Hauptwohnsitzbefreiung - Bindung an rechtskräftiges Straferkenntnis
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Wiebke Peperkorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Viktor Andreas Michael Igáli-Igálffy, Brühler Straße 63a, 2340 Mödling, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer 2018, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erging an die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018. Darin wurden auch Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen in Höhe von EUR 60.785,91, die dem besonderen Steuersatz von 30% unterliegen, berücksichtigt.
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. am durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde ein. Im Wesentlichen wird diese damit begründet, dass die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 vorliege.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der gesondert ergangenen Begründung, auf die in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen wurde, hielt die belangte Behörde u.a. zusammenfassend fest, dass die Bf. nicht nachweisen oder ausreichend glaubhaft machen konnte, dass sie ihren Hauptwohnsitz im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in der streitgegenständlichen Liegenschaft hatte. Die Voraussetzung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung sei daher nicht erfüllt.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Bf., der am eingebracht wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob die Bf. in Bezug auf die Veräußerung ihrer am erworbenen und am veräußerten Liegenschaft die Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988 geltend machen kann.
Die Bf. ist Ärztin für Allgemeinmedizin und hat ihre Ordination an der Adresse ***Adr A***. Im selben Haus befindet sich eine Wohnung der Bf..
Die Bf. erwarb die Liegenschaft EZ ***1234***, KG ***12345***, ***Adr B***, mit Kaufvertrag vom von Frau ***C*** um den Kaufpreis von EUR 100.000,00. Mit Kaufvertrag vom veräußerte sie diese Liegenschaft an die ***D-GmbH***, FN ***123456***, um den Kaufpreis von EUR 310.000,00.
Im Kaufvertrag vom wurde in Punkt V. festgehalten, dass die Verkäuferseite durch Vorlage entsprechender Meldebestätigungen erklärt, dass eine Befreiung der Immobilienertragsteuer gem. § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 gegeben sei. In der Erklärung des Parteienvertreters nach § 30c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 wurde in der Folge der Befreiungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 angegeben und die Immobilienertragsteuer (im Folgenden: ImmoESt) mit EUR 0,00 erklärt.
Laut ZMR war die Bf. vom bis an der Adresse ***Adr B***, ***PLZ*** mit Hauptwohnsitz gemeldet. Tatsächlich hatte die Bf. dort im angegebenen Zeitraum keinen Hauptwohnsitz.
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des wurde die Bf. schuldig gesprochen, grob fahrlässig durch Inanspruchnahme der nichtzutreffenden Hauptwohnsitzbefreiung unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Immobilienertragsteuer für 1/2018 in der Höhe von EUR 60.785,91 bewirkt zu haben.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellung, dass die Bf. Ärztin für Allgemeinmedizin ist und ihre Ordination an der Adresse ***Adr A*** hat, ist unstrittig, ebenso wie die Tatsache, dass sie an dieser Adresse eine Wohnung besitzt. An dieser Adresse war sie im streitgegenständlichen Zeitraum laut ZMR-Auszug mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.
Die Feststellungen zum Kauf und Verkauf der streitgegenständlichen Liegenschaft ergeben sich zudem auch aus den diesbezüglich abgeschlossenen Verträgen vom und .
Dass die Bf. vom bis an der Adresse ***Adr B***, ***PLZ*** mit Hauptwohnsitz gemeldet war, ist ebenso unstrittig und im ZMR ersichtlich.
Die Feststellung, wonach die Bf. entgegen den Angaben im ZMR tatsächlich keinen Hauptwohnsitz an der Adresse ***Adr B***, ***PLZ*** hatte, ergibt sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des . Mit diesem wies der Finanzstrafsenat Wien 1 des Bundesfinanzgerichts nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen die Beschwerde der Bf. vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt ***X*** als Organ des Finanzamtes ***Y*** als Finanzstrafbehörde vom als unbegründet ab und wurde die Bf. der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung gem. § 34 Abs. 1 FinStrG für schuldig erkannt. Auf dieses Erkenntnis vom , RV/7300002/2021 wird vollinhaltlich verwiesen (siehe Beilage ./I).
Zusammenfassend hält der Finanzstrafsenat Wien 1 des Bundesfinanzgerichts in diesem Erkenntnis ausdrücklich Folgendes fest:
"Somit kann aufgrund des Gesamtbildes der vorliegenden Beweisergebnisse ausgeschlossen werden, dass die Bf. im Zeitraum bis an der Adresse ***Adr B***, ***PLZ***, ihren Hauptwohnsitz hatte und es kann als erwiesen angenommen werden, dass diese Hauptwohnsitzmeldung nur zum Zwecke der unrechtmäßigen Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung erfolgte."
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt ( mit weiteren Nachweisen zur ständigen VwGH-Judikatur). Insoweit bedarf es keiner weitergehenden eigenständigen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen mehr ().
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem. § 29 Z 2 EStG 1988 stellen Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen nach § 30 EStG 1988 sonstige Einkünfte dar. Gem. § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte).
Gem. § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b) von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer entweder lit. a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder lit. b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
Wenngleich die Bf. zunächst als Befreiungstatbestand die lit. b des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 geltend machte, kommt im konkreten Fall von Vornherein nur die lit. a in Betracht, weil die Bf. die streitgegenständliche Liegenschaft nur im Zeitraum vom bis in ihrem Eigentum hatte und demnach nur in dieser Zeit einen Hauptwohnsitz begründen konnte. Insofern machte die Bf., nachdem sie ihren Irrtum bemerkte, in der Folge den Befreiungstatbestand nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 geltend.
Die Befreiungstatbestände des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 setzen hinsichtlich des veräußerten Grundstücks einen Hauptwohnsitz innerhalb eines bestimmten Zeitraumes voraus. Für den Befreiungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG ist demnach erforderlich, dass das streitgegenständliche Grundstück ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und der Hauptwohnsitz aufgegeben wurde.
Der Begriff des "Hauptwohnsitzes" wird im EStG 1988 nicht näher bestimmt. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung inne hat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Hat der Steuerpflichtige mehrere Wohnsitze im Sinne der BAO, ist Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener dieser Wohnsitze, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Der Hauptwohnsitz-Meldung kommt in diesem Zusammenhang keine materiell-rechtliche Bedeutung zu ( mit weiteren Nachweisen).
Das Bundesfinanzgericht hat bereits im Erkenntnis vom , RV/7300002/2021 ausgesprochen, dass die Bf. im Zeitraum bis ihren Hauptwohnsitz nicht an der Adresse ***Adr B***, ***PLZ***, hatte (siehe hierzu schon Punkt 1 und 2 dieses Erkenntnisses).
Das Bundesfinanzgericht ist an die Tatsachenfeststellungen, auf die der Schuldspruch beruht (vgl. nochmals ), gebunden.
Die Beschwerde war aus diesem Grund abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung war das Bundesfinanzgericht an das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7300002/2021 gebunden. In Hinblick auf die Bindungswirkung rechtskräftiger Strafurteile folgt das Bundesfinanzgericht der unter Punkt 2 zitierten Rechtsprechung des VwGH.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 30 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7105254.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
DAAAF-72983