OGH 31.01.2006, 1Ob19/06k
Rechtssatz
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Normen | |
RS0120735 | Spricht das Erstgericht aus, dass eine bestimmte Rechtssache im Außerstreitverfahren zu erledigen ist, und wies es ferner eine vom Antragsgegner erhobene Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück, so handelt es sich dabei um Entscheidungen „über die Sache" im Sinne des Außerstreitgesetzes. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Waltraud V*****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wider den Antragsgegner A*****, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 6.696,80 EUR sA, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 431/05t-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 30 Nc 3/05h-7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses an die Antragstellerin zu veranlassen sowie den Revisionsrekurs des Antragsgegners dem Obersten Gerichtshof erst nach Einlangen einer Revisionsrekursbeantwortung oder nach fruchtlosem Verstreichen der Beantwortungsfrist neuerlich vorzulegen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin begehrte gemäß §§ 26 Abs 6, 117 Abs 4 WRG 1959 die Festsetzung einer Entschädigung.
Der Antragsgegner wendete - abgesehen von Einwendungen in der Sache - die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs und die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.
Das Erstgericht verwarf die „erhobene Unzuständigkeitseinrede", sprach aus, dass es „sachlich zuständig" sei und stellte ferner fest, dass über den vorliegenden Antrag „im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden" sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Der Antragsgegner wendet sich gegen diese Entscheidung mit Revisionsrekurs. Dieses Rechtsmittel legte das Erstgericht sogleich dem Obersten Gerichtshof vor. Es vermerkte auf dem Rechtsmittelschriftsatz, es handle sich gemäß § 68 Abs 1 AußStrG um ein einseitiges Verfahren, „weil nicht über die Sache entschieden" worden sei.
Der Oberste Gerichtshof kann über das vorgelegte Rechtsmittel noch nicht entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 203 Abs 7 AußStrG sind hier bereits die Bestimmungen des neuen Außerstreitrechts anzuwenden, weil der Beschluss erster Instanz erst nach dem , nämlich am erging. Nach § 68 Abs 1 AußStrG ist das Revisionsrekursverfahren zweiseitig, wenn mit dem angefochtenen Beschluss „über die Sache entschieden" wurde. Die gleiche Wendung findet sich in § 45 AußStrG zur Zulässigkeit des Rekurses, in § 48 Abs 1 AußStrG zur Rekursbeantwortung und in § 50 Abs 1 Z 4 AußStrG zur Rekursentscheidung durch das Erstgericht. Insofern wird in den Gesetzesmaterialien erläutert, dass „diese Formulierung ... etwas weiter als Entscheidung 'in der Sache'" sei, weil sie nicht nur stattgebende und abweisende, sondern auch zurückweisende Entscheidungen über einen Rechtsschutzantrag" erfasse. Eine „Zweiseitigkeit als allgemeine Regel und damit auch für alle Zwischenstreite anzuordnen wäre überschießend, weil nicht in jedem Zwischenstreit auch die Rechtsposition der anderen Verfahrenspartei berührt" werde (Fucik/Kloiber, AußStrG - Kurzkommentar ErläutRV zu § 48, siehe auch deren Kommentierung bei § 45 Rz 2).
2. Dem neuen Außerstreitrecht ist als Leitgedanke zu entnehmen, das rechtliche Gehör des Rechtsmittelgegners jedenfalls nicht auf einen hinter den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zurückbleibenden Standard abzusenken. Gemäß § 521a Abs 1 Z 3 und Abs 2 ZPO ist das Rechtsmittelverfahren auch dann zweiseitig, wenn ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen wurde. Diesen Bestimmungen analog wurde das Rechtsmittelverfahren nach Ergehen eines Beschlusses über die anzuwendende Verfahrensart gemäß § 40a JN bereits vor Inkrafttreten des neuen Außerstreitrechts für zweiseitig gehalten (RIS-Justiz RS0041890 T 2; Ballon in Fasching² I § 40a JN Rz 12; Mayr in Rechberger, ZPO² § 40a JN Rz 6; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 80 f je mN aus der Rsp). Diese Ansicht ist auf dem Boden der neuen Rechtslage für das Außerstreitverfahren fortzuschreiben, wurde doch dem § 40a JN durch § 56 AußStrG nicht derogiert (Zechner aaO § 519 ZPO Rz 86 [unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien]). Die voranstehenden Erwägungen sind daher in folgender Weise zusammenzufassen:
Spricht das Erstgericht aus, dass eine bestimmte Rechtssache im Außerstreitverfahren zu erledigen ist, und wies es ferner eine vom Antragsgegner erhobene Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück, so handelt es sich dabei um Entscheidungen „über die Sache" im Sinne des Außerstreitgesetzes. Im Licht der erörterten Rechtslage liegt hier kein Zwischenstreit vor, der - nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien - „die Rechtsposition der anderen Verfahrenspartei" - im Anlassfall jene der Antragstellerin, die den Zuspruch einer nach ihren Behauptungen durch die Gerichte in sukzessiver Kompetenz zuzuerkennenden Entschädigung anstrebt - nicht „berührt". Das anhängige Revisionsrekursverfahren ist somit zweiseitig, weshalb dem Erstgericht der aus dem Spruch dieser Entscheidung folgende Auftrag zu erteilen ist.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Waltraud V*****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wider den Antragsgegner A*****, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 6.696,80 EUR sA, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 431/05t-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 30 Nc 3/05h-7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung bilden weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung:
Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Kärnten als Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom wurde dem Antragsgegner die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Abwasserbeseitigungsanlage (Kanalisation) erteilt. Unter Punkt I. 5. dieses Bescheides wurde u. a. ausgesprochen, dass die „durch die Baumaßnahmen hervorgerufenen Schäden an Häusern oder sonstigen Anlagen ... zu beseitigen" sind. Der „Bewilligungswerber" sei verpflichtet, „den Schaden unter Zuziehung des Beteiligten und allfälliger Sachverständiger zu erheben". Komme „über die Schadenserstattung keine Einigung zustande", so entscheide „die Wasserrechtsbehörde". In der Begründung des der Antragstellerin am zugestellten „Endüberprüfungsbescheids" der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom wurde in Ansehung der mit Bescheid vom bewilligten Abwasserbeseitigungsanlage u. a. ausgeführt, es sei „sachverständigenseits festgestellt" worden, dass es sich bei den von der Antragstellerin gerügten Rissen an ihrem Haus „generell um Altrisse handelt, die auch im Rahmen der vor Baubeginn durchgeführten Beweissicherung festgehalten worden sind und die Rissbreite(n) überdies im Toleranzbereich der Ö-Norm von max. 0,3 mm liegen". Dieser Ausspruch gründete sich letztlich auf eine Besichtigung des Schadensbilds durch einen Sachverständigen am . Die Antragstellerin begehrte am gemäß §§ 26 Abs 6, 117 Abs 4 WRG 1959 die Festsetzung einer Entschädigung von 6.696,80 EUR sA. Sie brachte vor, es sei unter Punkt I. 5. des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheids des Landeshauptmanns von Kärnten vom über die Errichtung und den Betrieb einer Abwasserbeseitigungsanlage „als Auflage bzw Bedingung" festgehalten, „dass durch die Baumaßnahme hervorgerufene Schäden an Häusern oder sonstigen Anlagen ... zu beseitigen" seien. Der Antragsgegner sei „verpflichtet" worden, „unter Beiziehung der Geschädigten ein SV-Gutachten einzuholen und mit den Geschädigten eine Einigung über den zu leistenden Schadenersatz zu erzielen". Für den Fall mangelnder Einigung habe sich die Wasserrechtsbehörde „die Entscheidung vorbehalten". Der Antragsgegner habe mit der Errichtung der Kanalanlage 2001 begonnen und dabei die am Haus der Antragstellerin vorbeiführende Straße aufgegraben. Deshalb seien Gebäudeschäden entstanden, deren Behebung einen Aufwand von 6.196,80 EUR erfordere. Ein Gutachten habe 500 EUR gekostet. Mit „Endüberprüfungsbescheid" vom habe die Wasserrechtsbehörde erster Instanz indes ausgesprochen, dass „Schäden nicht vorhanden seien bzw diese in einem zu tolerierenden Bereich" lägen. Damit habe sie das Entschädigungsbegehren der Antragstellerin auf Grund des „im seinerzeitigen Bewilligungsbescheid getroffenen Entscheidungsvorbehalts ... abgelehnt".
Der Antragsgegner wendete - abgesehen von seinem Vorbringen in der Sache - die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs und die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Insofern brachte er vor, es handle sich beim Bescheid der Wasserrechtsbehörde vom nicht um eine Entscheidung gemäß § 117 Abs 1 WRG 1959. Deshalb scheide ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 117 Abs 4 WRG 1959 aus. Das erhobene Schadenersatzbegehren gehöre gemäß § 26 Abs 6 WRG 1959 auf den streitigen Zivilrechtsweg. Überdies sei das angerufene Bezirksgericht unzuständig, weil für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 117 Abs 4 WRG 1959 nach § 117 Abs 6 WRG 1959 idF BGBl I 2003/112 jenes Landesgericht zuständig sei, in dessen Sprengel „sich der Gegenstand", auf den sich das Entschädigungsbegehren beziehe, befinde.
Das Erstgericht verwarf die „erhobene Unzuständigkeitseinrede" und sprach aus, dass es „sachlich zuständig" sei; ferner stellte es fest, dass über den Antrag „im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden" sei. Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 31/93 ergebe sich, dass das Gericht gemäß § 117 Abs 4 WRG 1959 anrufbar sei, wenn die Wasserrechtsbehörde den Ersatz von Schäden im Bewilligungsverfahren ausdrücklich oder schlüssig abgelehnt habe. Habe sie dagegen einen Ersatzanspruch mangels Kompetenz zurückgewiesen oder den Entschädigungswerber - im Ergebnis gleich - auf den Zivilrechtsweg verwiesen, so sei über Ansprüche gemäß § 26 WRG 1959 im Zivilprozess abzusprechen. Hier habe die Wasserrechtsbehörde das Ersatzbegehren der Antragstellerin in den Gründen des Bescheids vom schlüssig abgelehnt. Damit habe sie eine Entscheidung entsprechend ihrem Vorbehalt im Bewilligungsbescheid vom getroffen. Die Antragstellerin könne daher gemäß § 117 Abs 4 WRG 1959 die gerichtliche Entscheidung begehren. Nicht berechtigt sei überdies die Einwendung, das angerufene Gericht sei sachlich unzuständig. § 117 Abs 6 WRG 1959 idF des AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112 über die sachliche Zuständigkeit der Landesgerichte sei gemäß dessen Art XXXII § 15 nur auf Verfahren anzuwenden, bei denen der „Antrag auf Enteignung" nach dem bei der Behörde eingelangt sei. Das gelte auch für Entschädigungsanträge nach dem Wasserrechtsgesetz. Die Antragstellerin habe den streitverfangenen Anspruch noch vor dem bei der Wasserrechtsbehörde geltend gemacht. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach dessen Ansicht behielt sich die Wasserrechtsbehörde im Bewilligungsbescheid vom „die Nachprüfung und anderweitige Festsetzung einer anlässlich der Bewilligung zugesprochenen Entschädigung für die voraussichtlich eintretenden Nachteile" gemäß § 117 Abs 1 WRG 1959 vor. § 26 Abs 6 erster Satz WRG 1959 sei somit nicht anwendbar. Maßgebend sei vielmehr der zweite Satz dieser Norm. Danach sei das Entschädigungsverfahren bei der Wasserrechtsbehörde einzuleiten. Dem habe die Antragstellerin entsprochen, die Wasserrechtsbehörde habe ihren Ersatzanspruch jedoch abgelehnt. Nach der bereits vom Erstgericht erörterten Übergangsbestimmung des AußStr-BegleitG habe hier noch ein Bezirksgericht über den Entschädigungsantrag zu entscheiden. Da indes Art XXXII § 15 dieses Gesetzes „nur auf Entscheidungen über die Entschädigung wegen einer Enteignung" abstelle, bedürfe es einer klärenden Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs.
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs
1. 1. Es wurde bereits in der in dieser Sache ergangenen Vorentscheidung vom erläutert, dass auf das Revisionsrekursverfahren die Bestimmungen des neuen Außerstreitgesetzes anzuwenden sind. In dem durch das Rekursgericht bestätigten Beschluss wurde gemäß § 40a JN ausgesprochen, dass der geltend gemachte Anspruch im Außerstreitverfahren zu erledigen ist; abgesehen davon bejahte das Erstgericht auch seine sachliche Zuständigkeit.
1. 2. Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses über die anzuwendende Verfahrensart richtet sich nach den Regeln für jenes Verfahren, das mit dem verfahrenseinleitenden Antrag gewählt wurde (RIS-Justiz RS0046245; Ballon in Fasching² I § 40a JN Rz 11). Hier sind daher die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes maßgebend.
1. 3. Gemäß § 66 Abs 1 Z 4 AußStrG kann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, dass der Beschluss des Rekursgerichts auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung „der Sache" beruht. Dass der im Außerstreitgesetz verwendete Begriff „Sache" facettenreich ist, folgt bereits aus der in dieser Angelegenheit ergangenen Vorentscheidung des erkennenden Senats; in § 66 Abs 1 Z 4 AußStrG bezeichnet er jedoch lediglich den jeweiligen Gegenstand des angefochtenen Beschlusses.
1. 4. Hier war - gestützt auf § 40a JN - primär zu klären, ob der geltend gemachte Entschädigungsanspruch im außerstreitigen oder im streitigen Rechtsweg zu verfolgen ist; infolge einer Einwendung sachlicher Unzuständigkeit war ferner über die Zuständigkeit des von der Antragstellerin im Außerstreitverfahren angerufenen Gerichts abzusprechen. Dabei wurde nicht „über eine Sache", die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, nach § 56 Abs 1 AußStrG, aber auch nicht über „die Sache" durch ein sachlich unzuständiges Gericht im Sinn des § 56 Abs 2 AußStrG entschieden. Diese Regelungen erfassen daher bloß Sachentscheidungen in Erledigung einer nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehörenden Angelegenheit oder durch ein im Außerstreitverfahren sachlich unzuständiges Gericht. Der Begriff „Sache" in § 56 AußStrG ist somit anders als der gleiche Begriff in § 66 Abs 1 Z 4 AußStrG zu verstehen. Deshalb wird anlässlich der Entscheidung über den vorliegenden Revisionsrekurs nicht die Frage aufgeworfen, ob die Verneinung des Vorliegens einer Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz durch das Rekursgericht - unter dem Regime des neuen Außerstreitverfahrensrechts - mit Aussicht auf Erfolg noch in dritter Instanz bekämpft werden kann, wenn nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers eine Sachentscheidung über eine auf den streitigen Rechtsweg gehörende Angelegenheit im Außerstreitverfahren oder durch ein in diesem Verfahren sachlich unzuständiges Gericht getroffen wurde (siehe insofern zur alten Rechtslage 4 Ob 274/04d; RIS-Justiz RS0007232). Infolgedessen ist hier gemäß § 66 Abs 1 Z 4 AußStrG meritorisch zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss auf einer unrichtigen Abgrenzung der erörterten Verfahrensarten oder auf einer unzutreffenden Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beruht.
1. 5. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann einem abgesonderten Bescheid über eine gemäß § 117 Abs 1 WRG 1959 zu leistende Entschädigung nur die Festsetzung der Art der Leistung und deren Höhe vorbehalten werden, nicht dagegen die Frage, ob überhaupt eine Entschädigung dem Grunde nach gebührt; es ist daher gemäß § 117 Abs 2 WRG 1959 zulässig, wenn die Wasserrechtsbehörde die Festsetzung der Höhe einer dem Grunde nach zuerkannten Entschädigung - aus bestimmten Gründen - offen lässt und einem abgesonderten Bescheid vorbehält (; 2003/07/0098; 2002/07/0060).
1. 6. Im Licht der soeben erläuterten Rechtslage ist Punkt I. 5. des Bewilligungsbescheids der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom dahin zu verstehen, dass ein Entschädigungsanspruch der Antragstellerin dem Grunde nach bejaht, dessen Bezifferung jedoch einer künftigen Entscheidung nach Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen - im Kern ähnlich dem vom VwGH am entschiedenen Fall (2003/07/0105) - vorbehalten wurde. Demzufolge greift hier der Ausnahmetatbestand des § 26 Abs 6 zweiter Satz WRG 1959 ein, ist doch diese Bestimmung im Zusammenhang mit § 117 Abs 1 und 2 WRG 1959 auf dem Boden der unter 1. 5. referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu lesen. Auch der Oberste Gerichtshof sieht die ratio der im Wasserrechtsgesetz getroffenen, hier erörterten Regelungen darin, „dass über voraussehbare vermögensrechtliche Nachteile, die durch die Errichtung, den rechtmäßigen Bestand oder den rechtmäßigen Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstehen, die Wasserrechtsbehörden, über nicht vorausgesehene Nachteile dieser Art aber die Gerichte entscheiden" (1 Ob 48/81). Als Entschädigungsanspruch im Sinn des § 117 Abs 1 WRG 1959 ist daher ein Recht auf „Abgeltung jener vermögensrechtlichen Nachteile zu verstehen ..., die nach fachmännischer Voraussicht durch eine beabsichtigte Wassernutzung an einem wasserrechtlich geschützten Recht in Zukunft eintreten werden" (1 Ob 48/81). Gemäß § 32 Abs 6 WRG 1959 sind aber die für Wasserbenutzungsanlagen geltenden Bestimmungen auch auf eine Anlage, die - wie hier - nach § 32 Abs 1 und 2 lit a WRG 1959 bewilligt wurde, sinngemäß anzuwenden.
1. 7. Über den Entschädigungsanspruch der Antragstellerin wurde von der Wasserrechtsbehörde - lang nach Ablauf der gemäß § 117 Abs 2 WRG 1959 vorgesehenen einjährigen Frist - mit Bescheid vom erkannt, indem in dessen Gründen der Sache nach ausgesprochen wurde, dass der Antragstellerin eine Entschädigung nicht zustehe, weil sich letztlich erwiesen habe, dass die maßgebenden Schäden an ihrem Gebäude „Altrisse" seien, die eines Kausalzusammenhangs mit der wasserrechtlich bewilligten Kanalisationsanlage entbehrten. Die Wasserrechtsbehörde traf daher eine Sachentscheidung über einen Entschädigungsanspruch, die der sukzessiven Gerichtskompetenz gemäß § 117 Abs 4 und 6 WRG 1959 unterliegt (1 Ob 206/04g = SZ 2004/165; siehe ferner RIS-Justiz RS0045837). Der Ersatzanspruch der Antragstellerin wurde somit nach einer - einem Zwischenurteil gemäß § 393 Abs 1 ZPO vergleichbaren - vorangegangenen Entscheidung über den Anspruchsgrund am Ende zur Gänze abgewiesen. Angesichts dessen kann - entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers - nicht zweifelhaft sein, dass die Antragstellerin den hier zu beurteilenden Anspruch nur im Verfahren gemäß § 117 Abs 4 und 6 WRG 1959 geltend machen kann. Dabei ist nicht von Belang, unter welchen näheren Voraussetzungen die Wasserrechtsbehörde ihre Entscheidung über den Anspruchsgrund nur hätte treffen dürfen.
2. Sachliche Zuständigkeit
2. 1. In Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112 wurde angeordnet:
„Soweit in Bundesgesetzen zur Entscheidung über die Entschädigung wegen einer Enteignung das Bezirksgericht berufen wird, tritt mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes an dessen Stelle das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht, in dessen Sprengel der Gegenstand der Enteignung liegt. Diese Änderung ist nur auf Verfahren anzuwenden, bei denen der Antrag auf Enteignung nach dem bei der Behörde einlangt. Verfahren, bei denen der Antrag auf Enteignung vor diesem Zeitpunkt eingelangt ist, sind nach den bis dahin geltenden Zuständigkeitsvorschriften zu Ende zu führen."
Diese Bestimmung wurde in den Gesetzesmaterialien zum Außerstreit-Begleitgesetz nicht erläutert. Erst in den Gesetzesmaterialien zum AgrarrechtsänderungsG 2005 BGBl I 2005/87 wurde ausgeführt, dass sich „für die in § 117 WRG 1959 normierte sukzessive Gerichtszuständigkeit" infolge der in Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG getroffenen Regelung „Änderungen ergeben" haben, weil „mit In-Kraft-Treten des AußStr-BegleitG (grundsätzlich ), soweit in Bundesgesetzen zur Entscheidung über die Entschädigung wegen einer Enteignung das Bezirksgericht berufen wird (so auch in § 117 Abs. 6 WRG), an dessen Stelle das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht, in dessen Sprengel der Gegenstand der Enteignung liegt," tritt, und dass die sukzessive Zuständigkeit des Landesgerichts für alle gemäß § 117 Abs 1 WRG 1959 in Betracht kommenden Fälle festgelegt wurde (RV 968 BlgNR 22. GP 8). Dieser Rechtslage trug der Gesetzgeber erst mit Art 1 Z 19 AgrarrechtsänderungsG 2005 ausdrücklich Rechnung, indem er in § 117 Abs 6 WRG 1959 das Wort „Bezirksgericht" durch das Wort „Landesgericht" ersetzte. Er verdeutlichte damit die diffuse Regelung des Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG und gab mit dieser späteren Novelle zu erkennen, wie die hier gemäß Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG schon bisher geltende Rechtslage nach seinem Willen zu verstehen war und ist (siehe zu diesem Auslegungsmittel 1 Ob 257/05h).
2. 2. Auf dem Boden der erläuterten Rechtslage kann nicht zweifelhaft sein, dass für das über das Entschädigungsbegehren der Antragstellerin eingeleitete Außerstreitverfahren das angerufene Bezirksgericht sachlich zuständig ist, weil die zuvor erörterte Änderung der sachlichen Zuständigkeit nur Verfahren betrifft, bei denen der „Antrag auf Enteignung" nach dem bei der Behörde einlangte. Dagegen sind Verfahren, bei denen dieser Antrag vorher einlangte, nach den bis dahin geltenden Zuständigkeitsvorschriften zu beenden. Für diese Lösung ist nicht wesentlich, ob der Begriff „Antrag auf Enteignung" auf die Einleitung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens, als dessen Ergebnis die Rechtssphäre Dritter durch einen enteignungsgleichen entschädigungspflichtigen Eingriff berührt werden kann, oder - entsprechend der Ansicht der Vorinstanzen - auf das Entschädigungsbegehren der Antragstellerin im Verfahren vor der Wasserrechtsbehörde zu beziehen ist, weil sich beides vor dem ereignete.
3. Ergebnis
Nach allen bisherigen Erwägungen ist dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die Klärung der anzuwendenden Verfahrensart und die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erfolgten in einem selbstständigen Zwischenstreit. Dennoch ist über eine endgültige Kostenersatzpflicht des Antragsgegners für die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin nicht sogleich abzusprechen, hat doch der Enteignete gemäß § 44 Abs 2 Eisenbahn-EnteignungsentschädigungsG nur „auf der Grundlage des von ihm ersiegten Entschädigungsbetrages Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen, durch das Gerichtsverfahren verursachten Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung". Derzeit steht im gerichtlichen Entschädigungsverfahren weder ein Obsiegen der Antragstellerin noch das Ausmaß eines allfälligen Zuspruchs fest. Es sind daher auch die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2006/336 S 199 - Zak 2006,199 = RZ 2006,233 EÜ308 - RZ 2006 EÜ308 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2006:0010OB00019.06K.0131.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-72277