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Richtlinie des BMF vom 07.11.2014, BMF-010103/0166-IV/4/2014

18. Sicherstellungsauftrag (§§ 232 und 233 BAO)

18.1. Allgemeines

1550Im Zeitraum zwischen der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) und dem Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) kann die Abgabenbehörde, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen, einen Sicherstellungsauftrag erlassen; dieser ist Exekutionstitel sowohl für das finanzbehördliche als auch für das gerichtliche Sicherungsverfahren (Exekution zur Sicherstellung).

1551Der Sicherstellungsauftrag bildet bei noch nicht vollstreckbaren Abgaben die Grundlage für die Exekution zur Sicherstellung, durch die der Pfandrang für die nachfolgende, auf Grund des Rückstandsausweises (§ 229 BAO) zu führende Exekution zur Einbringung gesichert werden soll.

1552Sobald eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe der Abgabenbehörde bekannt wird, kommt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages in Betracht. Die Ausführungen betreffend die Bezeichnung des Abgabenschuldners (Haftungspflichtigen) im Rückstandsausweis gelten sinngemäß für den Sicherstellungsauftrag. Dass im Spruch des Sicherstellungsauftrages die Person (rechtsfähige Personengemeinschaft) zu nennen ist, an die der Bescheid ergeht, ergibt sich aus § 93 Abs. 2 BAO.

1553Ergeben sich aus abgabenbehördlichen Prüfungen von Selbstbemessungsabgaben Nachforderungen, so besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, trotz in der Vergangenheit liegender Fälligkeit vor Bescheiderteilung mit Sicherstellungsauftrag vorzugehen, weil die Vollstreckbarkeit noch nicht eingetreten ist (zB Umsatzsteuer, Lohnsteuer).

18.2. Sicherstellungsauftrag und Haftung

1554Bei Geltendmachung einer in Abgabenvorschriften vorgesehenen persönlichen Haftung ist gegebenenfalls die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages im Zeitraum zwischen Erlassung des Haftungsbescheides und Eintritt der Vollstreckbarkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe dem Haftungspflichtigen gegenüber zulässig (; ). Vor Erlassung des Haftungsbescheides ist für den potentiell Haftungspflichtigen nämlich noch keine Schuld entstanden; nach Vollstreckbarkeit der den Gegenstand des Haftungsbescheides bildenden Abgabe ist ein Sicherstellungsauftrag nicht mehr zulässig ().

1554aNach § 232 Abs. 3 BAO ist ein Sicherstellungsauftrag bereits vor Entstehung des Haftungsanspruches nach § 11 BAO ab Anhängigkeit des Strafverfahrens zulässig, somit bei verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit mit der ersten Verfolgungshandlung ( § 14 Abs. 3 FinStrG) bzw. bei gerichtlicher Zuständigkeit bereits dann, wenn gerichtliche Ermittlungen, Vorerhebungen geführt wurden.

18.3. Sicherstellungsauftrag ist Bescheid

1555Der Sicherstellungsauftrag ist nicht nur eine öffentliche Urkunde, sondern auch ein Bescheid, der gemäß § 243 BAO mit Bscheidbeschwerde angefochten werden kann (vgl. ; ). Der Eintritt der Vollstreckbarkeit der den Gegenstand des Sicherstellungsauftrages bildenden Abgabe innerhalb der (allenfalls verlängerten) Beschwerdefrist ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

18.4. Berufung gegen Sicherstellungsauftrag

1556In aller Regel ist für Beschwerdeerledigungen die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung über die Beschwerde maßgeblich. Hingegen ist im Rechtsmittelverfahren der Sicherstellungsauftrag allein darauf zu überprüfen, ob die im Zeitpunkt seiner Erlassung hiefür erforderlichen sachlichen Voraussetzungen gegeben waren (; ; ). Später eingetretene Tatsachen, Beweise und Anträge sind im Sicherstellungsverfahren gemäß § 232 BAO entgegen dem für Beschwerdeerledigungen ansonsten geltenden § 270 BAO nicht zu berücksichtigen, wohl aber kausale Sachverhaltsumstände, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages bereits gegeben gewesen sind (; ).

1557Würde etwa nach Eintritt der Vollstreckbarkeit oder nach Wegfall der Gefährdung über die Bescheidbeschwerde aus der Sicht der Sachlage im Zeitpunkt der Beschwerdeerledigung entschieden werden, gingen Sicherstellungsaufträge ins Leere, da die durch den Sicherstellungsauftrag begründeten Pfandrechte infolge Stattgabe der Beschwerde und somit Aufhebung des Sicherstellungsauftrages erlöschen würden.

1558Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages erworbene Pfandrechte dürfen erst der Verwertung zugeführt werden, wenn die Abgabe vollstreckbar geworden ist, es sei denn, dass aus den Gründen des § 41 AbgEO (leicht verderbliche Gegenstände) eine vorzeitige Veräußerung geboten erscheint, in welchem Fall der erzielte Erlös vorläufig in Verwahrung zu nehmen ist.

18.5. Vollzug eines Sicherstellungsauftrages begründet Pfandrang

1559Der Vollzug eines Sicherstellungsauftrages führt zur Begründung eines Pfandranges; dieser durch eine sicherungsweise Pfändung geschaffene Rang bleibt auch gewahrt, wenn nach Eintritt der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung das Verwertungsverfahren eingeleitet wird.

18.6. Sicherstellung auf unbewegliches Vermögen

1560Bei Sicherstellungen auf unbewegliches Vermögen und auf grundbücherlich sichergestellte Geldforderungen kommt neben einer gerichtlichen Exekution zur Sicherstellung auch eine grundbücherliche Vormerkung gemäß § 38 lit. c GBG 1955 in Betracht.

1561Nur Sicherstellungsaufträge, die den vorgeschriebenen Inhalt aufweisen, können eine Grundlage für das gerichtliche Sicherungsverfahren bilden (, betreffend einen Sicherstellungsauftrag, in dem die im § 232 Abs. 2 lit. d BAO geforderte Angabe fehlte). Dies gilt in gleicher Weise für das finanzbehördliche Sicherungsverfahren (siehe Rz 1568).

1562Für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld, wie sie nur durch ein ordnungsgemäßes Festsetzungsverfahren gewährleistet und etwa für die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld iSd § 226 BAO Voraussetzung ist, nicht erforderlich (; ; ). Dennoch ist eine genaue ziffernmäßige Angabe der Höhe der Abgabenschuld iSd § 232 Abs. 2 lit. a BAO etwa in jenen Fällen möglich, in denen nach einer im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung stattgefundenen Schlussbesprechung die erst vollstreckbar werdenden Abgaben der Höhe nach bereits bekannt sind.

1563Wegen der Akzessorietät des Pfandrechtes ist im Sicherstellungsauftrag eine Aufgliederung nach Abgabenarten und Zeiträumen vorzunehmen; die Anführung lediglich einer Globalsumme ist unzulässig. Die Angabe eines einheitlichen Betrages genügt nicht, weil diese Vorgangsweise nicht erkennen lässt, für welchen Abgabenanspruch in welcher Höhe im folgenden Sicherungsverfahren Pfandrechte begründet werden (; ).

18.7. Begründung des Sicherstellungsauftrages

1564Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss schon im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden (). Die Begründung des Sicherstellungsauftrages muss erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren ().

18.8. Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid

1565Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre (; ). Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. § 183 Abs. 4 BAO ist daher nicht anwendbar (; ). Dies enthebt die Behörde jedoch nicht der Pflicht, dem Abgabepflichtigen zu denjenigen Beweisen Gelegenheit zur Äußerung zu bieten, auf die sie ihre Sachverhaltsfeststellungen zum Entstehen des Abgabenanspruchs dem Grunde nach in Ausführung der Beweiswürdigung stützt (; ).


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
Betroffene Normen:
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 233 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 2 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 270 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise:







RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1568






§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 38 lit. c GBG 1955, Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955, BGBl. Nr. 39/1955
§ 183 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 14 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958




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Stammfassung:
05 2202/1-IV/5/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
EAAAA-76459