Schiedsrichterleistungen (vor 2010) fallen nicht unter die Katalogleistungen (§ 3a Abs. 10 UStG 1994 aF). Die Versagung des Vorsteuerabzuges unter Hinweis auf das Fehlen der Empfänger-UID trotz Anführens einer ausländischen IVA- (Steuer-) Nummer erscheint überschießend.
s. RV/0554-W/06
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch
den Richter
R.
in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2009 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Vorsteuern werden mit 6.897,67 € erstattet.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit elektronischem Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Erstattung von Vorsteuerbeträgen für das Kalenderjahr 2009 in Höhe von 6.897,67 €. Per Email vom forderte das Finanzamt zu Überprüfungszwecken sämtliche Rechnungen an. Mit Rückantwort wurden von der Vertreterin der Bf. drei Rechnungen als PDF-Anhang (Kopie) dem Finanzamt übermittelt.
Im angefochtenen Bescheid wurde dem Erstattungsantrag teilweise Folge gegeben und ein Betrag von 1.297,67 € erstattet. Bei der Rechnungssequenznummer 3 wurde unter Hinweis auf die bei einem Gesamtbetrag von mehr als 10.000 € erforderlichen UID- Nummer der Leistungsempfängerin die Erstattung des Vorsteuerbetrages in Höhe von 5.600 € abgelehnt.
In ihrer Berufung wandte sich die Bf. gegen diese Feststellung und führte u.a. aus, die Begründung sei an und für sich richtig, stehe jedoch in keinem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Rechnung, weil sie sowohl die österreichische UID- Nummer des Leistenden als auch die italienische IVA- Nummer aufweise.
In seiner Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt nunmehr aus, gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 seien sonstige Leistungen eines Unternehmers an einen anderen Unternehmer an jenem Ort steuerbar, an dem der Leistungsempfänger seien Sitz hat, sofern kein Ausnahmetatbestand vorliege. Bei allen drei zur Erstattung eingereichten Rechnungen werden entsprechend den Angaben Leistungen für eine Rechtsberatung bezogen. In der Berufung werde zudem eine Rechnung für Leistungen als Schiedsrichter vorgelegt. Sowohl Leistungen für Rechtsberatungen als auch Leistungen für Schiedsrichtertätigkeiten seien solche, bei denen sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 6 UStG richte. Da die Bf. italienische Unternehmerin sei, seien diese Leistungen in Italien und nicht in Österreich steuerbar. Daher wurde der Erstattungsantrag vollinhaltlich abgewiesen und die bisher erstatteten Vorsteuern wieder rückgefordert.
In ihrem Vorlageantrag wendet sich die Bf. gegen diese rechtliche Beurteilung, weil es sich bei allen drei zur Erstattung eingereichten Rechnungen um die Abrechnung von Leistungen der Schiedsrichter in einem von der Antragstellerin organisierten Schiedsgerichtsverfahren handle. Es sei zwar richtig, dass Leistungen eines Rechtsberaters gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 als sonstige Leistungen an jenem Ort steuerbar seien, an dem der Leistungsempfänger seinen Sitz habe. Die Vorschrift sei jedoch auf Schiedsrichterleistungen nicht anwendbar. Vielmehr sei § 3a Abs. 11 lit. a UStG 1994 einschlägig.
Schiedsrichterleistungen fallen entsprechend dem Urteil des , Hoffmann, nicht unter Art. 9 Abs. 2 lit. e der Sechsten Richtlinie, weil Anwaltsleistungen nicht schiedsrichterähnlich seien.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Ort der sonstigen Leistung:
Anzuwendende Gesetzesbestimmungen:
§ 28 Abs. 33 UStG 1994 lautet:
„Die Änderungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009 treten in Kraft:
Z 1: § 3a Abs. 4 bis 15, § 19 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a und lit. b letzter Satz, § 23 Abs. 3, § 25a Abs. 1 bis 3, Art. 3a, Art. 11 Abs. 1 und 2, Art. 18 Abs. 3, Art. 21 Abs. 3, Abs. 6 Z 3, Abs. 7, 9 zweiter Satz, Art. 28 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sind auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden bzw. sich ereignen.
Z 2: § 21 Abs. 2 ist erstmals auf Voranmeldungszeiträume anzuwenden, die nach dem beginnen.
Z 3: Die letzten beiden Sätze des § 21 Abs. 9 sind auf Vorsteuererstattungsanträge anzuwenden, die nach dem gestellt werden.
Z 4: Die in § 3a Abs. 16, § 21 Abs. 9 und 11 festgelegten Verordnungsermächtigungen treten mit in Kraft. Verordnungen auf Grund dieser Bestimmungen dürfen bereits nach Ablauf des Tages, an dem dieses Bundesgesetz im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, erlassen werden; sie dürfen jedoch nicht vor den durchzuführenden Gesetzesbestimmungen in Kraft treten.“
Folglich sind noch die vor der Änderung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009 maßgeblichen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes 1994 anzuwenden.
§ 3a UStG 1994 lautet (auszugsweise):
„Ort der sonstigen Leistung
Abs. 5: Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach Maßgabe und in der Reihenfolge der folgenden Absätze.
Abs. 6: Eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück wird dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist. Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind auch:
…
Abs. 9: Die im Abs. 10 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist statt dessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend;
b) ist der Empfänger kein Unternehmer und hat er keinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet ausgeführt;
…
Abs. 10: Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 9 sind:
…
Z 3: die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
Z 4: die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
…
Abs. 12: In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.
…“
Die auf Sachverhalte nach dem anzuwendende Fassung (nF) des § 3a UStG 1994 lautet auszugsweise:
„Ort der sonstigen Leistung:
Abs. 5: Für Zwecke der Anwendung der Abs. 6 bis 16 und Art. 3a gilt
Z 1: als Unternehmer ein Unternehmer gemäß § 2, wobei ein Unternehmer, der auch nicht steuerbare Umsätze bewirkt, in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer gilt;
Z 2: eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Unternehmer;
Z 3: eine Person oder Personengemeinschaft, die nicht in den Anwendungsbereich der Z 1 und 2 fällt, als Nichtunternehmer.
Abs. 6: Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.
Abs. 7: Eine sonstige Leistung, die an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.
Abs. 8: Eine Vermittlungsleistung an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 wird an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird.
Abs. 9: Eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück wird dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist. Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind auch:
…
Abs. 11: Die folgenden sonstigen Leistungen werden dort ausgeführt, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird:
…
Abs. 13: Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) …
Abs. 14 Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
…
Z 3: die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
Z 4: die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
…“
Der in der Berufungsvorentscheidung dargestellten Rechtsansicht, wonach gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 (neue Fassung) es sich um eine sonstige Leistungen handle, die an jenem Ort steuerbar wären, an dem der Leistungsempfänger seinen Sitz habe, kann in dieser allgemeinen Sicht nicht näher getreten werden, zumal die dargestellte Norm auf den gegenständlichen Sachverhalt gemäß § 28 Abs. 33 UStG 1994 noch nicht anwendbar war.
Somit ist die Rechtssache nach den oa. früheren Gesetzesbestimmungen zu beurteilen, welche eine Empfängerortsbestimmung nach § 3a Abs. 9 (lit. a) UStG 1994 nur dann vorsah, wenn es sich um Leistungen handelt, die gemäß in § 3a Abs. 10 Z 1-16 UStG 1994 (Katalogleistungen) ausdrücklich genannt werden.
Ob gegenständlich Z 3 oder 4 anzuwenden sein wird, wird im Falle der Leistungen der Schiedsrichter von Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich gewertet, zumal eine gewisse Uneinigkeit darin besteht, welchen den ausdrücklich erwähnten Berufsgruppen der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater etc. ähnlichen Leistungen anderer Unternehmer darunter fallen sowie welche Leistungen vom berufstypischen Bild (der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, etc.) umfasst sind. Bei den Anwälten werden nach älterer österreichischer Judikatur zu den berufstypischen Tätigkeiten auch die Tätigkeit als Konkurs- oder Ausgleichsverwalter, als Treuhänder, Liquidator, ja sogar als Vermögens- und Gebäudeverwalter gerechnet (, ÖStZB 1980, 25).
Die Tätigkeit von Schiedsrichtern in Schiedsverfahren hat der EuGH Rs. C-145/96, Bernd von Hoffmann, nicht als Tätigkeit angesehen, die einer der genannten Tätigkeiten ähnlich ist. Ruppe sieht dies problematisch, weil das Wesen der schiedsrichterlichen Tätigkeit i.d.R. nicht – wie der EuGH meine – in einer Streitbeilegung nach Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen, sondern in der fachmännischen Beurteilung von oft schwierigen Sach- und Rechtsfragen, deren Klärung man aus Kosten-, Zeit- und sonstigen Gründen nicht einem staatlichen Gericht überlassen möchte, sei; sie ähnle daher durchaus einer Sachverständigentätigkeit (vgl. Ruppe, UStG³, § 3a,Tz. 86).
Was die Leistungen und Berufstypizität bestimmter Freiberufler (s.o.) anlangt, wird dies zu den vergleichbar anzuwendenden Bestimmungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes deutlich restriktiver als von der oa. älteren VwGH- Judikatur gesehen. Bei Rechtsanwälten zählen zu den berufstypischen Tätigkeiten (Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten) nicht die Insolvenzverwaltung, Zwangsverwaltung und Testamentsvollstreckung. Es handle sich auch nicht um ähnliche Tätigkeiten im Sinne der Vorschrift. Gleiches gelte für entsprechende Tätigkeiten von Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern. Demgemäß meint auch der EuGH, dass der gemeinschaftsrechtliche Begriff des Anwalts (i.S. des Art. 59 Buchst. C MwStSystRL) hauptsächlich und gewöhnlich nur die Vertretung und Verteidigung der Interessen eines Mandanten zum Gegenstand habe. Kritisch steht Stadie dieser Beurteilung der Schiedsrichtertätigkeit gegenüber, da diese zumeist die Beurteilung von Sach- und Rechtsfragen betreffe und damit der Tätigkeit eines Beraters ähnle (Stadie in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum (d) Umsatzsteuergesetz, § 3a nF, Anm. 521). Eher wertungsfrei geben Bunjes/Korn, § 3a dUStG, Tz. 93, die Auslegung dieser Bestimmung durch Höchstgerichte und Literatur wieder.
Unter § 3a Abs. 14 Z 3 (entspricht: § 3a Abs. 10 Z 3) fallen nur die berufstypischen Leistungen von Rechtsanwälten, Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern (Rz 641 UStR; Stadie, dUStG, § 3a [ab 2010] Rz 82). Als ähnliche Leistungen gelten solche, die den berufstypischen Leistungen gleichen, aber bei denen z.B. die berufsrechtliche Qualifikation fehlt oder eine untypische Organisationsform vorliegt (Ruppe/Achatz4, § 3a Rz 163). Weder als anwaltliche noch als ähnliche Leistung gilt eine schiedsrichterliche Tätigkeit ( Bernd von Hoffmann, C-145/96; aA Ruppe/Achatz4, § 3a Rz. 164, die sich für die Einordnung als Sachverständigentätigkeit ausspricht); die Leistung eines Testamentsvollstreckers ( Kommission/Deutschland, C-401/06) oder die „Vermittlung“ von Frauen zur Prostitution (). Nichts anderes kann für Vermögensverwaltungsleistungen gelten; die Judikatur des VwGH ist insoweit obsolet (, 377/78, JBl 1980, 275). Auch tierärztliche Leistungen sind keine ähnlichen Leistungen ( Linthorst, C-167/95) [vgl. Melhardt/Tumpel, UStG, 1. Auflage 2011, § 3a, Tz. 235].
In der Abgrenzung zu den ähnlichen Leistungen führen Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer – UStG 1994, § 3a, Rz. 191 unter Hinweis auf das Urteil des Bernd von Hoffmann, Rs. C-145/96 aus, unter „sonstigen ähnlichen Leistungen“ seien vielmehr Leistungen, die irgendeiner dieser Tätigkeiten ähnlich sind, gemeint. Eine Leistung sei dann einer in dieser Vorschrift angeführten Tätigkeiten ähnlich, wenn beide Tätigkeiten den gleichen Zweck dienen. Somit darf als Zwischenergebnis abgeleitet werden, dass die relativ weite Auslegung durch die Judikatur des VwGH zum UStG 1972 unter Hinweis auf die enge Auslegung durch BFH und EuGH nicht weiter aufrecht zu erhalten ist.
Was die konkreten Leistungen als Schiedsrichter anlangt, kommt der EuGH in seinem Urteil vom , Rs. C-145/96, zur Auffassung, dass Schiedsrichterleistungen in Anbetracht der Leistungen, die in den Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Berufes (Anwalt) hauptsächlich und gewöhnlich erbracht werden, nicht zu den Leistungen eines Anwalts gehören und auch nicht anwaltsähnlich seien (Rz. 17, 23).
Daher ist gegenständlich davon auszugehen, dass die bezogenen Schiedsrichterleistungen von Anwälten gemäß § 3a Abs. 12 UStG (aF) an dem Ort ausgeführt werden, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Daher war der Leistungsort in Österreich gelegen und die In-Rechnungsstellung österreichischer Umsatzsteuer rechtens.
2. Vorsteuerabzug und Rechnung:
Anzuwendende Gesetzesbestimmungen:
„Abs. 1: Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
Z 1: Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;
…“
„Abs. 1: Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 aus, ist er berechtigt, Rechnungen auszustellen. Führt er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, aus, ist er verpflichtet, Rechnungen auszustellen. Führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung oder Werkleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück an einen Nichtunternehmer aus, ist er verpflichtet eine Rechnung auszustellen. Der Unternehmer hat seiner Verpflichtung zur Rechnungsausstellung innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung des Umsatzes nachzukommen.
Diese Rechnungen müssen - soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist - die folgenden Angaben enthalten:
Z1: den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;
Z 2: den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung. Bei Rechnungen, deren Gesamtbetrag 10 000 Euro übersteigt, ist weiters die dem Leistungsempfänger vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer anzugeben, wenn der leistende Unternehmer im Inland einen Wohnsitz (Sitz), seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte hat und der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird;
Z 3: die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung;
Z 4: den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt. Bei Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die abschnittsweise abgerechnet werden (zB Lebensmittellieferungen), genügt die Angabe des Abrechnungszeitraumes, soweit dieser einen Kalendermonat nicht übersteigt;
Z 5: das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 4) und den anzuwendenden Steuersatz, im Falle einer Steuerbefreiung einen Hinweis, dass für diese Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt;
Z 6: den auf das Entgelt (Z 5) entfallenden Steuerbetrag.
Weiters hat die Rechnung folgende Angaben zu enthalten:
- das Ausstellungsdatum;
- eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird;
- soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.
Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgeltes für eine noch nicht ausgeführte steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung, so gelten die ersten drei Sätze sinngemäß.
Wird eine Endrechnung erteilt, so sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne des zweiten und dritten Satzes ausgestellt worden sind.
Abs. 1a: Führt der Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c und Abs. 1d aus, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, hat er in den Rechnungen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers anzugeben und auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung findet keine Anwendung.
…
Abs. 3: Für die unter Abs. 1 Z 1 und 2 geforderten Angaben ist jede Bezeichnung ausreichend, die eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift des Unternehmens sowie des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung ermöglicht.
…“
Der angefochtene Bescheid lehnte die Vorsteuererstattung der Rechnung Nr. 3 unter Hinweis auf § 11 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 – fehlende Umsatzsteueridentifikationsnummer des Leistungsempfängers - ab.
Für Umsätze, die ab dem ausgeführt werden, ist auf der Rechnung neben Namen und Anschrift des Leistungsempfängers auch die ihm vom FA erteilte Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID) anzugeben, wenn der Gesamtbetrag der Rechnung € 10.000 übersteigt (BGBl. I 103/2005). Voraussetzung ist, dass der leistende Unternehmer Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte im Inland hat und der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.
Die Materialien begründen die Regelung mit dem pauschalen Hinweis, dass sie der effizienteren Außenprüfung der Finanzämter diene und daher eine Betrugsbekämpfungsmaßnahme darstelle. Die Betragsgrenze wird damit begründet, dass der administrative Aufwand für die Wirtschaft gering gehalten werden soll. Worin die zusätzliche Kontrollmöglichkeit bestehen soll, wird von den Materialien nicht näher ausgeführt und ist auch nicht ohne weiteres einsichtig. Es wird auch nicht dargelegt, ob es sich um eine Anforderung handelt, die sich in erster Linie an den leistenden Unternehmer richtet, oder ob es darum geht, das Recht des Leistungsempfängers auf Vorsteuerabzug von zusätzlichen Angaben auf der Rechnung abhängig zu machen. Letzteres ist allerdings wenig plausibel: Das Recht auf Vorsteuerabzug wird bei Scheinrechnungen gewiss nicht an der fehlenden UID scheitern oder - anders gewendet: Sollte die Finanzverwaltung an der Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers bei Großrechnungen Zweifel haben, werden diese durch die Angabe der (irgendeiner!) UID nicht behoben. Auch wenn für die Angabe der UID des Leistungsempfängers nach Art. 227 der MWSt-RL ein Mitgliedstaatenwahlrecht besteht, ist fraglich, ob es dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen würde, den Vorsteuerabzug an der fehlenden UID des Leistungsempfängers scheitern zu lassen. Die Verwaltungspraxis (UStR Rz 1554 idF AÖF 18/2007) misst dem Merkmal materielle Bedeutung zu und versteht die Vorschrift zugleich als Ordnungsvorschrift: Danach besteht keine Vorsteuerabzugsberechtigung, wenn die UID des Abnehmers in der Rechnung fehlt oder unzutreffend ist (ebenso -G/07; , RV/0489-G/07), [Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 11, Tz. 90/4].
Der Unternehmer kann nur die Steuer abziehen, die der leistende Unternehmer in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesen hat. Erforderlich ist eine Rechnung, die den Anforderungen des § 11 Abs. 1 entspricht, sofern nicht § 11 Sonderregeln enthält. Ausnahmen gelten aus der Natur der Sache heraus bei Leistungen, bei denen die Steuerschuld nach § 19 auf den Abnehmer übergeht (reverse charge; vgl a UStR Rz 1875 f), [Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 11, Tz. 41].
Entsprechend der Rechnungs-RL 2001/115/EG sieht Art. 178 MWSt-RL ausdrücklich vor, dass der Steuerpflichtige eine gemäß den Art. 220 - 226 sowie 238 - 240 ausgestellte Rechnung besitzen muss, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können. Die in den Bestimmungen der Rechnungs-RL vorgesehenen Pflichtangaben sind damit im Grunde auch unionsrechtlich als materiell-rechtliche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu betrachten (vgl. Englisch, UR 2009, 181). Dagegen konnten die Mitgliedstaaten nach der Rechtslage vor der Rechnungs-RL bestimmen, dass anstelle der Rechnung auch ein anderes Dokument treten kann, womit den Mitgliedstaaten relativ große Freiheiten bei der Umschreibung der Anforderungen an die Rechnungslegung eingeräumt waren.
Zur Rechtslage nach der MWSt-RL 2006/112 geht der EuGH davon aus, dass gemäß Art. 220 ausgestellte Rechnungen nur die in der RL genannten Angaben enthalten müssen. Die Mitgliedstaaten sind nicht berechtigt, den Vorsteuerabzug von zusätzlichen, in der RL nicht ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen abhängig zu machen ( „Pannon“).
Im Urteil „Dankowski“ () betont der Gerichtshof zur Rechtslage nach Ergehen der Rechnungs-RL, dass Rechnungen insbesondere diejenigen Angaben enthalten müssen, „die notwendig sind, um die Person, die die Rechnungen ausgestellt hat und die erbrachte Dienstleistung zu identifizieren“; die Angabe der in Art. 22 Abs. 3 lit. b 6. MWSt-RL vorgesehenen UID sei hiezu nicht erforderlich, wenn die Identifizierung durch die dem (nicht für MWSt-Zwecke registrierten) Steuerpflichtigen von Amts wegen für andere Zwecke zugeteilte Steueridentifizierungsnummer sichergestellt ist (EuGH aaO Rn 29 f). Diese Rechtsprechung ist auf die in der MWSt-RL vorgesehenen Voraussetzungen übertragbar. Hieraus folgt, dass ein Vorsteuerabzug, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen, u.U. auch bei Vorliegen einer formell nicht ordnungsgemäßen Rechnung zustehen kann (Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 12, Tz. 42).
Im Urteil , Rs. C-438/09 „Dankowski“, stellt der EuGH fest, das Fehlen der gemäß Art. 22 Abs. 3 lit. b 6. MWSt-RL vorgesehenen UID führe nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn durch andere Angaben die Identifizierung des Leistenden gewährleistet ist. Auch nach Umsetzung der RL 2001/115/EG des Rates vom zur Änderung der RL mit dem Ziel der Vereinfachung (!), Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungsstellung (ABl 2002, L 15/24), bleibt somit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. auch die Anm. zum EuGH-Urteil in der Rs „HE“ von Widmann, UR 2005, 333). Es bestehen daher weiterhin auch aus unionsrechtlicher Sicht Bedenken gegen überzogene Formalanforderungen. Zwar sieht die RL nunmehr vermehrte formale Anforderungen als materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug vor, doch sind die Regelungen vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Neutralitätsgrundsatzes auszulegen. Diese Verhältnismäßigkeitsüberlegungen lassen sich auch auf eine wegen mangelhafter Rechnungsangaben drohende Versagung des Vorsteuerabzugs übertragen.
Das Argument, die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Rechnung entspreche dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (so , ÖStZB 453), überzeugt demgegenüber nicht. Eine Versagung des Vorsteuerabzugs wegen formeller Mängel gleicht im Grunde einer Haftung des Abnehmers, die unionsrechtlich problematisch ist, wenn der Abnehmer das Bestehen der Anspruchsgrundlagen (und somit auch die Rechnung) entsprechend sorgfältig geprüft hat (vgl. „Federation of Technological Industries“, Slg I-4191, wonach eine Haftung des Abnehmers für die Besteuerung des Leistenden nicht in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige alle Maßnahmen trifft, die von ihm vernünftiger Weise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind). Es bedarf somit einer an Zumutbarkeitserwägungen ausgerichteten Überprüfung der im Einzelfall bestehenden Anforderungen an die Sorgfaltspflicht (vgl. a. Englisch, UR 2009, 185). Dem folgt auch die Rechtsprechung des BFH , V R 15/07, BStBl II 744 (Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 12, Tz. 52).
Im Hinblick darauf, dass selbst der doch bedeutsamere Rechnungsmangel (fehlende Umsatzsteueridentifikationsnummer des Leistenden) von der Judikatur des „Dankowski“, also noch nicht so wesentlich angesehen wurde, dass der Vorsteuerabzug zu verweigern gewesen wäre, wenn die Rechnung alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Informationen enthalten hätten, um den Leistenden zu identifizieren, so kann im Größenschluss a maiore ad minus wohl gefolgert werden, dass beim unbedeutenderem Rechnungsmerkmal – Umsatzsteueridentifikationsnummer des Leistungsempfängers - der Vorsteuerabzug schon aus Gründen der Kosten- und Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im Unternehmensbereich nicht zu verweigern wäre. Im Übrigen - ist wie bereits erwähnt – das Anführen der Empfänger-Umsatzsteueridentifikationsnummer für die Beaufsichtigung des Umsatzsteueraufkommens wenig überzeugend, sondern lediglich eine Umsetzung der in Art. 227 der MWSt-RL angeführten Möglichkeit der Mitgliedstaaten die Umsatzsteueridentifikationsnummer als zusätzliches Rechnungsmerkmal einzuführen.
Zulässigkeit einer Revision: Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, weil zu dieser Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 11 Abs. 1 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 28 Abs. 33 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 10 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Tätigkeitsort Katalogleistungen Schiedsrichter Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Fehlen der Empfänger-UID Vorsteuerabzug |
Verweise | EuGH, C-145/96 BFH , V R 15/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100415.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at