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OGH 23.09.2020, 7Ob135/20h

OGH 23.09.2020, 7Ob135/20h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** F*****, vertreten durch Dr. Christian Schubeck und Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Clemens Illichmann, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2. R***** G*****, vertreten durch Mag. Edda Grimm, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 492.960 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 54/20m-49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Senat hat die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens geprüft; solche liegen nicht vor. Die vom Kläger zu zwei Tatfragen beanstandeten Unterschiede (Ungenauigkeiten) haben keine erkennbare – für die Wahrnehmung als Verfahrensmangel jedoch notwendige (vgl 7 Ob 91/17h) – rechtliche Relevanz und eine solche vermag der Kläger auch nicht aufzuzeigen.

2. Der Senat hat die vom Kläger behaupteten Aktenwidrigkeiten geprüft; solche liegen nicht vor. Einerseits fehlt wiederum eine Darstellung der rechtlichen Relevanz der vermeintlichen Aktenwidrigkeit, andererseits wird das Ergebnis der Urkundenauslegung bekämpft und damit die rechtliche Beurteilung (vgl RS0043347 [T14]).

3.1.1. Soweit der Kläger die Haftung des Zweitbeklagten auf die vereinbarte „Bürgschaftserklärung/Schuldübernahme“ stützt, kommt es auf die Auslegung eines nicht für eine größere Anzahl von Fällen typischen Vertrags an. Diese begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, wenn das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis bestehenden Auslegungsregeln widerspräche, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar wäre (RS0042871 [T5]), was hier nicht zutrifft:

3.1.2. Der Zweitbeklagte hat die persönliche Haftung und die Bürgschaft für sämtliche Verbindlichkeiten der Erstbeklagten bis zum Höchstbetrag von 750.000 EUR übernommen und zwar „im Sinne der Ausführungen im Punkt I.“ dieses Vertrags. Demnach verpflichtete sich der Zweitbeklagte (nur) für zwei genau umschriebene Fälle zur Übernahme der persönlichen Haftung, nämlich a) zur Abdeckung des Differenzbetrags, sollte es mit dem vom Kläger zu leistenden Treuhanderlag nicht oder nicht zur Gänze möglich sein, die Gläubiger der Erstbeklagten zu befriedigen oder b) zur Refundierung der vom Kläger zur Gläubigerbefriedigung über den Treuhanderlag hinaus vorab geleisteten Beträge. Daraus folgt zunächst, dass sich das Verständnis des Berufungsgerichts, der Zweitbeklagte habe nach dieser Vertragslage keine unmittelbare vertragliche Verpflichtung zur Verwirklichung des zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten abgeschlossenen Kaufvertrags übernommen, jedenfalls im Rahmen geltender Auslegungsregeln hält.

3.2.1. Der vom Kläger offenbar erhobene Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB kann nach vorliegender Rechtsprechung tatsächlich den Geschäftsführer persönlich treffen und dann ein Fall einer Dritthaftung in Betracht kommen. Die daraus resultierenden Ansprüche sind deliktischer Natur. Der Tatbestand des § 1295 Abs 2 ABGB ist (ua) dann erfüllt, wenn der Schädiger im Bewusstsein des Bestehens eines fremden Anspruchs oder einer fremden Rechtsposition durch sein vorsätzliches Handeln oder Unterlassen den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags vereitelt und den Gläubiger dadurch vorsätzlich schädigt. Ob eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinn von § 1295 Abs 2 ABGB vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängt (4 Ob 222/18b mwN). Eine von den dazu entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen abweichende und deshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO begründende Einzelfallbeurteilung des Berufungsgerichts liegt aber nicht vor:

3.2.2. Die vom Kläger dazu (ursprünglich) aufgestellte Behauptung, der Zweitbeklagte habe der „Doppelveräußerung“ zugestimmt, findet in den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen keine Deckung. Eine konkrete vertragliche Regelung im Sinn einer Verpflichtung zu einer Antragstellung auf Annahme eines Sanierungsplans mit 100 % oder einer solchen nach § 123b IO wurde nicht getroffen. Im Kaufvertrag mit dem Kläger war vielmehr nur vereinbart, dass der Notar den treuhändig erlegten Kaufpreis erst „nach Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen, die zur grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages erforderlich sind“ zur Lastenfreistellung und zur Abdeckung der von den Gläubigern im Insolvenzverfahren bekanntgegebenen Forderungen verwenden sollte. Der vereinbarte Kaufpreis reichte auch nicht annähernd aus, um den bereits im Kaufvertrag ermittelten gesamten Kapitalbedarf zur Abdeckung der Gläubigerverbindlichkeiten zu bedienen und dieser überstieg auch jenen Betrag, bis zu dessen Höhe sich der Zweitbeklagte verbürgt hatte. Aus den getroffenen und den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ergibt sich nicht und es wird dies auch in der Revision nicht konkret behauptet, dass einer jener genau beschriebenen Fälle (siehe Punkt 3.1.2.) bereits eingetreten gewesen wäre, nach der die persönliche Haftung des Zweitbeklagten schlagend geworden wäre. Es steht weder fest, dass der vom Kläger zu leistende Treuhanderlag zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stand oder dass der Kläger bereits zur Gläubigerbefriedigung in Vorlage getreten sei und der Kläger behauptet auch nicht, dass er zusätzlich zur Abdeckung jener Gläubigerforderungen bereit gewesen wäre, die über die Haftungszusage des Zweitbeklagten hinausgegangen wären. Das Berufungsgericht ist bei dieser Sachlage im Ergebnis davon ausgegangen, dass ein Antrag auf Annahme eines Sanierungsplans mit 100 % oder auf Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 123b IO vom Zweitbeklagten nicht bereits zu einem Zeitpunkt verlangt werden konnten, nach dem auch die vom Kläger zu schaffenden Voraussetzungen zur Bereitstellung des notwendigen Finanzierungskapitals (zur Gänze) erfüllt waren. Diese Rechtsansicht ist jedenfalls keine Einzelfallbeurteilung, die als Verkennung der zu § 1295 Abs 2 ABGB entwickelten Grundsätze aufzugreifen wäre.

4. Der Kläger macht damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00135.20H.0923.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-69120