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OGH 28.04.1993, 13Os6/93

OGH 28.04.1993, 13Os6/93

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Malesich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maria P***** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 17 Vr 544/91-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, des Vertreters des Finanzamtes Tulln Dr. Kittinger und des Vertreters des Finanzamtes Hollabrunn Dr. Trauner sowie des Verteidigers Dr. Bauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil zu Punkt II./ A./ des Urteilssatzes und im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird im übrigen, jene der Angeklagten zur Gänze verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am geborene Tankstellenpächterin Maria P***** der Finanzvergehen zu I./A./ der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG und zu I./B./ der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat sie zu I./A./ im Bereich des Finanzamtes Tulln vorsätzlich durch das nicht ordnungsgemäße und unvollständige Führen der Grundaufzeichnungen sowie das unvollständige Erfassen und Aufbewahren der Belege und die dadurch bedingte Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 1984 bis 1987, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, eine Verkürzung von Abgaben teils bewirkt, teils zu bewirken versucht, und zwar:

Umsatzsteuer (insgesamt) 333.728 S,

Alkoholabgabe (insgesamt) 19.551 S und

Gewerbesteuer (insgesamt) 203.637 S.

Zu I./B./ hat sie laut Schuldspruch vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden richtigen Voranmeldungen auf die vorbezeichnete Art und Weise eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar in den Jahren 1984 bis 1987 in der Höhe von (insgesamt) 578.621 S.

Zu II./ wurde sie von der weiteren Anklage A./ der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG begangen dadurch, daß sie im Bereich des Finanzamtes Hollabrunn vorsätzlich durch das nicht ordnungsgemäße und unvollständige Führen der Grundaufzeichnungen sowie das unvollständige Erfassen und Aufbewahren der Belege und die dadurch bedingte Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 1984 bis 1987, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, eine Verkürzung an Einkommensteuer im Gesamtbetrage von 541.420 S teils bewirkt, teils zu bewirken versucht habe; und B./ der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs 2 lit a FinStrG, begangen dadurch, daß sie im Bereich des Finanzamtes Tulln vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden richtigen Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten habe, und zwar im Mai, Juni, September und Dezember 1990, sowie im Jänner, Feber und April 1991 in der Höhe von insgesamt 212.699 S, gemäß dem § 214 FinStrG freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Freispruch (zu beiden Anklagevorwürfen) wird von der Anklagebehörde, der Schuldspruch von der Angeklagten mit jeweils auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

1. Zum Freispruch Punkt II./B./ des Urteilssatzes stellte das Erstgericht fest, daß die Angeklagte seit 1988 ihrem Steuerberater die laufende Buchhaltung und auch die Verfassung der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen übertragen hatte. Dabei sei folgende Vorgangsweise eingehalten worden: Ergab sich ein monatliches Guthaben an Umsatzsteuer, wurde dies vom Steuerberater beim Finanzamt Tulln geltend gemacht. Ergab sich eine Zahllast, teilte er dies der Angeklagten in der Meinung mit, diese werde die fällige Umsatzsteuer mittels Erlagscheines einzahlen. Die Angeklagte habe nicht gewußt, daß ihr Steuerberater in jenen Fällen, in denen er nicht mittels Voranmeldung schriftlich ein Guthaben beim Finanzamt bekanntgab, sondern sie telefonisch von der Notwendigkeit der Einzahlung der Umsatzsteuer mittels Erlagscheines verständigte, nach der seit 1990 geltenden Vorschrift bei Vorliegen einer Zahlungsverpflichtung keine (gesonderte schriftliche) Voranmeldung abgab. Mangels verfügbarer Geldmittel konnte sie die fällige Umsatzsteuer nicht einzahlen, die (daher notwendige) Voranmeldung unterließ sie aus Unkenntnis. Diese Feststellungen stützte das Gericht auf die Verantwortung der Angeklagten, die Aussage ihres Steuerberaters Gerald S***** und die Steuerakten.

Die Mängelrüge (Z 5) der Staatsanwaltschaft erblickt der Sache nach eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung darin, daß die Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, von S***** über ihre Zahlungspflicht informiert worden zu sein (S 107), nicht erörtert wurde. Das Erstgericht hat aber das Fehlen der Wissentlichkeit bei Verletzung der Pflicht zur Abgabe von Voranmeldungen nicht auf eine Unkenntnis der Angeklagten über die Zahlungspflicht, sondern auf die Unkenntnis der bei Unterlassung der Zahlung notwendigen schriftlichen Voranmeldung der Umsatzsteuerschuld durch sie (oder ihren Steuerberater) mittels Formulars gestützt (vgl. US 13). Die zitierte Aussage der Angeklagten betrifft daher nicht diese entscheidende Tatsachenfeststellung, denn der Tatbestand nach dem § 33 Abs 2 lit a FinStrG wird nicht durch das Unterbleiben der fällig gewordenen Zahlung, sondern durch das Unterlassen der Voranmeldung - objektiv - erfüllt. Die Annahme des Erstgerichtes, die Angeklagte, die sich auf ihren Steuerberater verließ, habe die neue Sachlage - Voranmeldung nur, wenn die Umsatzsteuer nicht unmittelbar eingezahlt wird - nicht verstanden, wird somit durch die erwähnten, unerörtert gebliebenen Angaben der Angeklagten nicht berührt. Ein Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

In Ansehung des Freispruches gemäß dem § 214 FinStrG vom Vorwurf nach dem § 33 Abs 2 lit a FinStrG in den Jahren 1990 und 1991 war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

2. Im Recht ist die Anklagebehörde aber, soweit sie den Freispruch wegen teils versuchter Hinterziehung von Einkommensteuer bekämpft (Punkt II./A./) der damit begründet wurde, daß für die Einhebung dieser Abgabe nicht das Finanzamt Tulln, sondern das (Wohnsitz-)Finanzamt Hollabrunn zuständig gewesen wäre.

Wohl trifft zu, daß die Zusammenrechnung der hinterzogenen Abgaben zur Erreichung der gerichtlichen Zuständigkeit begründenden Wertgrenze von einer Million Schilling voraussetzt, daß die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehen herrührt, die alle in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fallen (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG).

Zwar ist zur Erhebung der Abgaben von Einkommen und Vermögen gemäß dem § 55 Abs 1 BAO das Wohnsitzfinanzamt - hier das Finanzamt Hollabrunn - örtlich zuständig. Für die Erhebung der Umsatzsteuer hingegen das Finanzamt, in dessen Bereich der Steuerpflichtige sein Unternehmen betreibt, im vorliegenden Fall somit das Finanzamt Tulln (vgl. § 187 Z 3 BAO).

Das Erstgericht hätte aber näher prüfen müssen, ob dem Finanzamt Tulln auch hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer eine Zuständigkeit iS des § 58 Abs 1 lit f FinStrG zukommt und ob diese Finanzbehörde dem Wohnsitzfinanzamt zuvorgekommen ist.

Gemäß dem § 58 Abs 1 lit f FinStrG liegt die Zuständigkeit zur Durchführung eines Finanzstrafverfahrens auch bei den zur Handhabung der verletzten Abgabenvorschriften zuständigen Finanzämtern. Da die Angeklagte ihre Offenlegungs- und Wahrheitspflicht hinsichtlich der Betriebsausgaben verletzte, die gemäß dem § 4 Abs 4 EStG auch Grundlage für die Bemessung der Einkommensteuer bilden, war auch das zur Feststellung der Betriebsausgaben gemäß dem § 187 Z 3 BAO zuständige Finanzamt Tulln an einem Erhebungsvorgang zur Ermittlung der Höhe der Einkommensteuer maßgebend beteiligt. Wie sich aus dem Steuerakt des Finanzamtes Hollabrunn ergibt, wurde demgemäß die Einkommensteuer unter (nicht korrigierbarer) Berücksichtigung der Mitteilung des Finanzamtes Tulln über die Einkünfte der Angeklagten aus dem Gewerbebetrieb bescheidmäßig festgesetzt. Das Finanzamt Tulln war daher auch insoweit zuständig, als Finanzstrafbehörde erster Instanz einzuschreiten (vgl. ).

Sind aber zwei oder mehrere Finanzstrafbehörden zur Durchführung des Strafverfahrens zuständig, so hat gemäß dem § 64 Abs 1, zweiter Satz, FinStrG das Verfahren jenes Finanzamt durchzuführen, das zuerst vom Finanzvergehen Kenntnis erlangt hat. Nach der Aktenlage ist das Finanzamt Tulln dem Wohnsitzfinanzamt Hollabrunn, das seine Zuständigkeit in finanzstrafrechtlicher Hinsicht gar nicht in Anspruch genommen hat, zuvorgekommen.

Der Freispruch nach dem § 214 FinStrG zu Punkt II./A./ - Hinterziehung der Einkommensteuer im Betrage von 541.420 S - ist daher, weil die gerichtliche Zuständigkeit insofern zu Unrecht verneint wurde, mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet, sodaß das Urteil in diesem Umfang und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war. Eine Entscheidung in der Sache selbst war mangels ausreichender Urteilsfeststellungen (insbesondere zur subjektiven Tatseite) nicht möglich.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Sowohl in der Mängelrüge nach Z 5 als auch in der Rechtsrüge nach Z 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs 1 StPO bestreitet die Beschwerdeführerin den vom Erstgericht - hinsichtlich der Fakten nach dem § 33 Abs 2 lit a FinStrG in der Form der Wissentlichkeit - festgestellten Vorsatz. Diese Ausführungen erschöpfen sich jedoch in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung. Weder kann davon gesprochen werden, daß eine bei Ausbleiben der Entrichtung der verkürzten Abgaben rechtlich wirkungslose (nachträgliche) Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) den Vorsatz "zerstört", noch kann in der Tatsache, daß die geschuldeten Abgaben aufgrund einer Schätzung ermittelt wurden, ein tragfähiges Argument gegen die erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite gefunden werden. Gerade bei dem Betrieb einer Tankstelle, bei dem der Umsatz im wesentlichen im Verkauf der angelieferten Treibstoffmengen besteht, ist dessen Ermittlung so einfach, daß der erstgerichtlichen Annahme einer vorsätzlichen Vernachlässigung aller erforderlichen Aufzeichnungen zwecks Verkürzung der Abgabenschuld Überzeugungskraft zukommt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher ein Erfolg zu versagen.

Mithin war über die Nichtigkeitsbeschwerden wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Im Hinblick auf die Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00006.9301.0428.0
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-71431

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