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VwGH 07.10.2025, Ro 2024/15/0007

VwGH 07.10.2025, Ro 2024/15/0007

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
EURallg
UStG 1994 Art25 idF 2012/I/112
UStG 1994 Art3 Abs8
12010E267 AEUV Art267
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art141
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art197
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art226 Z11a idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art40 idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art41 idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art42 lita idF 32010L0045
62008CJ0536 X und fiscale eenheid Facet / Facet Trading VORAB
62016CJ0580 Firma Hans Bühler VORAB
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
62021CJ0247 Luxury Trust Automobil GmbH VORAB
RS 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine erstmalige Ausstellung einer für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung erforderlichen Rechnung, die aber erst mehrere Jahre nach Bewirkung der Lieferungen ausgestellt wird, die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregel ex nunc auslöst?

2. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: Ist die ex nunc Wirksamkeit der erstmaligen Ausstellung einer solchen Rechnung davon abhängig, dass der Rechnungsaussteller für den Zeitraum vor deren Ausstellung eine Besteuerung nach den allgemeinen Bestimmungen im Bestimmungsmitgliedstaat vorgenommen hat?

3. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: In welcher Form muss der Zwischenerwerber den Nachweis dafür erbringen, dass die erstmals ausgestellte erforderliche Rechnung dem Enderwerber tatsächlich zugegangen ist?

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter, die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger sowie den Hofrat Dr. Hammerl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes für Großbetriebe, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6101039/2015, betreffend Umsatzsteuer 2015 (mitbeteiligte Partei: F GmbH, vertreten durch die Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine erstmalige Ausstellung einer für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung erforderlichen Rechnung, die aber erst mehrere Jahre nach Bewirkung der Lieferungen ausgestellt wird, die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregel ex nunc auslöst?

2. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: Ist die ex nunc Wirksamkeit der erstmaligen Ausstellung einer solchen Rechnung davon abhängig, dass der Rechnungsaussteller für den Zeitraum vor deren Ausstellung eine Besteuerung nach den allgemeinen Bestimmungen im Bestimmungsmitgliedstaat vorgenommen hat?

3. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: In welcher Form muss der Zwischenerwerber den Nachweis dafür erbringen, dass die erstmals ausgestellte erforderliche Rechnung dem Enderwerber tatsächlich zugegangen ist?

Begründung

A. Sachverhalt und bisheriges Verfahren

1 Bei der Mitbeteiligten wurde eine Außenprüfung betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 sowie eine Nachschau für die Monate 01/2013 bis 09/2014 durchgeführt. Das Finanzamt stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte aufgrund eines fehlenden Hinweises auf das Dreiecksgeschäft in den Rechnungen nicht erfüllt seien und die Mitbeteiligte somit aufgrund der verwendeten österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kumulative innergemeinschaftliche Erwerbe in Österreich bewirkt habe. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug aus diesen innergemeinschaftlichen Erwerben.

2 Aus dem die Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 betreffenden rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts ergibt sich folgendes:

3 Die Mitbeteiligte führte Lieferungen an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer aus. Die Liefergegenstände wurden von der Mitbeteiligten unter Verwendung ihrer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bei in Schweden und in Dänemark ansässigen Unternehmern (jeweils aufgetreten mit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Ansässigkeitsstaates) bestellt und von diesen direkt an die Kunden der Mitbeteiligten versendet. Die Abnehmer der Mitbeteiligten sind mit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungslandes der Waren aufgetreten. In den streitgegenständlichen Fällen sind die Liefergegenstände somit aus Schweden oder Dänemark unmittelbar in einen anderen Mitgliedstaat der Union (außer Österreich) versendet worden. Wie diese Vorgänge von den Empfängern in den Bestimmungsländern umsatzsteuerlich behandelt wurden, ist nicht zur Gänze geklärt. Ebenso wenig ist bekannt, ob diese zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt waren.

4 Von der Mitbeteiligten wurden diese Transaktionen in Österreich ursprünglich sowohl in den Mehrwertsteuererklärungen als auch in den Zusammenfassenden Meldungen sowie in den Rechnungen an ihre Abnehmer als eine innergemeinschaftliche Lieferung angegeben. Den Einkauf der Ware von den Lieferanten aus Schweden bzw. Dänemark behandelte die Mitbeteiligte als innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich und machte den Vorsteuerabzug in Höhe der entstandenen Erwerbsteuer geltend.

5 Die ursprünglichen Rechnungen der Mitbeteiligten an ihre Kunden wurden ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt und enthielten keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts oder den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger.

6 Das Finanzamt hat diese Transaktionen aufgrund der von der Mitbeteiligten ausgestellten Rechnungen, die keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes bzw. den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger enthielten, als sogenanntes „missglücktes Dreiecksgeschäft“ qualifiziert und die allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte zur Anwendung gebracht. Konsequenz daraus war die Festsetzung eines kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerbes in Österreich im Sinne des Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 und die Versagung des Vorsteuerabzuges der im Zusammenhang mit diesem Erwerb entstandenen Erwerbsteuer.

7 Im Jahr 2015 korrigierte die Mitbeteiligte die betreffenden Rechnungen bzw. ergänzte sie insoweit, als diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes und den Übergang der Steuerschuld enthielten. Es erfolgte eine Korrektur der Zusammenfassenden Meldungen betreffend den Zeitraum 2011 bis 09/2014 dahingehend, dass diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts enthielten. In der Umsatzsteuervoranmeldung für 03/2015 meldete die Mitbeteiligte einen Berichtigungsbetrag in Höhe der (kumulativen) Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb.

8 Das Finanzamt berücksichtigte den Berichtigungsbetrag bei der Festsetzung nicht. In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Mitbeteiligte geltend, dass durch die Korrektur der Rechnungen nunmehr alle Mängel beseitigt worden seien. Einerseits seien die Rechnungen berichtigt und die berichtigten Rechnungen den Rechnungsempfängern zugestellt worden. Andererseits seien auch die Zusammenfassenden Meldungen korrigiert worden, sodass diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts enthalten würden. Aus diesem Grund seien nun sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erfüllt, weshalb kein Doppelerwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 vorliege.

9 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis betreffend Umsatzsteuer 2015 Folge. Zur Übermittlung der korrigierten Rechnungen führte das Bundesfinanzgericht aus, dass im Revisionsfall keine Anhaltspunkte für einen missing trader vorlägen, sondern eine Vielzahl von Kunden betroffen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die versendeten Poststücke mit den korrigierten Rechnungen bei den Kunden auch tatsächlich eingelangt seien. Es seien nicht nur allfällig vorhandene Empfangsbestätigungen, sondern auch Versandbestätigungen berücksichtigt worden. Dafür seien Stichproben von insgesamt 37 Kunden genommen worden. Bei fünf der Kunden sei die Zustellung mit DPD durch das Versandprotokoll bestätigt. Bei den anderen mit der Post versendeten Poststücken hätten die diesbezüglich vorgelegten Nachweise die Empfänger der Sendungen nicht erkennen lassen, es sei allerdings für den März 2015 - und somit jenen Monat, in dem die Rechnungen laut Vorbringen der Mitbeteiligten verschickt worden seien - ein massiv erhöhter Portoaufwand für insgesamt 259 Sendungen der Art „Brief Ausland“ nachgewiesen. Zeugen, die die Briefe im Jahr 2015 verschickt hätten, hätten ausgesagt, dass sie sich an keine unzustellbaren Rückläufer erinnern könnten. In realitätsnaher Betrachtung könne davon ausgegangen werden, dass versendete Poststücke, sofern sie nicht an den Absender zurückgelangen würden, an den Empfänger zugestellt worden seien. Empfangsbestätigungen würden bei den mit der Post versendeten Rechnungen nicht vorliegen. 17 dieser Kunden hätten allerdings auf Nachfrage im Jahr 2023 bestätigt, die Rechnungen erhalten zu haben. Drei der Kunden hätten im Jahr 2023 ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt gehabt. Zusätzlich hätten noch weitere 25 Kunden, die nicht in der Stichprobe enthalten gewesen seien, den Empfang bestätigt. Das Bundesfinanzgericht ging damit davon aus, dass die korrigierten Rechnungen den Kunden auch tatsächlich zugegangen seien.

10 Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht, dass die im März 2015 ausgestellten Rechnungen keine Rückwirkung auf die Jahre 2011 bis 2014 entfalten könnten. Die Wirkungen würden aber ex nunc eintreten, weshalb der Berichtigungsbetrag im Jahr 2015 anzuerkennen sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamtes, das vorbringt, der Zeitpunkt, zu dem das Wahlrecht ausgeübt werden könne, sei längst verstrichen bzw. könne dieses Wahlrecht nicht erst Jahre nach Erbringung der maßgeblichen Umsätze ausgeübt werden. Die unionsrechtliche Zielsetzung der Dreiecksgeschäftsregelung dürfe nicht übersehen werden: Der Hauptzweck dieser Regelung sei die Herbeiführung von Verwaltungsvereinfachungen für den mittleren Unternehmer bei bestimmten innergemeinschaftlichen Reihengeschäften. Dieses Ziel könne jedoch auch dann nicht mehr erreicht werden, wenn auf Grund nachträglich korrigierter Rechnungen entschieden würde, dass die Dreiecksgeschäftsregelung ex nunc anwendbar werde, weil für den Zeitraum, der zwischen der Durchführung der maßgeblichen Lieferungen und den Rechnungskorrekturen liege, die Steuerschuld für die innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 und die Registrierungs-, Erklärungs- und Steuerpflichten des Erwerbers in den Bestimmungsmitgliedstaaten längst entstanden seien. Hinzu komme, dass dann, wenn im Jahr 2015 die Steuerpflicht des Erwerbers für die durch die Verwendung der österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bewirkten innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter UStG 1994 entfallen könnte, endgültig kein Anreiz mehr bestehen würde, die bisher unterbliebenen Versteuerungen in den Bestimmungsmitgliedstaaten nachzuholen. Weiters wäre zu beachten, dass bei Rechnungskorrekturen, die erst mehrere Jahre nach den zu Grunde liegenden Umsätzen vorgenommen würden, schon die Zustellung dieser Rechnungen kaum noch verifiziert werden könne und gar keine Informationen mehr dazu vorlägen oder eingeholt würden, welche Maßnahmen die Rechnungs- bzw. Leistungsempfänger ergriffen hätten und ob in den Bestimmungsmitgliedstaaten eine ordnungsgemäße Besteuerung vorgenommen worden sei.

12 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie dem Vorbringen des Finanzamtes entgegentritt. Sie führt aus, dass nach Ansicht des EuGH eine Berichtigung einer Rechnung, die keinen Hinweis auf ein Dreiecksgeschäft und den Übergang der Steuerschuld enthalten habe, keine Korrektur, sondern eine erstmalige Ausstellung einer Rechnung sei und damit die Vereinfachungsbestimmung für Dreieckssachverhalte des Art. 25 UStG 1994 mit ex tunc Wirkung ausgeschlossen sei (Verweis auf , Luxury Trust Automobil GmbH). Zu einer ex nunc Wirkung habe sich der EuGH nicht geäußert. Hätte der Gerichtshof allerdings auch die ex nunc Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung für Dreieckssachverhalte des Art. 25 UStG 1994 durch das nachträgliche Erfüllen der notwendigen Tatbestandsvoraussetzung durch berichtigte bzw. neu ausgestellte Rechnungen versagen wollen, wäre der letzte Satz in der Rz 61: „Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann.“ nicht erforderlich gewesen. In diesem Verfahrensstadium und nachdem der EuGH die rückwirkende Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung für Dreieckssachverhalte des Art. 25 UStG 1994 mit Wirkung ex tunc verneint habe, deute die Formulierung, „erforderliche Rechnungen“ auf die nachträgliche Anwendbarkeit derselben Bestimmung mit ex nunc Wirkung hin. Würde man der Ansicht des Finanzamtes folgen, dann würde eine „Rechnungskorrektur“ zwar als erstmalige Ausstellung einer für die Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erforderlichen Rechnung (d.h. als Tatbestandsvoraussetzung) qualifiziert, dieser aber weder Rechtswirkungen für die Vergangenheit noch für die Gegenwart oder Zukunft zugebilligt werden.

13 Durch die Auslösung der Steuerschuld nach Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 für 2011, 2012, 2013 und vereinzelte Monate des Jahres 2014 sei die Sicherstellung der Besteuerung und damit dem Ziel von Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 Rechnung getragen, und zwar unabhängig davon, ob den Registrierungs-, Erklärungs- und Steuerpflichten des Bestimmungsmitgliedstaats entsprochen worden sei. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität erfordere, dass diese ausgelöste Steuerschuld gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 nachträglich mit ex nunc Wirkung wegfallen könne, wenn nachträglich sämtliche materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art. 25 UStG 1994 erfüllt würden.

B. Maßgebende Bestimmungen

1. Nationales Recht

14 Art. 3 Abs. 8 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994) lautet (samt Überschrift):

„Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

(8) Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.“

15 Art. 25 UStG 1994 in der im Jahr 2015 anwendbaren Fassung (BGBl. I Nr. 112/2012) lautet (samt Überschrift):

„Dreiecksgeschäft

Begriff

Art. 25 (1) Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch, wenn der letzte Abnehmer eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Dreiecksgeschäft

(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz gilt als besteuert, wenn der Unternehmer (Erwerber) nachweist, daß ein Dreiecksgeschäft vorliegt und daß er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Kommt der Unternehmer seiner Erklärungspflicht nicht nach, fällt die Steuerfreiheit rückwirkend weg.

Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen

(3) Der innergemeinschaftliche Erwerb ist unter folgenden Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit:

a) Der Unternehmer (Erwerber) hat keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland, wird jedoch im Gemeinschaftsgebiet zur Umsatzsteuer erfaßt;

b) der Erwerb erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Unternehmers (Erwerbers) im Inland an einen Unternehmer oder eine juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer im Inland erfaßt ist;

c) die erworbenen Gegenstände stammen aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfaßt wird;

d) die Verfügungsmacht über die erworbenen Gegenstände wird unmittelbar vom ersten Unternehmer oder ersten Abnehmer dem letzten Abnehmer (Empfänger) verschafft;

e) die Steuer wird gemäß Abs. 5 vom Empfänger geschuldet.“

2. Unionsrecht

16 Artikel 40 bis 42 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom (ABl. 2010, L 189, S. 1, berichtigt in ABl. 2010, L 299, S. 46) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/112/EG) lauten:

„Artikel 40

Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.

Artikel 41

Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.

Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert.

Artikel 42

Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a) der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;

b) der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen.“

17 Artikel 141 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:

„Artikel 141

Jeder Mitgliedstaat trifft besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) der Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;

b) der Erwerb von Gegenständen erfolgt für die Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände durch den unter Buchstabe a genannten Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat;

c) die auf diese Weise von dem Steuerpflichtigen im Sinne von Buchstabe a erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar an die Person versandt oder befördert, an die er die anschließende Lieferung bewirkt;

d) Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem betreffenden Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;

e) der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird.“

18 Artikel 197 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:

„Artikel 197

(1) Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;

b) der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;

c) die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5.

(2) Wurde gemäß Artikel 204 ein Steuervertreter bestellt, der die Steuer schuldet, können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorsehen.“

C. Erläuterung der Vorlagefrage

19 Der , Luxury Trust Automobil GmbH, ausgesprochen, dass das Weglassen der nach Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung erforderlichen Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ auf einer Rechnung nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden kann, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht. Das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung ist keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann (Rn 61 des Urteils).

20 Die Generalanwältin hat in Rn 61 ihrer Schlussanträge in dieser Rechtssache ausgeführt, dass erst mit einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugehe, die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc ausgelöst würden. Das Bundesfinanzgericht hat, gestützt auf die Schlussanträge, eine ex nunc Wirkung der neu ausgestellten Rechnungen angenommen.

21 Der EuGH hat in seinem Urteil weder diesen Teil der Ausführungen der Generalanwältin noch ihren Vorschlag für die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage übernommen. Er hat auch nicht dazu Stellung genommen, welche Wirkungen die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung habe.

22 Das Finanzamt ist der Ansicht, dass eine solche ex nunc Wirkung mit der Zielsetzung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte nicht vereinbar sei. Die Mitbeteiligte vertritt hingegen die Auffassung, dass der Ausschluss einer ex nunc Wirkung nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer vereinbar sei.

23 Dem Verwaltungsgerichtshof stellen sich die Vorlagefragen insbesondere unter Berücksichtigung folgender Aspekte:

24 Bei Anwendung der Regelungen für Dreiecksgeschäfte kommt es zu folgenden Erleichterungen für den Zwischenhändler:

- Der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat ist steuerbefreit.

- Der zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb nach Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG, gilt als besteuert.

- Die Steuer für die Lieferung des Zwischenhändlers an den Empfänger im Bestimmungsmitgliedstaat wird entsprechend Art. 197 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet.

25 Diese Vereinfachungsregelung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn sämtliche ihrer materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, wozu nach dem Urteil Luxury Trust Automobil GmbH auch die Ausstellung einer Rechnung gehört, die die in Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 genannten Angaben enthält. Dass diese Anforderung im jeweiligen Jahr der Lieferungen nicht erfüllt war, ist im Verfahren unstrittig.

26 Da nach der Ansicht des EuGH die erstmalige Ausstellung der korrekten Rechnung keine ex tunc Wirkung entfalten kann, kommen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für die betreffenden Umsätze die allgemeinen Vorschriften für Reihengeschäfte zur Anwendung, die zum jeweiligen Zeitpunkt in den betroffenen Mitgliedstaaten in Geltung standen. Die Mitbeteiligte ist folglich für diese Jahre zur Meldung und Versteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbes im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren verpflichtet. Die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen der anschließenden „ruhenden Lieferung“ unterliegen der Beurteilung der zuständigen Behörden in den jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaaten. Weiters muss in Österreich, wegen Verwendung der österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, der zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 besteuert werden.

27 Der EuGH hat bereits in seinem Urteil vom , X und fiscale eenheid Facet-Facet Trading BV, C-536/08 und C-539/08, zu Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom (Sechste Richtlinie) dargelegt, dass in Fällen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des (nunmehr) Art. 41 der Richtlinie 2006/112 dem Erwerber kein Vorsteuerabzug zusteht. Der EuGH hat dies u.a. damit begründet, dass die Gewährung des Vorsteuerabzugs in einem solchen Fall die praktische Wirkung des Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie (nunmehr Art. 41 der Richtlinie 2006/112) beeinträchtigen würde, weil für den Steuerpflichtigen, der im Mitgliedstaat der verwendeten Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre, kein Anreiz mehr bestünde, die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nachzuweisen. Eine solche Lösung könnte letztlich die Anwendung der Grundregel gefährden, nach der bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb davon auszugehen ist, dass der Ort der Besteuerung im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung, d. h. im Endverbrauchsmitgliedstaat, liegt, was das Ziel der Übergangsregelung ist (vgl. Rn 44 des Urteils).

28 Mit dem in Art. 41 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen zusätzlichen innergemeinschaftlichen Erwerb soll daher sichergestellt werden, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in jenem Staat besteuert wird, in dem sich die Ware am Ende der Beförderung befindet. Weist der Zwischenhändler (hier die Mitbeteiligte) nach, dass er im Bestimmungsland der Ware einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert hat, gilt dieser zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb (bei Anwendbarkeit des österreichischen Rechts) gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 als besteuert.

29 Die Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte kann im Revisionsfall, wie sich aus dem Urteil Luxury Trust Automobil GmbH ergibt, im Zeitraum der Bewirkung dieser Umsätze nicht wirksam werden. Aufgrund der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften für Reihengeschäfte wurde auch bereits ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland durch die Mitbeteiligte in den Jahren 2011 bis 2014 bewirkt, der dort nach den allgemeinen Regeln zu melden und gegebenenfalls zu versteuern ist. Ebenso fällt aufgrund des Auftretens unter österreichischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in diesen Jahren in Österreich ein zusätzlicher steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb an.

30 Wenn die Mitbeteiligte - mangels Rückwirkung der Dreiecksgeschäftsregelung - eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat für den Zeitraum der Bewirkung dieser Umsätze (2011 bis 2014) vorzunehmen hat, kann sie den von ihr begehrten Entfall der Erwerbsbesteuerung in Österreich ohnedies durch Nachweis derselben erreichen. Somit bedürfte es einer ex nunc Anwendung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte nicht.

31 Ob die Mitbeteiligte in den jeweiligen Bestimmungsländern ihren innergemeinschaftlichen Erwerb der Jahre 2011 bis 2014 tatsächlich besteuert hat, ergibt sich aus der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts nicht. Aus dem Erkenntnis betreffend die Umsatzsteuer 2011 bis 2014 lässt sich aber ableiten, dass dies nicht erfolgt ist.

32 Die Mitbeteiligte dürfte daher die ex nunc Wirkung der erstmals korrekt ausgestellten Rechnungen deshalb im Anspruch nehmen wollen, um ihren Verpflichtungen aus den durchgeführten Reihengeschäften für die Jahre 2011 bis 2014 in den Bestimmungsmitgliedstaaten nicht nachkommen zu müssen und dennoch die Wirkungen des Doppelerwerbs nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 beseitigen zu können.

33 Für den Verwaltungsgerichtshof scheint eine solche Vorgehensweise allerdings im Ergebnis zu einer ex tunc Wirkung der korrigierten bzw. erstmals ausgestellten Rechnungen zu führen.

34 Es stellt sich daher die Frage, ob vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Art. 41 der Richtlinie 2006/112, der eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat des Verbrauchs der Ware sicherstellen soll, und des Art. 42 Buchst. a dieser Richtlinie, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Vereinfachung im Zusammenhang mit bestimmten Reihengeschäften bewirken soll, die erstmals korrekte Ausstellung einer Rechnung, die Jahre nach der Lieferung erfolgt, eine Wirkung der dargestellten Art entfalten kann.

35 Die Mitbeteiligte beruft sich in diesem Zusammenhang auf das , Hans Bühler KG, in der der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass die Art. 41 und 42 der Richtlinie 2006/112 sicherstellen sollen, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb der Mehrwertsteuer beim Enderwerber unterliegt, und gleichzeitig verhindern, dass dieser Umsatz doppelt besteuert wird (Rn 50). Art. 42 der Richtlinie 2006/112 kommt daher zur Anwendung, sobald die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind (Rn 51).

36 Dies könnte im gegenständlichen Fall so verstanden werden, dass ein Dreiecksgeschäft zustande kommt, sobald alle materiellen Voraussetzungen erfüllt sind und somit die neu ausgestellte Rechnung eine Wirksamkeit ex nunc entfaltet. In der Rechtsache Hans Bühler KG ging es allerdings um einen Sachverhalt, in dem schon ursprünglich alle materiellen Voraussetzungen für die Dreiecksgeschäftsregelung erfüllt gewesen und nur formelle Mängel vorgelegen waren. Im Revisionsfall waren aber deren materielle Voraussetzungen in den Jahren der Lieferungen unstrittig nicht erfüllt.

37 Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich zudem die Frage, ob eine ex nunc Wirkung davon abhängen könnte, zu welchem Zeitpunkt die Rechnungskorrektur erfolgt. Könnte eine (ex nunc) wirksame Rechnungskorrektur nie, also nicht einmal in jenen Fällen erfolgen, in denen der jeweilige Umsatz noch gar nicht in eine Veranlagung einbezogen wurde, hätte dies zur Folge, dass die Vereinfachungsregel für das Dreiecksgeschäft für diese Geschäftsfälle nie mehr zur Anwendung gelangen könnte. Also selbst wenn der Steuerpflichtige an dem der Rechnungsausstellung folgenden Tag erkennen würde, dass die erforderliche Angabe auf der Rechnung fehlt, wäre eine wirksame Korrektur nicht mehr möglich.

38 Andererseits würde sich im Fall der Zulässigkeit einer Ausstellung einer korrekten Rechnung die Frage stellen, ob die ex nunc Wirkung der Rechnung davon abhängt, ob in den Bestimmungsmitgliedstaaten für die Jahre, in denen die Lieferungen bewirkt wurden, noch etwaige Änderungen in den Umsatzsteuerveranlagungen der Leistungsempfänger durchgeführt werden könnten.

39 Sollte der EuGH die erste Vorlagefrage bejahen und von einer ex nunc Wirkung der Rechnungsberichtigung ausgehen, stellt sich zudem die Frage, ob ein tatsächlicher Nachweis des Empfangs der neu ausgestellten Rechnungen durch die Kunden erbracht werden muss oder ob ein solcher Zugang auch aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung (allenfalls im Schätzungswege) angenommen werden kann.

40 Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache C-247/21, Luxury Trust Automobil GmbH, darauf verwiesen, dass die neu ausgestellte Rechnung dem Kunden zwingend zugehen müsse, weil der Leistungsempfänger sonst nicht wissen könne, dass der Leistende von seinem Wahlrecht der Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung Gebrauch gemacht und ihn Art. 197 der Richtlinie 2006/112 zum Steuerschuldner bestimmt habe.

41 Das Bundesfinanzgericht hat anhand von Stichproben und Plausibilitätsüberlegungen den Zugang der versendeten Rechnungen angenommen. Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich die Frage, ob dies für die Annahme einer ex nunc Wirkung der Dreiecksgeschäftsregelung ausreicht oder in welcher Art bei einer Vielzahl von Kunden (im Revisionsfall über 250) ein solcher Nachweis geführt werden muss.

42 Insgesamt scheint die Auslegung des Unionsrechts in Bezug auf diese Fragen nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bliebe (vgl.  Kommission/Französische Republik, C-416/17, Rn 110).

43 Die Fragen werden daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EURallg
UStG 1994 Art25 idF 2012/I/112
UStG 1994 Art3 Abs8
12010E267 AEUV Art267
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art141
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art197
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art226 Z11a idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art40 idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art41 idF 32010L0045
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art42 lita idF 32010L0045
62008CJ0536 X und fiscale eenheid Facet / Facet Trading VORAB
62016CJ0580 Firma Hans Bühler VORAB
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
62021CJ0247 Luxury Trust Automobil GmbH VORAB
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2025:RO2024150007.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAG-09810