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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.03.2025, RV/3100530/2023

Auflösung des Gewinnfreibetrages gem § 10 Abs 5 EStG 1988 bei einer Betriebsaufgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Klaus Gasser, Museumstraße 5, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Abgabenbehörde erließ für das Streitjahr 2020 (Jahr der Betriebsaufgabe) einen von der Erklärung abweichenden Einkommensteuerbescheid, insoferne, als in den Vorjahren geltend gemachte Gewinnfreibeträge, für die Wertpapiere angeschafft wurden und die im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe noch nicht vier Jahre dem Betriebsvermögen zugehört hatten, gem. § 10 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 dem Aufgabegewinn zugerechnet wurden.

Gegen diesen Bescheid wurde die streitgegenständliche Beschwerde erhoben und eine erklärungsgemäße Veranlagung beantragt. Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht eingebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Abgabepflichtige, ein Arzt, hat mit seinen Betrieb aufgegeben. Während der letzten Jahre hat er in sein Anlagevermögen Wertpapiere angeschafft, für die jeweils der Freibetrag für investierte Gewinne in Anspruch genommen wurde. Die Freibeträge für die Wertpapiere, die im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe noch nicht vier Jahre im Betriebsvermögen waren, wurden von der Abgabenbehörde gem. § 10 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 dem Aufgabegewinn zugerechnet.

2. Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Akten und ist zwischen den Parteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

Der § 10 EStG 1988 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung lautet soweit verfahrensgegenständlich relevant wie folgt:

Abs. 1 Bei natürlichen Personen kann bei der Gewinnermittlung eines Betriebes ein Gewinnfreibetrag nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewinnmindernd geltend gemacht werden:

Z 1.-3. (…)

Z 4 Übersteigt die Bemessungsgrundlage 30 000 Euro, steht ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag insoweit zu, als er durch Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter gemäß Abs. 3 gedeckt ist.

Z 5 Der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag kann für das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter (Abs. 3) geltend gemacht werden. Er ist mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt. Die Absetzung für Abnutzung wird dadurch nicht berührt.

Z 6 bis 7 (…)

Abs. 2 bis 4 (…)

Abs. 5 Scheiden Wirtschaftsgüter, für die der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag geltend gemacht worden ist, vor Ablauf der Frist von vier Jahren aus dem Betriebsvermögen aus oder werden sie ins Ausland - ausgenommen im Falle der entgeltlichen Überlassung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes - verbracht, gilt Folgendes:

1. Der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag ist insoweit gewinnerhöhend anzusetzen. Der gewinnerhöhende Ansatz hat im Jahr des Ausscheidens oder des Verbringens zu erfolgen.

(…)

Abs. 6 bis 7 (…)

Strittig ist die Zulässigkeit der Nachversteuerung der Investitionsbegünstigung für die Anschaffung der Wertpapiere, für die ein Gewinnfreibetrag in Anspruch genommen wurde und die bis zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen nicht zumindest vier Jahre gehalten wurden, im Rahmen der Ermittlung des Aufgabegewinns. Unter Verweis auf Beiser in SWK 2017, Seite 499, wird von der steuerlichen Vertretung die Auffassung vertreten, dass die Betriebsaufgabe an sich keinen Nachversteuerungstatbestand darstelle, da die Behaltefrist auch nach der Betriebsaufgabe durch fortgesetztes Halten der Wertpapiere erfüllt werden könne, weil die Wertpapiere nicht aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Abgabepflichtigen ausgeschieden seien und "nachträgliches Betriebsvermögen" darstellen würden.

Der Wortlaut des Gesetztes und die in den Einkommensteuerrichtlinien vertretene Rechtsauffassung teilt diese Sichtweise nicht.

Wie das Bundesfinanzgericht zu dieser Frage bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, müssen Wertpapiere, für die eine Inanspruchnahme des Gewinnfreibetrages nach § 10 EStG 1988 begehrt wurde, ab dem Anschaffungszeitpunkt mindestens vier Jahre dem Anlagevermögen des Betriebes angehören. Eine Betriebsaufgabe führt hinsichtlich der Wertpapiere dazu, dass diese aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und nachfolgend dem Privatvermögen des ehemaligen Betriebsinhabers zuzurechnen sind. Die Betriebsaufgabe bewirkt somit zwangsläufig das Ausscheiden der im Betriebsvermögen gehaltenen Wertpapiere, welche im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ins Privatvermögen des Beschwerdeführers übergehen. Mit der Betriebsaufgabe werden alle Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen entnommen, damit scheiden sie aus dem Betriebsvermögen aus. Da der Betrieb mit der Betriebsaufgabe beendet wurde, gibt es auch kein "nachträgliches Betriebsvermögen", sondern eben nur mehr Privatvermögen.

Ob die Wertpapiere in der Folge weiterhin von der gleichen natürlichen Person gehalten werden oder nicht, kommt keine Bedeutung zu.

Das Gericht sieht keine gesetzliche Deckung für die Annahme eines "nachträglichen Betriebsvermögens". Die Behaltefrist bezieht sich nicht auf die natürliche Person, sondern auf die Betriebsvermögenseigenschaft der Wertpapiere. Da mit der Betriebsaufgabe die betriebliche Sphäre erloschen ist, kann das fortgesetzte Halten im Privatvermögen nicht dazu führen, dass die Wertpapiere für die Dauer der gesetzlichen Behaltefrist dem Betriebsvermögen angehört hätten.

Das Bundesfinanzgericht sieht keine Notwendigkeit, vom Wortlaut des Gesetzes im Sinne einer teleologischen Interpretation abzuweichen. Das Telos der og Bestimmung liegt gerade nicht in der Gleichbehandlung von betrieblichen und nichtbetrieblichen Einkünften, sondern vielmehr in der Stärkung von Eigenkapital im Betriebsvermögen. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die og Bestimmung, weil diese Zielsetzung und deren Umsetzung nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes im Gestaltungsbereich des einfachen Bundesgesetzgebers liegt (siehe dazu ; ; ; ; ; , RV/6100183/2022).

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Lösung der Streitfrage unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, war die Revision nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAF-80947