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VwGH vom 12.06.2023, Ra 2023/06/0059

VwGH vom 12.06.2023, Ra 2023/06/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Gemeinde Hart bei Graz, vertreten durch Mag.a Dr.in Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Bischofplatz 3/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 41.39-6558/2022-16, betreffend Vorschreibung von Sachverständigengebühren (mitbeteiligte Partei: S GmbH in S, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4. OG; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es sich auf die Honorarnote vom über € 2.549,91 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hart bei Graz (Behörde; Amtsrevisionswerber) vom wurden der Mitbeteiligten Sachverständigengebühren in der Höhe von insgesamt € 12.892,60 (Honorarnote vom in der Höhe von € 2.549,91 und zwei Honorarnoten vom in der Höhe von € 3.726,28 und € 6.616,36) als Barauslagen gemäß § 76 AVG vorgeschrieben.

2Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten statt und behob mit dem angefochtenen Erkenntnis den oben genannten Bescheid ersatzlos. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof relevant - betreffend die Honorarnote vom in der Höhe von € 2.549,91 aus, die Behörde habe nicht begründet, inwiefern für die Beiziehung des nichtamtlichen Sachverständigen Mag. Dr. H. im baupolizeilichen Verfahren Besonderheiten des Falles im Sinn des § 52 Abs. 2 zweiter Fall AVG vorgelegen wären. „Die Frage des Vorliegens allfälliger freier amtlicher Sachverständiger hätte in einem einfachen Telefonat mit der Abteilung 15 des Landes Steiermark geklärt und das Telefonat im Akt dokumentiert werden können.“

Eine Beiziehung von Amtssachverständigen der Landesregierung im Sinn des § 52 Abs. 2 erster Fall AVG wäre der Behörde potenziell möglich gewesen; sie habe jedoch erst mit Schreiben vom - und somit erst rund zwei Monate nach der Bestellung des nichtamtlichen Sachverständigen mit Bescheid vom  - angefragt, ob ihr von der Steiermärkischen Landesregierung ein Amtssachverständiger zur Verfügung gestellt werden könne. Aus der Anfrage vom lasse sich keine Aussage über die (Nicht-)Verfügbarkeit eines Amtssachverständigen zum Zeitpunkt seiner Bestellung im Juni 2021 ableiten. „Eine Anfrage an die Steiermärkische Landesregierung oder sonst eine Behörde zur Zurverfügungstellung eines bodenmechanischen Amtssachverständigen ist im vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde vor nicht dokumentiert (OZ 10 samt beigelegtem weißen Ordner; OZ 4 samt beigelegtem schwarzen Ordner).“ Die Vorschreibung der Honorarnote vom in der Höhe von € 2.549,91 als Barauslagen erweise sich daher als rechtswidrig.

Anschließend führte das LVwG aus, die Vorschreibung der beiden Honorarnoten vom sei verfrüht, weil diese von der Behörde noch nicht bezahlt worden seien.

3In der vorliegenden Amtsrevision wurde beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4Die Mitbeteiligte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5Die Zulässigkeit der Revision wird unter anderem mit einem Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung begründet; es liege eine entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeit vor.

6Die Revision ist angesichts der aufgezeigten Aktenwidrigkeit zulässig und auch begründet.

7Zunächst wird festgehalten, dass sich der Revisionswerber inhaltlich ausschließlich gegen die Aufhebung des Bescheides betreffend die Ersatzpflicht für die Honorarnote vom in der Höhe von € 2.549,91 wendet.

8Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, sind gemäß § 52 Abs. 1 AVG die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Gemäß § 52 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen (erster Fall) oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles (zweiter Fall) geboten ist.

Nach der hg. Rechtsprechung stehen Amtssachverständige, die der Landesregierung oder örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaften beigegeben sind, den Gemeindebehörden auch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde in diesem Sinn zur Verfügung. Den Gemeinden stehen allerdings nur jene amtlichen Sachverständigen des Amtes der Landesregierung oder der Bezirkshauptmannschaft zur Verfügung, die ihr auch tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Sind die Bemühungen der Gemeinde, solche Amtssachverständigen des Amtes der Landesregierung oder der Bezirkshauptmannschaft zur Verfügung gestellt zu erhalten, ohne Erfolg, liegen die Voraussetzungen für die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger vor. Ein solches Bemühen ist entsprechend zu dokumentieren (vgl. etwa , Pkt. 4.1. und 4.2., mwN).

9Das LVwG legte seiner Entscheidung zugrunde, die Behörde habe erstmals mit Schreiben vom - und somit erst rund zwei Monate nach der Bestellung des nichtamtlichen Sachverständigen mit Bescheid vom - angefragt, ob ihr von der Steiermärkischen Landesregierung ein Amtssachverständiger zur Verfügung gestellt werden könne.

Dem hält die Revision entgegen, die dem LVwG vorgelegten Verfahrensakten beinhalteten den Aktenvermerk vom , wonach nach Vorsprache einer Anrainerin wegen befürchteter Hangrutschungen nach einem Starkregenereignis von Gefahr im Verzug ausgegangen werden müsse. „Für eine bodenmechanische Untersuchung steht nach telefonischer Auskunft von Herrn DI K[...] Abt. 15 kein Amtssachverständiger zur Verfügung.“ Daher habe die Gemeinde im baupolizeilichen Verfahren entschieden, ehestmöglich Mag. Dr. H. zum bodenmechanischen Sachverständigen zu bestellen.

10Dieses Vorbringen stimmt mit den vorgelegten Verfahrensakten überein. Der schwarze Ordner beinhaltet den Aktenvermerk vom  mit dem in der Revision dargestellten Inhalt. Daraus ergibt sich, dass die Behörde am selben Tag, an dem der Bescheid betreffend die Bestellung von Mag. Dr. H. zum bodenmechanischen Sachverständigen erstellt (wann dieser zugestellt wurde, ist den Verfahrensakten nicht zu entnehmen) wurde, telefonisch beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung anfragte, ob ihr ein Amtssachverständiger zur Verfügung gestellt werden könne. Die diesbezüglich erfolglosen Bemühungen wurden im Aktenvermerk vom dokumentiert.

Angesichts dessen legte das LVwG, indem es davon ausging, dass die Behörde erstmals mit Schreiben vom angefragt habe, ob ihr von der Steiermärkischen Landesregierung ein Amtssachverständiger zur Verfügung gestellt werden könne, seinem Erkenntnis einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde. Dies ist insofern relevant, als sich die Vorschreibung des Kostenersatzes betreffend die Honorarnote vom in der Höhe von € 2.549,91 vor dem Hintergrund des Aktenvermerkes vom gemäß § 52 Abs. 2 erster Fall AVG nicht aus dem vom LVwG herangezogenen Grund als rechtswidrig erweist.

11Wenn das LVwG die Unzulässigkeit der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 52 Abs. 2 zweiter Fall AVG (Besonderheit des Falles) damit begründet, dass die Behörde telefonisch bei der Abteilung 15 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung hätte anfragen können, ob ein amtlicher Sachverständiger zur Verfügung gestellt werden könne, und die negative Auskunft im Akt hätte dokumentieren müssen, trifft diese Rechtsansicht zwar auf § 52 Abs. 2 erster Fall AVG zu, ist aber nicht geeignet, das Nichtvorliegen einer Besonderheit des Falles zu begründen. Eine Begründung dafür, warum eine drohende Hangrutschung nach einem Starkregenereignis nicht als Besonderheit des Falles angesehen werden könne, ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Insofern entzieht sich dieses einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

12Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es sich auf die Honorarnote vom bezieht, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

13Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gegen die Aufhebung des Bescheides betreffend die Ersatzpflicht für die Honorarnoten vom . Insofern war die Revision mangels Darlegung einer Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023060059.L00

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