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Verfahrensleitender Beschluss, BFG vom 13.03.2025, RV/7100715/2025

Mangelhafte Aktenvorlage; unzulässiges Unterbleiben einer BVE

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Gemäß § 266 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Akten vorzulegen. Unter Akt versteht man eine chronologisch und/oder nach Sachgebieten geordnete Sammlung von Dokumenten (Eingangs-, Ausgangsstücke, Eigenanfertigungen). Unter der Rubrik „Vorgelegte Aktenteile“ legt die belangte Behörde insgesamt 99 Ordnungszahlen vor, die allesamt das Datum aufweisen und alphabetisch nach teilweise nichtssagenden zum Teil doppelt vergebenen Namen geordnet sind. Weder ist eine Chronologie erkennbar, noch ein sachlicher Zusammenhang der aufeinanderfolgenden Dokumente. Ein derartig chaotisches Sammelsurium erfüllt nicht einmal annähernd den Begriff eines Aktes.
Unter Beweismittel wären jene Dokumente und Wahrnehmungen zu verstehen, auf die konkret die Feststellungen der belangten Behörde gegründet sind; die Nennung eines gesamten Aktenkonvolutes entspricht diesem Verständnis nicht.

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zur Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2017 bis 2021, Umsatzsteuer 2018 bis 2021 sowie Wiederaufnahme der Verfahren zu den genannten Sachbescheiden, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Die Beschwerde wird an das vorlegende Finanzamt Österreich weiter- bzw. rückgeleitet.

II. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

1. Zu Spruchpunkt I.

Die belangte Behörde hat die gegenständliche Beschwerde vom knapp eineinhalb Jahre später am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben. Sie verweist dabei auf den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 262 Abs 2 lit a BAO, wonach eine Beschwerdevorentscheidung unterbleiben möge, weshalb die Beschwerde "sofort" vorzulegen wäre.

Eine derartige "Direktvorlage" setzt voraus, dass die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt (§ 262 Abs 2 lit b BAO). Weder hat die belangte Behörde diese Frist eingehalten, noch liegt ein Anwendungsfall des § 262 Abs 3 BAO vor. Die belangte Behörde hätte somit eine Beschwerdevorentscheidung erlassen müssen.

Gemäß § 281a BAO hat das Verwaltungsgericht, wenn es nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.

Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen. Wenn § 281a BAO vorsieht, dass die Verständigung "formlos" erfolgen soll, so ist dies dahingehend zu verstehen, dass eine bestimmte Form hiefür nicht vorgesehen ist. Zweckmäßig erfolgt diese Verständigung dadurch, dass eine Ausfertigung des verfahrensleitenden Beschlusses (samt Begründung, in der die Ansicht des Bundesfinanzgerichts dargelegt wird) den Parteien zugestellt wird (vgl , mwN).

Der Beschwerdeführer hat die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt. Zwar sind in § 272 Abs 4 BAO Beschlüsse gemäß § 281a BAO nicht explizit als zunächst vom Berichterstatter durchführbar genannt; da es sich aber wie bei allen in § 269 BAO - auf den § 272 Abs 4 BAO verweist - eingeräumten Rechten um eine verfahrensleitende Verfügung handelt, erscheint die analoge Anwendung des § 272 Abs 4 BAO auf § 281a BAO als zweckmäßig und geboten (vgl zB ; , RV/7104718/2020; , RV/6100151/2022; , RV/7105692/2016).

2. Zu Spruchpunkt II.

Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen (vgl , mwN). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes (vgl auch - zur Abgrenzung von sofort anfechtbaren Beschlüssen - , mwN) ist nach § 25a Abs 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig; sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

Gegen einen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Beschwerde an eine andere Stelle weiterleitet, ist demnach eine abgesonderte Revision nicht zulässig (vgl zB ; , Ra 2018/03/0072, mwN). Gleiches gilt auch für die "formlose" Verständigung über die Weiterleitung (Rückleitung) samt Mitteilung der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, die der Bekanntgabe des Inhalts des verfahrensleitenden Beschlusses entspricht ().

Belehrung und Hinweise

Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).

Verneint das Bundesfinanzgericht nach der Vorlage der Beschwerde zu Unrecht seine Zuständigkeit, weil es fälschlich annimmt, es fehle (ohne Rechtfertigung durch eine der Ausnahmen des § 262 Abs 2 bis 4 BAO) an einer (wirksam zugestellten) Beschwerdevorentscheidung oder es sei kein Vorlageantrag (wirksam) eingebracht worden, und unterlässt es daher die Erledigung der Beschwerde, so steht beiden Parteien (vgl zur Amtspartei ) des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht der Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof offen ().

Am Rande bemerkt wird, dass die Vorlage auch sonst nicht dem Gesetz entspricht:

  • Gemäß § 265 Abs 3 BAO sind die Beweismittel zu nennen. Diesbezüglich führt die belangte Behörde an:
    "BP
    Vorhalteverfahren"
    Unter Beweismittel wären jedoch jene Dokumente und Wahrnehmungen zu verstehen, auf die konkret die Feststellungen der belangten Behörde gegründet sind; die Nennung eines gesamten Aktenkonvolutes entspricht diesem Verständnis nicht.

  • Gemäß § 266 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Akten vorzulegen. Unter Akt versteht man eine chronologisch und/oder nach Sachgebieten geordnete Sammlung von Dokumenten (Eingangs-, Ausgangsstücke, Eigenanfertigungen). Unter der Rubrik "Vorgelegte Aktenteile" legt die belangte Behörde insgesamt 99 Ordnungszahlen vor, die allesamt das Datum aufweisen und alphabethisch nach teilweise nichtssagenden zum Teil doppelt vergebenen Namen geordnet sind. Weder ist eine Chronologie erkennbar, noch ein sachlicher Zusammenhang der aufeinanderfolgenden Dokumente. Ein derartig chaotisches Sammelsurium erfüllt nicht einmal annähernd den Begriff eines Aktes; dies ungeachtet der Tatsache, dass das Finanzamt wohl wenig Einfluss auf die "Ordnung" des "Aktes" hat und die Hauptursache in den Unzulänglichkeiten der EDV-Schnittstelle zwischen Finanzamt und Bundesfinanzgericht liegen dürfte. Es obliegt der Finanzverwaltung, eine gesetzeskonforme Aktenvorlage zu bewirken!

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100715.2025

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAF-79676