OGH 09.04.2008, 7Ob73/08y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dagmar I*****, und 2.) Dr. Gottfried I*****, beide vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen 40.880,56 EUR und Räumung, über die außerordentliche Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 147/07w-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine derartige Rechtsfrage zeigen die Revisionswerber nicht auf:
Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0044298; RS0044358). Insbesondere stellt auch die Auslegung eines Vergleichs aufgrund seiner spezifischen Vorgeschichte keine erhebliche Rechtsfrage dar, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (9 Ob 236/00x; 5 Ob 22/06f ua). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Interpretation mit Sprachregeln, allgemeinen Erkenntnissätzen oder gesetzlichen Auslegungsregeln in (unversöhnlichem) Widerspruch steht (vgl 10 Ob 52/07f; 7 Ob 212/07p ua; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 § 502 Rz 86). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein:
Die prozessentscheidende Frage lautet, ob die Beklagte ungeachtet einer von den Streitteilen mit außergerichtlichem Vergleich zur Abgeltung von Schadenersatzansprüchen vereinbarten „Mietfreistellung" den Klägern die diesen vorgeschriebene Umsatzsteuer aus den Hauptmietzinsen zu ersetzen hat. Wie die Vorinstanzen erkannt haben, legt der Wortlaut des Vergleichs die Verneinung dieser Frage nahe. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Vertragsauslegung ist daher zumindest vertretbar. Entgegen der Meinung der Revisionswerber lässt sich auch aus den vorinstanzlichen Feststellungen, dass die Problematik einer Umsatzsteuer betreffend die Hauptmietzinse vor dem Vergleichsabschluss nicht erörtert worden sei und die Kläger nicht vorgehabt hätten, durch den Verzicht auf Hauptmietzinszahlungen der Beklagten etwas zu schenken, die Vereinbarung einer Umsatzsteuerzahlungspflicht der Beklagten keineswegs ableiten.
Der erstmals in der Revision erhobene Vorwurf, die Weigerung der Beklagten, die Umsatzsteuer zu tragen, sei schikanös, weil sie die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen könnte, ist zufolge des Neuerungsverbots des § 504 Abs 2 ZPO unbeachtlich.
Jene oberstgerichtlichen Entscheidungen, in denen ausgesprochen wurde, dass ein Mieter von der Bezahlung der Umsatzsteuer aus den Hauptmietzinsen nur dann befreit sei, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden sei, betrafen keine Fälle, in denen - wie hier - dem Mieter die Bezahlung des Hauptmietzinses erlassen wurde. Keine Rede kann daher davon sein, dass die angefochtene Entscheidung mit dieser oberstgerichtlichen Judikatur zu § 15 Abs 2 MRG (5 Ob 503/91, MietSlg 43.186/6; 6 Ob 588/94, MietSlg 46.263) im Widerspruch stünde.
Besteht demnach keine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der Umsatzsteuer aus den Hauptmietzinsen, kann die Frage der aktiven Klagslegitimation des Zweitklägers dahinstehen. Auch darin kann daher entgegen den Ausführungen der Revisionswerber kein tauglicher Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels erblickt werden.
Da auch die weiteren Ausführungen der Revisionswerber keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen, ist die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dagmar I*****, und 2.) Dr. Gottfried I*****, beide vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen 40.880,56 EUR und Räumung, über den Antrag der Kläger auf Berichtigung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , GZ 7 Ob 73/08y-28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berichtigungsantrag wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten ihres erfolglosen Antrags selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom , AZ 7 Ob 73/08y, hat der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision der Kläger mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. In der Begründung dieses Beschlusses wurde unter anderem ausgeführt, dass der erstmals in der Revision erhobene Vorwurf, die Weigerung der Beklagten, die Umsatzsteuer zu tragen, sei schikanös, weil sie die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen könnte, zufolge des Neuerungsverbots des § 504 Abs 2 ZPO unbeachtlich sei.
Mit am beim Obersten Gerichtshof eingelangtem Schriftsatz beantragten die Kläger, die Entscheidung dahin zu berichtigen, dass die außerordentliche Revision zugelassen und das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts im Sinn einer Klagsstattgebung abgeändert werde. Dass der Einwand der Schikane im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben worden sei, stelle eine aktenwidrige Tatsachenannahme dar. Bei einer rechtlichen Überprüfung des Schikaneeinwands hätte sich ergeben, dass auf Seiten der Beklagten der Tatbestand der Schikane gegeben sei und ein ausdrücklicher zivilrechtlicher Sonder-Rückerstattungsanspruch außerhalb des ABGB für die bezahlte Umsatzsteuer bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Den Antragstellern ist einzuräumen, dass tatsächlich von ihnen in erster Instanz erstattetes entsprechendes Vorbringen übersehen wurde. Dessen ungeachtet hat der erkennende Senat ohnehin auch geprüft, ob eine Zulassung der außerordentlichen Revision im Hinblick auf den Schikanevorwurf in Frage komme. Es wurde erwogen, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Rechtsmissbrauchs (Schikane) von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängt (RIS-Justiz RS0110900), deren Würdigung im Lichte der Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (1 Ob 134/06x mwN ua). In der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Schikaneeinwand der Kläger sei nicht berechtigt, konnte aber keine unvertretbare rechtliche Beurteilung erkannt werden, die mit den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen in Widerspruch stünde: Danach ist Rechtsmissbrauch (Schikane) nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (RIS-Justiz RS0026265). Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (RIS-Justiz RS0026271). Selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch geben zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (4 Ob 233/02x, JBl 2003, 375; 7 Ob 49/07t ua).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war (und ist) der erkennende Senat der Ansicht, dass die Frage eines schikanösen Vorgehens der Beklagten hier keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, wobei die Aufnahme eines entsprechenden Hinweises in die Außenbegründung des Beschlusses - auch im Hinblick auf § 510 Abs 3 ZPO - entbehrlich erschien und daher unterblieben ist.
Da die nun von den Klägern monierte Aktenwidrigkeit für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom nicht von Bedeutung ist, kommt die beantragte „Berichtigung" dieser Entscheidung nicht in Betracht.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2008:0070OB00073.08Y.0409.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-76147