Erhöhte Familienbeihilfe; Bindung an Bescheinigung im Sinne des § 8 Abs 6 FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes ***K** ab Mai 2020, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (nachfolgend "Bf"), die aufgrund ihres Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe vom ab September 2014 bis einschließlich September 2021 für ihre Tochter ***K** (geboren am ***GebDatum***) Familienbeihilfe (Grundbetrag) ausbezahlt erhalten hatte (Anmerkung: ***K*** war in Ausbildung befindlich und es wurde zuletzt auf Basis von § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 in Verbindung mit § 2 Abs 9 FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt.) beantragte am für ***K*** den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Oktober 2016. ***K*** leide unter Asperger Autismus, einer Zwangsgedankenerkrankung, arterieller Hypertonie und es sei bei ***K*** eine Nierenbeckenplastik durchgeführt worden (Anmerkung: Von Jänner 1999 bis September 2002 sowie von Juli 2003 bis Oktober 2010 hatte die Bf bereits erhöhte Familienbeihilfe für ihre Tochter ***K*** bezogen; im November 2003 hatte das Bundessozialamt ***K*** eine Behinderung im Ausmaß von 70% rückwirkend ab Jänner 2001 ohne dauernde Erwerbsunfähigkeit und voraussichtlich für mehr als 3 Jahre andauernd bescheinigt; Diagnose damals: Rezeptive Sprachstörung bei atypischem Autismus; ab Oktober 2010 bis Juni 2014 war ***K*** in Ägypten beim Kindesvater aufhältig.).
Das Finanzamt wies den Antrag für den Zeitraum ab Mai 2020 mit Bescheid vom (hier streitgegenständlich) mit der Begründung ab, dass laut dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom September 2016 ab bei ***K*** ein Grad der Behinderung von 30% vorliegt (Anmerkung: Am war erneut eine SMS-Bescheinigung ausgestellt worden, wobei sich keine Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten vom September 2016 ergeben hatten, dh Grad der Behinderung weiterhin 30%, keine Erwerbsunfähigkeit.). Ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für ***K*** sei daher nicht gegeben. In Bezug auf den ebenso antragsgegenständlichen Zeitraum Oktober 2016 bis April 2020 erging ein separater Zurückweisungsbescheid, verwiesen wurde dabei auf den - unangefochten gebliebenen - Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe ab Oktober 2016 vom ; für diese Zeiträume sei bereits rechtskräftig abgesprochen worden (Anmerkung: Mit dem Bescheid vom war ein Antrag der Bf vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages für ***K*** ab Oktober 2016 abgewiesen worden; Begründung: Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit sei durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen; da die Bf laut Sozialministeriumservice "ihren Antrag" zurückgezogen habe, sei auch der Antrag der Bf vom auf erhöhte Familienbeihilfe abzuweisen; letztmals war ***K*** vom ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice im September 2016 untersucht wurden, damals ist ihr eine Behinderung im Ausmaß von 30% bescheinigt worden.). Hintergrund ist, dass ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonates gilt, in welchem der Bescheid erlassen wird (hier April 2020), ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat (siehe etwa mwN). Für Zeiträume ab Mai 2020 wurde offenbar davon ausgegangen, dass es - aufgrund der als erwiesen angenommenen stetigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes von ***K*** seit der Erlassung des Bescheides vom - zu einer Änderung der Sachlage gekommen ist, die ein neuerliches Absprechen über die Sache erlaubt (vgl : Eine Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wegen Änderung des Sachverhaltes setzt voraus, dass es sich um eine solche Änderung des Sachverhaltes handelt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.).
Am erhob die Bf Beschwerde gegen den Bescheid vom . Es werde höflich um Prüfung des Sachverständigengutachtens vom ersucht; es sei nicht nachvollziehbar; anlässlich der persönlichen Untersuchung in der Landesstelle des Sozialministeriumservice seien dem Sozialministeriumservice Facharztbefunde vorgelegt worden, das Gutachten wirke, was den Leidensdruck und die Funktionsfähigkeit ihrer Tochter ***K*** angeht, subjektiv und bagatellisierend; ein Privatgutachten werde nachgereicht. Im Anhang übermittelte die Bf auch die Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom September 2016; dieses sei ebenso aus heutiger Sicht nicht mehr aktuell. Um Ergänzung werde ersucht. Die Zwangsgedankenerkrankung ihrer Tochter ***K*** sei mittlerweile chronisch, sich fortwährend, alle 3-5 Minuten aufdrängende Zwangsgedanken erschwerten und beeinträchtigten den Lebensalltag von ***K*** zunehmend. Es sei ***K*** als Asperger Autistin möglich zu studieren, doch der Leidensdruck durch die Zwänge werde stetig größer. In der Einschätzungsverordnung finde man Asperger Autismus nicht und am ehesten träfen die Positionen (Störungen mittleren Grades) und (Persönlichkeits-Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen), NICHT wie vom Sozialministeriumservice angenommen (Persönlichkeitsstörungen mit geringer sozialer Beeinträchtigung) auf ***K*** zu. ***K*** sei laut ärztlichem Befund von Dr. ***L***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, mindestens seit März 2019 in ihrem Studienfortschritt eingeschränkt, was ins Gutachten des SMS vom März 2022 so nicht aufgenommen worden sei. Im Gutachten vom März 2022 sei der klinisch-psychologische Befund vom von Mag. ***P*** mit "Zwangsstörungen mit vorwiegend Zwangsgedanken" zitiert worden, Mag. ***P*** habe aber eine "ausgeprägte" Zwangsstörung" diagnostiziert.
Aufgrund des Vorbringens der Bf wurde erneut eine Untersuchung von ***K*** durch den ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice erwirkt; am ist ***K*** erneut vom ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice (von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) untersucht worden; es wurde ***K*** daraufhin ein Grad der Behinderung ab mit 30% und ab mit 40% bescheinigt (Anmerkung: Das psychiatrische Leiden von ***K*** fiel damals nach nervenfachärztlicher Ansicht unter die Position der Einschätzungsverordnung und noch nicht wie nach Einschätzung der Bf unter die Position oder die Position .). Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht festgestellt. Daraufhin wies die belangte Behörde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Bf habe keinen Anspruch auf den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***K***.
Am brachte die Bf einen Vorlageantrag ein. Der Leidensdruck und das Krankheitsbild habe sich in den letzten Jahren zunehmend und massiv verschlechtert, trotz laufender medikamentöser, psychiatrischer und psychologischer Therapie. Um Überprüfung des SMS-Gutachtens vom März 2022 sowie Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50% werde ersucht. Laut dem Gutachten werde ***K*** mit der Position der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 30% bescheinigt. Die ***K*** seit geraumer Zeit betreuenden Therapeuten und Ärzte stufen das Leiden von ***K*** (so wie sie selbst und die Bf) unter Position ein, woraus ein Grad der Behinderung von 50% abzuleiten sei. Im Gutachten vom März 2022 seien zudem die Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom (GdB 70%) und vom (GdB 50%) nicht erwähnt worden. Frau Mag. Dr. ***O*** (Psychologin) habe im November 2022 zusätzlich eine depressive Störung mittleren Grades (Position der Einschätzungsverordnung) mit einem Grad der Behinderung von 50% befundet. Eine mögliche (unter die Positionen oder der Einschätzungsverordnung einzuordnende) posttraumatische Belastungsstörung (GdB 50%) stehe im Raum. Dazu werde die Bf ein aktuelles psychiatrisches Gutachten nachreichen. ***K*** lebe mittlerweile ständig und ununterbrochen mit sich aufdrängenden unangenehmen Gedanken, innerer Angst und Anspannung und einem starken Drang bestimmte Handlungen und Gedanken auszuführen bzw zu denken (diese würden nicht ausgeführt). Obwohl ***K*** diese beängstigenden Gedanken und Zwänge als unsinnig empfinde, sie zu unterdrücken versuche und medikamentös behandelt werde, strömten nahezu minutiös absurde, quälende Gedanken auf sie ein. Sie leide enorm, schränke sich immer weiter ein und ziehe sich seit längerem von Familienangehörigen und nahestehenden Personen zurück. Seit dem Sommer 2022 gehe sie kaum mehr außer Haus. In ihrem Studium schreite ***K*** langsam, unter starken Bemühungen voran, sie studiere erfolgreich, was unter diesen Umständen eine großartige Leistung darstelle, das Studium helfe ihr und gebe ihr Zuversicht.
Am hat nochmals eine persönliche Untersuchung von ***K*** in der Landesstelle des Sozialministeriumservice durch eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie stattgefunden. Zusätzlich zu den dem Sozialministeriumservice bereits vorliegenden Befunden wurden diverse neue Befunde und Unterlagen (Schreiben ÖGK vom , Bewilligung Ihres Rehabilitationsaufenthaltes, Bestätigung Psychotherapie vom , diverse Befunde des Psychiaters Dr. ***L*** aus den Jahren 2023 und 2024, psychodiagnostischer Befund von Mag. Dr. ***O*** vom ) vorgelegt. Seit 12/2023 seien die bei ***K*** aufgrund ihres Leidens vorliegenden Funktionseinschränkungen nunmehr unter Position der Einschätzungsverordnung, unterer Rahmensatz, da im Alltag selbständig, Grad der Behinderung daher 50%, einzuordnen. Von einer Rückwirkung ab 12/2023 könne aufgrund des psychodiagnostischen Befundes von Mag. Dr. ***O*** vom ausgegangen werden. Zudem wurde ***K*** ab 12/2023 als voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig eingestuft.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die am ***GebDatum*** geborene und in Österreich lebende ***K** (Tochter der Bf) wies in den Monaten Mai 2020 bis September 2021 und danach (bis November 2023) keinen Grad der Behinderung von mindestens 50% auf und war nicht voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig. Der Gesundheitszustand von ***K*** hat sich im streitgegenständlichen Zeitraum (und bereits davor) stetig verschlechtert. ***K*** hat am TT.05.2021 das 25. Lebensjahr vollendet. Sie ist aufgrund ihrer Erkrankung (Asperger Autismus, Zwangsgedanken, depressive Episode) ab Dezember 2023 voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (Behinderungsgrad seither 50%). Mit Oktober 2021 wurde vom Finanzamt Österreich die Auszahlung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) an die Bf für ***K*** eingestellt, seither wird für ***K*** keine Familienbeihilfe mehr ausbezahlt; ein neuer Antrag auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) der Bf ist nicht aktenkundig.
2. Beweiswürdigung
Dass sich der Gesundheitszustand von ***K*** im streitgegenständlichen Zeitraum (und bereits davor) stetig verschlechtert hat, weshalb dem Abspruch über Zeiträume ab Mai 2020 nicht die Rechtskraft des Abweisungsbescheides vom entgegensteht, ergibt sich aus dem Parteienvorbringen, dem offenbar seitens der belangten Behörde gefolgt wird (da sie den Antrag der Bf vom sonst - mangels Änderung der Sachlage - wohl insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Zeiträume von Oktober 2016 bis April 2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hätte). Die Verschlechterung kommt auch in den von der Bf vorgelegten Befunden (zB von Dr. ***L***) zum Ausdruck, in denen etwa davon die Rede ist, dass ***K*** seit mindestens März 2019 aufgrund ihrer Symptome in ihrem Studienfortschritt eingeschränkt ist (Anmerkung: Seit März 2019 ist ***K*** auch laufend in Behandlung bei Dr. ***L***; im vorgelegten Befund vom spricht Dr. ***L*** im Vergleich zum Befundbericht vom nicht mehr von Zwangsgedanken und Schlafstörungen, sondern von starken und massiven Zwangsgedanken und häufigen Schlafstörungen; laut Befundbericht vom von Dr. ***L*** sei die Medikation auf Grund zunehmender Symptomatik gesteigert worden.). Im Februar 2022 hat sich die Bf offenbar dazu veranlasst gesehen, ***K*** psychologisch testen zu lassen (siehe das Gutachten von Frau Mag. ***P***, wonach sich bei ***K*** eine ausgeprägte Zwangsstörung zeige; vgl auch die SMS-Bescheinigung vom März 2022, wonach ***K*** bei der Untersuchung gesagt habe, sie möchte bekannt geben, dass sich ihr Zustand verschlechtert habe.). Seit Februar 2022 befindet sich ***K*** regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung bei der Psychotherapeutin ***G*** M.A. Im November 2022 hält Dr. ***L*** in seinem Befundbericht fest, dass die Zwangsgedanken schlimmer geworden seien. Im November 2022 und Dezember 2023 wurde ***K*** erneut psychologisch getestet (siehe die Gutachten von Mag. Dr. ***O***; im November 2022 diagnostizierte Mag. Dr. ***O*** zusätzlich eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode, im Dezember 2023 spricht Mag. Dr. ***O*** bereits von einer hochgradig ausgeprägten depressiven Episode). Im November 2022 wurde ***K*** letztlich auch vom Sozialministeriumservice ein Grad der Behinderung von 40% (seit 11/2022) und im März 2024 ein Grad der Behinderung von 50% (seit 12/2023) bescheinigt.
Im Übrigen gründet sich der festgestellte Sachverhalt auf im Zentralen Melderegister durchgeführte Abfragen, auf eine Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichtes in den hier betroffenen, beim Finanzamt Österreich geführten Familienbeihilfenakt sowie die Bescheinigungen des Sozialministeriumservice und die dem zu Grunde liegenden ärztlichen Sachverständigengutachten vom September 2016, vom November 2022 sowie vom März 2024, die nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes als schlüssig, vollständig und unwidersprüchlich einzustufen sind:
Nach einer persönlichen Untersuchung von ***K*** am in der Landesstelle des Sozialministeriumservice durch eine Fachärztin für Neurologie wurde ***K*** unter Berücksichtigung der dem Sozialministeriumservice vorliegenden Befunde ab September 2016 ein Grad der Behinderung von 30% bescheinigt. Gegenüber dem Vorgutachten aus dem Jahr 2008 (damals Grad der Behinderung 50%) habe sich eine Besserung ergeben, da ***K*** unter Medikation stabil sei. Im März und im November 2022 wurde ***K*** erneut in der Landesstelle des Sozialministeriumservice untersucht (von einer Allgemeinmedizinerin sowie von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie); ein gegenüber den Vorgutachten erhöhter Behinderungsgrad (nämlich 40%) wurde erst mit November 2022 festgestellt und zwar auf Basis des dem Sozialministeriumservice vorliegenden testpsychologischen Gutachtens von Mag. Dr. ***O*** vom , wonach ***K*** unter dem Asperger-Syndrom sowie einer mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode leide. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist ***K*** erst mit Dezember 2023 bescheinigt worden (siehe das SMS-Gutachten vom , dazu weiter unten). Eine Unschlüssigkeit liegt nicht vor. Es haben sämtliche bis dahin von der Bf vorgelegte Befunde (die auch im Beschwerdeverfahren ins Treffen geführt worden sind) Berücksichtigung gefunden (auch die von der Bf im SMS-Gutachten vom März 2022 vermissten Umstände, dass ***K*** laut ärztlichem Befund von Dr. ***L*** mindestens seit März 2019 in ihrem Studienfortschritt eingeschränkt ist oder dass bei ***K*** starke Zwangsgedanken vorliegen und eine zunehmende Symptomatik, siehe das SMS-Gutachten vom November 2022, Punkt Zusammenfassung relevanter Befunde). Dass die Vorgutachten aus dem Jahr 2003 und 2008 nicht erwähnt worden sind, begründet keine Unvollständigkeit; die in den Jahren 2003 und 2008 erstatteten Gutachten (***K*** war damals 7 bzw 12 Jahre alt) lassen keine Rückschlüsse auf die aktuelle Situation zu. Relevante Widersprüche sind nicht erkennbar. Wenn die Bf vorbringt, am ehesten träfen bei ***K*** die Positionen (Störungen mittleren Grades) und (Persönlichkeits-Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen) der Einschätzungsverordnung zu, ist ihr zu entgegnen, dass die Einschätzung von Gesetzes wegen den Ärzten des Sozialministeriumservice obliegt, es steht den Betroffenen zwar offen, dieser (durch Vorlage von Privatgutachten) auf selber fachlicher Ebene entgegenzutreten, dies ist aber nicht erfolgt. Mit dem Vorbringen, wonach die ***K*** seit geraumer Zeit betreuenden Therapeuten und Ärzte das Leiden von ***K*** (so wie sie selbst und die Bf) unter Position der Einschätzungsverordnung einstufen, zeigt die Bf keine Unschlüssigkeit auf. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf Positionen der Einschätzungsverordnung ist soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich in den vorgelegten fachärztlichen und psychologischen Befunden nicht erfolgt.
Nach dem SMS-Gutachten vom liegt bei ***K*** seit 12/2023 eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor (Grad der Behinderung ab 12/2023 50%, Einstufung nunmehr wie von der Bf in ihrer Beschwerde vom April 2022 bereits angeregt unter Position der Einschätzungsverordnung). In dem Gutachten wurden sämtliche von der Bf vorgelegte Befunde (auch die Sachverständigengutachten aus 2003 und 2008) verarbeitet; der Befund wurde von einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie erstellt, die ***K*** am persönlich untersuchte. Wenn aufgrund des vorgelegten Gutachtens von Mag. Dr. ***O*** vom , in dem davon die Rede ist, dass ***K*** nunmehr (im Vergleich zum Vorgutachten von Mag. Dr. ***O*** vom November 2022) eine depressive Episode hochgradiger Ausprägung aufweist und eine psychische Belastbarkeit und zumutbarer Zeitdruck "in Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit" derzeit bei ihr unzureichend gegeben ist, die Schlussfolgerung getroffen wird, dass die voraussichtlich dauerhafte Erwerbsunfähigkeit ab dieser testpsychologisch verifizierten Verschlechterung, demnach rückwirkend, vorliegt, kann dies nicht als unschlüssig angesehen werden. Frühere Befunde, die auf eine bereits vor 12/2023 eingetretene Erwerbsunfähigkeit bei ***K*** schließen lassen, liegen nicht vor, somit ist das Gutachten vom auch insoweit mit den Vorgutachten in Einklang zu bringen, in denen noch nicht von einer voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit bei ***K*** ausgegangen worden ist; offenbar hat sich die Befindlichkeit von ***K*** zunehmend verschlechtert; im November 2022 sprach Mag. Dr. ***O*** in ihrem testpsychologischen Gutachten (das auch vom SMS im Gutachten vom November 2022 berücksichtigt wurde) noch nicht davon, dass ***K*** arbeitsunfähig sei; sie ging vielmehr davon aus, dass sich Konzentrationsleistung, Reaktionsgeschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit, Merkfähigkeit und Daueraufmerksamkeit als durchschnittlich und überdurchschnittlich abbilden, bei einem überdurchschnittlichen intellektuellen Ausgangsniveau; dies lässt den Schluss zu, dass die festgestellten Leiden (noch) zu keiner maßgeblichen Beeinträchtigung der genannten Faktoren führten und (noch) keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit gegeben war (siehe das SMS-Gutachten vom November 2022).
Bei dieser Sachlage ist das Bundesfinanzgericht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, die Gutachten als mängelfreie Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde zu legen (siehe zB Ro 2014/16/0053, 2009/16/0307 und 2009/16/0310 mwN).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 8 FLAG 1967 bestimmt auszugsweise:
"[…]
Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.
(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich […].
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, […] um
[…].
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]"
Nach dem festgestellten Sachverhalt liegen die im gegenständlichen Fall tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 8 FLAG 1967 für den Bezug des Erhöhungsbetrages im hier gegenständlichen Zeitraum nicht vor. In den Monaten Mai 2020 bis September 2021 (Anmerkung: Die Bf hat in diesem Zeitraum für ihre Tochter ***K*** noch den Grundbetrag zur Familienbeihilfe bezogen.) wies ***K*** keine Behinderung auf, die einen Grad von mindestens 50% erreicht; ***K*** war auch nicht erwerbsunfähig. Ab Oktober 2021 hat die belangte Behörde die Auszahlung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) an die Bf eingestellt, da in Bezug auf ***K*** kein in § 2 Abs 1 FLAG 1967 vorgesehener Tatbestand mehr als erfüllt erachtet wird (auch nicht § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967, wonach Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauerhaft außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen; ***K*** wird erst seit Dezember 2023 als voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig eingestuft; ***K*** war im Dezember 2023 bereits 27 Jahre alt). Einen (neuen) Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) hat die Bf nicht gestellt.Der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung darf nur zusätzlich zur Familienbeihilfe (Grundbetrag) gewährt werden. Für den Zeitraum ab Oktober 2021 war die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages für ***K*** schon aus diesem Grund nicht in Betracht zu ziehen (vgl RV/1100222/2023 oder schon RV/2100145/2017).
Es war daher spruchgemäß zu befinden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall nicht zu klären. Die Bindungswirkung schlüssiger Gutachten des Sozialministeriumservice entspricht der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Frage, ob in einem konkreten Fall die vorliegenden Gutachten schlüssig sind, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Prüfung der Schlüssigkeit solcher Gutachten ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Es war daher nach § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7101886.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
GAAAF-79647