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Grenze der Möglichkeit, bei der Ausschreibung von Leitlinien abzuweichen
bauaktuell 2014/1
§§ 99 BVergG 206; § 879 ABGB
1. Die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit, von Leitlinien abzuweichen, bilden das Missbrauchsverbot und die Sittenwidrigkeit.
2. Die Abweichungen der Ausschreibungsbedingungen von den Leitlinien bedürfen keiner sachlichen Begründung, Notwendigkeit oder Rechtfertigung.
3. Die Vereinbarung einer längeren Festpreisfrist als in der ÖNORM B 2111 ist nicht grundsätzlich unausgewogen.
Die Parteien vereinbarten, dass die Einheitspreise Festpreise bis 12 Monate nach Ende der Angebotsfrist seien und danach eine Valorisierung erfolge. Die Klägerin hält diese Regelung für missbräuchlich beziehungsweise sittenwidrig, weil Motiv hierfür die Schaffung eines erheblichen wirtschaftlichen Vorteils zugunsten des Auftraggebers gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass die zu beurteilende Frage angesichts der großen Zahl vergleichbarer Fälle im Bauwesen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht. Bei der zu beurteilenden Frage geht es um die Berechtigung eines ausschreibungspflichtigen Auftraggebers nach § 99 Abs 2 BVergG 2006 zur Abweichung von „geeigneten Leitlinien“ wie etwa ÖNORMEN in den Ausschreibungsbedingungen.
1. Nach kann der Auftraggeber Festlegungen für den Leistungsvertrag treffen. Bestehen für die Vertragsbestimmungen geeignete Leitlinien, wie ÖNORMEN oder standardisierte Leistungsbeschreibungen, so sind diese heranzuziehen. Der Auftraggeber kann in den Ausschreibungsunterlagen in einzelnen Punkten davon abweichende Festlegungen treffen. Die Gründe für die abweichenden Festlegungen sind vom Auftraggeber festzuhalten und den Unternehmern auf Anfrage unverzüglich bekannt zu geben. Der Verfassungsausschuss (1245 BlgNR 22. GP, 9) hat dazu festgehalten, dass „die inhaltliche Grenze hinsichtlich der Möglichkeit, von Leitlinien abzuweichen, das Missbrauchsverbot beziehungsweise die Sittenwidrigkeit“ bilden sollen.