Naturalwohnungen - mangelnde Begründung für die Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe (Haftung LSt)
Revision eingebracht (Amtsrevision).
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Gabriele Krafft, die Richterin Dr. Monika Kofler sowie die fachkundigen Laienrichter Julia Wegerer und Mag. Jörg Kargl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, und beigetretene Personen - laut ***B1*** Beilage 1 Liste der beigetretenen Personen - über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 nunmehr Finanzamt Österreich vom betreffend Haftungsbescheide Lohnsteuer 2010 bis 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** am in Anwesenheit der Schriftführerin Andrea Moravec zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Hinsichtlich des Verfahrensganges und das wechselseitige Vorbringen wird auf das in dieser Beschwerdesache zuvor ergangene und vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom , Ra 2023/13/0074 aufgehobene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom , RV/7103469/2020 verwiesen.
Nach Aufhebung des Erkenntnisses vom , RV/7103469/2020 durch den VwGH verzichteten das ***Bf1*** (***B1***) und die beigetretenen Personen auf die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Im Bereich des ***B1*** (Hauptbeschwerdeführende Partei, HbfP) werden Bediensteten Naturalwohnung zur Verfügung gestellt. Die Wohnungen stehen teils im Eigentum des ***B1*** oder werden mittels langfristiger Verträge angemietet und sind unterschiedlichen Wohnungskategorien zuzuordnen. Vermieter sind unterschiedliche natürliche und juristische Personen, darunter eine große Anzahl von Wohnbaugenossenschaften. Die Wohnungen werden den Bediensteten mit Bescheid zugewiesen. Die Wohnungsnutzer haben dafür nach § 24 ff GehG ein "angemessenes Entgelt" an das ***B1*** zu leisten und sämtliche Betriebskosten zu ersetzen.
Für Naturalwohnungen, deren Vergabe, Berechnung der zu leistenden Vergütung und Behandlung im Rahmen der Lohn- und Gehaltsverrechnung im Bund und damit auch im Bereich des ***B1*** sind die Bestimmungen des Erlasses des BKA vom , GZ 923.101/35-11/2/86, "Dienst- und Naturalwohnungen, Durchführungsbestimmungen" zu beachten.
Zur Administration der Naturalwohnungen verwendete das ***B1*** seit 1985 eine Wohnungsdatenbank (WOHNIS I). WOHNIS I wurde ab 1999 von der Weiterentwicklung "WOHNIS II" abgelöst. Die Datei erfasst alle Daten zu sämtlichen Wohnungen (Adresse, Größe, Vermieter, Wohnungsqualität nach Kategorie, die gezahlte Miete und die Betriebskosten) und zu den Wohnungsnutzern (SVNR, Dienststelle, Dienstgrad bzw. Amtstitel, Personenstand, Nutzungsübernahme, zu zahlende Grundvergütung und Betriebskosten).
Die Naturalwohnungen wurden bis Ende 2018 im ***B1*** nicht als Sachbezug behandelt und/oder versteuert, weil nach Rechtsansicht des ***B1*** aufgrund § 24ff GehG eine angemessene Vergütung zu leisten ist, weshalb kein Vorteil aus dem Dienstverhältnis vorliegen könne und der mit dem BMF abgestimmte Erlass des BKA vom , GZ 923.101/35-11/2/86 einen Sachbezug ausdrücklich ausschließt.
Unter Punkt "D Wohnraumbewertung, Berücksichtigung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer" des genannten Erlasses wird zunächst unter Punkt 1. die Benützung von echten Dienstwohnungen unter Beachtung der Sachbezugswerte anhand diverser Berechnungsbeispiele ausführlich dargelegt.
Punkt 2. lautet wörtlich:
2. Für die Benützer von Natural- und "unechten" Dienstwohnungen findet die Hinzurechnung des Wohnraumwertes bei der Ermittlung der o.a. Bemessungsgrundlagen nicht statt.
Aus dem Erlass des BKA vom , GZ 923.101/35-11/2/86 "Dienst- und Naturalwohnungen, Durchführungsbestimmungen" ist aus dem Verteiler und dem Text eindeutig ableitbar, dass der Inhalt des Erlasses mit der zuständigen Fachabteilung für Lohnsteuer im BMF (damals Abteilung IV/7) abgestimmt war. Derartige Abstimmungen eines ressortübergreifenden Erlasstextes - der alle verwaltungsinternen Stellen der jeweils betroffenen Ressorts einbindet - ist erfahrungsgemäß ein Vorgang der zumindest mehrere Wochen und zahlreiche Abstimmungssitzungen erfordert. Es ist daher davon auszugehen, dass der endgültige und hier vorliegende Erlasstext die Rechtsansicht des BMF, vertreten durch die zuständige Fachabteilung Lohnsteuer, zur steuerlichen Behandlung von Naturalwohnungen wiedergibt. Dabei ist aufgrund der komplexen Berechnungen und inhaltlichen Ausführungen zusätzlich davon auszugehen ist, dass der genannten Punkt D zur Gänze von der zuständigen Fachabteilung im BMF verfasst wurde. Dem BMF kann nicht unterstellt werden, dass bei (Mit-) Verfassung der die das BMF betreffenden Rechtsfragen - nämlich die steuerrechtliche Behandlung - nicht zuvor sämtliche Sachverhalts- und Rechtsgrundlagen umfassend ermittelt und ausführlich besprochen wurden. Ein inhaltlich diesbezüglich geänderter Erlass "Dienst- und Naturalwohnungen, Durchführungsbestimmungen" wurde soweit ersichtlich bis Ende 2015 nicht erlassen.
Auf Seite 35 des genannten Erlasses vom wird zudem darauf verwiesen, dass zur Festsetzung der Höhe der Vergütung für jede einzelne Wohnung die Zustimmung des BMF einzuholen ist. Erst nach Vorliegen dieser Zustimmungen würden die festgesetzten Vergütungsgrößen der zuständigen Dienstbehörde zur Durchführung der weiteren Verfahren bekanntgegeben.
Die HbfP. wurde bereits für die Jahre 2005 bis 2009 einer GPLA unterzogen welche von der Sozialversicherung (WGKK) durchgeführt worden war. Bereits im Rahmen dieser Prüfung waren die Naturalwohnungen Gegenstand der Überprüfungshandlungen. Unterlagen zu dieser Prüfung (Arbeitsbogen, Abschlussbericht oder dgl.) konnten von der belangten Behörde trotz entsprechender Aufforderung nicht vorgelegt werden. In freier Beweiswürdigung der diesbezüglichen Ausführungen der Vertreter der HbfP. und nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen der damaligen Prüfung sämtliche zur Vergabe und weiteren Behandlung der Naturalwohnungen vorhandenen Unterlagen sowie Auswertungen aus der Datenbank WOHNIS II zur Verfügung gestellt worden waren. Bereits im Rahmen dieser Prüfungshandlungen welche die WGKK im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem damals zuständigen Finanzamt durchgeführt hatte ("gemeinsame Prüfung aller Lohnabgaben") wurde daher der im FA zuständigen abgabenfestsetzende Stelle die Vorgehensweise des ***B1*** iZm mit der Behandlung der Naturalwohnungen, nämlich das Nichtansetzen von Sachbezugswerten, offengelegt.
Im Jahr 2013 erfolgte, offensichtlich ausgelöst durch einen kritischen Zeitungsartikel zu den Naturalwohnungen (NEWS 19/13 "Österreichs schönste Sozialwohnungen"), laut Nachschauauftrag vom für den Zeitraum 1/2008 bis 5/2013 eine Nachschau seitens des FA 1/23 durch ein dreiköpfiges Team von Lohnsteuerprüfern. Gegenstand der Überprüfungshandlungen war dabei ausschließlich die Behandlung der Naturalwohnungen im Bereich des ***B1***. Dabei wurden zahlreiche Unterlagen eingesehen. Im Arbeitsbogen finden sich dazu eine Reihe von Unterlagen, die das FA dem Gericht auszugsweise übermittelte. Der Arbeitsbogen selbst stand dem Gericht nicht zur Verfügung. Aus den vorgelegten Unterlagen des Arbeitsbogens der Nachschau ist ersichtlich, dass die Daten aus der Wohnungsdatenbank WOHNIS II den Prüfern im Rahmen der Nachschau zur Verfügung gestellt und als "Wohnungsdatenauszug" im Arbeitsbogen abgelegt wurden.
Dazu ist auch folgender mail-Verkehr im Arbeitsbogen ersichtlich:
Teamleiter der GPLA ***N*** an den damaligen Leiter der Dienststelle:
Bezug: NEWS 19/13 und andere Medien "Österreichs schönste Sozialwohnungen", Bericht über die Wohnung von ***8***. Anzeige vom
Wir (***3***, ***4*** und ich) befassen uns seit geraumer Zeit mit dem Problem Naturalwohnungen/Dienstwohnungen beim *** (Bf). Da erst die nötigen Ansprechpartner gefunden und die Daten ermittelt werden mussten, sowie erst eine Methode der Auswertung des Datenbestandes von uns gefunden werden musste, hat sich das Verfahren über längere Zeit hingezogen. Betonen möchte ich die ausgesprochen gute Zusammenarbeit und das rasche und umfangreiche Auskunftsverhalten der Dienststellen (führend Hr. ***X***, Rossauerkaserne).
Die Daten (es geht um ca. 1900 Einzelobjekte) samt Unterlagen (Erlässe, Gesetzesvorschriften, Dienstanweisungen usw.) liegen uns seit einiger Zeit vor und wurden unsererseits grob ausgewertet. Der Datenbestand umfasst umfangreiche Einzeldaten (ua. Wer ist der Nutzer, wer verwaltet die Wohnung, von wem wird sie angemietet, was zahlt das BM für die Wohnung, was zahlt der Nutzer, Dienststelle, Dienstgrad, Adresse). Die Abrechnung/Berechnung erfolgt detailliert nach Einzelobjekt, wobei aus bisheriger Sicht keine "bevorzugten Gruppen" (im Sinne von Dienstgrad, Truppenzugehörigkeit, Lage der Wohnung usw.) erkennbar sind. Im Wohnungsbestand sind auch Wohnungen der Stiftung.
Nachdem wir nun einen Überblick über obigen Datenbestand haben, haben wir nun Kontakt mit dem im NEWS 19/13 genannten Stiftungsgeschäftsführer ***1*** aufgenommen, um die Wohnungen der Stiftung im Detail anzusehen. Besprechungstermin ist der 19.3.
Die Prüfung (Nachschau) wird in diesem Sinne fortgesetzt. Eventuelle Berichte erfolgen weiter.
***N***
Teamleiter GPLA 1
FA 1/23
CC an MR ***2***, wie gewünscht
Zuständiger Prüfer an Mitarbeiter der Bf am - im Arbeitsbogen bezeichnet als AW Datenauszug WOHNIS II:
Sehr geehrter Herr ***X***!
Danke für die Übermittlung der Daten. Diese haben wir nun analysiert....
Unsere Fragen (aus derzeitiger Sicht):
- Was ist der Grund für den Abschlag? Dieser wirkt sich sowohl negativ als auch positiv aus!
- In vielen Fällen würde der Abschlag zu einem Sachbezug führen können.
- Wird vom Mieter tatsächlich immer nur die Grundvergütung + > BK... bezahlt?
- Zahlt das Ministerium auch einen Teil der Betriebskosten oder trägt diese immer ausschließlich der Mieter?
- Wie läuft der Zahlungsfluss: Zahlung Mieter an BM oder an die Genossenschaft?
- Im Datensatz sind auch Häuser der Stiftung?
Wie sieht es mit den restlichen Daten der Stiftung aus bzw. einem Kontakt?
Mit freundlichen Grüßen
***N***, ***3***, ***4***
Prüfer an Mitarbeiter der HbfP. am :
Sehr geehrter Herr ***X***!
Leider brauche ich noch weitere Hilfe und bitte Sie daher, mir ein paar Beispiele zu erklären:
SVNr (aus der Datei) ***Zahl 1***, ***Zahl 2***, ***Zahl 3***.Die Beispiele wurden ohne bestimmte Absicht gewählt.
Bitte, wie ist der Abschlag begründet/berechnet? Der Abschlag beträgt keine 60% oder 75% oder was auch immer.
Antwort ***X*** an Prüfer am :
1. SV ***Zahl 1*** (Hr. ***5***)
Die Grundvergütung von Hr. ***5*** wird vom Gehalt V/2 mit 0,045% berechnet. Das Gehalt V/2 richtet sich nach dem Gehaltsgesetz und ist im Ressort ein "oft" verwendeter Bezugswert (auch für die Festsetzung der Grundwehrdienergehälter), wird bei jeder Gehaltsanpassung erhöht und verändert sich dementsprechend im Laufe der Nutzung. Bei Hr. ***5*** war diese Regelung zur Festsetzung der Grundvergütung heranzuziehen, da diese bis zum (bis zur 45. Gehaltsgesetz-Novelle) "aktuell" war. Da Hr. W. diese Wohnung schon sehr lange nutzt, fiel dieser unter die beschriebene Festsetzungsvariante. Zusätzlich habe ich Ihnen das Wohnungsblatt von Hr. ***5*** in der Anlage übermittelt. Dort ist ersichtlich, dass Hr. W. die Wohnung seit nutzt. Auf der zweiten Seite sind die historischen Vergütungsdaten ersichtlich. Die Regelung über die Festsetzung der Grundvergütung bleibt so lange bestehen, bis Hr. W. in den Ruhestand Übertritt.
2. SV ***Zahl 2*** (Hr. ***6***)
Hr. Sch. wird nach jener Vorgabe für die Festsetzung der Grundvergütung eingestuft, die vor der aktuellen Regelung gültig war. Dabei wurde die Festsetzung der Grundvergütung von einem Schilling-Mischbetrag abzüglich 25% ermittelt. Der Mischbetrag wurde ermittelt aus der Summe von Mietzins Kategorie A + Kategorie B (alles vorgegebene Richtwerte durch BKA). Die Summe wird dann durch zwei dividiert. Vom Ergebnis werden die 25 % gem GehG abgezogen. Zusätzlich habe ich Ihnen das Wohnungsblatt von Hr. Sch. in der Anlage übermittelt. Hr. Sch. nutzt die Wohnung bereits seit . Die Regelung über die Festsetzung der Grundvergütung bleibt ebenfalls so lange aufrecht, bis dieser in den Ruhestand Übertritt.
3. SV ***Zahl 3*** (Hr. ***7***)
Hr. ***7*** benutzt die Wohnung seit und fällt daher unter die aktuelle Festsetzungsregelung. Da Hr. ***7*** auch KlOP-Soldat ist, wird seine Grundvergütung gemäß der Sonderregelung §112d GehG iVm der Anlage zum Schreiben BKA-GZ 924.570/0001 -II1/2/2012 (siehe Anhang Email vom ). Die Ermittlung richtet sich nach dem gemittelten Richtwert (aktuell: € 5,37) * m2 - 25%. In der Anlage habe ich Ihnen auch das Wohnungsblatt zu Hr. ***7*** beigelegt. Ebenfalls auf Seite 2 ersichtlich sind die historischen Vergütungen.
Weiters darf ich Ihnen eine Statistik über alle Grundvergütungen übermitteln. Darin werden alle Grundvergütungen historisch aufgelistet. Es nicht alle "Varianten der Festsetzung für die Grundvergütung" derzeit gültig, aber ich bin überzeugt, dass man dadurch einen Überblick über die unterschiedlichen "Varianten" erhält.
Im Arbeitsbogen findet sich zudem eine Unterlage des ***B1*** mit dem Titel "Naturalwohnungen Zahlen, Daten, Fakten und Org-Ablauf" mit Stand Oktober 2013 in welcher sich unter anderem folgender Passus findet:
Berechnung der Grundvergütung; Zurzeit 26 verschiedene Berechnungsarten (abhängig vom Datum des Nutzungsbeginnes und des damals gültigen Verrechnungssatzes).
Es folgt sodann die Darstellung der unterschiedlichen Berechnungsarten, sowie folgende Aussage:
Generalmietverträge;
Zurzeit gibt es 106 Generalmietverträge für die ang. NW mit 22 verschiedenen Eigentümern, die großteils mit einer 3-monatigen und einige mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist jederzeit gekündigt werden können. Teilkündigungen einzelner NW sind jedoch vertragsgemäß nicht vorgesehen. Dies führte zu bekannter struktureller Leerstehungsproblematik. 9 Mietverträge sind unkündbar bis 2024 bzw. bis 2037, 2040, 2041, 2046 und 2048. Ein Mietvertrag wurde mit der BIG abgeschlossen, die zum Großteil die Naturalwohnungen an weitere Eigentümer verkauft hat. Von diesen Eigentümern hat das *** (Bf) keine eigenen Mietverträge, sohin gilt der BIG-Mietvertrag weiterhin. Die Anzahl, der Eigentümer ist dadurch auf derzeit ca. 80 und der Verwaltungsaufwand enorm gestiegen.
Mit E-Mail vom teilte ein Prüfer des GPLA -Teams (Herr ***4***) dem zuständigen Mitarbeiter des ***B1*** (***X***) wie folgt mit (das Schreiben ging in CC an den Teamleiter und eine weitere Person des zuständigen GPLA Teams):
Ich möchte Ihnen kurz mitteilen, dass die Nachschau beim BMFLV beendet ist. Aus dem dargestellten Sachverhalt (Wohnungen) ergeben sich für die Finanzverwaltung keine weiteren Veranlassungen. Es wird unsererseits ein Aktenvermerk (für etwaige zukünftige Veranlassungen) angelegt. Sollte es noch Feststellungen oder Einwände ihrerseits geben, bitte ich Sie mir dies mitzuteilen.
……
Aus den Unterlagen des Arbeitsbogens der Nachschau, durchgeführt unter der Leitung des zuständigen Teamleiters der GPLA des damals zuständigen Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr FAÖ DS Wien 1/23) ist ersichtlich, dass der zuständigen abgabenfestsetzenden Stelle jedenfalls seit 2013 vollumfänglich bekannt war, wie und nach welchen Kriterien die HbfP. die von den betroffenen Dienstnehmern zu leistende Abgeltung für Naturalwohnungen im Detail berechnet und dass die HbfP. für die streitgegenständlichen Naturalwohnungen keinen Sachbezugswert ansetzt. Die HbfP. hat nicht nur sämtliche Berechnungsparameter im Rahmen der Nachschau betreffend 2008 bis 5/2013 offengelegt sondern auch die Rechtsansicht begründet und auf die jeweiligen von ihr angewendeten Rechtsgrundlagen verwiesen.
Die für die Abgabenfestsetzung zuständige Stelle teilte zudem der HbfP. mittels E-Mail mit, dass bei gleichbleibendem Sachverhalt aus der Sicht das FA keine Veranlassungen aus diesem Grund erfolgen würden. Die HbfP. konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das FA ihre Rechtsmeinung teilte und ihr Vorgehen - nämlich Nichtansatz eines Sachbezugswertes für die Naturalwohnungen - zutreffend und daher auch für die Zukunft nicht zu ändern war.
Beginnend mit wurde bei der HbfP. - ausgelöst durch einen Bericht des Rechnungshofs (RH) zu "Wohnungen im Bereich des *** (Bf)" vom August 2017 (Punkt 10.1.¸11.1. und 11.3. des RH-Berichts) - eine GPLA Prüfung für 2010-2015 durchgeführt. Die Prüfer laut Prüfungsauftrag vom waren Frau ***9***, Herr ***4*** und Herr ***3*** (somit waren zwei der drei Prüfer ident mit jenen der Nachschau).
Unter 11.1. im RH Bericht wird wörtlich ausgeführt:
Aufgrund fehlerhafter Berechnungen des ***B1*** bei drei stichprobenartig ausgewählten Fällen kam das FA zum Ergebnis, dass die Vergütungen, welche die Bediensteten zu entrichten hatten, den Kosten des ***B1*** entsprachen, weshalb kein geldwerter Vorteil vorgelegen sei, der zu versteuern gewesen wäre.
Der angenommene Berechnungsfehler der zur Fehlbeurteilung des FA geführt haben soll, kann nicht erkannt werden. Worin diese Berechnungsfehler gelegen wäre, wird weder im Rechnungshofbericht noch in den Ausführungen des FA dargestellt, ist für das Gericht nicht ersichtlich und wurde auch von der belangten Behörde nicht aufgeklärt.
Im RH-Bericht findet sich weiters unter 11.3 (2) folgende Aussage:
Laut Stellungnahme des BMF habe sich das zuständige Finanzamt der Meinung des RH angeschlossen. Das ***B1*** sei bereits auf den Prüfungsplan für eine GPLA gesetzt worden. Für die Jahre ab 2010 sei ein entsprechender Prüfungsauftrag ergangen.
Aus dieser Formulierung ist ersichtlich, dass die belangte Behörde offensichtlich über Anregung/Weisung des BMF tätig wurde. Das BMF und damit die belangte Behörde gingen damit von der im Erlasswege ausgedrückten Rechtsansicht des BMF in der konkreten Themenstellung der Naturalwohnungsbehandlung ab. Mit der hier gegenständlichen GPLA sollte diese nunmehr als unrichtig gewertete Erlassansicht nicht nur für zukünftige Zeiträume, sondern für alle Ende 2016 (Beginn der Prüfung) noch nicht verjährten Jahre korrigiert werden.
Die im Rahmen der beschwerdegegenständlichen GPLA für 2010 - 2015 zur Verfügung gestellten Auswertungen aus WOHNIS II deckten sich mit jenen Auswertungen die im Rahmen der Nachschau zur Verfügung gestellt worden waren, wurden aber um zwei Informationen ergänzt nämlich die Darstellung der Wohnungskategorie und die Zuordnung der Wohnungsnutzer zu den jeweiligen Dienstgeberkonten für Lohnabgaben die damals im Ressort bestanden. Zudem wurden für den Nachschauzeitraum 2008 bis 5/2013 über Wunsch der Nachschauorgane nur die Daten für 2013 aufbereitet.
Wird das ***B1*** im Haftungsweg zur Zahlung von Lohnsteuernachforderungen herangezogen besteht die Verpflichtung diese Beträge im Regresswege bei den Bediensteten rückzufordern. Die Rückforderung stellt dabei keinen Übergenuss dar, sondern ist im Einzelfall im Klagswege einbringlich zu machen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich Großteils aus den vorgelegten Akten, Unterlagen und dem Bericht des Rechnungshofes zu "Wohnungen im Bereich des *** (Bf)" sowie insbesondere aus den Auszügen aus dem Arbeitsbogen der Nachschau.
Die Feststellungen zum Inhalt der WOHNIS II und den im Rahmen der Nachschau 2008-5/2013 und der GPLA Prüfung 2010-2015 zur Verfügung gestellten Unterlagen und Auswertungen ergeben sich aus den glaubwürdigen Ausführungen von MinR ***X*** welche sich mit den Darstellungen der belangten Behörde und den vorgelegten Unterlagen decken.
Die Aussagen zum "Berechnungsfehler" der HbfP. die eine Fehleinschätzung des FA ausgelöst habe, ergeben sich aus dem zitieren RH-Bericht. Das FA machte trotz entsprechender Aufforderung zur genauen Darlegung der neuen Tatsachen bzw. Beweismittel keine Angaben, worin der Berechnungsfehler bei den oben zitierten Antworten zu den ausgewählten Stichproben gelegen wäre. Im Gegenteil ist aus dem mail-Verkehr im Arbeitsbogen der Nachschau ersichtlich, dass die Berechnungen durch übermittelte zusätzliche Unterlagen untermauert und bereits 2014 erklärt worden waren. Nach Ansicht des Gerichts liegt auch kein Berechnungsfehler vor, sondern verrechnete das ***B1*** die entstandenen Kosten entsprechend den einschlägigen Bestimmungen (§ 24a GehG, Erlass des BKA) an die Wohnungsnutzer weiter.
Die Feststellung, dass bereits 2005-2009 eine GPLA-Prüfung stattgefunden hat ist unstrittig. Dass dabei die Naturalwohnungen Prüfungsgegenstand waren, ergibt sich aus den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen von Vertretern des ***B1*** und entspricht bei der gegebenen Sachlage auch den Erfahrungen des täglichen Lebens. Dabei ist nachgerade zwingend davon auszugehen, dass auch im Rahmen dieser Prüfung sämtliche bezughabenden Unterlagen und Datenbankauswertungen zur Verfügung gestellt wurden. Die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter des ***B1*** im Rahmen von Prüfungshandlungen wurde vom Nachschauteam ausdrücklich hervorgehoben. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass das in der Vorprüfung nicht so gewesen wäre.
Die Feststellungen zur Erarbeitung eines interministeriellen Erlasses entsprechen der diesbezüglichen Lebenserfahrung und resultieren aus den einschlägigen beruflichen Vorerfahrungen der vorsitzenden Richterin.
Die Regressverpflichtung der HbfP. gegenüber den Mitarbeitern wurde den glaubwürdigen Ausführungen der zuständigen Sachbearbeiter im ***B1*** entnommen und deckt sich mit diesbezüglicher Judikatur und einschlägigen Rechtsvorschriften:
Wird das ***B1*** im Haftungswege zur Zahlung einer Lohnsteuernachforderung verpflichtet übernimmt es eine fremde Schuld iSd § 1358 ABGB und ist befugt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern ( 14 OB A80/87). Die zivilrechtliche Qualifikation dieses Anspruches besteht unabhängig davon, ob das zugrundeliegende Dienstverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlichen Charakter hat.
Nach § 72 BHG 2013 hat das zuständige Organ eine irrtümlich erbrachte Leistung des Bundes, zurückzufordern.
Gemäß § 74 BHG 2013 kann der Bund nur aufgrund von Einzelfallprüfungen auf Forderungen gegenüber den Bediensteten verzichten. Wenn der Bedienstete der Rückforderung nicht zustimmt, so hat der Arbeitgeber (Bund) eine Klage gegenüber seinen Bediensteten bei einem ordentlichen Gericht einzubringen ( A7/96-B2844/95).
Bei der Forderung des ***B1*** gegenüber den Bediensteten liegt bei der Bezahlung der Lohnsteuer im Haftungswege und bei späterer Rückforderung kein Übergenuss nach § 13a GehG vor. Damit kann die Forderung des Bundes gegenüber den Bediensteten auch nicht im Aufrechnungswege hereingebracht werden (). Die Rückforderung hat sohin im Zivilrechtsweg durch Einzelklagen der jeweiligen Bediensteten zu erfolgen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).
Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1988 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 auszahlt.
Gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Nach § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an das Finanzamt abzuführen.
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im steuerrechtlichen Sinn zieht - §§ 78 Abs. 1 und 79 Abs. 1 EStG 1988 zufolge - zwangsläufig die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber nach sich. Die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber ist in diesem Fall die vom Gesetz angeordnete Erhebungsform der Einkommensteuer. Kommt ein Arbeitgeber seinen Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer nicht nach, so ist der Arbeitgeber mit Haftungsbescheid (§ 82 EStG 1988) zur Entrichtung der Lohnsteuer heranzuziehen.
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an, kann nach Maßgabe des § 201 Abs. 2 BAO von Amts wegen eine Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist (§ 201 Abs. 1 BAO). Die Festsetzung kann gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wurde oder bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.
§ 202 Abs 1 BAO zufolge gilt § 201 BAO sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt.
Die Wiederaufnahmevoraussetzungen sind - über den Verweis in § 201 Abs 2 Z 3 BAO - auch für (Neu-)Festsetzungen von Selbstbemessungsabgaben anwendbar. Auch in diesem Fall muss daher das FA bei einer amtswegigen Neufestsetzung festlegen, welchen Tatsachenkomplex es seinem Bescheid als Rechtfertigung der Neufestsetzung zugrunde legt. Er bildet die "Sache" des Verfahrens ().
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Tatsachen oder Beweismittel müssen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existiert haben, sind aber erst danach hervorgekommen (). Entscheidend ist im Fall einer amtswegigen Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO und entsprechenden Bescheiden nach § 303 BAO somit, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts herangezogen wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind ().
Maßgebend ist beim Neuerungstatbestand, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger bzw. anderer rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können.
Keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215).
Es ist nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (). Zudem hat die Behörde hat ihre Ermessensübung zu begründen (; , 95/13/0136; , 94/15/0085).
Im gegebenen Fall steht jedenfalls fest, dass der Abgabenbehörde bereits aufgrund der GPLA Prüfung der Jahre 2005 bis 2009 - durchgeführt im Auftrag und im Einvernehmen mit der abgabenfestsetzenden Stelle im FA durch die WGKK - bekannt war, dass die HbfP. an ihre Bediensteten Naturalwohnungen überlässt und dafür keinen steuerpflichtigen Sachbezug ansetzt. Es ist dem FA seit diesem Zeitpunkt auch bekannt, warum das so gehandhabt wird. Die HbfP. vertritt dazu die Rechtsansicht, dass § 24 ff GehG gesetzlich normiert wie in derartigen Fällen vorzugehen ist und daher in diesen Fällen wegen der gesetzlichen Festlegung der Angemessenheit der Vergütung für einen steuerlichen Sachbezug kein Raum bleibt. Diese Rechtsansicht des ***B1*** ist auch im Erlass des BKA , "Dienst- und Naturalwohnungen, Durchführungsbestimmungen" begründet.
Neuerlich mehrfach besprochen und gegenüber den Nachschauorganen dargestellt wurde diese Rechtsansicht der HbfP. im Rahmen des Nachschauverfahrens. Die bekannt gegebene Rechtsansicht - die überdies vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Erkenntnissen vom , L501 2223004-1/2E und L501 2223004-6/2E betreffend die Behandlung der Naturalwohnungen im Rahmen der Berechnung der Sozialversicherung bestätigt wurde - führte dazu, dass die Nachschau keine weitere Veranlassung seitens des FA auslöste. Im Gegenteil, Herr ***4*** welcher als Mitglied des Nachschauteams für das zuständigen FA an allen Besprechungen teilgenommen hatte, teilte dem ***B1*** am ausdrücklich mit, dass keine Veranlassung zu erfolgen hätten und für allfällige zukünftige Verfahren ein entsprechender Aktenvermerk erstellt werde. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass Herr ***4*** auch Prüfer im Rahmen des beschwerdegegenständlichen Prüfungsverfahren war.
Aus dieser Mitteilung ist für Dritte und für die HbfP. eindeutig ableitbar, dass die im FA zuständige abgabenfestsetzende Stelle zumindest bis 2015 die Rechtsansicht der HbfP. zur Behandlung der Naturalwohnungen teilte. Das lässt sich auch den Aussagen im Punkt 11.3 (2) des RH Berichts ableiten, wo ausgeführt wird, das FA habe sich der "Meinung des RH angeschlossen".
Bei unveränderter Tatsachenlage lassen sich im Wege einer Wiederaufnahme die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung nicht beseitigen ( 3143, 3144/80; , 2006/13/0107). Im gegebenen Fall war sowohl dem FA als auch dem BMF seit vielen Jahren - zumindest aber seit 2009 - bekannt, dass seit Jahrzehnten kein Ansatz von Sachbezugswerten bei Naturalwohnungen im ***B1*** erfolgte. Diese Vorgehensweise war aufgrund eines interministeriell abgestimmten Erlasses bereits 1987 für ebendiese Fälle bei voller Kenntnis der Tatsachenlage vom BMF so festgelegt worden.
Das FA führt zutreffend aus, dass Verordnungen zwingend anzuwenden seien. Diese Aussage trifft grundsätzlich zu, es ist aber zu beachten, dass Vorgängerregelungen zur derzeit geltenden Sachbezugswerte-VO bestehen. Bereits im Geltungsbereich des EStG 1972 wurden die Sachbezugswerte regelmäßig durch Verordnungen der Finanzlandesdirektionen festgelegt und im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung (AöFV) veröffentlicht . Eine bundesweite Regelung der Sachbezugswerte erfolgte mit , Z 07 0602/6-IV/7/86, AöFV Nr. 213/1986. Dem Text dieser Regelungen ist zu entnehmen, dass die Erlassbestimmungen zwingend und bundesweit anzuwenden waren und nicht bloß eine (einzelfallbezogene bzw. unpräjudizielle) Auslegung zu § 15 EStG darstellten.
Ob einem generellen Verwaltungsakt Verordnungscharakter zukommt, richtet sich nach seinem Inhalt: Ein als Rundschreiben, Erlass, Richtlinie oä bezeichneter Verwaltungsakt ist als Verordnung zu qualifizieren, wenn er sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes erschöpft, sondern das Gesetz bindend auslegt (Grabenwarter/Frank, B-VG Kommentar Art 139 Tz 2; VfSlg 5905/1969; 13.632/1993). Verordnungscharakter haben derartige Bestimmungen dann, wenn sie imperative Formulierungen und allgemein verbindliche Anordnungen für die Rechtsunterworfenen enthalten ().
Nach dieser Judikatur des VfGH stellt ein Erlass der die Sachbezugswerte bundesweit einheitlich regelt - schon vor der erstmalige Erlassung einer bundesweiten SachbezugswerteVO im Jahr 1992 (BGBl Nr. 642/1992) - seinem eigentlichen Charakter nach eine Verordnung (Rechtsverordnung) dar. Die Tatsache, dass die danach erlassene bundesweite SachbezugswerteVO BGBl Nr. 642/1992 sprachlich und inhaltlich dem , AöFV Nr. 213/1986 entspricht, untermauert diese Einstufung.
Daher war der zum Zeitpunkt der Verfassung des Erlasses des BKA , GZ 923.101/35-11/2/86 ebenso wie die zum Zeitpunkt der GPLA in Geltung befindliche SachbezugswerteVO BGBl. II 416/2001 idF BGBl. II Nr. 366/2012 zwingend anzuwenden.
Im Lichte dieser Rechtssprechung des VfGH sind sowohl der zur Festlegung der Sachbezugswerte als auch der Erlass des BKA vom zur Regelung der Dienst- und Naturalwohnungen ("Dienst- und Naturalwohnungen, Durchführungsbestimmungen") als Rechtsverordnung anzusehen. Wenn man dabei beachtet, dass in dem als Rechtsverordnung einzustufenden Erlass des BKA die (wohl gemeint: jeweils gültige) Rechtsverordnung des BMF betreffend die Sachbezugswerte ausdrücklich als nicht anwendbar bezeichnet wird, stellt erstere Bestimmung gegenüber letzterer eine Lex Specialis dar. Die Formulierung im Erlass des BKA in Punkt D, Unterpunkt 2. ist dabei nach Ansicht des Senats als dynamischer Verweis anzusehen.
Der HbfP. ist daher zuzustimmen, dass die nunmehrige Festsetzung aus einer Änderung der Rechtsansicht des FA nach allfälliger vorheriger Fehlbeurteilung abgeleitet ist und daher schon aus diesem Grund keine neue Tatsache vorliegt, die eine Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO rechtfertigt (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215).
Wollte man aber dem FA folgen und in der gegebenen Vorgehensweise keine Änderung der Rechtsansicht erblicken, stellt sich zunächst die Frage, welcher konkrete Tatbestand des § 201 BAO angewendet wurde bzw. ob und wann ja welche neuen Tatsachen oder Beweismittel vorlagen.
Sache einer Festsetzung nach § 201 BAO ist nicht nur die konkrete Festsetzung der konkreten Abgabe gem. § 198 BAO, sondern auch der jeweils konkrete herangezogene Tatbestand des § 201 BAO (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 102 Rz 21).
Gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 kann eine Festsetzung erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme vorliegen würden.
Weder im Bericht noch in den übrigen Unterlagen (Niederschrift) auf die der Bericht verweist finden sich klare Aussagen darüber welcher der beiden Tatbestände des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO herangezogen wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) erfordert § 201 BAO nicht, dass im Spruch angeführt wird auf welchen Tatbestand des § 201 BAO der Bescheid gestützt wird. Der Tatbestand muss aber zumindest aus der Begründung des Bescheides hervorgehen. Eine allenfalls mangelhafte Begründung kann vom Verwaltungsgericht ersetzt werden (, , Ro 2016/16/0004). Es ist aber unzulässig, dass das Verwaltungsgericht oder die belangte Behörde im Rahmen der BVE Gründe für die Wiederaufnahme "nachschiebt" (, 0188).
Im Beschwerdefall verweisen die Festsetzungsbescheide zur Begründung auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung und diese auf eine Beilage. Dieser Beilage sind umfangreiche rechtliche Ausführungen zu entnehmen, an keiner Stelle wird jedoch dargestellt, ob die Festsetzung erfolgte, weil zuvor keiner Lohnsteuerbeträge gemeldet wurden oder ob bzw. welche neue Tatsache(n) oder Beweismittel konkret neu hervorgekommen wären.
Es ist Aufgabe der Abgabenbehörden, die von ihnen verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (). Auf welche neu hervorgekommene Tatsachen das Finanzamt die Wiederaufnahme in einem Fall, in welchem der erstinstanzliche Bescheid in Verweisung auf die über die Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht begründet wurde, gestützt hat, bestimmt sich nach den Angaben in der entsprechenden Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht. Dies setzt jedoch voraus, dass die entsprechenden Tatsachen dort angeführt sind ().
Im hier gegenständlichen Fall kann den Bescheiden bzw. der gesonderten Begründung nicht entnommen werden, ob diese auf § 201 Abs. 2 Z 3 erster Fall BAO oder auf § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO gestützt werden, und liegt insofern auch keine allenfalls mangelhafte Begründung vor, die das Bundesfinanzgericht präzisieren bzw. ergänzen könnte. Auch wenn in der BVE in diesen Punkten ergänzende Ausführung zu finden sind, darf nicht übersehen werden, dass der Erstbescheid bzw. dessen Begründungen den Tatsachenkomplex und damit die "Sache" des Beschwerdverfahrens determinieren.
Es ist dem Bundesfinanzgericht verwehrt, in einem Erkenntnis erstmalig den konkreten Tatbestand des § 201 BAO zu benennen, auf den die Festsetzung gestützt wird.
Gem. § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts im Sinne des. § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist durch die Sache nach § 279 Abs. 1 erster Satz BAO begrenzt (). Unter der Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht ist jene Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruchs des Bescheids der Abgabenbehörde erster Instanz bildet (; , Ra 2020/16/0137).
Das Bundesfinanzgericht darf in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, kein Erkenntnis erlassen, das im Ergebnis einer erstmaligen Erlassung eines Sachbescheides gleichkommt. Ein solches Vorgehen ist als unzulässig anzusehen ().
Entscheidend ist im Fall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO somit, ob und ggf welche für das FA seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des FA dargetan wurden, die als Wiederaufnahmsgrund geeignet sind (). Bedeutsam ist in dem Zusammenhang somit ua, dass das FA seiner erstmaligen Abgabenfestsetzung auch - und mag es durch einen entsprechend konkreten Verweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung sein (; , Ra 2014/15/0058; , 2012/15/0030, sowie , 2012/15/0172) - klar erkennbar einen bestimmten Tatsachenkomplex zu Grunde gelegt hat. Ein Austausch (oder erstmaliger Ansatz) von Wiederaufnahmsgründe durch das Verwaltungsgericht ist - im Gegensatz zur bloßen Ergänzung der Begründung hinsichtlich des vom FA herangezogenen Wiederaufnahmsgrundes - auch im Rahmen des § 201 BAO (aufgrund der "sinngemäßen" Anwendung von § 303 BAO im "Gleichklang" mit diesem) nicht zulässig. Diesfalls wäre der Bescheid aufzuheben.
Auch zum Umstand des Neu-Hervorkommens sind Feststellungen zu treffen (warum/bis wann dem FA die Tatsachen nicht bekannt waren). (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 201 Anm 23).
Der bloße Hinweis auf die Ausführungen in einem BP-Bericht bzw. wie hier auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung ist hinreichend, wenn aus diesem die Wiederaufnahmegründe hervorgehen und Überlegungen zur Ermessensübung angestellt sind. (, 0263).
Weder im Bericht noch in den übrigen Unterlagen (Niederschrift oder Beilage zur Niederschrift) auf die der Bericht verweist, finden sich klare Aussagen welche konkreten Tatsachen oder Beweismittel überhaupt für die Festsetzung herangezogen werden. In der vorliegenden Niederschrift über die Schlussbesprechung wird kein Wiederaufnahmetatbestand genannt, es lässt sich auch nicht explizit auf einen schließen. Insgesamt wird auf die Festsetzungsgründe nur in rechtlicher Hinsicht eingegangen. Es lässt sich bloß erahnen, dass die belangte Behörde von einem Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel ausgeht. Keinesfalls ergibt sich dies jedoch konkret aus dem Text der Beilage zur Niederschrift. Aus dem hier zu beurteilenden Text lässt sich vielmehr ableiten, dass eine neue rechtliche Würdigung eines bereits bekannten Sachverhaltes erfolgte. Ein neu herangezogener Tatsachenkomplex, wie er sich für die Begründung einer Wiederaufnahme aufzeigen muss, kann der Begründung nicht entnommen werden. Schließlich wird dem Abgabepflichtigen auch nicht zu verstehen gegeben, dass die Kenntnis neu hervorgekommener Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es fehlen zudem sämtliche Hinweise zur Ermessensübung.
So führte der VwGH zur Frage der ausreichenden Begründung in seinem Erkenntnis aus:
Die - einzige - Begründung des Bescheids über die amtswegige Wiederaufnahme, es sei im Zuge der Betriebsprüfung festgestellt worden, "dass die an die Arbeitnehmer ausbezahlten Reisekosten (lt Lohnkonto Aufwandsentschädigungen) nicht ordnungsgemäß versteuert bzw verrechnet wurden", legt nicht konkret dar, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sein sollen, die eine Beurteilung gestatten, dass Lohnbezüge nicht ordnungsgemäß versteuert wurden.
Legt man dieses Erkenntnis auf den gegebenen Fall um ist ersichtlich, dass die vorgenommene Festsetzung nicht ausreichend begründet wurde. Die belangte Behörde ist ihrer Aufgabe, die verfügte Festsetzung durch unmissverständliche Hinweise dahingehend zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind, nicht ausreichend nachgekommen (). Eine Sanierung derartiger Begründungsmängel in Wiederaufnahme- bzw. Festsetzungsbescheiden ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens weder durch die Beschwerdevorentscheidung noch durch das Erkenntnis des Verwaltungsgericht möglich ().
Da im Erstbescheid auch sämtliche Aussagen zur Ermessensübung fehlen liegt der Schluss nahe, dass das FA im gegenständlichen Fall gänzlich auf die verfahrensrechtlichen Grundlagen der Festsetzungsbescheide vergessen hat.
Diese Ansicht teilte offensichtlich auch der VwGH in seinem aufhebenden Erkenntnis vom , Ra 2023/13/0074 zumal die im dortigen Verfahren ebenfalls angefochtenen und inhaltlich gleichlautenden Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) iZm der Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrags vom VwGH nicht aufgehoben wurden. Die Aufhebung der Entscheidung des BFG betreffend die Haftungsbescheide Lohnsteuer (LSt) erfolgte lediglich deswegen, weil im aufgehobenen Erkenntnis des BFG keine einheitliche Entscheidung gemäß § 281 Abs. 1 BAO an alle der Beschwerde beigetretenen Personen erlassen worden war, sondern an die einzelnen Beigetretenen jeweils eigene, inhaltlich übereinstimmende, Entscheidungen ergingen (siehe , Rz 51 ff)
Betreffend die nach Ansicht des BFG unrichtige Ermessensübung durch das FA wird ergänzend auf die Ausführungen im - mit Erkenntnis des aufgehobenen - Erkenntnis des verwiesen. Dort wird dargestellt warum auch bei allenfalls ausreichender Darstellung der für die Festsetzung maßgebenden Gründe im gegebenen Fall eine Festsetzung der LSt nicht zu erfolgen hatte.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt hier nicht vor, zumal sich die gegenständliche Entscheidung an der Judikatur des VwGH orientiert. Zunächst ist auf das Erkenntnis des zu verweisen in welchem der Gerichtshof bezogen auf die hier zu entscheidende Beschwerdesache ausdrücklich bestätigt, dass die fehlende Darlegung der neu hervorgekommenen Tatsachen bzw. Beweismittel keiner Korrektur durch das BFG zugänglich ist. Weiters sind insbesondere ; , 96/15/0148; , 2008/15/0215 bzw. zur Frage der Wiederaufnahme bei Änderung der Rechtsansicht bzw. Korrektur unrichtiger rechtlicher Beurteilung zu beachten sowie zur Ermessensübung.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 79 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 78 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 202 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 24ff GehG, Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 47 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 83 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102245.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAF-79643