VwGH vom 17.11.2022, Ro 2019/05/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart-Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W104 2211511-1/82Z, betreffend Sachverständigengebühren in einem Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (nunmehr: Bundesministerin für Justiz) wird zurückgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte:
1Mit Eingabe vom stellte die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) für ein näher beschriebenes Vorhaben in Wien.
2Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom wurde gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 u.a. mit näherer Begründung festgestellt, dass für das in Rede stehende Bauvorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei. Gegen diesen Bescheid erhoben mehrere Nachbarn und eine Umweltorganisation Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
3Mit Beschluss des BVwG vom wurde Univ.-Prof. DI Dr. W. im Beschwerdeverfahren zum nichtamtlichen Sachverständigen für Architektur, Denkmalschutz und Ortsbildpflege bestellt. Dieser sollte untersuchen, ob zu erwarten sei, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Auswirkungen des Vorhabens der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet UNESCO-Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ festgelegt worden sei, beeinträchtigt werde.
4Mit Schriftsatz vom , beim BVwG eingelangt per Web-ERV am selben Tag, zog die revisionswerbende Partei ihren Feststellungsantrag nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zurück. Mit Schriftsatz vom stellte sie beim BVwG die Anträge, dieses möge das Beschwerdeverfahren einstellen und den bekämpften Bescheid ersatzlos beheben. Mit Schriftsätzen jeweils vom stellte die Revisionswerberin zudem die Anträge, aufgrund der Zurückziehung des Feststellungsantrages den mit Beschluss vom bestellten Sachverständigen umgehend zu entheben und die anberaumte mündliche Beschwerdeverhandlung abzuberaumen. Das BVwG habe den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Beschwerdeverfahren einzustellen, womit keine gesetzliche Grundlage für die Weiterbeschäftigung des Sachverständigen bestehe.
5Am legte der Sachverständige das schriftlich erstattete Gutachten vor; am fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt, an der der Sachverständige teilnahm, um sein schriftlich erstelltes Gutachten mündlich vorzutragen und Fragen zu diesem zu beantworten.
6Am legte der Sachverständige dem BVwG die mit datierte Gebührennote samt der Honorarnote der W. GmbH für die Beistellung von Hilfskräften gemäß § 30 Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) vor.
7Mit Schriftsatz vom erhob die revisionswerbende Partei Einwendungen gegen diese Gebührennote, in welcher sie sich mit näherer Begründung gegen die Zulässigkeit der Beauftragung des Sachverständigen wendete und darüber hinaus inhaltliche Mängel rügte.
8Mit Schreiben vom erstattete der Sachverständige eine Stellungnahme zu den von der revisionswerbenden Partei erhobenen Einwendungen und legte eine verbesserte Gebührennote samt verbesserter Honorarnote vor.
9Mit Mitteilung vom wurde der revisionswerbenden Partei vom BVwG das Schreiben des Sachverständigen samt verbesserter Gebührennote mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Mit Stellungnahme vom führte die revisionswerbende Partei dazu aus, die Beauftragung des Sachverständigen sei zu Unrecht erfolgt. Zudem erhob sie Einwendungen gegen die verzeichneten Reise- und Aufenthaltskosten, gegen die Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften sowie gegen die sonstigen Kosten.
10Im Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000 wurde den Beschwerden zunächst mit Erkenntnis des BVwG vom stattgegeben und mit näherer Begründung festgestellt, dass für das gegenständliche Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/05/0018, 0019, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben, weil das BVwG - auf das Wesentliche zusammengefasst - ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die revisionswerbende Partei zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden nicht mehr zuständig gewesen sei. Das BVwG hätte daher den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wegen dessen (nachträglicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben gehabt.
11Mit (Ersatz-)Erkenntnis vom behob das BVwG den bei ihm bekämpften Bescheid infolge Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die revisionswerbende Partei ersatzlos. Die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2021/05/0153, zurück.
Zurrevisionsgegenständlichen Kostenentscheidung:
12Mit Beschluss des BVwG vom , Zl. W 104 2211511-1/81Z, wurden die Kosten des Sachverständigen, die im Zuge des Beschwerdeverfahrens zum UVP-Feststellungsbescheid der Wiener Landesregierung über das gegenständliche Vorhaben vor dem BVwG entstanden seien, mit insgesamt € 75.150,- bestimmt und festgestellt, dass der angeführte Betrag binnen 14 Tagen auf das Konto des Sachverständigen zu überweisen sei. Eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
13Mit dem angefochtenen Beschluss, ebenfalls vom , Zl. W 104 2211511-1/82Z, wurden der revisionswerbenden Partei gemäß § 76 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 die mit Beschluss des BVwG vom selben Tag festgesetzten Sachverständigengebühren in der Höhe von € 75.150,- zur Zahlung binnen 14 Tagen auferlegt und ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Zur Frage, ob in Verfahren wie dem gegenständlichen für die Beiziehung von Hilfskräften gemäß § 30 GebAG, die Angestellte einer Handelsgesellschaft seien, die von der Gesellschaft nach kaufmännischen Grundsätzen verrechneten Honorarsätze vom Sachverständigen als Gebühr geltend gemacht werden könnten, bestehe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
14In der Sache gab das BVwG in diesem Beschluss die Begründung des Beschlusses über die Bestimmung der Kosten, ebenfalls vom , wieder.
15Gemäß § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 seien die Kosten, die der Behörde - und gemäß § 40 Abs. 5 UVP-G 2000 auch dem Gericht - bei der Durchführung der Verfahren nach diesem Bundesgesetz erwüchsen, wie Gebühren oder Honorare für Sachverständige, von der Projektwerberin zu tragen.
16Die für den Sachverständigen anfallenden Kosten seien als Barauslagen zu qualifizieren, die das BVwG an den Sachverständigen ausbezahle und die Projektwerberin gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 zu tragen habe.
17Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu den Ersatz für die Kosten entsprechend den Revisionsausführungen anzupassen und jedenfalls „den Rechtsträger des belangten Verwaltungsgerichts“ zum Kostenersatz zu verpflichten.
18Über die Zulassungsgründe des angefochtenen Beschlusses hinaus bringt die Revision zur Frage ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Feststellungsantrag gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keinen verfahrenseinleitenden Antrag im Sinne des § 76 AVG darstelle, und damit gegenständlich auch keine Kostentragungspflicht bestehen könne, abgewichen (Verweis auf ). Es liege auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, wie die Kosten eines Sachverständigen zu bemessen seien, wenn es zu einer Zurückziehung des Feststellungsantrages „bzw. zu einer Res iudicata“ komme.
19Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
20Die vorliegende Revision erweist sich in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen zur behaupteten Abweichung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/05/0204, und zur Kostenvorschreibung von Sachverständigengebühren im Falle der Zurückziehung eines Feststellungsantrages nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 als zulässig; sie ist auch begründet.
21§ 52 und § 76 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, § 52 idF BGBl. Nr. 471/1995, § 76 idF BGBl. I Nr. 137/2001, lauten:
„Sachverständige
§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.
[...]“
„§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.
(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.
(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.
(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.
(5) Die Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehenden Gebühren sind - falls hiefür nicht die Beteiligten des Verfahrens aufzukommen haben - von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat.“
22§ 3b UVP-G 2000, in das UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, eingeführt mit BGBl. I Nr. 4/2016, lautet (in dieser weiterhin gültigen Fassung):
„Sachverständige, Kosten
§ 3b. (1) Die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen in Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig. Es können auch fachlich einschlägige Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige bestellt werden.
(2) Kosten, die der Behörde bei der Durchführung der Verfahren nach diesem Bundesgesetz erwachsen, wie Gebühren oder Honorare für Sachverständige, sind vom Projektwerber/von der Projektwerberin zu tragen. Die Behörde kann dem Projektwerber/der Projektwerberin durch Bescheid auftragen, diese Kosten nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch die Behörde, direkt zu bezahlen.“
23Vorauszuschicken ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Bescheid (bzw. ein Beschluss), mit dem Kosten eines Sachverständigen festgesetzt werden (hier: Beschluss des BVwG vom , Zl. W 104 2211511-1/81Z), zwar allein das Verhältnis zwischen Behörde (bzw. Verwaltungsgericht) und Sachverständigen betrifft und der Partei, die im Allgemeinen gemäß § 76 Abs. 1 AVG für Barauslagen aufzukommen hat, in dem Verfahren betreffend die Festsetzung der Kosten eines Sachverständigen keine Parteistellung zukommt. Sie kann ihre Rechte jedoch umfassend in dem Verfahren betreffend die Vorschreibung von Barauslagen gemäß § 76 AVG (hier: Beschluss des BVwG, ebenfalls vom , Zl. W 104 2211511-1/82Z) geltend machen. Dieser Grundsatz gilt auch in einem Verfahren nach § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 (vgl. ).
24Soweit die revisionswerbende Partei in der gegenständlichen Revision eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, wonach § 12 Abs. 1 und 2 UVP-G 2000 (in der bis geltenden Fassung) in Verfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht anwendbar war (), ist darauf hinzuweisen, dass dieser Einwand für die Frage der Kostentragungspflicht im gegenständlichen Revisionsverfahren schon deshalb nicht zielführend ist, weil sich die genannte Rechtsprechung auf eine Rechtslage vor Einführung des § 3b UVP-G 2000 mit (mit BGBl. I Nr. 4/2016) bezog. Gerade in Reaktion auf das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes führte der UVP-Gesetzgeber mit der UVP-Novelle 2016 § 3b leg.cit. in das Gesetz ein und stellte damit (auch) klar, dass diese Bestimmung generell auf alle Verfahren des UVP-G 2000 Anwendung finden soll (vgl. ErläutRV 626 BlgNR 25. GP). Sie findet damit auch auf das bezughabende Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 Anwendung.
25§ 3b Abs. 1 UVP-G 2000 erklärt die Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen zwar auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG für zulässig. Jedoch ist (auch) in einem Verfahren nach dem UVP-G 2000 zunächst zu beurteilen, ob die Beweisaufnahme durch einen nichtamtlichen Sachverständigen überhaupt „notwendig“ im Sinn des § 52 Abs. 1 AVG ist. Ein Sachverständigenbeweis ist demnach dann aufzunehmen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist oder wenn zur Erforschung der materiellen Wahrheit besondere Fachkenntnisse nötig sind (vgl. nochmals , Rz 40, mwN).
26Die Überwälzung von Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen auf einen Projektwerber ist gemäß § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 nur dann zulässig, wenn der Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 Abs. 1 AVG notwendig war. Ist dies nicht der Fall, kann im Sinn des § 76 Abs. 1 AVG nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht Barauslagen - worunter auch die Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen fallen - „erwachsen“ sind, für die der Projektwerber aufzukommen hat (vgl. wiederum , Rz 41).
27Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 1 AVG ist die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises erforderlich, wenn zum Zweck der Ermittlung des beweisbedürftigen und maßgeblichen Sachverhalts Fragen zu klären sind, deren Beantwortung nicht schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern nur auf Grund besonderer Fachkenntnisse und Erfahrungen möglich ist oder wenn die Lösung der entscheidungserheblichen Tatfragen ein besonderes Fachwissen erfordert, über das die Verwaltungsorgane selbst nicht verfügen (vgl. ; , Ra 2021/06/0117, 0118, mwN).
28Im vorliegenden Fall begründet das BVwG die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachverständigen (mit Verweis auf die Begründung des Beschlusses zur Festsetzung der Gebühr vom ) mit einem Hinweis auf sein in der Sache ergangenes Erkenntnis vom , das jedoch in weiterer Folge vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben wurde.
29Dazu ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG seiner Entscheidung zwar grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses zugrunde zu legen hatte (vgl. etwa , mwN), gemäß § 42 Abs. 3 VwGG wirkt die Aufhebung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes durch den Verwaltungsgerichtshof jedoch „ex tunc“. Der Rechtszustand ist somit im Nachhinein so zu betrachten, als ob das aufgehobene Erkenntnis oder der aufgehobene Beschluss von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. etwa , mwN). Der Verweis auf ein mittlerweile „ex tunc“ aus dem Rechtsbestand beseitigtes Erkenntnis stellt keine tragfähige Begründung für die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG dar.
30Die revisionswerbende Partei hat ihren Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 vor der Vorlage des Sachverständigengutachtens zurückgezogen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Ro 2019/05/0018, 0019, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, hat das BVwG ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Revisionswerberin seine Zuständigkeit zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden verloren. Daher hat das BVwG den bei ihm bekämpften Bescheid der Wiener Landesregierung auch mit Erkenntnis vom (infolge Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die Revisionswerber) ersatzlos behoben. Für die Erlassung dieser Entscheidung waren aber keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich, zumal es sich um die Beantwortung einer bloßen, vom Verwaltungsgericht zu beantwortende Rechtsfrage handelte.
31Ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die revisionswerbende Partei waren die dem Sachverständigen vom BVwG aufgetragenen Fragestellungen für den Verfahrensausgang nicht mehr entscheidungserheblich und damit nach der eingangs zitierten hg. Rechtsprechung auch nicht mehr notwendig im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG.
32Sollten jedoch zum Zeitpunkt der Zurückziehung des Feststellungsantrages (unter Berücksichtigung einer nach Lage des Falles angemessenen Frist zur Reaktion auf dieses Anbringen) bereits Kosten entstanden sein, weil der bestellte Sachverständige im Sinne der Erstellung seines Gutachtens tätig geworden ist, können diese Kosten noch dem seinerzeitigen Antrag der revisionswerbenden Partei zugerechnet und dieser somit grundsätzlich zum Ersatz vorgeschrieben werden (vgl. zum Ersatz der Barauslagen für ein Sachverständigengutachten im Falle der Zurückziehung eines Beweisantrages bereits ).
33Der angefochtene Beschluss enthält jedoch in Verkennung der Rechtslage zur Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens nach der Zurückziehung des Feststellungsantrages nach dem UVP-G 2000 keine Feststellungen zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt welche vom Sachverständigen verzeichneten Kosten angefallen sind und inwiefern diese dem Antrag der revisionswerbenden Partei somit noch zurechenbar sind und notwendig waren. Wegen des Fehlens der für die rechtliche Beurteilung notwendigen Sachverhaltsfeststellungen ist der angefochtene Beschluss daher mit einem sekundären Feststellungsmangel behaftet.
34Der angefochtene Beschluss erweist sich somit schon aus den dargestellten Erwägungen als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
35Die Vollziehung des UVP-G 2000 in der gegenständlichen Angelegenheit ist Landessache (Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG; zur Akzessorietät eines Kostenabspruches zur Hauptsache vgl. etwa , mwN). Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger iSd. § 47 Abs. 5 VwGG wäre daher das Land Wien. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf die Inanspruchnahme des Rechtsträgers „des belangten Verwaltungsgerichts“ gerichtete Antrag der revisionswerbenden Partei abzuweisen (vgl. , 0019, mwN).
Zur Zurückweisung der Revisionsbeantwortung:
36Das BVwG übermittelte eine Aufforderung zur Revisionsbeantwortung u.a. an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (nunmehr Bundesministerin für Justiz). Diesem kommt aber - worauf der Bundesminister in seiner Revisionsbeantwortung auch hinwies - keine Zuständigkeit in Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung zu (vgl. die Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 164/2017). Die Revisionsbeantwortung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz war somit bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019050024.J00 |
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