VwGH vom 18.10.2022, Ro 2020/16/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der W GmbH in V, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Mag. Georg Julius Tusek, Mag. Peter Breiteneder und Mag. Manuel Krenn, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Herrenstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101665/2016, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug gegenüber der Revisionswerberin Grunderwerbsteuer für den aufgrund eines Einbringungsvertrages erfolgten Erwerb mehrerer Grundstücke, ausgehend vom zweifachen Einheitswert, mit einem Steuersatz von 3,5 % fest. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2Das Bundesfinanzgericht führte - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, mit Einbringungsvertrag vom habe eine natürliche Person ihren gesamten Kommanditanteil an der W KG samt des dieser Gesellschaft gewidmeten Sonderbetriebsvermögens - das aus mehreren Grundstücken bestanden habe - zum Stichtag als Sacheinlage und in Anwendung des Artikel III UmgrStG in die Revisionswerberin eingebracht.
3Der Erwerb dieser Grundstücke durch die Revisionswerberin unterliege der Grunderwerbsteuer, als Bemessungsgrundlage sei gemäß § 22 Abs. 5 UmgrStG idF BGBl. Nr. 71/2003 der zweifache Einheitswert der erworbenen Grundstücke heranzuziehen. Die mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 (StRefG 2015/2016), BGBl. I Nr. 118/2015, geänderte Fassung des § 22 Abs. 5 UmgrStG sei aufgrund der Inkrafttretensbestimmung des 3. Teils Z 29 UmgrStG „erstmals auf Umgründungen mit einem Stichtag nach dem anzuwenden“ und daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
4Die Höhe des Steuersatzes („GrESt-Tarifes“) ergebe sich aufgrund der Inkrafttretensbestimmung des § 18 Abs. 2p GrEStG aus § 7 GrEStG idF des StRefG 2015/2016. Dabei sei gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG der Steuersatz von 3,5 % anzuwenden. Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG sei so auszulegen, dass bei der Heranziehung des Einheitswertes oder eines Vielfachen davon - anstatt des Grundstückswertes - als Bemessungsgrundlage der Steuersatz von 0,5 % nicht anzuwenden sei.
5Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil zur Frage, ob der Grunderwerbsteuersatz von 0,5 % gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG idF des StRefG 2015/2016 auch auf Vorgänge nach dem UmgrStG, bei denen nach der Maßgabe des 3. Teils Z 29 UmgrStG der zweifache Einheitswert als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, anzuwenden ist, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
6Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
7Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung zur aufgeworfenen Frage als zulässig, jedoch aus folgenden Gründen als nicht berechtigt.
9Zwischen den Parteien des Verfahrens besteht Einigkeit darüber, dass im Revisionsfall aufgrund des Einbringungsvertrages vom der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG erfüllt und die Grunderwerbsteuer - aufgrund des gewählten, im Jahr 2015 liegenden, Stichtages der Einbringung - gemäß § 22 Abs. 5 UmgrStG idF BGBl. Nr. 71/2003 iVm. dem 3. Teil Z 29 UmgrStG vom zweifachen Einheitswert als Bemessungsgrundlage zu berechnen ist.
10Dazu ist - wie auch das Bundesfinanzgericht ausführt - ergänzend festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 156/2019 (kundgemacht in BGBl. I Nr. 1/2020), § 22 Abs. 5 UmgrStG idF BGBl. I Nr. 71/2003 als verfassungswidrig aufgehoben hat. Aufhebende Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes wirken vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlassfalls - ist jedoch kraft ausdrücklicher Anordnung in Art. 140 Abs. 7 B-VG das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht. Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung ist von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlassfalls - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen (vgl. , mwN). Da der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis keine Erstreckung der Anlassfallwirkung verfügt hat, ist die aufgehobene Bestimmung des § 22 Abs. 5 UmgrStG idF BGBl. Nr. 71/2003 im vorliegenden Revisionsfall - der kein Anlassfall ist - weiterhin anzuwenden.
11Im Revisionsverfahren ist weiters unstrittig, dass aufgrund des Zeitpunktes der Tatbestandsverwirklichung - mit Abschluss des Einbringungsvertrages am (vgl. zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung bei rückwirkenden Umgründungen nach dem UmgrStG etwa ) - bei der Berechnung der Steuer die Tarifbestimmungen des § 7 Abs. 1 GrEStG idF des StRefG 2015/2016 (BGBl. I Nr. 118/2015) anzuwenden sind. Strittig ist lediglich, ob der Steuersatz gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG 0,5 % oder gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG 3,5 % beträgt.
12Die Revisionswerberin vermeint, die Grunderwerbsteuer sei bei allen Vorgängen nach dem UmgrStG, ausgenommen beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG mit 0,5 % der Bemessungsgrundlage zu berechnen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme für Erwerbsvorgänge, bei denen die Steuer vom Einheitswert zu berechnen ist, komme im Revisionsfall nicht zur Anwendung, weil die Steuer nicht „vom Einheitswert“, sondern „vom zweifachen Einheitswert“ zu berechnen sei. Der einzig mögliche Fall einer Berechnung „vom Einheitswert“ sei der Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke.
13Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen.
14Bis zum Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 betrug die Grunderwerbsteuer für Erwerbe auf Grund einer Umgründung im Sinne des UmgrStG gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG (idF vor dem BGBl. I Nr. 118/2015) 3,5 % (Erwerbe „durch andere Personen“) vom einfachen Einheitswert gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 lit. d GrEStG (idF vor dem BGBl. I Nr. 118/2015) beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke oder vom zweifachen Einheitswert - der im UmgrStG gesondert geregelten Bemessungsgrundlage (vgl. , mwN) - beim Erwerb sonstiger Grundstücke. Mit dem StRefG 2015/2016 wurden die speziellen Regelungen über die Bemessungsgrundlage im UmgrStG durch reine Verweise auf die Bestimmungen des GrEStG ersetzt (vgl. die Materialien zum StRefG 2015/2016, ErlRV 684 BlgNR 25. GP 28; vgl. dazu ausführlich Petritz-Klar/Petritz, taxlex 2016, 172). Nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist bei Vorgängen nach dem UmgrStG, wenn - wie im vorliegenden Revisionsfall - keine land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke erworben werden, die Grunderwerbsteuer immer vom Grundstückswert mit einem Steuersatz von 0,5 % zu berechnen (§ 4 Abs. 1 zweiter Satz iVm. § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG). Beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke aufgrund einer Umgründung nach dem UmgrStG beträgt die Grunderwerbsteuer hingegen unverändert 3,5 % vom (einfachen) Einheitswert (§ 4 Abs. 2 Z 4 iVm. § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG).
15Die generelle Heranziehung des Grundstückswertes als Bemessungsgrundlage (somit als Ersatzbemessungsgrundlage) bei Erwerben auf Grund einer Umgründung im Sinne des UmgrStG wurde damit begründet, dass „bei diesen Rechtsvorgängen eine Gegenleistung in vielen Fällen nur mit besonders hohem Aufwand oder gar nicht ermittelt werden“ könne (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 36). Die generelle Anwendbarkeit des Steuersatzes von 0,5 % wurde in diesen Fällen mit der „Abfederung der Umstellung der Bemessungsgrundlage“ begründet (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 4). Somit wurde zur „Abfederung“ der Auswirkungen der Heranziehung der neuen Bemessungsgrundlage der Steuersatz von 3,5 % auf 0,5 % - was einem Siebentel des bisherigen Steuersatzes entspricht - abgesenkt. Wie sich daran u.a. zeigt, ist der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen, dass der Grundstückswert die bisher bei umgründungsbedingten Erwerben anzuwendende Bemessungsgrundlage - den zweifachen Einheitswert - nicht unwesentlich übersteigt, was - unter der Prämisse, dass in diesen Fällen eine annähernd gleichbleibende Grunderwerbsteuerbelastung gewährleistet werden sollte - eine entsprechende Reduktion des Steuersatzes notwendig machte.
16Die Einschränkung der Anwendbarkeit des Steuersatzes von 0,5 % auf jene Vorgänge nach dem UmgrStG, in denen die Steuer „nicht vom Einheitswert“ zu berechnen ist (§ 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG), steht im Einklang mit diesen Überlegungen und entspricht daher der mit dem StRefG 2015/2016 neu geregelten Besteuerungssystematik: Wird nicht der neu eingeführte Grundstückswert als Bemessungsgrundlage herangezogen, besteht kein Bedarf an einer „Abfederung“ durch Reduktion des Steuersatzes; in diesen Fällen kommt daher wie nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 der Steuersatz von 3,5 % zur Anwendung (§ 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG).
17Vor diesem Hintergrund ist der in der Revision vertretenen Ansicht, die in § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG vorgesehene Ausnahme komme nicht zu Anwendung, wenn - wie im Revisionsfall - die Steuer nicht „vom Einheitswert“, sondern „vom zweifachen Einheitswert“ zu berechnen sei, entgegenzuhalten, dass bei der Interpretation einer Gesetzesnorm auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen ist. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des bezughabenden Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. , mwN).
18Selbst wenn daher die reine Wortinterpretation der genannten Bestimmung im revisionsgegenständlichen Fall noch zu keinem solchen Ergebnis führen sollte - was allerdings entgegen dem Revisionsvorbringen ohnehin keineswegs zwingend erscheint (vgl. dazu etwa Hirschler/Sulz/Oberkleiner, BFGjournal 2018, 397 [402]; ebenso Bendlinger, GES 2018, 407 [410]) -, sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck dieser Bestimmung als auch die mit dem StRefG 2015/2016 neu geregelte Bemessungsgrundlagen- und Tarifsystematik des GrEStG eindeutig gegen ein derartiges Verständnis.
19Die in der Revision vertretene Sichtweise hätte zur Folge, dass in einem auf neun Monate befristeten Zeitraum - da aufgrund der im UmgrStG normierten Rückwirkungsfiktion Umgründungen mit einem Stichtag bis zum spätestens bis zum Ablauf des möglich waren (vgl. 3. Teil Z 29 UmgrStG) - Erwerbe nicht land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke auf Grund einer Umgründung im Sinne des UmgrStG bei unveränderter Heranziehung des zweifachen Einheitswertes als Bemessungsgrundlage nicht mehr mit einem Steuersatz von 3,5 %, sondern lediglich mit dem neu eingeführten Steuersatz von 0,5 % zu besteuern gewesen wären. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber angesichts der dargelegten Entstehungsgeschichte der gegenständlichen Bestimmung eine derartige - der neu geregelten Besteuerungssystematik nicht entsprechende - zeitlich befristete Begünstigung (Reduktion des Steuersatzes auf einem Siebentel des bisherigen Wertes bei gleichbleibender Bemessungsgrundlage) hätte vorsehen wollen, zumal sich den Materialien zum StRefG 2015/2016 keinerlei Hinweise darauf entnehmen lassen.
20Dass nach den Ausführungen in den Materialien zum StRefG 2015/2016 - auf die in diesem Zusammenhang in der Revision Bezug genommen wird - der Steuersatz von 0,5 % nur beim umgründungsbedingten Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nicht zur Anwendung kommen soll - vice versa soll der Steuersatz von 3,5 % nur beim umgründungsbedingten Erwerb derartiger Grundstücke zur Anwendung kommen - (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 40), kann nicht als Argument für die in der Revision vertretene Sichtweise ins Treffen geführt werden. Diese Ausführungen beziehen sich erkennbar auf die mit dem StRefG 2015/2016 eingeführte neue Rechtslage und daher „auf Umgründungen mit einem Stichtag nach dem “ gemäß 3. Teil Z 29 UmgrStG.
21Nach dem bisher Gesagten erweist sich die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes, wonach im vorliegenden Revisionsfall aufgrund der Heranziehung des zweifachen Einheitswertes als Bemessungsgrundlage der Steuersatz gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG 3,5 % beträgt, somit als zutreffend.
22Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
23Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020160049.J00 |
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