8. Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO)
850Der Abrechnungsbescheid stellt eine Entscheidung im Einhebungsverfahren dar. Durch den antragsabhängigen Abrechnungsbescheid wird über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213 BAO) sowie darüber entschieden, ob und inwieweit eine bestimmte Zahlungsverpflichtung durch die Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist (; ). Somit dient der Abrechnungsbescheid der Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte bezüglich der Verrechnung von Zahlungen und sonstigen Gutschriften (; ). Ist der Abgabepflichtige der Meinung, dass die Durchführung der Abgabenverrechnung unzutreffend ist, so kann er seine Auffassung durch einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides iSd § 216 BAO durchsetzen (). Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig. Das Verfahren über einen Antrag auf Abrechnungsbescheid hat sich damit zu befassen, ob die Anlastung der Abgabenfestsetzungen (nicht deren Rechtmäßigkeit an sich) und die entsprechenden Gutschriften in der kontomäßigen Gebarung ihren richtigen Ausdruck gefunden haben (). Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Zweifel in den strittigen Punkten, so soll durch den Abrechnungsbescheid eine beide Teile bindende Klärung geschaffen werden.
851Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH darf die Rechtmäßigkeit einer wirksamen Abgabenfestsetzung - hinsichtlich derer der Rechtsschutz durch deren Bekämpfbarkeit gewährleistet ist - im Abrechnungsbescheidverfahren nicht mehr geprüft werden. Dieses Verfahren hat sich vielmehr lediglich damit zu befassen, ob die Abgabenfestsetzungen und die entsprechenden Gutschriften in der kassenmäßigen Gebarung ihren richtigen Ausdruck gefunden haben. Mit dem Abrechnungsbescheid wird darüber entschieden, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, somit wirksam gezahlt, verrechnet, aufgerechnet, erlassen oder die Einhebung verjährt ist. Hingegen wird durch das Abrechnungsbescheidverfahren eine bescheidmäßig erfolgte Abgabenfestsetzung nicht berührt; dies auch dann nicht, wenn die Festsetzung materiell- oder verfahrensrechtlich zu Unrecht erfolgte. Die Abgabenbehörde kann sich im Abrechnungsbescheid hinsichtlich bescheidmäßig festgesetzter Abgaben nur auf rechtswirksame Bescheide stützen, ohne dabei das rechtmäßige Zustandekommen oder das rechtmäßige Bestehen dieser Bescheide überprüfen zu dürfen ().
852Im Abrechnungsbescheidverfahren geht es um die Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte schlechthin und nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung. Es kann also auch die Prüfung und die Darlegung der Ergebnisse verlangt werden, ob die rechnungsmäßige Anlastung der Abgabenfestsetzung (nicht aber die Abgabenfestsetzung selbst) und die entsprechenden Gutschriften bei verminderten Festsetzungen kassenmäßig ihren richtigen Ausdruck gefunden haben. Mit dem Abrechnungsbescheid wird auch - und das vornehmlich - darüber entschieden, ob auf Grund der Verrechnung eine bestimmte Verpflichtung erloschen ist, als wirksam getilgt, gezahlt, aufgerechnet, überrechnet oder umgebucht, erlassen (abgeschrieben) oder verjährt zu gelten hat, also vor allem, ob rechnungsmäßig richtig vollzogen ist, was sich im Bereich des tatsächlichen Zahlungsverkehrs ereignet hat. Die Begründung der Zahlungsverpflichtung ist hingegen nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides, sie wird vorausgesetzt ().
853Ein Antrag gemäß § 216 BAO unterliegt gemäß § 85a BAO der Entscheidungspflicht. Die Verletzung der Entscheidungspflicht kann mit Säumnisbeschwerde ( § 284 BAO) geltend gemacht werden.
854Die zeitliche Grenze für den Antrag auf Abrechnungsbescheid stellt die Frist von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres der betreffenden Verbuchung oder Nichtbuchung dar.
855Das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines Tilgungstatbestandes hat die Partei im Abgabenabrechnungsverfahren zu behaupten und zu konkretisieren ().
856Der Antragsteller hat die Pflicht, die Meinungsverschiedenheit über Tilgungstatbestände zu konkretisieren (; ).
857Mitteilungen über Kontenbewegungen kommt kein Bescheidcharakter zu. Sie berühren daher zwar nicht den Anspruch auf Abrechnungsbescheid, doch können sie - ebenso wie die Einsichtnahme in das Abgabenkonto (Akteneinsicht gemäß § 90 BAO oder § 90a BAO) - zur Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde beitragen.
858Ob Umbuchungen oder Überrechnungen gemäß § 215 BAO rechtmäßig sind, ist im Verfahren gemäß § 216 BAO zu entscheiden ().
859Ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto ist nur im Verfahren zur Erlassung eines Abrechnungsbescheides auszutragen (; ). Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Gutschriften die Abgabenbehörde durchführen hätte müssen, können ebenfalls Gegenstand eines Abrechnungsbescheides sein (; ).
860Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Haftungsschuldner und der Abgabenbehörde darüber, in welchem Ausmaß durch die Herabsetzung der Kapitalertragsteuer noch eine Haftungsverpflichtung des Gesellschafters gegeben ist, wird auf Antrag mit Abrechnungsbescheid entschieden (). Der Haftungspflichtige ist zur Stellung eines Antrages auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides legitimiert ().
861Für einen erfolglos geltend gemachten in der Umsatzsteuervoranmeldung angemeldeten Überschuss ist auf das Rechtsinstitut des § 216 BAO hinzuweisen ().
862Im Verfahren über einen Antrag auf Abrechnungsbescheid ist die Rechtmäßigkeit einer Abgabenfestsetzung oder eines Haftungsbescheides nicht mehr zu prüfen (; ). In einer an den VwGH gerichteten Revision gegen die Abgabenvorschreibung besteht für Einwendungen gegen die Abgabenverrechnung kein Raum ().
863Es ist ein untauglicher Versuch, im Weg der Bekämpfung des Abrechnungsbescheides nachzuholen, was zuvor in einem anderen Verfahren versäumt worden ist ().
864Die Bestimmung des § 216 BAO bietet nach der Judikatur des VwGH die Möglichkeit, die Richtigstellung unrichtiger Gebarungsvorgänge zu bewirken ().
865Hingegen ist über die Reihenfolge der Verbuchung der Abgabenbescheide sowie die Verrechnung im Allgemeinen nicht mit Abrechnungsbescheid abzusprechen, sondern zB darüber, ob hinsichtlich bestimmter Abgabenschuldigkeiten der Tilgungstatbestand erfüllt ist (). Dem Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides muss daher ein konkretes, auf jeweilige Gebarungsvorgänge Bezug nehmendes und entsprechend begründetes Parteivorbringen zu Grunde liegen.
866Wurde ein Abgabenbescheid, der die Grundlage für die Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229 BAO) gebildet hat, nicht wirksam bekanntgegeben (§ 97 BAO), so kommen im Vollstreckungsverfahren - und zwar im Hinblick auf § 35 Abs. 2 EO auch im gerichtlichen - allenfalls Einwendungen gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO in Betracht. Dessen ungeachtet ist diesfalls auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, im Weg eines Antrages auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides die Überprüfung der Richtigkeit der Gebarungsvorgänge zu veranlassen, was gegebenenfalls die Einstellung der Vollstreckung zur Folge haben könnte.
867Der Abrechnungsbescheid dient der Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte; im Verfahren gemäß § 216 BAO ist für den Abspruch, welche auf dem Abgabenkonto gebuchten Zahlungsverpflichtungen bzw. Gutschriften Masseforderungen bzw. Insolvenzforderungen seien, kein Raum (; ). Wird jedoch im Abrechnungsbescheidverfahren die Unzulässigkeit der Verrechnung gemäß §§ 19 und 20 IO behauptet, ist darüber als Vorfrage zu befinden (; ).
868Die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen ist auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren und nicht im Rückzahlungsverfahren zu klären (; ).
869Im Verhältnis zu einem Haftungspflichtigen hat hinsichtlich der Funktion des Abrechnungsverfahrens nach § 216 BAO nichts anderes zu gelten als im Verhältnis gegenüber einem Erstschuldner ().
Randzahlen 870 bis 899: derzeit frei
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
Betroffene Normen: | |
Verweise: | § 90 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 90a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 35 Abs. 2 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 § 13 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 85a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 20 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Schlagworte: | Abgabeneinhebung - Abrechnungsbescheid - Richtigkeit der Verbuchung - Gebarung - Zahlungsverpflichtung - Tilgungstatbestand - Gebarungsakte - Verrechnung - Zahlungen - sonstige Gutschriften - Abgabenverrechnung - kontomäßige Gebarung - Rechtmäßigkeit - Abrechnungsbescheidverfahren - kassenmäßige Gebarung - rechnungsmäßige Anlastung - Zahlungsverkehr - Entscheidungspflicht - Verbuchung - Nichtbuchung - Meinungsverschiedenheit - Umbuchungen - Überrechnungen - Gebarungsvorgänge - Gebarungsvorgang - Masseforderungen - Konkursforderungen - Vorfrage |
Stammfassung: | 05 2202/1-IV/5/03 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
EAAAA-76459