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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.05.2014, RV/3100357/2013

Haftungsinanspruchnahme eines faktischen Geschäftsführers

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/3100357/2013-RS1
wie RV/0761-W/13-RS1
Eine Rückwirkung auf Pflichtverletzungen faktischer Machthaber vor dem ist mangels gesetzlicher Normierung von Pflichten vom § 9a BAO nicht erfasst.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über die als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) zu erledigende Berufung des Bf, Adr , gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom betreffend Haftung gemäß § 9a Bundesabgabenordnung (BAO),

zu Recht erkannt:

1. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom , zugestellt am , zog das Finanzamt den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz als Bf bezeichnet) zur Haftung gemäß § 9a BAO für die bei der B-GmbH uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten heran. Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Umsatzsteuern geltend gemacht:


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Umsatzsteuer
03/2011
€ 35,93
Umsatzsteuer
04/2011
€ 5.735,20
Umsatzsteuer
05/2011
€ 1.883,33
Umsatzsteuer
06/2011
€ 4.984,53
Umsatzsteuer
07/2011
€ 2.660,00
 
Summe:
€ 15.298,99

Begründend führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass der Bf als faktischer Geschäftsführer der B-GmbH Einfluss auf die Erfüllung der Pflichten des Abgabepflichtigen genommen habe und somit nach § 9a BAO für die uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten hafte.

Dagegen wurde mit Eingabe vom (Postaufgabe ) Berufung erhoben und begründend vorgebracht, dass der Bf weder offiziell noch inoffiziell Geschäftsführer der B-GmbH gewesen sei. Außerdem würden die Abgabenschuldigkeiten auf unrichtigen Schätzungen des Finanzamtes beruhen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

II. Sachverhalt:

Über das Vermögen der B-GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde das Insolvenzverfahren schließlich doch eröffnet und mit Beschluss vom nach Schlussverteilung aufgehoben. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel eine Quote von 0,00083951%.

Mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers B. am verfügte die Gesellschaft über keinen Geschäftsführer mehr. Der Bf war nie als Geschäftsführer bestellt. Die Geschäfte der Gesellschaft wurden nach dem Ausscheiden des oben angeführten Geschäftsführers weitergeführt.

Mit Bescheid vom wurde der Bf als "faktischer" Geschäftsführer zur Haftung für die Umsatzsteuerschuldigkeiten der Monate März bis Juli 2011 herangezogen. Eine Übermittlung der Umsatzsteuerbescheide der betreffenden Monate, die am dem damaligen Masseverwalter zugestellt worden sind, an den Bf erfolgte nicht.

III. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus Insolvenzdatei, dem Inhalt des Firmenbuches sowie den Feststellungen des Finanzamtes im Veranlagungsverfahren. Die Behauptung des Bf nie faktischer Geschäftsführer gewesen zu sein, vermag die Feststellungen des Finanzamtes nicht zu widerlegen. Abgesehen davon, dass es nicht auf die Funktionsbezeichnung ankommt, sondern darauf, wer tatsächlich auf die abgabenrechtlichen Pflichten Einfluss genommen hat, sind die Vorbringen in sich widersprüchlich. Das Vorbringen, dass die Gesellschaft immer einen bestellten Geschäftsführer gehabt habe, erweist sich im Hinblick auf die Eintragungen im Firmenbuch als falsch. Darüber hinaus wird im Schriftsatz der Berufung selbst vorgebracht, dass im haftungsrelevanten Zeitraum Umsätze getätigt wurden.

IV. Rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

§ 9a BAO lautet:

"§ 9a. (1) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(2) Die in Abs. 1 bezeichneten Personen haften für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können. § 9 Abs. 2 gilt sinngemäß."

Gemäß § 323 Abs. 33 BAO ist § 9a BAO mit in Kraft getreten.

§ 9a BAO setzt damit unter anderem voraus, dass eine Person dann zur Haftung herangezogen werden kann, wenn sie auf die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen Einfluss genommen hat und die Abgaben in der Folge nicht eingebracht werden können.

Im vorliegenden Fall sind die Abgabenschuldigkeiten bei der Gesellschaft infolge des (abgeschlossenen) Insolvenzverfahrens und Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch unzweifelhaft nicht mehr einbringlich.

Der Bf mag auf die abgabenrechtlichen Verpflichtungen (Abgabe der entsprechenden Erklärungen und Entrichtung der Umsatzsteuern) dahingehend Einfluss genommen haben, dass sie nunmehr nicht mehr eingebracht werden können. Der Haftungsbescheid erweist sich jedoch trotzdem als rechtswidrig.

Abgesehen davon, dass dem Bf die der Haftung zugrunde liegenden Umsatzsteuerbescheide nicht zur Kenntnis gebracht wurden und bereits deshalb ein im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbarer Mangel vorliegt (vgl. ), stammen die in die Haftung einbezogenen Umsatzsteuerschuldigkeiten aus dem Zeitraum März bis Juli 2011. Die Einflussnahme des Bf endete ohne Zweifel spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung eines Masseverwalters im Dezember 2011. Die Verpflichtung den Einfluss dahingehend auszuüben, dass den abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen wird, wurde jedoch erst mit Wirkung neu in das Gesetz aufgenommen und kann daher erst ab diesem Zeitpunkt verletzt werden (vgl. ; Ritz, BAO5, § 9a Rz 5; Althuber/Twardosz, Abgabenrechtliche Haftung des faktischen Geschäftsführers, RdW 2013, 112).

Anders wäre der Fall allenfalls zu beurteilen, wenn - unter der Voraussetzung, dass auch die übrigen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme vorliegen - die über den hinaus nicht entrichteten Abgaben aufgrund einer auf die Nichtentrichtung gerichteten weiter bestehenden Einflussnahme uneinbringlich geworden wären.

Der offensichtlichen Ansicht des Finanzamtes, dass es auf den Zeitpunkt der Einflussnahme bei der Erlassung von Haftungsbescheiden nach § 9a BAO nicht ankomme, kann im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmung " ... haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden" nicht gefolgt werden.

Anzumerken ist, dass über die Richtigkeit der gegenüber der Primärschuldnerin erlassenen Umsatzsteuerbescheide im Haftungsverfahren nicht abzusprechen ist (vgl. Ritz, BAO5, § 248 Tz 16 mit Hinweisen zur Rechtsprechung)

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V. Unzulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision unzulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt zwar noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 9a BAO vor, doch ergibt sich die Nichtanwendbarkeit auf Fälle, in denen die Einflussnahme noch keine Pflichtverletzung darstellte, aus dem Wortlaut der Bestimmung. Im Übrigen liegt durch die Nichtübermittlung der Umsatzsteuerbescheide an den Bf davon unabhängig ein im Berufungsverfahren nicht sanierbarer Mangel vor.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 33 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Althuber/Twardosz, RdW 2013, 115
Ritz, BAO 5. Auflage, §9a Rz 5
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.3100357.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at