3. Hauptstück Marktmissbrauch
2. Abschnitt Aufsichtsbefugnisse
§ 153. Befugnisse der zuständigen Behörde
(1) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 hat die FMA unbeschadet ihrer Befugnisse nach den sonstigen Verfahrensbestimmungen folgende besonderen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung:
1. Zugang zu jedweden Unterlagen und Daten in jeder Form zu haben und Kopien von ihnen zu erhalten oder anzufertigen;
2. von jeder Person, auch von solchen, die nacheinander an der Übermittlung von Aufträgen oder an der Ausführung der betreffenden Tätigkeiten beteiligt sind, sowie von deren Auftraggebern Auskünfte zu verlangen oder zu fordern und erforderlichenfalls zum Erhalt von Informationen eine Person vorzuladen und zu befragen;
3. in Bezug auf Warenderivate gemäß Artikel 2 Abs. 1 Nummer 30 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, Informationen in genormten Formaten von Teilnehmern der entsprechenden Spotmärkte anzufordern, Meldungen über Geschäfte zu erhalten und direkt auf die Systeme der Händler zuzugreifen;
4. an anderen Orten als den privaten Wohnräumen natürlicher Personen Prüfungen und Ermittlungen vor Ort durch eigene Prüfer, durch Personen, die in Amtshilfe für die FMA tätig werden, oder durch sonstige Sachverständige durchzuführen;
5. eine Sache zwecks strafrechtlicher Verfolgung weiterzuverweisen;
6. bestehende Aufzeichnungen von Telefongesprächen oder elektronischen Mitteilungen oder Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz von Wertpapierfirmen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 4 WAG 2018, Kreditinstituten oder Finanzinstituten anzufordern;
7. das Einfrieren oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten, sofern dies zur Sicherung des Verfalls erforderlich erscheint, wobei § 157 Abs. 3 erster Satz anzuwenden ist;
8. den Handel mit den betreffenden Finanzinstrumenten gemäß Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2014/65/EU auszusetzen;
9. die vorübergehende Einstellung von Handlungen zu verlangen, die gemäß der Auffassung der FMA gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verstoßen;
10. ein vorübergehendes Verbot der Ausübung der Berufstätigkeit zu verhängen und
11. alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Öffentlichkeit ordnungsgemäß informiert wird, unter anderem durch die Richtigstellung falscher oder irreführender offengelegter Informationen, einschließlich der Verpflichtung von Emittenten oder anderen Personen, die falsche oder irreführende Informationen verbreitet haben, eine Berichtigung zu veröffentlichen.
(2) Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Räumen (§ 117 Z 2 lit. b StPO) ist auf Antrag der FMA zulässig, wenn der begründete Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen § 154 oder § 155 Abs. 1 Z 2 besteht und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort Gegenstände befinden, die zu beschlagnahmen sind.
(3) Erteilung einer Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung (§ 134 Z 2 StPO einschließlich der in § 76a StPO genannten Daten) ist auf Antrag der FMA zulässig, wenn der begründete Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen § 154 (außer den Fällen der Zuwiderhandlung gegen Art. 10 und 14 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 596/2014) oder § 155 Abs. 1 Z 2 besteht, wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung der Zuwiderhandlung gefördert werden kann und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden können.
(4) Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Einzelrichter hat über einen Antrag der FMA nach Abs. 2 oder 3 mit Beschluss (§ 86 StPO) zu entscheiden, wobei der Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit nach § 5 StPO anzuwenden ist. Die FMA hat ihren Antrag zu begründen (§ 102 Abs. 2 Z 2 bis 4; Anträge nach Abs. 3 haben überdies die in § 138 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 StPO vorgesehenen Angaben zu enthalten) und dem Gericht samt den Akten zu übermitteln.
(5) Soweit dies zur Entscheidung über einen Antrag der FMA aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann das Gericht weitere Ermittlungen durch die FMA anordnen oder von der FMA tatsächliche Aufklärungen aus den Akten verlangen. Bewilligt das Gericht den Antrag, hat es für die Durchführung eine Frist zu setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt. Über die Durchführung entscheidet die FMA. Wenn die Voraussetzungen, unter denen der Antrag bewilligt wurde, weggefallen sind oder sich derart geändert haben, dass die Durchführung rechtswidrig, unverhältnismäßig oder nicht mehr zweckmäßig wäre, hat die FMA von ihr abzusehen und das Gericht hievon zu verständigen.
(6) Gegen den Beschluss steht der FMA, dem Beschuldigten und jeder anderen Person, die durch den Beschluss in ihren subjektiven Rechten betroffen ist, ausschließlich das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien zu. Der FMA steht auch Beschwerde zu, wenn ihr Antrag nicht erledigt wurde. Für Beschwerden und das Verfahren über Beschwerden gelten die §§ 87 bis 89 StPO sinngemäß, wobei an die Stelle der Staatsanwaltschaft die FMA tritt. Wird einer Beschwerde wegen Unzulässigkeit einer Ermittlungsmaßnahme nach Abs. 3 gemäß § 89 Abs. 2b StPO Folge gegeben, so ist gemäß § 89 Abs. 4 StPO vorzugehen.
(7) Für die Durchsuchung (Abs. 2) gelten die Bestimmungen der §§ 121 und 144 StPO sinngemäß. Der FMA kommen bei Durchsuchungen die in Abs. 1 Z 1 genannten Befugnisse zu. Weiters kann sie vor Ort alle für die Durchführung von Ermittlungshandlungen erforderlichen Auskünfte verlangen sowie von allen Vertretern oder Beschäftigten des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Sachverhalten oder Unterlagen verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. Die FMA ist befugt, in dem erforderlichen Ausmaß alle Räumlichkeiten zu versiegeln und Beweismittel in Beschlag zu nehmen, soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolges geboten ist. Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen Straftat als jener schließen lassen, deretwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, können sie ebenfalls in Beschlag genommen werden, soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolgs geboten ist. Im Fall eines Widerspruchs unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes, gegenüber der FMA bestehendes Verschwiegenheitsrecht gilt die Bestimmung des § 112 StPO sinngemäß, wobei an die Stelle der Staatsanwaltschaft die FMA tritt. Die FMA hat die Bewilligung der Durchsuchung demjenigen, bei dem die Durchsuchung vorgenommen wird (Betroffener), sogleich mit der Durchführung der Durchsuchung zuzustellen oder die Zustellung innerhalb von 24 Stunden danach zu veranlassen.
(8) Für die Erteilung einer Auskunft über Daten der Nachrichtenübermittlung (Abs. 3) gelten die Bestimmungen der §§ 137 Abs. 3, 138 Abs. 2 bis 4, 139 Abs. 1, 2 und 4 und 144 StPO sinngemäß, wobei an die Stelle der Staatsanwaltschaft die FMA tritt. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen. Nachdem die Auskunft erteilt wurde, hat die FMA die Bewilligung der Auskunft den davon Betroffenen unverzüglich zuzustellen. Die Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre und dies notwendig und verhältnismäßig ist. Als Beweismittel dürfen Daten der Nachrichtenübermittlung nur verwendet werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme nach Abs. 3 rechtmäßig bewilligt wurde. Sie dürfen nur zum Nachweis der strafbaren Handlung, deretwegen die Ermittlungsmaßnahme bewilligt wurde, einer anderen Straftat nach den §§ 154, 155 Abs. 1 Z 2, 163 und 164 oder einer Straftat, deretwegen eine Ermittlungsmaßnahme nach § 135 Abs. 2 Z 3 oder 4 StPO hätte angeordnet werden können, verwendet werden.
(9) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben der FMA über deren Ersuchen zur Sicherung der Durchsuchungen im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten. Im Rahmen einer Durchsuchung der FMA sind die hilfeleistenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch ermächtigt, die FMA durch die Sicherung von Unterlagen in elektronischer Form zu unterstützen.
(10) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben durch die Bestimmungen des 12. Abschnitts des Telekommunikationsgesetzes 2003 – TKG 2003, BGBl. I Nr. 70/2003, unberührt.
(11) Die FMA kann durch Verordnung eine zulässige Marktpraxis für den inländischen Markt gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festlegen oder anerkennen.
Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)
Fundstelle(n):
zur Änderungshistorie
KAAAA-76577