwerden") vom

Dagegen ergriff der steuerlich vertretene Bf. rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung (nun „Beschwerde“) und beantragte neben der Aufhebung der bekämpften Bescheide die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der letztgenannte Antrag wurde mit Schreiben vom 7.  November 2014 wieder zurückgenommen, die Senatszuständigkeit blieb aber bestehen.

Die Begründung lautete (auszugsweise):

"1.1 Zur historischen und teleologischen Interpretation des
§ 304 lit. b iVm § 295 Abs 4 BAO

[…]

Wie bereits im Wiederaufnahmeantrag ausführlich dargelegt, kann im konkreten Fall der im § 304 lit. b BAO angesprochene Bescheid nur jene Berufungsentscheidung sein, mit der sich herausstellte, dass es sich bei der als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung des Finanzamt […] um einen absolut nichtiger Verwaltungsakt (somit um einen Nichtbescheid) gehandelt hat.

Diese Berufungsentscheidung […] ist jedoch erst am und somit im Monat der Antragstellung auf Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen. Die Anträge wurden daher nicht verfristet eingebracht.

Die von uns vertretene Rechtsansicht, dass es sich bei dem „das Verfahren abschließenden Bescheid“ iSd § 304 lit. b BAO um die Berufungsentscheidung gegen die als Feststellungsbescheid gedachte Erledigung handeln muss, folgt unmittelbar aus dem Gesetz:

• So regelt § 295 Abs. 4 BAO die auf Antrag vorzunehmende Aufhebung von auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheiden für jene Fälle, in denen sich in einem Berufungsverfahren gegen einen Feststellungsbescheid herausstellt, dass das die Form und den Inhalt eines Feststellungsbescheids habende Dokument tatsächlich kein Bescheid ist.

§ 295 Abs. 4 BAO soll insbesondere verhindern, dass Berufungen gegen Einkommensteuerbescheide vorsorglich (sicherheitshalber) nur zwecks Vermeidung des Eintritts der Verjährung mit der Behauptung eingebracht werden, es lägen ihnen Nichtbescheide zugrunde (EB zu§ 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I 2011/76).

• Folglich kann diese Norm klarer Weise nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie auch in Fällen greift, in denen bereits Bemessungsverjährung eingetreten ist. Die im § 295 Abs. 4 BAO vorgesehene Antragsfrist muss daher auch Zeiträume umfassen, die nach dem Eintritt der Verjährung liegen.

• Dementsprechend verweist § 295 Abs. 4 BAO auf die Bestimmungen des § 304 BAO, der die Voraussetzungen für Wiederaufnahmen nach Eintritt der Verjährung regelt.

• Da § 295 Abs. 4 BAO als Anwendungsvoraussetzung erfordert, dass eine Zurückweisung einer Berufung (als unzulässig) gegen einen Nichtbescheid (somit gegen eine Erledigung, die als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO beabsichtigt war) bereits erfolgt ist, muss die in ihm eingeräumte Fristsetzung somit auch erst dann zu laufen beginnen, wenn die im erster Satz leg. cit. angesprochene Berufungsentscheidung erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt.

• Es kann sich bei dem im § 304 lit. b BAO angesprochenen "das Verfahren abschließenden Bescheid" daher nur um die Berufungsentscheidung gegen jenes Schriftstück (Nichtbescheid) handeln, das - wie im§ 295 Abs. 4 BAO ausdrücklich normiert -, nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck erweckte, es sei ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften.

Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass § 295 Abs. 4 BAO seinen Zweck - nämlich die Vermeidung von vorsorglich eingebrachten Berufungen gegen Einkommensteuer- (Änderungsbescheide) zwecks Verhinderung des Eintritts der Verjährung - nicht erfüllen kann.

Eine derartige Auslegung stünde daher sowohl mit einer historischen Interpretation (klare, in den EB dokumentierte Absicht des Gesetzgebers) als auch einer teleologischen Interpretation (nach dem Sinn und Zweck der Regelung) in unauflösbaren Widerspruch. Die teleologische Interpretation ist jedoch für die Auslegung der Steuerrechtsnormen nach ständiger Rsp. des VwGH vorrangig zu beachten (Doralt/Ruppe, Steuerrecht Bd 114, Rz 421 mN).

1.2 Zur Interpretation des § 304 lit. b BAO anhand des Wesens des im § 188 BAO normierten Feststellungsverfahrens

Weiters ergibt sich die von uns vertretene Auslegung des § 304 lit. b BAO zwingend aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser betont, dass "durch die Regelungen des § 188 BAO ... ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt" wird. Daher stellt sich "sohin ... das Verfahren nach § 188 BAO ... als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten" dar, weshalb "solcherart ... die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig" wird und deren Kenntnis (über einen Wiederaufnahmegrund) auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist ().

Der VwGH sieht somit in Bezug auf die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Abschluss eines Berufungsverfahrens gegen einen Feststellungsbescheid und dem (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheid.

Auch aus dieser Sichtweise folgt daher unmittelbar, dass es sich bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO um die Berufungsentscheidung gegen jenes Schriftstück (Nichtbescheid) handeln muss, das nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erweckte, es sei ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften(§ 188 BAO) oder ein Bescheid des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungsbescheid).

Die Abweisung des Wiederaufnahmeantrags bzw. des Antrags auf Aufhebung des Änderungsbescheids ist daher zu Unrecht erfolgt."

Das FA legte diese Berufung – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – noch im September 2013 zur Entscheidung an den Unabhängigen Finanzsenat vor. Seit gilt sie deshalb gem. § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde, über die das Bundesfinanzgericht abzusprechen hat.

Nach telefonischen Besprechungen und nachdem das Bundesfinanzgericht darauf hingewiesen hatte, dass die Berichtigungen gem. § 295 Abs. 1 BAO für 2002-2005 nicht aufgrund der den Anträgen zugrunde liegenden Feststellungsbescheide, sondern unter Berufung auf andere Feststellungsverfahren erfolgten und dass die Bescheide 2002-2005 bislang vorläufig ergangen sind, ergänzte der Bf. seine Beschwerde in Bezug auf diese Jahre mit Schreiben vom und brachte vor:

"Für die Jahre 2002 bis 2005 wurden die Folgeänderungen gem. § 295 Abs 1 BAO laut den Begründungen der Einkommensteuerbescheide jeweils weder von der Beteiligung_1 noch von der Beteiligung_2 […] abgeleitet.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es für diese Jahre auf Gesellschaftsebene die folgenden behördlichen Erledigungen gab:"

Der Bf. wies darauf hin, dass für die beiden Beteiligungen Beteiligung_1 und Beteiligung_2 für die Jahre 2002 bis 2005 jeweils mit datierte Schriftstücke ergangen waren, die sich nachher als nicht wirksam gewordene Bescheide herausstellten.

Mit (Beteiligung_2) und (Beteiligung_1) seien in der Folge jeweils (wirksame) Feststellungsbescheide erlassen worden, die die folgenden anteiligen Einkünfte ausweisen:

Tabelle: Feststellungen aktuell


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Beteiligung
Beteiligung_1
Beteiligung_2
Bescheide vom
Einkünfte 2002
1.090,09
0,00
Einkünfte 2003
1.417,12
4.578,39
Einkünfte 2004
2.834,24
2.398,20
Einkünfte 2005
3.270,28
2.616,22

Der Bf. führte weiter wörtlich aus:

"Da die jeweiligen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2002 bis 2005 demgegenüber jeweils vor dem Jahr 2013 ergangen sind, ist offenkundig, dass sie Tangenten von Nichtbescheiden auch dann beinhalten, wenn sie in ihren Begründungen weder auf die Beteiligung_1 noch auf die Beteiligung_2 […] abstellen.

Ob auch in derartigen Fällen Behebungen nach § 295 Abs. 4 BAO vorzunehmen sind, kann unseres Erachtens aus dem Gesetz nicht eindeutig abgeleitet werden. Uns ist auch keine einschlägige Judikatur des BFG hierzu bekannt. Nach dem Gesetzeszweck müsste dies wohl so sein. Sollten in derartigen Fällen nämlich keine Behebungen nach § 295 Abs. 4 BAO möglich sein, würde ja insofern immer dann ein Rechtsschutzdefizit bestehen, wenn - wie im Falle unseres Mandanten- ein Abgabenpflichtiger mehrere Beteiligungstangenten pro Jahr erhält. Schließlich listen die Finanzämter in ihren Bescheiden regelmäßig nicht alle der Veranlagung zugrunde liegenden Beteiligungen auf.

Wir sehen uns daher schon Haftungsgründen außerstande, die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Bescheidaufhebungen bzw. Wiederaufnahmen der Verfahren 2002 bis 2006 zurückzuziehen."

Den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zog der Bf. mit diesem Schreiben zurück.

Die Erhebungen des Bundesfinanzgerichts ergaben, dass die in der obigen Tabelle „Feststellungen aktuell“ dargestellten Erst-Feststellungsbescheide dem Finanzamt schon seit bzw. bekannt waren. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es sich dabei nicht um wirksame Bescheide handeln könnte.

2. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Strittig ist hier ausschließlich, ob die Entscheidungen, mit denen der Unabhängige Finanzsenat aussprach, dass es sich bei den als Feststellungsbescheide 2002 bis 2005 intendierten Schriftstücken zur Beteiligung_1 Beteiligung_2 nicht um wirksam ergangene Bescheide handelte, einen Wiederaufnahmegrund bzw. einen Grund zur Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO darstellen. Das FA bestritt dies in den hier bekämpften Abweisungsbescheiden.

2.1 Anträge auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO (Anträge 13, 14, 17, 18, 21, 22, 25, und 26)

Nach der bis gültigen Rechtslage war dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig war und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkamen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Dieser Antrag war gem. § 303 Abs. 2 BAO binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Es ist nach der Aktenlage unbestritten, dass diese Frist eingehalten wurde. Auf die diesbezügliche Gesetzesänderung muss hier damit nicht eingegangen werden.

2.1.2 Rechtliche Beurteilung als Neuerungstatbestand

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann unter anderem dann wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind also ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften.

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - auch wenn diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung gewonnen werden - sind keine derartigen Tatsachen (vgl. unter Hinweis auf mit weiteren Nachweisen).

Genau das ist hier aber der Fall.

Der Bf. berief sich als Wiederaufnahmegrund ausschließlich auf Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats, nicht aber darauf, dass ihm die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen (hier die Frage der Uneinheitlichkeit aufgrund der Aufspaltung in zwei Erledigungen) bis dahin nicht bekannt gewesen wären. Diese Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats enthalten damit keine neuen Tatsachen, sondern ausschließlich eine rechtliche Beurteilung der Grundlagenbescheide. Das stellt aber – nach der zitierten Judikatur des VwGH – keinen Wiederaufnahmegrund dar.

Eine Wiederaufnahme ist deshalb hier schon aus diesem Grund ausgeschlossen. Die vorgebrachten Wiederaufnahmsgründe waren aber auch nicht entscheidungsrelevant.

2.1.3 Entscheidungsrelevanz für die gänzliche Beseitigung

Eine Wiederaufnahme ist nämlich nur dann zulässig, wenn die Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Der Wiederaufnahmegrund muss entscheidungsrelevant sein (z.B. ).

Auch wenn dies den zu beurteilenden Wiederaufnahmsanträgen nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, lässt sich aus ihnen ableiten, dass sie einzig auf die Wiederaufnahme des Verfahrens und die gleichzeitige ersatzlose Beseitigung der jeweils letztgültigen, auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheide abzielen. Dass dies prinzipiell möglich wäre, wurde vor kurzem höchstgerichtlich bestätigt ().

Die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts ist mit der Sache der bekämpften Bescheide begrenzt. Die gegenständlichen Verwaltungsverfahren wurden durch die Anträge des Beschwerdeführers in Gang gesetzt. Mit dem bekämpften Bescheid sprach das FA darüber ab. Sache des Beschwerdeverfahrens ist damit lediglich diese Entscheidung. Für die Überprüfung durch das Bundesfinanzgericht bedeutet das, dass nur über die Wiederaufnahmsgründe abgesprochen werden darf, über die der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes abgesprochen hat (vgl. ).

Hier ist das nur die in den genannten Anträgen enthaltene Tatsache, dass der Unabhängige Finanzsenat 2012 in Zurückweisungsbescheiden feststellte, dass die als Feststellungsbescheide intendierten Schriftstücke zu den Beteiligungen Beteiligung_1 und Beteiligung_2 keine rechtlichen Wirkungen entfaltet haben. Da jede darüber hinausgehende Prüfung anderer Umstände die damit abgesteckte gerichtliche Kompetenz überschreiten würde, hat das Bundesfinanzgericht ausschließlich zu beurteilen, ob die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende, nach § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide herbeigeführt hätte.

Das Ergebnis ist eindeutig:

Die Frage der Existenz dieser Feststellungsbescheide spielte nach der Aktenlage für die Rechtfertigung und den Inhalt der Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO keine Rolle. Keiner der in den Jahren 2005 bis 2005 ergangenen Änderungsbescheide stützte sich auf Grundlagenbescheide zur „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“. Aus den Begründungen der Änderungsbescheide geht im Gegenteil klar hervor, dass sie ausschließlich auf Feststellungsbescheiden zur „Beteiligung_4***“ (FA X***, St.Nr. 111/1111 bzw. FA Y***, St.Nr. 222/2222; 2002 und 2004), „Beteiligung_5***“ (FA Y***, St.Nr. 222/2222; 2003 und 2004), „Beteiligung_6***“ (FA Y***, St.Nr. 333/3333; 2004) und „Beteiligung_7***“ (FA Z***, St.Nr. 555/5555; 2005) basierten.

Die ersatzlose Beseitigung dieser Änderungsbescheide scheidet also schon deshalb aus, weil die Bescheidqualität der Grundlagenbescheide „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“ für die Rechtfertigung der Existenz der Änderungsbescheide nicht entscheidungsrelevant ist. Selbst wenn man sich die Tatsache, dass es sich bei den Feststellungen „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“ um „Nichtbescheide“ gehandelt hat, hinzudenkt, hat das keinen Einfluss auf sie.

Die Wiederaufnahmsanträge enthalten weder die Behauptung noch die Tatsache, dass die Frage der rechtlichen Existenz der Grundlagenbescheide auch Einfluss auf die Höhe des (Nicht)Ansatzes der Beteiligungsergebnisse „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“ hätte. Auch die als Wiederaufnahmsgründe genannten Zurückweisungsbescheide des Unabhängigen Finanzsenats sprachen nur aus, dass den bekämpften Feststellungsbescheiden ihre rechtliche Existenz fehlt. Aus Ihnen ergeben sich keine Aussagen über tatsächliche Existenz und Höhe von Beteiligungsergebnissen. Aus diesem Grund sprach das Finanzamt im bekämpften Bescheid auch nicht darüber ab. Das verbietet gleichzeitig mangels streitverfangener Sache dem Bundesfinanzgericht diesbezügliche Beurteilungen.

Die in den Anträgen vorgebrachten und damit hier zu beurteilenden Wiederaufnahmsgründe (Nichtexistenz der Feststellungsbescheide „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“) waren jedenfalls nicht entscheidungsrelevant für die Existenz der Änderungsbescheide. Die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge war deshalb zu bestätigen.

2.2. Anträge auf Bescheidaufhebungen gem. § 295 Abs. 4 BAO (Anträge 11, 12, 15, 16, 19, 20 und 24)

§ 295 Abs. 4 BAO wurde mit Wirksamkeit ab (§ 323 Abs. 31 BAO) mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011) neu in die BAO eingefügt. Als Verfahrensvorschrift gilt sie auch für vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1 BAO), wenn die Antragsfrist des § 304 noch nicht abgelaufen war (vgl. Ritz, BAO5, § 295 Tz 21a). Die § 295 Abs. 1 bis 3 BAO galten auch schon davor und wirkten bzw. wirken wie folgt:

  • (Nur) Wenn ein Feststellungsbescheid („Grundlagenbescheid“) abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird ist ein von ihm abzuleitender Bescheid von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder aufzuheben (§ 295 Abs. 1 BAO).

  • Auch eine Änderung oder Aufhebung eines Bescheides aufgrund einer mittelbaren Abhängigkeit von einem anderen Bescheid setzt voraus, dass dieser Grundlagenbescheid nachträglich abgeändert, aufgehoben oder erlassen wurde (§ 295 Abs. 3 BAO).

Beides ist nicht der Fall, wenn sich – wie hier - aufgrund der Erlassung eines Zurückweisungsbescheides erst später herausstellt, dass einem vermeintlichen Grundlagenbescheid tatsächlich keine Bescheidqualität zukam.
In diesem Fall wurde mit dem Zurückweisungsbescheid kein Bescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen. Das verbietet dem FA, einen solchen Fehler gem. § 295 Abs. 1 oder 3 BAO zu korrigieren (vgl. und -L/09; , RD/0012-W/11).
Dies wird von der Beurteilung getragen, dass die Zurückweisung einer Beschwerde (bzw. früher Berufung) nur im Hinblick auf das durch sie angestoßene Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren rechtsgestaltend wirkt und nur das rechtswirksam abschließt. Im Hinblick auf den davon abgeleiteten Bescheid fehlte einem solchen Zurückweisungsbescheid bis August 2011 jede rechtsgestaltende bzw. feststellende Wirkung. Diese Auslegung bekräftigte der Gesetzgeber im Jahr 2011 mit der Schaffung des § 295 Abs. 4 BAO. Wäre nämlich einem solchen Zurückweisungsbescheid die Wirkung eines Grundlagenbescheides im Sinne der ersten drei Absätze des § 295 BAO zugekommen, wäre Abs. 4 entbehrlich gewesen.

§ 295 Abs. 4 BAO lautete von bis , wobei der Begriff Berufung mit Wirksamkeit ab durch den Begriff Bescheidbeschwerde ersetzt wurde (BGBl. I Nr. 70/2013):

"Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines

- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines

- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."

Der Gesetzgeber begründete diese neue Regel mit folgenden Worten (1212 d.B. XXIV. GP – RV Seite 30 f):

„Stellt sich erst im Laufe eines Berufungsverfahrens (oder eines VwGH-Beschwerdeverfahrens) heraus, dass eine als Feststellungsbescheid (Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO) intendierte Erledigung ein absolut nichtiger Verwaltungsakt (ein „Nichtbescheid“) ist, aber von der rechtlichen Existenz eines Feststellungsbescheides ausgehende Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1 BAO) erlassen und formell rechtskräftig wurden, so erscheint ein Antragsrecht aufBeseitigung solcher zu Unrecht von den Tatbestandsvoraussetzungen für ihre Erlassung ausgehender (rechtswidriger) Bescheide zweckmäßig.

Ein solches Antragsrecht dient der Vermeidung aufwendiger Verwaltungsverfahren, sowohl für die Abgabenbehörden (erster und zweiter Instanz) als auch für die Abgabepflichtigen, und dient daher der Vermeidung von Kosten für die Verwaltung und für die Abgabepflichtigen. Ein derartiger (vermeidbarer) Mehraufwand würde insbesondere durch aufwendige, die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerverfahren betreffende Wiederaufnahmsverfahren (vor allem bei Wiederaufnahmsanträgen die Prüfung des der Bewilligung allenfalls entgegenstehenden groben Verschuldens des Wiederaufnahmswerbers) entstehen.

Weiters soll die Möglichkeit antragsgemäßer Aufhebung rechtswidriger, zu Unrecht auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheide vorsorglich eingebrachte Berufungen gegen solche Änderungsbescheide vermeiden; solche Berufungen werden bereits derzeit gegen Änderungsbescheide eingebracht mit der bloßen (sicherheitshalber vorgebrachten) Behauptung, es lägen ihnen „Nichtbescheide“ zugrunde (etwa als Folge fehlerhafter Adressierungen, mangelnder tatsächlicher Zustellung, fehlenden Hinweises auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO oder keine Zustellung an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person). Die Erledigung solcher Berufungen setzt Ermittlungen des für die Erhebung der betroffenen Einkommensteuer (bzw. Körperschaftsteuer) zuständigen Finanzamtes voraus. Ein derartiger Verwaltungsaufwand würde nicht anfallen, wenn dem Abgabepflichtigen bekannt ist, dass er den auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Bescheid für den Fall, dass sich nachträglich im die Feststellung der Einkünfte betreffenden Berufungsverfahren herausstellt, dass sich die Berufung gegen einen absolut nichtigen Verwaltungsakt richtet, auf Antrag aufheben lassen kann.“

§ 295 Abs. 4 BAO sollte damit das Rechtsschutzdefizit, dass auf der fehlenden Grundlagenbescheidwirkung der hier relevanten Zurückweisungsbescheide basierte, durch die Schaffung eines Antragsrechtes beseitigen.

Ziel der Auslegung ist es, den objektiven Willen einer Vorschrift zu erfassen. Diesem Auslegungsziel dienen die grammatikalische, die systematische, die teleologische und die historische Auslegung. Diese Auslegungsmethoden schließen einander nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich (). Die Basis der Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung in ihrem Sinnzusammenhang (; , 95/15/0012).

Die Grenze jeglicher Auslegung liegt im äußerst möglichen Wortsinn (; , 99/13/0135; , 2006/15/0129). Dieser Wortsinn begrenzt die Antragsfrist hier – entgegen dem Beschwerdebegehren – klar und unmissverständlich. Das zwingt zu einer engen Interpretation. § 295 Abs. 4 BAO verweist auf den „Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist“ und schaltet diese beiden Fristen damit zweifelsfrei gleich. Hier liegen keine Hinweise vor, die auf eine Verspätung der Anträge hinweisen.

§ 295 Abs. 4 BAO regelt klar und eindeutig, dass Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben sind, wenn sie sich auf ein Dokument stützten, dass sich nachträglich als „Nichtbescheid“ erweist. Der Zweck der Regelung ist, einen Bescheid zu beheben, weil zu Unrecht das Vorliegen des Verfahrenstitels des § 295 Abs. 1 BAO zu seiner Änderung angenommen wurde (vgl. ).

Sachverhaltsmäßige Bedingung ist also, dass sich der Änderungsbescheid zu Unrecht auf dieses Dokument stützte. Ist dies – wie hier – nicht der Fall, weil völlig andere Grundlagenbescheide abgeändert, aufgehoben oder erlassen wurden und nur diese Tatsache vom Finanzamt als Grund für die Änderung des abgeleiteten Bescheides herangezogen wurde, kommt die Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO schon aus diesem Grund nicht in Frage. Auch wenn man sich den „Nichtbescheid“ wegdenkt, den der Antrag nennt, wäre ein Änderungsbescheid zu erlassen gewesen.

Vom Bf. wurde ausdrücklich die Aufhebung der Änderungsbescheide beantragt. Das ist konsequent, weil § 295 Abs. 4 BAO ausdrücklich nur diese Möglichkeit der ersatzlosen Aufhebung vorsieht. Das unterscheidet diesen Absatz gravierend von den vorangegangenen Absätzen. Eine „bloße“ Abänderung des Änderungsbescheides wurde vom Gesetzgeber – wie vom VwGH wohl bestätigt - nicht vorgesehen, auch wenn dies historisch, teleologisch und pragmatisch sinnvoll sein könnte. Sowohl das Gesetz wie auch die parlamentarischen Materialien enthalten keinen Spielraum für eine über diesen Wortsinn des § 295 Abs. 4 BAO hinausgehende Interpretation.

Wenn nun aber die ersatzlose Aufhebung die einzige Möglichkeit des § 295 Abs. 4 BAO darstellt, kann diese nur dann in Frage kommen, wenn der „Nichtbescheid“ der (einzige) Grund für die Abänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO war. Stützte sich diese Änderung aber – wie hier – entweder zusätzlich oder allein auf andere Grundlagenbescheide, erging der Änderungsbescheid jedenfalls zu Recht und die Voraussetzungen für eine positive Erledigung eines solchen Antrages liegen nicht vor.

Damit konnte auch den hier strittigen Anträgen auf ersatzlose Aufhebung der Änderungsbescheide kein Erfolg beschieden sein. Eine (bloße) Änderung dieser Bescheide wurde weder beantragt noch wäre eine solche gesetzlich zulässig.

2.3 Anmerkung

Um Missverständnissen vorzubeugen erlaubt sich das Bundesfinanzgericht ein paar abschließende Hinweise:

  • Alle Einkommensteuerbescheide wurden vorläufig erlassen, ohne jemals endgültig erklärt worden zu sein.

  • Bisher blieben die Mitteilungen über die Feststellungsbescheide 2002 bis 2005 vom 27. Juni und , mit denen offenbar erstmals wirksam über die Feststellungserklärungen zu den Beteiligungen „Beteiligung_1“ und „Beteiligung_2“ abgesprochen wurde (siehe Seite 13), im FA unbearbeitet (Hinweis auf § 295 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 208 Abs. 1 lit. d BAO und § 209a Abs. 2 und 4 BAO).

  • Diese Bescheide weisen allerdings für 2002 bis 2004 Gewinnanteile des Bf. aus, die in den bisherigen Änderungsbescheiden nicht (bzw. mit EUR 0,00) enthalten sind. Durch das nunmehrige Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts kann der Bf. deshalb nicht beschwert sein, unterbleibt doch so die Besteuerung dieser Gewinne.

  • Nur 2005 kann sich durch die Berücksichtigung der Feststellungsbescheide eine Verbesserung für den Bf. ergeben, wurden doch die Einkünfte aus der „Beteiligung_2“ mit EUR 2.616,22 anstatt der bisher berücksichtigten EUR 29.069,13 festgestellt.

2.4 Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Strittig ist hier im Kern zu Punkt 2.1 (Wiederaufnahme), ob die rechtliche Beurteilung einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung als „Nichtbescheid“ eine neue Tatsache im Sinne des § 303 BAO darstellt. Dass dies nicht der Fall ist, ist höchstgerichtlich eindeutig und einheitlich geklärt (siehe oben). Zudem ist diese Frage hier nicht von Relevanz, weil sie für die gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheide nicht von Bedeutung war.

Zu Punkt 2.2 ist im Kern nur strittig, ob ein Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO auch dann zur Aufhebung eines Änderungsbescheides führen kann, wenn sich die Änderung überhaupt nicht auf das Dokument stützte, das sich im Zuge der Zurückweisung einer Beschwerde (bis „Berufung“) als „Nichtbescheid“ entpuppte. Hier stützte sich keiner der Änderungsbescheide auch nur auf einen der den Anträgen zugrunde liegenden „Nichtbescheide“, weshalb die Lösung der vom Bf. aufgeworfenen Rechtsfrage hier schon aus diesem Grund leicht und eindeutig ist. Damit liegt – entgegen der Ansicht des Bf. – zumindest für diese konkrete Sachverhaltskonstellation keine klärungsbedürftige Frage grundsätzlicher Bedeutung vor. Sowohl der klare Gesetzeswortlaut wie auch die gesamte einschlägige Literatur (vgl. Ritz, BAO5, § 295 Tz 21a ff; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 Anm 23 ff; Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 295 Anm 3; Tanzer/Unger, BAO 2014/2015, „D. Abänderung von abgeleiteten Bescheiden (§ 295 BAO)“; Beiser, ÖStZ 2013, 476; Pfau, RdW 2012, 759; Keppert/Koss, SWK 28/2013, 1241) ziehen die hier beantragte Aufhebung und damit die gänzliche Beseitigung des Änderungsbescheides nur dann in Erwägung, wenn sich die Änderung auf einen „Grundlagenbescheid“ stützte, der nachträglich als „Nichtbescheid“ beurteilt wurde. Damit ist diese Frage im Gesetz so eindeutig geregelt, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Auslegungszweifel nicht entstehen. Diese Einschätzung teilt auch der VwGH (). Auch ohne dieses höchstgerichtliche Erkenntnis wäre in einem solchen Fall mangels Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung die Revision nicht zuzulassen (vgl. Twardosz in Twardosz (Hrsg), Handbuch VwGH-Verfahren3 (Mai 2014), Pkt. 2.4.2 unter Hinweis auf ; so auch Pinetz, ecolex 2014, 1102 unter Hinweis auf Thienel in Holoubek/Lang, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013), 331 (364) und Kodek in Rechberger, ZPO3, § 502 Rz 16).

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.6100744.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at