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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.04.2025, RV/5100648/2023

1. Vorliegen einer vergleichbaren Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV auf dem Gebiet einer privaten Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche 2. Keine Anwendung einer Zertifizierung für Zeiträume vor Gültigkeit/Ausstellung der Zertifizierung (fortgesetztes Verfahren zu RV/5100801/2020 und Ro 2021/15/0021)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der UStBLV und der Aussagen des VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2021/15/0021 ist eine vorhandene Zertifizierung eine materielle Voraussetzung für die Zuerkennung der Steuerbefreiung. Erst mit erfolgter Zertifizierung und vorliegendem Zertifikat wird der Nachweis erbracht, dass eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt. Erfolgt keine Zertifizierung, ist dieser Nachweis selbst dann nicht erbracht, wenn die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen sollten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 08/2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die Umsatzsteuer wird für den Zeitraum 08/2019 festgesetzt mit 24.775,29 €.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Fortgesetztes Verfahren

Diesem Verfahren liegt das Erkenntnis des , zugrunde, in dem die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde. Gegen dieses Erkenntnis wurde Amtsrevision erhoben. Der VwGH hat das angefochtene Erkenntnis betreffend Festsetzung Umsatzsteuer für 08/2019 in seinem Erkenntnis vom , Ro 2021/15/0021 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des BFG tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG). Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt zum BFG-Verfahren RV/5100801/2020

Die Beschwerdeführerin (in Folge auch Bf.) betreibt unter dem Markennamen und mit dem Konzept "**XY** Englisch" eine Sprachschule, die Englisch als Fremdsprache nach der Muttersprachenmethode Babys, Kindern und Teenagern beibringt und dabei über einen Bildungszeitraum von 14 bis 19 Jahren ein kontinuierliches und aufeinander aufbauendes Kursprogramm anbietet. Erwachsene sind hingegen keine Zielgruppe der Sprachschule. Die Kinder profitieren im von der Bf. angebotenen Kursprogramm vom Lernen innerhalb des wissenschaftlich belegten Sprachfensters für den frühkindlichen Spracherwerb, das sich bereits ab dem 7. Lebensjahr mehr und mehr schließt. Dadurch wird das Erlernen einer weiteren Sprache in der Altersgruppe ab 10 Jahren weniger effektiv als in früheren Jahren, unter anderem, was die Aussprache, akzentfreies Sprechen und Aneignung der grammatikalischen Prinzipien auf eine natürliche Art und Weise betrifft. Der Unterricht wird in Gruppen von 4 bis 8 Kindern abgehalten, um die Interaktion in den Gruppen und damit den Spracherwerb zu fördern. Einzelunterricht wird grundsätzlich keiner angeboten. Organisatorisch findet der Unterricht in sogenannten "Learning Studios" bzw. "Learning Centers" statt, welche über Unterrichtsräume, ein Sekretariat, Unterrichtsmaterialienlager, etc. verfügen und in dieser Form schulähnlich aufgebaut sind. Die Programme finden - analog zum Schuljahr und unter Berücksichtigung der Schulferien - üblicherweise zwischen September und Juni statt. Der schulähnliche Zweck liegt darin, dass der Sprachunterricht der Bf., in Form von Kursen dem Stoff des österreichischen Pflichtschulsystems inhaltlich mindestens entspricht, dem Lehrplan dieser Schulen im Regelfall aber etwa 1 bis 2 Jahre voraus ist. So können Kinder bereits im Alter von 3 Monaten mit dem Kursprogramm der Bf. beginnen und wachsen dann aufgrund dieses Bildungsangebots sozusagen "zweisprachig" auf. Die überwiegende Mehrzahl der Kinder beginnt aber im Kindergarten bzw. Vorschulalter und am Anfang der Volksschule, um parallel vorgelagert zur Schule Englisch zu lernen. Diese Methode bringt nach einer wissenschaftlichen Studie der Universität Eichstätt-Ingolstadt nachweislich einen Vorteil beim Eintritt in die auf die Volksschule folgenden Schulstufen. Ziel ist es dabei möglichst früh zu beginnen und dann kontinuierlich, zur Schule ergänzend, die Englischkenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Eine "Nachhilfe" für den schulischen Unterricht wird durch das Bildungsangebot der Bf. nicht erbracht, da die Lerninhalte jenen des österreichischen Schulsystems zeitlich weit voraus sind und der Lerninhalt daher von den Kindern nicht genutzt werden kann, um schulische Versäumnisse zu kompensieren oder das schulische Lernen zeitnah zu unterstützen.

Die Bf. hat versucht, eine Zertifizierungsstelle gemäß der Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung (in Folge auch UStBLV) zu finden, welche für Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche eine behördliche Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV ausstellt. Bei der Ö-Cert sind nur Zertifizierungen im Bereich der Erwachsenenbildung vorgesehen. Auch vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, vom Amt der OÖ Landesregierung und der Bildungsdirektion des Landes Oberösterreich sowie dem bundesweiten Fachbereich des Bundesministeriums für Finanzen konnten keine behördlichen Zertifizierungsstellen in diesem Bereich benannt werden. Da es in Österreich keine vergleichbare - behördliche oder bescheidmäßige - Zertifizierung von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche gibt, konnte die Bf. eine solche nicht vorlegen.

2. Erkenntnis des

Im Erkenntnis vom , RV/5100801/2020 kam das BFG zum Schluss, dass die Steuerbefreiung für Bildungsleistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG iVm § 1 Abs. 9 UStBLV auch dann zur Anwendung gelangen kann, wenn keine gesetzlich geforderte behördliche Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV vorgelegt wird. Der Sprachunterricht für Kinder und Jugendliche stelle zweifelsfrei eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die dem Grunde nach unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 falle. Von Seiten der Abgabenbehörde seien auch keine Feststellungen darüber getroffen worden, dass die Zielsetzungen und Bedingungen der Tätigkeit der Bf. im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut seien, nicht übereinstimmten. Auch das BFG könne diesbezüglich keine Widersprüche erblicken. An einer Vergleichbarkeit der Zielsetzung der gegenständlichen Bildungseinrichtung iSd Art. 132 Abs. 1 lit i MwStSystRL mit solchen von öffentlichen Einrichtungen bestünden für das BFG keine Zweifel. Es lägen im Einzelfall keine Gründe vor, die einer Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 lit i MwStSystRL entgegenstünden. Von Seiten des Finanzamts sei die "vergleichbare Zielsetzung" (iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit a letzter Halbsatz UStG 1994) und damit die Steuerbefreiung wegen der fehlenden Zertifizierung nicht anerkannt worden. Dass es der Bf. trotz mehrfacher Versuche nicht möglich gewesen sei, eine Zertifizierungsstelle in Österreich zu finden, sei dabei zu Unrecht nicht gewürdigt worden. Der nationale Verordnungsgeber sei der Verpflichtung, die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten, nicht nachgekommen und habe daher sein Ermessen überschritten. Die Bf. sei daher nach Ansicht des BFG berechtigt, sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit i MwStSystRL zu berufen, um damit eine direkte Anwendung der Befreiung zu erreichen. Die Bildungsleistungen der Bf. stellten steuerbefreite Umsätze dar.

3. Erkenntnis des

Strittig vor dem VwGH war die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG ohne gesetzlich geforderte behördliche Zertifizierung iSd UStBLV.

In seinem Erkenntnis verweist der VwGH auf das Urteil des EuGHs in der Rs Happy Education (), in welcher dieser ebenso eine ua auch Sprachkurse anbietende private Bildungseinrichtung zu beurteilen hatte und sich dabei zum Kriterium "Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarerer Zielsetzung" näher äußerte. Der EuGH bestätigte dabei seine bereits früher geäußerte Rechtsansicht, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst i der MwStSyst-RL nicht festlegt, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Modalitäten die vergleichbare Zielsetzung anerkannt werden kann und es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann und die Mitgliedstaaten dabei über ein Ermessen verfügen. Darüber hinaus hätten laut EuGH die nationalen Gerichte zu prüfen, ob die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung solcher Bedingungen die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten haben und die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt, beachtet haben. Aus der Entscheidung des EuGHs ergibt sich nach den Ausführungen des VwGH sohin, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Systems staatlicher Anerkennung einer den öffentlichen Schulen vergleichbaren Zielsetzung und der Definition der Voraussetzungen und Modalitäten hierfür ein großer Gestaltungsspielraum zukommt, wobei diese Anerkennung auch vom Abschluss entsprechender (inhaltlicher) Vereinbarungen abhängig gemacht werden darf.

Vor diesem Hintergrund hat der VwGH keine Zweifel an der grundsätzlichen Unionsrechtskonformität des österreichischen Anerkennungssystems für private Bildungseinrichtungen der UStBLV. Als Möglichkeit einer solchen Zertifizierung privater Bildungsdienstleister nenne § 1 UStBLV zum einen in Z 7 für den Bereich der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung "im Sinne der Vereinbarung gemäß Art. 15 B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl II Nr. 269/2012" und zum anderen in Z 9 allgemein "jede vergleichbare behördliche Zertifizierung". Mit der Wortfolge "jede andere behördliche Zertifizierung" in Z 9 wird einerseits eine Öffnung gegenüber vergleichbaren Zertifizierungsprogrammen anderer Mitgliedstaaten für Erwachsenenbildungseinrichtungen zum Ausdruck gebracht und andererseits eine Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung über den inhaltlichen Bereich der Erwachsenenbildungseinrichtungen hinaus bei entsprechenden Zertifizierungsnachweisen ermöglicht. Entscheidend ist dafür nach den Ausführungen des VwGH, dass die private Bildungseinrichtung in ihrem Tätigkeitsfeld ein Qualitätsniveau nachweisen kann, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen entspricht, bildet doch deren in § 1 Z 7 UStBLV normiertes Zertifizierungssystem den logischen primären Referenzpunkt für eine solche Vergleichbarkeitsprüfung.

Der VwGH hat weiters erkannt, dass es für eine "vergleichbare Zertifizierung" nicht hinreichend ist, wenn die Erfüllung der für die Erwachsenenbildung definierten Qualitätsstandards nachgewiesen werden können. Vielmehr muss in der Zielsetzung zwar mindestens ein vergleichbares Qualitätsniveau, dieses aber eben auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendlichenbildung nachgewiesen werden. Nur eine dies nachweisende Zertifizierung ist eine "vergleichbare Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV.

Im gegenständlichen Fall hat das BFG - unabhängig vom Nachweis einer Zertifizierung - eine Umsatzsteuerbefreiung der mitbeteiligten Partei angenommen und dabei vernachlässigt, dass eine solche Zertifizierung aus dem gesamten EU-Raum beigebracht werden könne. Dass es europaweit keine Zertifizierungen für Kinderbildungseinrichtungen gibt, hat das BFG jedoch nicht festgestellt.

Eine Gefahr von Wettbewerbsbeeinträchtigungen ist für den VwGH nicht ersichtlich, da sich sämtliche Betreiber privater Sprachschulen für Kinder diesbezüglich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Die vom BFG vorgenommene Erstreckung der Umsatzsteuerbefreiung auf Bildungsleistungen unabhängig von einer Zertifizierung unterläuft die Anknüpfung der UStBLV an den Nachweis qualitätsbezogener Zertifizierungen. Damit wird letztlich - gegen das Gesetz - nicht auf eine vergleichbare Zertifizierung abgestellt, sondern - gerade im sensiblen Bereich der Kinderbildung - auf eine Zertifizierung schlichtweg verzichtet. Mit diesem Absehen von inhaltlichen Qualitätsanforderungen hat das BFG die Rechtslage verkannt. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Anbringen der Beschwerdeführerin über die Beibringung einer vergleichbaren Zertifizierung im Sinne des § 1 Z 9 UStBLV, eingelangt am

I.Bisheriger Verfahrensgang

Die Bf. erhielt im Jahre 2019 aus ihrer Tätigkeit als Sprachschule Entgelte in Höhe von 149.839,21 €. Diese wurden in den laufenden UVAs als steuerpflichtige Umsätze behandelt. In der gegen den Festsetzungsbescheid eingereichten Beschwerde wurde beantragt, diese Beträge gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG unecht umsatzsteuerbefreit zu behandeln. Mit der dazu ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom wurden diese Entgelte jedoch entgegen der Bescheidbeschwerde als steuerpflichtig festgesetzt. Gegen diese Entscheidung des Finanzamts Österreichs wurde am ein Vorlageantrag an das BFG gestellt. In seinem Erkenntnis vom gab das BFG der Beschwerde statt und sah die Bf. berechtigt, sich unter unmittelbarer Anwendung des Art. 132 Abs. 1 lit i MwStSystRL die Umsätze aus den Bildungsleistungen umsatzsteuerfrei zu behandeln. Gegen dieses Erkenntnis des BFG erhob das Finanzamt Österreich ordentliche Revision vor dem VwGH. Dieser hob die Entscheidung mit Erkenntnis vom gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund unrichtiger Rechtsansicht) auf.

Im nun anhängigen fortgesetzten Verfahren vor dem BFG wurde der Bf. aufgetragen eine vergleichbare Zertifizierung im Sinne des § 1 Z 9 UStBLV beizubringen. Der Bf. ist innerhalb offener Frist gelungen eine Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 zu erlangen, die als vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV der Bf. eine Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG erlaubt.

II.Die Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiung unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des VwGH

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG sind Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird, von der Umsatzsteuer befreit. Eine vergleichbare Zielsetzung liegt vor, wenn eine Zertifizierung im Sinne des § 1 UStBLV beigebracht wird. Für private Bildungseinrichtungen steht insbesondere eine Zertifizierung nach § 1 Z 7 und Z 8 UStBLV offen. Sofern eine Zertifizierung des Steuerpflichtigen nach § 1 Z 7 und Z 8 UStBLV nicht möglich ist, hat dieser die "vergleichbare Zielsetzung" des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG der Verordnung zufolge mittels einer "vergleichbaren" Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV nachzuweisen. Da die Bf. mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung als private Anbieterin an Kinder erbringt, steht ihr im Katalog des § 1 UStBLV nur die vergleichbare Zertifizierung gemäß § 1 Z 9 UStBLV offen.

In seinem Erkenntnis hat der VwGH den Tatbestand der "vergleichbaren Zertifizierung" gemäß § 1 Z 9 UStBLV konkretisiert. Nach den Ausführungen des VwGH soll die Wortfolge "jede andere vergleichbare behördliche Zertifizierung" des § 1 Z 9 UStBLV einerseits eine Öffnung gegenüber vergleichbaren Zertifizierungsprogrammen anderer Mitgliedstaaten für Erwachsenenbildungseinrichtungen zum Ausdruck bringen und andererseits eine Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung über den inhaltlichen Bereich der Erwachsenenbildungseinrichtungen hinaus bei entsprechenden Zertifizierungsnachweisen ermöglichen. Entscheidend soll nach dem VwGH dafür sein, dass die private Bildungseinrichtung in ihrem Tätigkeitsfeld ein Qualitätsniveau nachweisen kann, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen entspricht. Das in § 1 Z 7 UStBLV normiertes Zertifizierungssystem soll dabei den logischen primären Referenzpunkt für eine solche Vergleichbarkeitsprüfung bilden.

Einrichtungen der Kinder- und Jugendbildung müssen daher durch die "vergleichbare Zertifizierung" ein in der Zielsetzung mindestens vergleichbares Qualitätsniveau auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachweisen. Eine das nachweisende Zertifizierung wäre eine "vergleichbare Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV, die eine Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG erlaubt.

III.Das Zertifizierungssystem des § 1 Z 7 UStBLV als Referenzpunkt der Vergleichbarkeitsprüfung

Nach den Ausführungen des VwGH bildet das in § 1 Z 7 UStBLV normierte Zertifizierungssystem den primären Referenzpunkt für eine Vergleichbarkeitsprüfung nach § 1 Z 9 UStBLV. Demnach liegt eine vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV dann vor, wenn die private Bildungseinrichtung in ihrem Tätigkeitsfeld ein Qualitätsniveau nachweisen kann, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen nach § 1 Z 7 UStBLV entspricht.

Konkret enthält das in § 1 Z 7 UStBLV normierte Zertifizierungssystem den Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung Ö-Cert (in der Folge kurz "Ö-Cert"). Nach Art. 2 Abs. 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl II 269/2012 (in der Folge kurz "Vereinbarung Ö-Cert"), ist die Ö-Cert erfüllt, wenn bei der Erwachsenenbildungsorganisation folgende Voraussetzungen vorliegen:

1. Nachweis des Vorliegens eines der Qualitätsmanagement-Systeme oder Qualitätssicherungsverfahren aus Anlage 1 der Vereinbarung Ö-Cert; die aktuelle Liste der von Ö-Cert anerkannten Qualitätsmanagement-Systemen und Qualitätssicherungsverfahren wird über die Website www.oe-cert.at veröffentlicht;

2. Erfüllung der Grundvoraussetzungen aus Anlage 2 Vereinbarung Ö-Cert.

Die Ö-NORM ISO 9001, 21001 und 29990 werden vom Qualitätsrahmen der Ö-Cert als Zertifizierung für Qualitätsmanagement-Systeme und Qualitätssicherungsverfahren anerkannt.

Die Grundvoraussetzungen werden im Leitfaden für die Ö-Cert im Detail erläutert (Leitfaden Ö-Cert vom veröffentlicht von der Ö-Cert Geschäftsstelle; abrufbar unter leitfaden.pdf (oe-cert.at)). Zusammenfassend haben Bildungseinrichtungen folgende Grundvoraussetzungen zu erfüllen:

1. Allgemeine Grundvoraussetzungen (Grundlegende Bildungsphilosophie, Lebenslanges Lernen, Erwachsenenbildung oder Weiterbildung, Anbieterdefinition)

2. Organisationsbezogene und angebotsbezogene Grundvoraussetzungen (Angebotstransparenz, Bildung als Kernaufgabe der Organisation, Bestandsdauer von mindestens 3 Wirtschafts-/Kalenderjahren, Nachweis zur pädagogischen Eignung der Lehrkräfte, Transparenz und Zugänglichkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen)

3. Grundvoraussetzungen hinsichtlich ethischer und demokratischer Prinzipien

Der Nachweis einer Zertifizierung, die diesem Qualitätsniveau des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert gemäß § 1 Z 7 UStBLV entspricht, stellt unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des VwGH eine vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV dar.

IV. Die Vergleichbarkeit der beigebrachten Zertifizierung

Nach Auftrag des BFG im fortgesetzten Verfahren hat die Bf. ihr Möglichstes getan, um innerhalb offener Frist vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV beizubringen. Der Bf. ist gelungen eine Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 zu erhalten. Das Zertifizierungsaudit wurde in einem zweistufigen Verfahren von der Quality Austria, Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs- GmbH durchgeführt. Der Zertifizierungsaudit der Stufe 1 zur Ö-NORM ISO 21001 stellt den generellen Status des Managementsystems fest und ist Voraussetzung für ein Zertifizierungsaudit der Stufe 2. In der Stufe 2 wird der Einsatz der Qualitätssicherungssysteme am Betriebsort überprüft.

Die Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 legt Anforderungen an ein Managementsystem für Bildungsorganisationen fest, nach denen eine Organisation ihre Fähigkeit darlegen muss, dass sie den Erwerb und die Entwicklung von Kompetenzen durch Lehren, Lernen oder Forschen unterstützt und danach strebt, die Zufriedenheit der Lernenden, anderer Leistungsempfänger und der Beschäftigten zu erhöhen. Die Anforderungen der Ö-NORM ISO 21001 sind allgemeiner Natur und auf jede Organisation zutreffend, die ein Curriculum verwendet, um die Kompetenzentwicklung durch Lehren, Lernen oder Forschen zu unterstützen, unabhängig von Art, Umfang und Art der Bereitstellung (siehe auch Anforderungen der Ö-NORM ISO 21001 Punkt 1 Anwendungsbereich). Damit ist die Ö-NORM ISO 21001 geeignet die auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung tätige Sprachschule der Bf. zu zertifizieren.

Die Zertifizierung nach ISO 21001 wird vom Ö-Cert Qualitätsrahmen ausdrücklich als Qualitätsnachweis über ein Qualitätsmanagement-System und Qualitätssicherungsverfahren anerkannt und genügt damit den Anforderungen des in § 1 Z 7 UStBLV normierten Zertifizierungssystem des Qualitätsrahmen Ö-Cert. Die Bf. kann damit aufgrund der gleichen Zertifizierung ein Qualitätsniveau nachweisen, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen nach § 1 Z 7 UStBLV entspricht.

Weiters wird durch Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 auch das vom VwGH geforderte Qualitätsniveau im Tätigkeitsfeld der Bf. der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen. Die Ö-NORM ISO 21001 enthält über die allgemeinen Anforderungen für Bildungseinrichtungen hinausgehend zusätzliche Anforderungen für frühkindliche Bildung. Diese wurden auch im Zertifizierungsaudit in den Mittelpunkt gestellt und überprüft. In diesem Rahmen hat die Bf. zur Erlangung der Zertifizierung den Nachweis über die Erfüllung der folgenden Voraussetzungen erbracht:

1. Grundsätze: Die Organisation respektiert die Rechte der Kinder gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Die Organisation fördert das Spiel, Autonomie, Zuneigung, Kooperation, Kreativität, Freude und Selbstvertrauen unter den Kindern.

2. Räumlichkeiten: Die von der Organisation eingerichteten Räumlichkeiten umfassen:
-Lernressourcen für frühkindliche Bildung;
-Räumlichkeiten zum Spielen;
-Räumlichkeiten für die Betreuung.

3. Kompetenz: Die Organisation hat den Lehrenden eine spezielle Ausbildung in frühkindlicher Bildung angeboten.

4. Kommunikation: Die Organisation hat ein Verfahren für die Kommunikation mit Eltern, Lehrenden und Erziehungsberechtigten eingerichtet, bei dem der Informationsfluss und die Kontrolle der Sicherheit der Kinder sichergestellt sind.

5. Individuelle Lernpläne: Die Organisation hat individuelle Pläne ausgearbeitet, die den Bedürfnissen und Erwartungen des Kindes und seiner Familie entsprechen und die Gruppe der Kinder als Ganzes berücksichtigen.

6. Empfang und Verabschiedung des Kindes: Die Organisation hat ein Verfahren für den Empfang und die Verabschiedung des Kindes festgelegt und umgesetzt und dokumentierte Information zu diesen Tätigkeiten aufbewahrt.

7. Hygiene: Die Organisation hat einen Hygienestandard definiert, der den individuellen Bedürfnissen jedes Kindes angemessen ist.

8. Pflege bei Krankheit oder Unfall: Die Organisation hat die Art und Weise des Verhaltens bei Krankheit oder Unfall eines Kindes definiert und dokumentierte Information zu diesen Situationen aufbewahrt.

9. Pädagogisch-spielerische Materialien, Geräte und Räume: Die pädagogisch-spielerischen Materialien, Geräte und Räume sind dem Alter und der Situation der Kinder angepasst.

10. Verhaltensmanagement und Prävention von Kindesmissbrauch und fahrlässigem Verhalten: Die Bildungsorganisation hat dokumentierte Information über den Umgang mit dem Verhalten des Kindes und die Förderung des allgemeinen Wohlbefindens des Kindes erstellt und aufbewahrt.

Folglich wird durch in der Zertifizierung festgelegten zusätzlichen Anforderungen für kindliche Bildung sichergestellt, dass die Bf. - wie vom VwGH gefordert - ein Qualitätsniveau speziell auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung aufweist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass durch die allgemein gehaltene Anforderungsdefinition der Ö-NORM ISO 21001 im Zertifizierungsprozess von Einrichtungen der Kinder- und Jugendbildung notwendigerweise die Besonderheiten der Kinder- und Jugendbildung berücksichtigt werden müssen, um eine Zertifizierung zu erlangen. Daher wird durch die von der Bf. beigebrachte Zertifizierung ein mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung vergleichbares Qualitätsniveau nach § 1 Z 7 UStBLV iVm § 1 Z 9 UStBLV spezifisch auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen.

Zudem wird durch die Zertifizierung nach der Ö-NORM ISO 21001 nicht nur der erforderliche Qualitätsnachweis über ein Qualitätsmanagement-System und Qualitätssicherungsverfahren iSd Ö-Cert erbracht, sondern darüber hinaus auch die Erfüllung der Grundvoraussetzungen der Ö-Cert bescheinigt. Insbesondere wurden im Rahmen des Zertifizierungsprozesses die Grundvoraussetzungen wie folgt überprüft:

1. Allgemeine Grundvoraussetzungen: Die Erfüllung der allgemeinen Grundvoraussetzungen wird durch die verbindlichen Vorgaben des Franchisegebers sichergestellt. Die Vorgaben sind in den **XY** Learning Centre Franchise Guidelines definiert und wurden im Zuge des Zertifizierungsprozesses gesichtet. Der Ausdruck der grundlegenden Bildungsphilosophie und zentralen Werte im Bereich der Kinder- und Jugendbildung spiegeln sich im Mission Statement wieder (siehe **XY** Franchise Mission Statement).

2. Organisations- und angebotsbezogene Grundvoraussetzungen: Die Erfüllung der organisations- und angebotsbezogenen Grundvoraussetzungen bildet einen Schwerpunkt des Zertifizierungsprozesses zur Ö-NORM ISO 21001. Der Auditor hat wie aus dem Begutachtungszeitplan zur Zertifizierung der Ö-NORM ISO 21001 hervorgeht, umfassend die organisatorischen Voraussetzungen wie Führungs- und Verantwortlichkeitsfunktionen, Planungsinstrumente, Ressourcen (Räumlichkeiten, Personal, Bildungsprozesse, Infrastruktur und Kompetenz), betriebliche Planungsprozesse sowie interne Überwachungs- und Steuerungsfunktionen überprüft.
a) Insbesondere werden zu den oben genannten organisationsbezogenen Anforderungen in den **XY** Learning Centre Franchise Guidelines klare Vorgaben getroffen, die von der Bf. einzuhalten sind.
b) Das Angebot/der Curriculum zur Kinder- und Jugendbildung ist detailliert in den **XY** Learning Set Guidelines Austria dargelegt und sieht individuelle altersspezifische Lehrpläne für Kinder- und Jugendliche vor.
c) Die Zertifizierungsstelle hat zudem die pädagogische Qualität und Qualifikationen der Lehrer hervorgehoben, die direkt vom Franchisegeber durch Teacher Trainer ausgebildet werden. Eine Weiterbildung der Lehrer ist verpflichtend, wobei jährlich ein Seminar und die Jahreskonferenz erfolgreich absolviert werden müssen. Nur diesen Ausbildungszyklus durchlaufende qualifizierte Lehrer können Unterrichtsstunden übernehmen.
d) Auch weist der Auditor auf die funktionierende Kommunikationsstruktur der Bf. hin, bei der Informationen über die entsprechenden Kanäle an Lehrer und Kunden (Eltern) weitergegeben werden. Im Rahmen des Schnupperkurses (somit vor Abschluss eines verbindlichen Bildungsvertrages) werden Links zur Anmeldung zu den Kommunikationskanälen sowie weitere Informationen wie Datenschutzbestimmungen sowie anwendbare AGB vom Lehrer übergeben.

3. Grundvoraussetzungen hinsichtlich ethischer und demokratischer Prinzipien: Im Zertifizierungsprozess hat die Zertifizierungsstelle keine Beanstandungen hinsichtlich ethischer und demokratischer Prinzipien wie Gleichbehandlung oder Achtung der Menschenrechte hervorgebracht. Die Bf. achtet die demokratischen Werte der Gesellschaft und setzt aktiv Maßnahmen gegen jede Form der Diskriminierung.

Vor diesem Hintergrund ist zusammenfassend festzustellen, dass die von der Bf. beigebrachte Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 eine mit dem Zertifizierungssystem des § 1 Z 7 UStBLV hinlänglich vergleichbare Zertifizierung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung iSd § 1 Z 9 UStBLV darstellt. Damit steht der Bf. die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen zu.

5. Stellungnahme des Finanzamtes vom zur Eingabe der Beschwerdeführerin vom

Stellungnahme der Zentralen Fachstelle

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 in der im Streitzeitraum August 2019 maßgeblichen Fassung durch das Jahressteuergesetz 2018, BGBl. I Nr. 62/2018, sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird. Der Bundesminister für Finanzen kann unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt.

Zu dieser Bestimmung wurde die Verordnung über das Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung bei Bildungsleistungen (Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung, UStBLV), BGBl. II Nr. 214/2018, erlassen.

Zufolge § 1 UStBLV, liegt ua eine vergleichbare Zielsetzung vor, bei

[…]

7. einer aufrechten Zertifizierung als Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinne der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl. II Nr. 269/2012;

[…]

9. jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung.

Die dieser Befreiungsbestimmung im österreichischen UStG 1994 zu Grunde liegende Regelung des Unionsrechts findet sich in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwSt-RL und hat folgenden Wortlaut:

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) [...]

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

Im Urteil vom , Rs C-612/20, Happy Education, hat sich der EuGH vor dem Hintergrund einer privaten Bildungseinrichtung, die ua auch Sprachkurse anbot, zu den Voraussetzungen für die Gewährung dieser Steuerbefreiung und zum Kriterium "Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" geäußert und in den Rn 29 bis 32 mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung zunächst klargestellt, dass nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwSt-RL die dort genannte Befreiung vor allem von zwei kumulativen Voraussetzungen abhängt, und zwar zum einen von der Art der erbrachten Dienstleistung, nämlich dass es sich um Leistungen für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, für Schul- und Hochschulunterricht, für Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung oder für damit eng verbundene Dienstleistungen handelt, und zum anderen vom Erbringer der Dienstleistungen, die nämlich durch "Einrichtungen des öffentlichen Rechts … oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" erbracht werden müssen. Zur zweiten Voraussetzungen hat der EuGH ergänzend ausgeführt, dass die Leistungen einer Einrichtung, die keine öffentlich-rechtliche Einrichtung iSv Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwSt-RL darstellt, wie dies bei Happy Education der Fall zu sein scheint, nur dann nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn sie unter den Begriff "andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" fallen, auf den sich die zweite Vorlagefrage bezieht.

Hierzu - so der EuGH weiter - hat er bereits entschieden, dass es, da Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwSt-RL nicht festlegt, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Modalitäten die vergleichbare Zielsetzung anerkannt werden kann, grundsätzlich Sache des nationalen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann, die Mitgliedstaaten dabei über ein Ermessen verfügen und die nationalen Gerichte zu prüfen haben, ob die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung solcher Bedingungen die Grenzen ihres Ermessen nicht überschritten haben und die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt, beachtet haben.

In den Rn 20 und 21 des Erkenntnisses vom , Ro 2021/15/0021, hat der VwGH klargestellt, dass sich aus diesem Urteil des EuGH sohin ergibt, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Systems staatlicher Anerkennung einer den öffentlichen Schulen vergleichbaren Zielsetzung und der Definition der Voraussetzungen und Modalitäten hierfür ein großer Gestaltungsspielraum zukommt, wobei diese Anerkennung auch vom Abschluss entsprechender (inhaltlicher) Vereinbarungen abhängig gemacht werden darf, und dass er vor diesem Hintergrund keine Zweifel an der grundsätzlichen Unionsrechtskonformität des österreichischen Anerkennungssystems für private Bildungseinrichtungen der UStBLV hat, das für die staatliche Anerkennung auf das Vorliegen einer unabhängigen Zertifizierung abstellt, die für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen ein entsprechendes Qualitätsniveau und dessen laufende Überwachung auch dann gewährleistet, wenn sie nicht von einer der in der UStBLV ausdrücklich genannten und gesetzlich näher determinierten Bildungseinrichtungen erbracht werden.

Für den gegenständlichen Fall ergibt sich daraus, dass es im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH steht, für die Anwendbarkeit der in § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 vorgesehenen Steuerbefreiung auf eine entsprechende Zertifizierung abzustellen.

Dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung in dem Zeitraum vorliegen müssen, in dem die jeweiligen Umsätze bewirkt werden, bedarf zwar keiner weiteren Erläuterung, wird aber auch dadurch deutlich, dass die Finanzverwaltung im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der UStBLV am in UStR Rz 876 eine Übergangsregelung vorgesehen hat, nach der vom Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung ausgegangen werden kann, wenn der Unternehmer eine von der UStBLV umfasste Zertifizierung vor dem beantragt hat und diese erst nach dem vergeben wird. Diese Klarstellung wäre nicht erfolgt, wenn auf das Vorliegen einer aufrechten Zertifizierung in dem Zeitraum, in dem die Umsätze bewirkt werden, verzichtet werden könnte.

Streitgegenständlich ist die Gewährung der Steuerbefreiung für Umsätze, die die Bf. im August 2019 erbracht hat.

Die Bf. hat nunmehr ein Zertifikat vorgelegt, das am ausgestellt wurde, ab diesem Datum gültig ist und dessen Gültigkeit am endet. Abgesehen davon, dass aus diesem Zertifikat inhaltlich nicht eindeutig hervorgeht, ob es die Kriterien erfüllt, die nach Auffassung des VwGH für die Zertifizierung einer Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche erforderlich sind (siehe hierzu die diesbezüglichen Ausführungen in den Rn 24 und 29 im VwGH-Erkenntnis, Ro 2021/15/0021), lag in dem Zeitraum, in dem die maßgeblichen Umsätze bewirkt wurden, kein Zertifikat vor.

Damit sind im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 für den Zeitraum August 2019 nach wie vor nicht gegeben.

6. Replik auf die Stellungnahme des Finanzamtes durch die Beschwerdeführerin, eingelangt am

Der Bf. ist es mit Eingabe vom gelungen, eine Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 zu erlangen, die als vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV der Bf. eine Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG erlaubt. In der beantwortenden Stellungnahme des Finanzamtes, das sich der Zentralen Fachstelle bedient hat, wird vorgebracht, dass:

1. aus diesem Zertifikat inhaltlich nicht eindeutig hervorgeht, ob es die Kriterien erfüllt, die nach Auffassung des VwGH für die Zertifizierung einer Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche erforderlich sind; und

2. in dem Zeitraum, in dem die maßgeblichen Umsätze bewirkt wurden, kein Zertifikat vorlag.

Im Folgenden wird auf diese beiden vorgebrachten Punkte eingegangen.

I. Zum Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiung unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des VwGH

Nach den Ausführungen des VwGH bildet das in § 1 Z 7 UStBLV normierte Zertifizierungssystem den primären Referenzpunkt für eine Vergleichbarkeitsprüfung nach § 1 Z 9 UStBLV. Demnach liegt eine vergleichbare Zertifizierung iSd § 1 Z 9 UStBLV dann vor, wenn die private Bildungseinrichtung in ihrem Tätigkeitsfeld ein Qualitätsniveau nachweisen kann, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen nach § 1 Z 7 UStBLV entspricht.

Konkret enthält das in § 1 Z 7 UStBLV normierte Zertifizierungssystem den Qualitätsrahmen für die Erwachsenenbildung Ö-Cert (in der Folge kurz "Ö-Cert"). Nach Art. 2 Abs. 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl II 269/2012 (in der Folge kurz "Vereinbarung Ö-Cert").

Der Bf. ist es gelungen eine Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 zu erhalten. Das Zertifizierungsaudit wurde in einem zweistufigen Verfahren von der Quality Austria, Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs- GmbH durchgeführt.

Die Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 legt Anforderungen an ein Managementsystem für Bildungsorganisationen fest, nach denen eine Organisation ihre Fähigkeit darlegen muss, dass sie den Erwerb und die Entwicklung von Kompetenzen durch Lehren, Lernen oder Forschen unterstützt und danach strebt, die Zufriedenheit der Lernenden, anderer Leistungsempfänger und der Beschäftigten zu erhöhen. Die Anforderungen der Ö-NORM ISO 21001 sind allgemeiner Natur und auf jede Organisation zutreffend, die ein Curriculum verwendet, um die Kompetenzentwicklung durch Lehren, Lernen oder Forschen zu unterstützen, unabhängig von Art, Umfang und Art der Bereitstellung. Damit ist die Ö-NORM ISO 21001 geeignet die auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung tätige Sprachschule der Bf. zu zertifizieren.

Die Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 wird vom Ö-Cert Qualitätsrahmen ausdrücklich als Qualitätsnachweis über ein Qualitätsmanagement-System und Qualitätssicherungsverfahren anerkannt und genügt damit den Anforderungen des in § 1 Z 7 UStBLV normierten Zertifizierungssystem des Qualitätsrahmen Ö-Cert. Die Bf. kann damit aufgrund der gleichen Zertifizierung ein Qualitätsniveau nachweisen, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen nach § 1 Z 7 UStBLV entspricht.

Weiters wird durch Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 auch das vom VwGH geforderte Qualitätsniveau im Tätigkeitsfeld der Bf. der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen. Die Ö-NORM ISO 21001 enthält über die allgemeinen Anforderungen für Bildungseinrichtungen hinausgehend zusätzliche Anforderungen für frühkindliche Bildung. Durch die in der Zertifizierung festgelegten zusätzlichen Anforderungen für kindliche Bildung wird sichergestellt, dass die Bf. - wie vom VwGH gefordert - ein Qualitätsniveau speziell auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung aufweist. Zudem ist nochmals darauf hinzuweisen, dass durch die allgemein gehaltene Anforderungsdefinition der Ö-NORM ISO 21001 im Zertifizierungsprozess von Einrichtungen der Kinder- und Jugendbildung notwendigerweise die Besonderheiten der Kinder- und Jugendbildung berücksichtigt werden müssen, um eine Zertifizierung zu erlangen.

Wie vom VwGH in Rn 24 des Erkenntnisses, Ro 2021/15/0021 gefordert, wird durch die Zertifizierung der Bf. ein mindestens vergleichbares Qualitätsniveau, dieses aber eben auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen, weshalb diese der vom VwGH geforderten "vergleichbaren Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV entspricht. Im Zuge der beigebrachten Zertifizierung wurde, wie in Rn 29 des Erkenntnisses beschrieben, die Erfüllung von kinderspezifischen Qualitätsnormen berücksichtigt und gewährleistet.

Unter Verweis auf die mit dem Anbringen vom dargelegten Details des Zertifizierungsprozesses und mit diesem Schreiben übermittelten Nachweise ist zusammenfassend festzustellen, dass die von der Bf. beigebrachte Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 eine mit dem Zertifizierungssystem des § 1 Z 7 UStBLV hinlänglich vergleichbare Zertifizierung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung iSd § 1 Z 9 UStBLV darstellt. Damit steht der Bf. die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen dem Grunde nach zu.

II. Zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum

a) Unklare Rechtslage vor dem Erkenntnis des EuGH Rs C-612/20, Happy Education und

In der Rechtslage vor Ergehen der Entscheidung des , Happy Education, stellte basierend auf der EuGH Rechtsprechung C-319/12, Rs MDDP die Erbringung von Sprachunterricht durch eine Sprachschule an Kinder eine allgemeinbildende Bildungsleistung dar, die unabhängig von der Vergleichbarkeit der Tätigkeit und dem Empfängerkreis dem Grunde nach unter § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG fällt (vgl. ; Beschwerde beim VwGH Ro 2015/13/0014 am als unbegründet abgewiesen), sofern sie einer vergleichbaren Zielsetzung isd § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG iVm § 1 UStBLV folgt. Sofern eine vergleichbare Zertifizierung § 1 Z 9 UStBLV für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht erbracht werden konnte, weil es an einer zuständigen Zertifizierungsstelle fehlt oder eine solche aufgrund der für die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG nicht relevanten Bedingung der Erwachsenenbildung eine Zertifizierung nicht ausgestellt wird, wäre demnach über die Vereinfachung der UStBLV hinaus eine Einzelfallprüfung der vergleichbaren Zielsetzung § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG vorzunehmen.

Da im vorliegenden Fall sowohl das erstinstanzliche Gericht der Rechtsansicht der Bf. gefolgt ist, als auch der VwGH die Entscheidung des , Happy Education "abgewartet" hat, war es vor den Entscheidungen , Happy Education und , basierend auf der bis dahin anwendbaren Rechtsprechung , Rs MDDP, eine jedenfalls vertretbare Rechtsansicht, dass die Umsatzsteuerbefreiung auch ohne dem Vorliegen einer Zertifizierung, basierend auf dem Nachweis der für die Steuerbefreiung relevanten vergleichbaren Zielsetzung, zustehen sollte.

Da die Rechtslage in objektiver Hinsicht keineswegs klar war, sollte der Bf. - in Anbetracht der damaligen faktischen Unmöglichkeit der Erlangung einer Zertifizierung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung iSd § 1 Z 9 UStBLV - aus der Annahme einer vertretbaren Rechtsansicht keine nachteilige verfahrensrechtliche Position erwachsen.

b) Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen zur Anwendung der Steuerbefreiung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum

Anhand der vom VwGH normierten inhaltliche Qualitätsanforderungen an den Nachweis, liegt mit der Zertifizierung lediglich der Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG vor, materiell können diese aber auch vor dem Ausstellen der Zertifizierung bereits vorgelegen haben. Die Ausstellung der Zertifizierung im Juni 2024 stellt damit nur unter Beweis, dass die materiellen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bereits bestanden haben.

Dies entspricht auch der Ansicht der Finanzverwaltung, die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der UStBLV am in UStR Rz 876 eine Übergangsregelung vorgesehen hat, nach der vom Vorliegen einer vergleichbaren Zielsetzung ausgegangen werden kann, wenn der Unternehmer eine von der UStBLV umfasste Zertifizierung zwar vor dem beantragt hat und diese aber erst nach dem - also wie im vorliegenden Fall mit einem Ausstellungs- und damit Gültigkeitsdatum für einen Zeitraum nach bereits getätigten Umsätzen vergeben wird. Diese Klarstellung ist vom selben Gedanken getragen, dass wenn die Zertifizierung vor dem beantragt wurde und damit die Zertifizierung auf Unterlagen und Tatsachen beruht, die bereits vor dem vorgelegen haben, deren spätere Ausstellung einer Erstreckung der Rechtswirkung auf die vorangegangenen Zeiträume im Zuge der freien Beweiswürdigung nicht entgegensteht.

Nicht anders als in der Übergangsbestimmung der UStR Rz 876 vorgesehen, obliegt es der Bf. auch im gegenständlichen Verfahren nachzuweisen, dass die Umstände und Tatsachen, welche mit der ausgestellten Zertifizierung bestätigt wurden - unverändert auch bereits im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorgelegen haben. Kann dieser Nachweis erbracht werden, bestehen nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung und der Logik der auch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Nachweisführung folgt keine Bedenken die Beweiskraft der Zertifizierung hinsichtlich des Vorliegens der vergleichbaren Zielsetzung auch für diese Zeiträume im Zuge der Beweiswürdigung festzustellen.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der von der
Zertifizierungsstelle verwendete Standard ISO 21001:2018 aus dem Jahr 2018 stammt, seither nicht verändert wurde und in seiner deutschen Übersetzung ISO 21001:2020 hinsichtlich der Bf. zur Anwendung kam. Der zugrundeliegende Zertifizierungsstandard war daher im Jahr 2019 derselbe, der auch im Jahr 2024 verwendet wurde.

Im Zertifizierungsprozess wurden ausschließlich die auch im Verfahren vorgelegten Unterlagen verwendet und alle Unterlagen des Zertifizierungsprozesses wurden im gegenständlichen Verfahren offengelegt. Die im Prozess verwendeten Unterlagen **XY** Learning Center Franchise Guidelines stammen aus dem März 2019 und kommen seither unverändert zur Anwendung. Die in der Zertifizierung gemachten Feststellungen beruhen damit ausschließlich auf einem Unterlagen- und Tatsachenstand, der auch bereits im August 2019 so vorgelegen hat.

c) Freie Beweiswürdigung im Abgabenverfahren

Nach Rn 24 ist es Aufgabe der Bf. ein in der Zielsetzung mindestens vergleichbares Qualitätsniveau auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachzuweisen, um in den Genuss der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen zu kommen. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde hat der VwGH damit aber gerade keine unbedingte Notwendigkeit des Vorliegens einer aufrechten Zertifizierung, sondern die Berücksichtigung und Gewährleistung der Erfüllung von kinderspezifischen Qualitätsnormen gefordert und daher dem BFG bzw. der Behörde im Zuge der Beweiswürdigung die Formulierung entsprechender kinderspezifischer Zertifizierungsanforderungen auferlegt. Der VwGH hat damit materielle inhaltliche Qualitätsanforderungen an den Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen, nicht aber eine ausschließliche Anknüpfung an das Vorliegen einer Zertifizierung, vorgegeben. Der VwGH geht davon aus, dass die "Formulierung entsprechender kinderspezifischer Zertifizierungsanforderungen" erforderlich ist um nach seiner Rechtsauslegung des § 1 Z 9 UStBLV eine vergleichbare Zertifizierung von Kinder- und Jugendbildungseinrichtungen zu ermöglichen.

Wie oben dargelegt und ausführlich bereits mit dem Anbringen vom nachgewiesen, ist es der Bf. gelungen eine Zertifizierung beizubringen, die den strengen Vorgaben der VwGH Entscheidung gerecht wird und die darin geforderten Erfüllung von kinderspezifischen Qualitätsnormen berücksichtigt und gewährleistet.

Wie oben gezeigt werden konnte lagen die Voraussetzungen, welche vom in Rn 24 und 29 normiert und von der Bf. durch die beigebrachte vergleichbare Zertifizierung nachgewiesen wurden, auch bereits im Zeitraum vor dem Abschluss des Zertifizierungsprozesses vor. Damit wäre der Bf. die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen materiell auch bereits für diesen Zeitraum dem Grunde möglich gewesen, wäre eine diesen Umstand unter Beweis stellende Zertifizierung zu diesem Zeitpunkt bereits erhältlich gewesen. Eine solche Zertifizierung lag aber, wie oben dargestellt, für den betreffenden Zeitraum alleine deshalb nicht vor, weil zu diesem Zeitpunkt die deutsche Fassung der ISO 21001 noch nicht vorgelegen hat und es in der Rechtslage vor der Entscheidungen , Happy Education und , basierend auf der bis dahin anwendbaren Rechtsprechung , Rs MDDP, vertretbare Rechtsansicht war, dass die Umsatzsteuerbefreiung auch ohne dem Vorliegen einer Zertifizierung zustehen sollte.

Wenn nun die geforderte Zertifizierung vorliegt und diese auf Basis des offengelegten Zertifizierungsverfahrens ausschließlich auf Unterlagen und Umständen beruht, die seit dem Jahr 2019 unverändert vorgelegen haben, steht es dem Gericht offen dies im Zuge der freien Beweiswürdigung festzustellen, da keine verfahrensrechtliche Bindung an die Zertifizierung als solche bzw. deren Verfahren besteht.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die vor ihrer Würdigung dem Parteiengehör zugeführt worden sein müssen, da ansonsten eine Verletzung des Gebotes der Rechtsstaatlichkeit vorläge (vgl. 911/79; Stoll, BAO 1776), bilden das Erfahrungsmaterial von dem aus die Überzeugung vom Bestehen oder Nichtbestehen einer fraglichen Tatsache im Abgabenverfahren gewonnen wird. Unter dem Beweisergebnis ist das Ergebnis der Wertung der Beweismittel zu verstehen. Da aber als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist, erfordern die dem Verfahrensziel nach gebotenen Tatsachenfeststellungen die Einbeziehung aller vom Verfahrensziel gesehen entscheidend scheinender Beweismittel in den Erkenntnisprozess (vgl. Stoll, BAO 1776).

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Freiheit der Beweiswürdigung des § 167 Abs. 2 BAO nach Stoll auch darin besteht, dass der allgemeine Verfahrensverlauf und das ganze darin gezeigte Verhalten der Beteiligten in der Frage des Erwiesen seins eines unter Beweis zu stellenden Sachverhaltes berücksichtigt werden. Es ist eben der gesamte Verfahrensstoff, wozu auch das Maß des sichtlichen Bemühens und der Bereitschaft der Partei zur Offenlegung und das der Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung gehört, bei der Tatsachenwürdigung zu berücksichtigen (vgl. Stoll, BAO 1777).

Dabei genügt es wenn das Gericht von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen annimmt, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und andere Möglichkeiten "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" () ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Stoll, BAO 1780).

Im Zuge dieser freien Beweiswürdigung ist es dem Gericht möglich sich von der Tatsache des Vorliegens der für die Zertifizierung notwendigen Unterlagen und Tatsachen auch bereits im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu überzeugen. Im Zuge der freien Beweiswürdigung des § 167 Abs. 2 BAO steht es dem Gericht offen auf Basis der nachgewiesenen Zertifizierung, welche den Anforderungen des VwGH gerecht wird und den vorgelegten Nachweisen bezüglich des Vorliegens der dafür wesentlichen Voraussetzungen, zu dem Schluss zu kommen, dass dem durch die Zertifizierung erbrachten Nachweis auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Beweiswirkung zukommt.

Im Ergebnis liegt ein dem vorliegenden Verfahrenshergang geschuldeter Einzelfall vor, bei dem im Zuge der Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des gesamten Verfahrensverlaufes und insbesondere dem stetigen redlichen Bemühen der Bf. um eine rechtskonforme Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung in einer unklaren Rechtslage, das Zustehen der Umsatzsteuerbefreiung auf Basis der Kriterien der VwGH Rechtsprechung auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum eindeutig begründbar ist.

7. Stellungnahme des Finanzamtes vom zum Anbringen der Beschwerdeführerin vom

Streitgegenständlich ist die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG für Umsätze, die die Bf. im August 2019 erbracht hat. Eine der Voraussetzungen für diese Steuerbefreiung ist, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird. Maßgeblich in diesem Zusammenhang ist die UStBLV, die regelt wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt. Diese Verordnung ist (§ 3) mit in Kraft getreten und auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden bzw. sich ereignen. Der hier strittige Zeitraum fällt daher zweifelsfrei in den Anwendungsbereich der UStBLV.

Zufolge § 1 UStBLV, liegt ua eine vergleichbare Zielsetzung vor, bei

[…]

7. einer aufrechten Zertifizierung als Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinne der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl. II Nr. 269/2012;

[…]

9. jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung.

In den Rn 20 und 21 des Erkenntnisses vom , Ro 2021/15/0021, hat der VwGH klargestellt, dass sich aus dem , Happy Education ergibt, dass den Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Systems staatlicher Anerkennung einer den öffentlichen Schulen vergleichbaren Zielsetzung und der Definition der Voraussetzungen und Modalitäten hierfür ein großer Gestaltungsspielraum zukommt, wobei diese Anerkennung auch vom Abschluss entsprechender (inhaltlicher) Vereinbarungen abhängig gemacht werden darf, und dass er vor diesem Hintergrund keine Zweifel an der grundsätzlichen Unionsrechtskonformität des österreichischen Anerkennungssystems für private Bildungseinrichtungen der UStBLV hat, das für die staatliche Anerkennung auf das Vorliegen einer unabhängigen Zertifizierung abstellt, die für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen ein entsprechendes Qualitätsniveau und dessen laufende Überwachung auch dann gewährleistet, wenn sie nicht von einer der in der UStBLV ausdrücklich genannten und gesetzlich näher determinierten Bildungseinrichtungen erbracht werden.

Einerseits verlangt die UStBLV für den Nachweis der vergleichbaren Zielsetzung ausdrücklich eine aufrechte Zertifizierung. Andererseits hat der VwGH keine Bedenken dagegen, dass für die staatliche Anerkennung auf das Vorliegen einer unabhängigen Zertifizierung abgestellt wird. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich daraus, dass es im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH steht, für die Anwendbarkeit der in § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 vorgesehenen Steuerbefreiung auf eine entsprechende aufrechte Zertifizierung abzustellen.

Die Zertifizierung ist nicht, wie die Bf. vermeint, ein bloßer Formalakt der nur unter Beweis stellt, "dass die materiellen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bereits bestanden haben." Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Verordnung und der Aussagen des VwGH im angeführten Erkenntnis ist eine vorhandene Zertifizierung vielmehr selbst eine materielle Voraussetzung für die Zuerkennung der Steuerbefreiung. Erst mit erfolgter Zertifizierung und vorliegendem Zertifikat wird der Nachweis erbracht, dass eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt. Erfolgt keine Zertifizierung ist dieser Nachweis selbst dann nicht erbracht, wenn die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen sollten. Nach der UStBLV ist es auch irrelevant, warum keine Zertifizierung erfolgt ist. Es kann keinen Unterschied machen, ob sich der Abgabepflichtige erst gar nicht um eine Zertifizierung bemüht hat oder in seinem Bemühen um eine solche gescheitert ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass, wie die Bf. selbst ausführt, der Standard ISO 21001:2018 aus dem Jahr 2018 stammt und seither nicht verändert wurde. Eine Zertifizierung wäre daher bereits mit Inkrafttreten der UStBLV möglich gewesen. Von einer faktischen Unmöglichkeit der Erlangung einer Zertifizierung kann daher keine Rede sein.

Seit Inkrafttreten der UStBLV existiert eine klare und eindeutige Rechtslage wann eine vergleichbare Zielsetzung iSd § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG vorliegt. Für eine Einzelfallprüfung außerhalb der UStBLV bleibt dabei kein Raum. Ein derartiges Erfordernis lässt sich, entgegen der Ansicht der Bf., auch aus dem oben angeführten VwGH-Erkenntnis nicht ableiten. Vielmehr hat der VwGH das Erkenntnis des BFG deshalb aufgehoben, weil eben keine vergleichbare Zertifizierung der Bf. nachgewiesen wurde.

Wenn die Bf. unter Hinweis auf die Rn 24 des angeführten VwGH-Erkenntnisses die Ansicht vertritt der VwGH habe "damit materielle inhaltliche Qualitätsanforderungen an den Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen, nicht aber eine ausschließliche Anknüpfung an das Vorliegen einer Zertifizierung, vorgegeben" so steht dies in klarem Widerspruch zum Wortlaut der Rn 24.

Der VwGH führt in der Rn 24 ua wörtlich aus: […] Es wäre daher für eine "vergleichbare Zertifizierung" ihrer Bildungsdienstleistungen auch nicht hinreichend, wenn die mitbeteiligte Partei die Erfüllung der für die Erwachsenbildung definierten Qualitätsstandards nachweisen könnte. Vielmehr muss von ihr in der Zielsetzung zwar mindestens ein vergleichbares Qualitätsniveau, dieses aber eben auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen werden. Nur eine dies nachweisende Zertifizierung wäre im Revisionsfall eine "vergleichbare Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV." Insbesondere aus dem letzten Satz ergibt sich für die Behörde eindeutig und unzweifelhaft, dass für die Anwendung der Steuerbefreiung eine Zertifizierung vorliegen muss.

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung müssen in dem Zeitraum vorliegen, in dem die jeweiligen Umsätze bewirkt werden. Für den streitgegenständlichen Zeitraum lag eine Zertifizierung unstrittig nicht vor. Damit sind im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 für den Zeitraum August 2019 nach wie vor nicht gegeben. Eine Zuerkennung der Steuerbefreiung ohne eine aufrechte Zertifizierung widerspricht sowohl dem Gesetz als auch der Judikatur.

8. Feststellungen des BFG im fortgesetzten Verfahren

Der VwGH hegt in dem Erkenntnis keine Zweifel an der grundsätzlichen Unionsrechtskonformität des österreichischen Anerkennungssystems für private Bildungseinrichtungen der UStBLV, das für die staatliche Anerkennung auf das Vorliegen einer unabhängigen Zertifizierung abstellt, die für die Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen ein entsprechendes Qualitätsniveau und dessen laufende Überwachung auch dann gewährleistet, wenn sie nicht von einer der in der UStBLV ausdrücklich genannten und gesetzlich näher determinierten Bildungseinrichtungen erbracht werden.

Im gegenständlichen Fall hat der VwGH besonders auf den Umstand hingewiesen, dass es sich um eine Bildungseinrichtung für Kinder handelt. Es ist diesfalls für eine "vergleichbare Zertifizierung" der Bildungsdienstleistungen nicht hinreichend, wenn die Erfüllung der für die Erwachsenenbildung definierten Qualitätsstandards nachgewiesen wird. Es muss in der Zielsetzung mindestens ein vergleichbares Qualitätsniveau auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen werden. Nur eine dies nachweisende Zertifizierung ist eine "vergleichbare Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV.

Die Bf. hat mit Eingabe vom eine Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 vorgelegt.

ISO 21001 ist international anerkannt als Norm für Educational Organizations Management System (EMOS) und dient der Qualitätssicherung in Bildungseinrichtungen. Sie unterstützt Organisationen dabei, ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, effektive Lehr- und Lernprozesse bereitzustellen, die die Bedürfnisse der Lernenden erfüllen (vgl. TÜV Austria).

Die Quality Austria - Trainings, Zertifizierungs und Begutachtungs GmbH ist gemäß dem österreichischen Akkreditierungsgesetz (BGBl. Nr. 28/2012) durch das BMWFW akkreditiert.

Die Zertifizierung nach ISO 21001 wird vom Ö-Cert Qualitätsrahmen ausdrücklich als Qualitätsnachweis über ein Qualitätsmanagement-System und Qualitätssicherungsverfahren anerkannt und genügt damit den Anforderungen des in § 1 Z 7 UStBLV normierten Zertifizierungssystem des Qualitätsrahmen Ö-Cert.

Die Quality Austria - Trainings, Zertifizierungs und Begutachtungs GmbH hat der Bf. mit Ausstellungsraum vom und Gültigkeit bis die Anwendung und Weiterentwicklung eines wirksamen Qualitätsmanagementsystems entsprechend den Forderungen der ISO 21001:2018 für Bildungsorganisationen bestätigt.

Der Zertifizierungsaudit wurde in einem zweistufigen Verfahren von der Quality Austria, Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs- GmbH durchgeführt. Der Zertifizierungsaudit der Stufe 1 zur Ö-NORM ISO 21001 stellt den generellen Status des Managementsystems fest und ist Voraussetzung für ein Zertifizierungsaudit der Stufe 2. In der Stufe 2 wird der Einsatz der Qualitätssicherungssysteme am Betriebsort überprüft.

Durch die Zertifizierung ist der Bf. der Nachweis gelungen, dass die Bildungseinrichtung den Grundvoraussetzungen für die Erwachsenenbildung Ö-Cert entspricht:

1. Allgemeine Grundvoraussetzungen: Die Erfüllung der allgemeinen Grundvoraussetzungen wird durch die verbindlichen Vorgaben des Franchisegebers sichergestellt. Die Vorgaben sind in den **XY** Learning Centre Franchise Guidelines definiert und wurden im Zuge des Zertifizierungsprozesses gesichtet. Der Ausdruck der grundlegenden Bildungsphilosophie und zentralen Werte im Bereich der Kinder- und Jugendbildung spiegeln sich im Mission Statement wieder (siehe **XY** Franchise Mission Statement).

2. Organisations- und angebotsbezogene Grundvoraussetzungen: Die Erfüllung der organisations- und angebotsbezogenen Grundvoraussetzungen bildet einen Schwerpunkt des Zertifizierungsprozesses zur Ö-NORM ISO 21001. Der Auditor hat wie aus dem Begutachtungszeitplan zur Zertifizierung der Ö-NORM ISO 21001 hervorgeht, umfassend die organisatorischen Voraussetzungen wie Führungs- und Verantwortlichkeitsfunktionen, Planungsinstrumente, Ressourcen (Räumlichkeiten, Personal, Bildungsprozesse, Infrastruktur und Kompetenz), betriebliche Planungsprozesse sowie interne Überwachungs- und Steuerungsfunktionen überprüft.
a) Insbesondere werden zu den oben genannten organisationsbezogenen Anforderungen in den **XY** Learning Centre Franchise Guidelines klare Vorgaben getroffen, die von der Bf. einzuhalten sind.
b) Das Angebot/der Curriculum zur Kinder- und Jugendbildung ist detailliert in den **XY** Learning Set Guidelines Austria dargelegt und sieht individuelle altersspezifische Lehrpläne für Kinder- und Jugendliche vor.
c) Die Zertifizierungsstelle hat zudem die pädagogische Qualität und Qualifikationen der Lehrer hervorgehoben, die direkt vom Franchisegeber durch Teacher Trainer ausgebildet werden. Eine Weiterbildung der Lehrer ist verpflichtend, wobei jährlich ein Seminar und die Jahreskonferenz erfolgreich absolviert werden müssen. Nur diesen Ausbildungszyklus durchlaufende qualifizierte Lehrer können Unterrichtsstunden übernehmen.
d) Auch weist der Auditor auf die funktionierende Kommunikationsstruktur der Bf. hin, bei der Informationen über die entsprechenden Kanäle an Lehrer und Kunden (Eltern) weitergegeben werden. Im Rahmen des Schnupperkurses (somit vor Abschluss eines verbindlichen Bildungsvertrages) werden Links zur Anmeldung zu den Kommunikationskanälen sowie weitere Informationen wie Datenschutzbestimmungen sowie anwendbare AGB vom Lehrer übergeben.

3. Grundvoraussetzungen hinsichtlich ethischer und demokratischer Prinzipien: Im Zertifizierungsprozess hat die Zertifizierungsstelle keine Beanstandungen hinsichtlich ethischer und demokratischer Prinzipien wie Gleichbehandlung oder Achtung der Menschenrechte hervorgebracht. Die Bf. achtet die demokratischen Werte der Gesellschaft und setzt aktiv Maßnahmen gegen jede Form der Diskriminierung.

Für das BFG umfassen kinderspezifische Anforderungen für Bildungseinrichtungen ein breites Spektrum von pädagogischen, hygienischen, sicherheitsrelevanten und sozialen Aspekten bis hin zur Qualifikation des Personals und der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung.

Die Ö-NORM ISO 21001 enthält über die allgemeinen Anforderungen für Bildungseinrichtungen hinausgehend zusätzliche Anforderungen für kindliche Bildung. Im Rahmen des Audits wird das vom VwGH geforderte Qualitätsniveau der Bf. im Tätigkeitsfeld der Kinder- und Jugendbildung überprüft.

Diese kinderspezifischen Zertifizierungsanforderungen finden sich in zehn Punkten wieder, damit im Interesse des Kindeswohls die Erfüllung von kinderspezifischen Qualitätsnormen überhaupt berücksichtigt und gewährleistet werden kann. Nach Auffassung des BFG werden mit diesen Anforderungen die Besonderheiten der Kinder- und Jugendbildung im ausreichenden Maß abgedeckt.

Diese Anforderungen wurden von der Zertifizierungsstelle im Zertifizierungsaudit in den Mittelpunkt gestellt und eingehend überprüft:

1. Grundsätze: Die Organisation respektiert die Rechte der Kinder gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Die Organisation fördert das Spiel, Autonomie, Zuneigung, Kooperation, Kreativität, Freude und Selbstvertrauen unter den Kindern.

2. Räumlichkeiten: Die von der Organisation eingerichteten Räumlichkeiten umfassen:
-Lernressourcen für frühkindliche Bildung;
-Räumlichkeiten zum Spielen;
-Räumlichkeiten für die Betreuung.

3. Kompetenz: Die Organisation hat den Lehrenden eine spezielle Ausbildung in frühkindlicher Bildung angeboten.

4. Kommunikation: Die Organisation hat ein Verfahren für die Kommunikation mit Eltern, Lehrenden und Erziehungsberechtigten eingerichtet, bei dem der Informationsfluss und die Kontrolle der Sicherheit der Kinder sichergestellt sind.

5. Individuelle Lernpläne: Die Organisation hat individuelle Pläne ausgearbeitet, die den Bedürfnissen und Erwartungen des Kindes und seiner Familie entsprechen und die Gruppe der Kinder als Ganzes berücksichtigen.

6. Empfang und Verabschiedung des Kindes: Die Organisation hat ein Verfahren für den Empfang und die Verabschiedung des Kindes festgelegt und umgesetzt und dokumentierte Information zu diesen Tätigkeiten aufbewahrt.

7. Hygiene: Die Organisation hat einen Hygienestandard definiert, der den individuellen Bedürfnissen jedes Kindes angemessen ist.

8. Pflege bei Krankheit oder Unfall: Die Organisation hat die Art und Weise des Verhaltens bei Krankheit oder Unfall eines Kindes definiert und dokumentierte Information zu diesen Situationen aufbewahrt.

9. Pädagogisch-spielerische Materialien, Geräte und Räume: Die pädagogisch-spielerischen Materialien, Geräte und Räume sind dem Alter und der Situation der Kinder angepasst.

10. Verhaltensmanagement und Prävention von Kindesmissbrauch und fahrlässigem Verhalten: Die Bildungsorganisation hat dokumentierte Information über den Umgang mit dem Verhalten des Kindes und die Förderung des allgemeinen Wohlbefindens des Kindes erstellt und aufbewahrt.

Nach Ansicht des BFG hat die Bf. zweifelsfrei die Nachweise zur Erlangung der Zertifizierung erbracht. Die Zertifizierung ist schlüssig und nachvollziehbar. Das BFG stellt fest, dass es der Bf. gelungen ist, mit der vorgelegten Zertifizierung ein Qualitätsniveau nachweisen, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen nach § 1 Z 7 UStBLV entspricht. Durch die in der Zertifizierung festgelegten zusätzlichen sachlichen Anforderungen für kindliche Bildung wird sichergestellt, dass die Bf. - wie vom VwGH gefordert - ein Qualitätsniveau speziell auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung aufweist.

9. Rechtliche Erwägungen des BFG im fortgesetzten Verfahren

Unionsrecht

Titel IX ("Steuerbefreiungen") der Richtlinie 2006/112 des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) enthält ein Kapitel 2 ("Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten"), in dem sich Art. 132 findet, der in seinem Abs. 1 vorsieht, dass Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer befreien:

[…]

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

[…]

Nationales Recht

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 62/2018 (JStG 2018) sind steuerfrei:

a) die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird. Der Bundesminister für Finanzen kann unter Berücksichtigung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mit Verordnung festlegen, wann eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt.

Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung - UStBLV BGBl. II Nr. 214/2018

Eine vergleichbare Zielsetzung liegt gemäß § 1 UStBLV vor, bei:

[…]

Z 7 einer aufrechten Zertifizierung als Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinne der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert, BGBl. II Nr. 269/2012.

[…]

Z 9 jeder anderen vergleichbaren behördlichen Zertifizierung.

a) Vorliegen einer vergleichbaren behördlichen Zertifizierung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung

Wie vom VwGH in Rn 24 des Erkenntnisses, Ro 2021/15/0021 verlangt, wird durch die Zertifizierung der Bf. ein vergleichbares Qualitätsniveau, dieses aber eben auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung nachgewiesen, weshalb diese der vom VwGH geforderten "vergleichbaren Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV entspricht. Nach Auffassung des BFG weist die Zertifizierung nach, wie in Rn 29 des Erkenntnisses beschrieben, dass die Erfüllung von kinderspezifischen Qualitätsnormen zweifelsohne berücksichtigt und gewährleistet ist.

Es ist zusammenfassend festzustellen, dass die von der Bf. beigebrachte Zertifizierung nach Ö-NORM ISO 21001 eine mit dem Zertifizierungssystem des § 1 Z 7 UStBLV hinlänglich vergleichbare Zertifizierung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbildung iSd § 1 Z 9 UStBLV darstellt. Damit steht der Bf. die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG auf Bildungsleistungen dem Grunde nach zu.

b) Keine Anwendung der Zertifizierung für Zeiträume vor Gültigkeit/Ausstellung der Zertifizierung

Die Quality Austria - Trainings, Zertifizierungs und Begutachtungs GmbH hat der Bf. mit Ausstellungsraum vom und Gültigkeit bis die Anwendung und Weiterentwicklung eines wirksamen Qualitätsmanagementsystems entsprechend den Forderungen der ISO 21001:2018 für Bildungsorganisationen bestätigt.

Die UStBLV ist (§ 3) mit in Kraft getreten und auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden bzw. sich ereignen. Der strittige Zeitraum 08/2019 fällt in den Anwendungsbereich der UStBLV.

Wenn die Bf. auf die Übergangsregelung in den für das BFG unverbindlichen UStR Rz 876 verweist, ist festzustellen, dass die Bf. keine Zertifizierung vor dem beantragt hat. In der diesbezüglichen Rz wird festgehalten, dass bereits mit vom Vorliegen einer vergleichbaren Zertifizierung ausgegangen werden kann, wenn vom Unternehmer eine von der UStBLV umfasste Zertifizierung vor dem beantragt wurde und diese erst nach dem vergeben wurde.

Der Bf. wird nicht entgegengetreten, wenn sie darauf verweist, dass der von der Zertifizierungsstelle verwendete Standard ISO 21001:2018 aus dem Jahr 2018 stammt, seither nicht verändert wurde und in seiner deutschen Übersetzung ISO 21001:2020 hinsichtlich der Bf. zur Anwendung kam und der zugrundeliegende Zertifizierungsstandard daher im Jahr 2019 derselbe war, der auch im Jahr 2024 verwendet wurde.

Die Bf. verkennt aber die Rechtslage, wenn sie vermeint, die Zertifizierung ist ein bloßer Formalakt der nur unter Beweis stellt, "dass die materiellen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bereits bestanden haben." Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Verordnung und der Aussagen des VwGH im angeführten Erkenntnis ist eine vorhandene Zertifizierung vielmehr selbst eine materielle Voraussetzung für die Zuerkennung der Steuerbefreiung. Erst mit erfolgter Zertifizierung und vorliegendem Zertifikat wird der Nachweis erbracht, dass eine vergleichbare Zielsetzung vorliegt. Erfolgt keine Zertifizierung ist dieser Nachweis selbst dann nicht erbracht, wenn die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen sollten. Auf die Gründe, warum eine Zertifizierung bisher unterblieben ist, kommt es nicht an.

Der VwGH führt in der Rn 24 letzter Satz wörtlich aus: "Nur eine dies nachweisende Zertifizierung wäre im Revisionsfall eine "vergleichbare Zertifizierung" iSd § 1 Z 9 UStBLV."

Für das BFG erschließt sich daraus zweifelsfrei, dass für die Anwendung der Steuerbefreiung eine Zertifizierung vorliegen muss. Ohne aufrechte und gültige Zertifizierung kann die Erfüllung und Gewährleistung von kinder- und jugendspezifischen Qualitätsnormen für Bildungseinrichtungen nicht nachgewiesen werden. Das BFG teilt die Meinung der Abgabenbehörde, wonach für eine Einzelfallprüfung außerhalb der UStBLV kein Raum bleibt.

Für die Ausführungen der Bf. wonach es dem BFG offen steht, im Zuge der freien Beweiswürdigung festzustellen, dass keine verfahrensrechtliche Bindung an die Zertifizierung als solche bzw. deren Verfahren besteht, ist kein Platz vorhanden. Der VwGH hat in seinem Erkenntnis in Rn 29, letzter Halbsatz festgehalten, "…weshalb eine Erstreckung der Umsatzsteuerbefreiung auf die mitbeteiligte Gesellschaft ohne Nachweis einer Zertifizierung im Wege des Anwendungsvorrangs nicht in Betracht kommt." Die freie Beweiswürdigung hat nämlich keinen direkten Vorrang vor der Gesetzesanwendung, wenn es um die Anwendung von Rechtsnormen auf einen festgestellten Sachverhalt geht.

Aufgrund der Rechtslage und Rechtsprechung steht es dem BFG eben nicht offen, zu dem Schluss zu kommen, dass dem durch die Zertifizierung erbrachten Nachweis auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Beweiswirkung zukommt.

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung müssen in dem Zeitraum vorliegen, in dem die jeweiligen Umsätze bewirkt werden. Die gegenständliche Zertifizierung gilt mit Ausstellungsraum vom und hat eine Gültigkeit bis . Dies bedeutet, dass die Steuerbefreiung erst ab dem Zeitpunkt der Zertifizierung wirksam wird und nicht rückwirkend für bereits vergangene Zeiträume angewendet werden kann. Für den streitgegenständlichen Zeitraum lag eine aufrechte Zertifizierung nicht vor. Damit sind die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG 1994 für den Zeitraum 08/2019 nicht gegeben.

c) Bemessungsgrundlage und Festsetzung der Umsatzsteuer

Die Abgabenbehörde hat daher zu Recht in der BVE vom folgende Bemessungsgrundlage ermittelt und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer für 08/2019 festgesetzt:


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Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen
131.301,29 €
Davon steuerfrei gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit a UStG
0,00 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen und sonstige Leistungen
131.301,29 €
Davon zu versteuern mit 20% Normalsteuersatz
124.866,01 €
Davon zu versteuern mit 10% ermäßigter Steuersatz
6.435,28 €
Summe Umsatzsteuer
25.616,73 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern
-841,44 €
Zahllast
24.775,29 €

Aus den angeführten Gründen konnte der Beschwerde nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein. Die Abgabenbehörde hat in der Beschwerdevorentscheidung zutreffenderweise den Nettobetrag der mit dem Normalsteuersatz zu versteuernden Umsätze herangezogen.

10. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist zulässig, da es zur Frage der rückwirkenden Anerkennung einer Zertifizierung für die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung keine Rechtsprechung des VwGH gibt.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
GAAAF-79702