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Richtlinie des BMF vom 26.03.2024, 2024-0.234.994

11. Geltendmachung persönlicher Haftungen (§ 224 BAO)

11.1. Haftungsbescheid (§ 224 Abs. 1 BAO)

1200Eine Besicherung von Abgabenansprüchen kann gesetzlich in folgenden Formen vorgesehen sein:

  • Gesamtschuldverhältnis kraft Gesetzes

  • Persönliche Haftung

  • Sachhaftung

1201Ferner können Abgabenansprüche durch vertragliche Maßnahmen, insbesondere durch Bestellung eines Pfandes oder durch Übernahme einer Bürgschaft, gesichert werden.

1202§ 224 BAO behandelt die persönliche abgabenrechtliche Haftung. Haften im Sinne der BAO bedeutet, dass der Haftungspflichtige mit seinem gesamten oder mit einem vorbestimmten Teil seines Vermögens für Abgabenschulden eines anderen in Anspruch genommen werden kann.

1203Persönliche abgabenrechtliche Haftungen werden mit Haftungsbescheid geltend gemacht; für diesen gelten insbesondere auch die Bestimmungen der §§ 93 und 96 BAO. Ein Haftungspflichtiger darf nicht ohne Erlassung eines Haftungsbescheides in Anspruch genommen werden (). Der Spruch des Bescheides hat anzuführen, für welche Abgaben die Haftung in Anspruch genommen wird und bis zu welchem Zeitpunkt die Haftungsschuld zu entrichten ist. Erforderlich ist ein Hinweis auf die die Haftungspflicht begründende Vorschrift (; ).

1204Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung ist keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern eine solche der Abgabeneinhebung (; bis 0527). Es sind demnach nicht die Vorschriften über die Bemessungsverjährung, sondern die Bestimmungen über die Einhebungsverjährung maßgebend (). Im Haftungsbescheid ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Haftungsschuld binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten. Durch die vorgenannte Regelung wird für den Haftenden eine eigene Fälligkeit begründet. Ist in den Fällen einer Zahlungsschuld kraft Gesetzes (zB Kapitalertragsteuer) die Abgabe gegenüber dem Haftungspflichtigen vor Bescheiderteilung fällig gewesen, so ist gemäß § 210 Abs. 4 BAO vorzugehen.

1205Ein Haftungsbescheid ist rechtswidrig, wenn die Forderung, für die gehaftet werden soll, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (). Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden ist und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist (). Die Haftung ist nur insoweit akzessorisch, als sie das Bestehen eines Abgabenanspruches zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhaltes voraussetzt. Ob ein Erlöschen der Schuld auch dem Haftungspflichtigen zu Gute kommt, ist hingegen nach dem Zweck der den Schulderlöschungsgrund beinhaltenden jeweiligen Vorschrift zu prüfen. Davon ausgehend stellt die gerichtliche Entscheidung über die Restschuldbefreiung ( § 213 IO) des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar (vgl. ; ). Eine solche Entscheidung steht der Geltendmachung der Haftung auch für die übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen (vgl. ; ).

1206Haftungstatbestände, die sich auf mehrere Abgaben erstrecken, sind in der BAO umschrieben. Haftungstatbestände, die nur eine einzelne Abgabe zum Gegenstand haben, sind in jenen Gesetzen umschrieben, welche die betreffende Abgabe regeln (zB § 82 EStG 1988, § 95 Abs. 1 EStG 1988, § 27 Abs. 4 UStG 1994, § 30 GebG).

1207Zivilrechtliche Haftungen (wie insbesondere gemäß § 1409 ABGB) können im Klageweg auch zugunsten von Abgabenforderungen geltend gemacht werden ().

Um die Einbringung der Klage ist die Finanzprokuratur zu ersuchen.

11.2. Sondervorschriften (§ 224 Abs. 2 BAO)

1208Abgabenvorschriften, die vom § 224 Abs. 1 zweiter Satz BAO abweichende Regelungen über die Fälligkeit von Haftungsschulden treffen, sind als speziellere Vorschriften in ihrem Anwendungsbereich stärker als die Regelungen des § 224 BAO. Wer Abgaben einzubehalten und abzuführen hat und hiefür haftet, ist verpflichtet, zu den gesetzlich festgelegten Terminen die Abgaben zu entrichten, ohne dass es eines Haftungsbescheides bedarf. Ergibt sich später, dass die vom Abfuhrpflichtigen abgeführten Abgaben zu gering waren, so ist im Haftungsbescheid keine neue Fälligkeit zu setzen (zB Abfuhrdifferenzen betreffend Lohnsteuer im Fall der Inanspruchnahme des Arbeitgebers mit Haftungsbescheid). Ergibt sich somit die Fälligkeit aus einer gesetzlichen Vorschrift, so löst ein Haftungsbescheid keine neue Fälligkeit aus (siehe auch Rz 40).

Beispiele:

Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, im Abzugsweg zu erhebende Einkommensteuer beschränkt Abgabepflichtiger gemäß § 99 EStG 1988.

11.3. Erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich Erlassung eines Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 3 BAO)

1209Die Geltendmachung der Haftung unterliegt als Einhebungsmaßnahme der Einhebungsverjährung, die vom Eintritt der Fälligkeit der Abgabe abhängig ist (siehe Rz 9 und Rz 28). In den Fällen einer von der Bekanntgabe eines Abgabenbescheides abhängigen Fälligkeit ist daher eine solche Bekanntgabe Voraussetzung für den Beginn des Laufes der Einhebungsverjährungsfrist. Mangels einer derartigen Bekanntgabe gegenüber dem Erstschuldner wäre somit eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen möglich. Um dies zu verhindern, sieht § 224 Abs. 3 BAO vor, dass die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe (§§ 207 bis 209a BAO) nicht mehr zulässig ist (Bedachtnahme auf die Bemessungsverjährung im Einhebungsrecht).

1210Aus § 224 Abs. 3 BAO ergibt sich, dass eine Haftung vor der Inanspruchnahme des Erstschuldners geltend gemacht werden darf (; ). Abgabenrechtliche Haftungen haben insoweit keinen bescheidakzessorischen Charakter (; ). Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn eine Inanspruchnahme des Erstschuldners nicht möglich ist, zB weil es sich bei diesem um eine im Firmenbuch gelöschte und beendigte juristische Person gehandelt hat. Abgabenrechtliche Haftungen haben somit insoweit keinen subsidiären Charakter (; ; siehe auch Rz 1236).

1211Ob eine Inanspruchnahme des Haftenden vor dem Erstschuldner erfolgt, liegt im Ermessen der Behörde (siehe Rz 1236).

1212Wenn auch dem Erstschuldner gegenüber der Anspruch noch nicht geltend gemacht wurde, so wird durch den Haftungsbescheid dennoch ein Gesamtschuldverhältnis begründet, das dem Erstschuldner gegenüber allerdings erst mit Erlassung des Abgabenbescheides wirksam wird (; ).

1213In den Fällen des § 224 Abs. 3 BAO tritt durch den Haftungsbescheid dem Erstschuldner gegenüber eine Fälligkeit nicht ein.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
Betroffene Normen:
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 96 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise:











RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 40
RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 9
RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 28






RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1236


§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 27 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1409 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961


§ 213 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 95 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Schlagworte:
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Stammfassung:
05 2202/1-IV/5/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
EAAAA-76459