OGH 24.11.2021, 7Ob130/21z
Rechtssatz
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Norm | Voribau Plus Art27 |
RS0133926 | Nachbesserungsbegleitschadenklausel: Wenn daher im Zuge von für die Mängelbehebung notwendigen Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten Sachen des Bauherren beschädigt werden müssen, besteht Versicherungsdeckung gemäß Art 27.1 Voribau Plus auch dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht als (unmittelbarer) Auftragnehmer (Werkunternehmer) des geschädigten Bauherren tätig wurde. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* R*, vertreten durch Dr. Manfred Denkmayr und andere, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, wegen 33.106,43 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 54/21w-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom , 5 Cg 29/20x-11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 5.970,71 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab binnen 14 Tagen zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei darüber hinaus schuldig, der klagenden Partei weitere 27.135,72 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.804,66 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 1.607,21 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.031,23 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist bei der Beklagten betrieblich haftpflichtversichert. Auf den Versicherungsvertrag sind unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung H940 (AHVB 2004) anzuwenden, die auszugsweise wie folgt lauten:
„Artikel 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2.) erwachsen oder erwachsen könnten.
1.2 Serienschaden
Mehrere auf den selben Ursachen beruhende Schadenereignisse gelten als ein Versicherungsfall. Ferner gelten als ein Versicherungsfall Schadenereignisse, die auf gleichartigen, in zeitlichem Zusammenhang stehenden Ursachen beruhen, wenn zwischen diesen Ursachen ein rechtlicher, wirtschaftlicher oder technischer Zusammenhang besteht.
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen;
[...]
[2] Auf den Versicherungsvertrag sind darüber hinaus die Besonderen Bedingungen zur Rahmenvereinbarung Kuratorium für Elektrotechnik und WKO-Innung der Elektro- und Alarmanlagentechnik sowie Kommunikationselektrotechnik G007 (G007) anzuwenden, die auszugsweise wie folgt lauten:
„[...]
A. Allgemeine und ergänzende Versicherungsbedingungen
Als Grundlage dieser Rahmenvereinbarung und der darauf basierenden Einzelverträge gelten die allgemeinen und ergänzenden Versicherungsbedingungen – AHVB/EHVB 2004 (H940).
[…]
27. Nachbesserungs-Begleitschäden
1. Abweichend von Art. 1 und Art. 7 Pkte. 1.1 sowie 10.3 AHVB bezieht sich der Versicherungsschutz auch auf Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von Nachbesserungsarbeiten Sachen des Auftraggebers beschädigt werden müssen (z.B. Abreißen von Tapeten, Abschlagen von Wänden, Abschlagen von Fliesen, etc.).
2. Versicherungsschutz besteht nicht, wenn die Sachen, die zur Durchführbarkeit der Nachbesserungsarbeiten beschädigt werden müssen, ursprünglich vom Versicherungsnehmer selbst (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) geliefert, verlegt oder angebracht worden sind.
[…]“
[3] Der Kläger ist Einzelunternehmer im Bereich Isolierungsarbeiten für Fernwärmeleitungen. Er steht in laufender Geschäftsbeziehung zur i* Ges.m.b.H, (in der Folge Fernwärmetechnik GmbH), die ihn regelmäßig mit der Durchführung von Nachisolierungsarbeiten an verlegten Fernwärmeleitungen beauftragt. Die Tätigkeit des Klägers ist dabei stets gleichförmig. Er hat die Zwischenstücke in den bereits verlegten Rohren der Fernwärmeleitungen nachzuisolieren. Dabei wird eine Muffe über zwei verlegte Rohre gezogen und diese geschrumpft, damit die Verbindung hält. Dies wird durch Verwendung von Propangas mittels eines Brenners bewirkt. Zur weiteren Befestigung wird links- und rechtsseitig eine Manschette angebracht. Danach werden bei den gesetzten Muffen zwei Löcher gebohrt, in die ein Zwei-Komponentenschaum eingebracht wird. Dies bewirkt eine chemische Reaktion, wodurch der Schaum aushärtet. Dadurch wird eine dichte Verbindung zwischen jeweils zwei verlegten Rohren einer Fernwärmeleitung geschaffen.
[4] Der Kläger führte in den Jahren 2013 bis 2016 solche Nachisolierungsarbeiten unter anderem in vier Bauabschnitten durch, nämlich in den Bauabschnitten B*straße, D* Straße, B* Weg und R*weg (in der Folge Bauabschnitte B, D, BB und R).
[5] Alle diesbezüglichen Aufträge kamen so zustande, dass die E* GmbH (in der Folge Wärme GmbH) eine Ausschreibung zur Verlegung einer Fernwärmeleitung vornahm und die Ing. J* GmbH (in der Folge Immobilien GmbH) den Zuschlag erhielt. Zur Ausführung des Auftrags bediente sich die Immobilien GmbH der Fernwärmetechnik GmbH und diese wiederum des Klägers.
[6] Sämtliche an den Kläger erteilten Aufträge zur Durchführung der Nachisolierungsarbeiten enthielten unter anderem folgende Regelung, die standardmäßig in der Fernwärmetechnik in ganz Österreich zur Anwendung kommt:
„Garantiezeitraum:
Fünf Jahre auf alle angeführten Tätigkeiten.“
[7] Im Bauabschnitt B verrichtete der Kläger seine Arbeiten am . Die Gesamtanlage für diese Ausbauetappe wurde mit abgenommen. Im Bauabschnitt D verrichtete der Kläger seine Arbeiten von 1. bis . Auch diesbezüglich erfolgte die Abnahme mit . Im Bauabschnitt BB verrichtete der Kläger seine Arbeiten von 11. bis . Die Abnahme erfolgte mit . Im Bauabschnitt R verrichtete der Kläger seine Arbeiten im Jahr 2016 und stellte diese mit fertig. Der Bauabschnitt wurde mit abgenommen.
[8] Am wurde eine Besichtigung des Bauabschnitts B durchgeführt, weil rund eine Woche zuvor bei der Wärme GmbH eine Fehlermeldung im Bereich der verlegten Fernwärmerohre einging. Daraufhin verständigte die Wärme GmbH den Rohrverleger, der wiederum die Fernwärmetechnik GmbH verständigte. Letztere verständigte den Kläger mit der Aufforderung, einen allenfalls vorliegenden Mangel oder Schaden im Zusammenhang mit den von ihm durchgeführten Nachisolierungsarbeiten zu beheben. Nach Detailsuche und Lokalisierung der exakten Stelle sowie Freilegung des Bereichs durch Grabungsarbeiten im Auftrag der Wärme GmbH (unstrittig Beil ./O) zeigte sich, dass die vom Kläger verlegte Muffe deformiert war. Der Kläger schnitt die Muffe auf, wodurch sich zeigte, dass er den Schaum, welcher in die beiden hergestellten Löcher einzurühren gewesen wäre, nicht eingebracht hatte. Deshalb war es in diesem Bereich zu einer Undichtheit gekommen, die die Fehlermeldung auslöste.
[9] Im Bauabschnitt D erging ebenfalls in der ersten Juliwoche 2019 eine entsprechende Fehlermeldung, die zur Kontaktierung des Klägers mit der Aufforderung zur Behebung von allfälligen Mängeln führte. Nach Fehlersuche und Lokalisierung des Leckbereichs sowie Durchführung von Grabungsarbeiten zur Freilegung dieses Bereichs wie vorhin wurde eine Undichtheit festgestellt, die darauf beruhte, dass in die vom Kläger gefertigte Muffe Feuchtigkeit eingedrungen war. Die Isolierung der Muffe war vom Kläger an den Rändern nicht hinreichend hergestellt worden. Der Kläger behob diesen Schaden am , indem er die bestehende Muffe demontierte und eine neue Muffe montierte, sowie anschließend eine ordnungsgemäße Nachisolierung durchführte.
[10] Schließlich erging in den Bauabschnitten BB und R im August 2019 eine Fehlermeldung, die zur Kontaktierung des Klägers mit der Aufforderung zur Behebung von allfälligen Mängeln führte. Nach Fehlersuche und Lokalisierung des Leckbereichs sowie Durchführung von Grabungsarbeiten zur Freilegung dieses Bereichs wie vorhin zeigte sich eine fast idente Situation wie im Bauabschnitt D, weshalb der Kläger entsprechende Behebungsarbeiten durchführte.
[11] Dem Kläger wurden insgesamt 33.106,43 EUR an Kosten für die Auffindung und Freilegung der Schadensstellen in Rechnung gestellt. Davon entfielen 5.970,71 EUR an Freilegungskosten auf den Bauabschnitt R.
[12] Der Kläger begehrt Zahlung von 33.106,43 EUR die er für die Auffindung und Freilegung der Schadensstellen ersetzen musste. Die Schäden seien von der Haftpflichtversicherung (Art 27 der Besonderen Bedingungen G007) gedeckt.
[13] Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Bei den Kosten für die Auffindung der Schadensstellen handle es sich nicht um Nachbesserungsbegleitschäden, weil keine Sache beschädigt worden sei. Die Freilegungskosten seien zwar Nachbesserungsbegleitschäden, allerdings bestehe Versicherungsschutz nur insoweit, als dabei Sachen des „Auftraggebers“ beschädigt werden müssten, was hier nicht der Fall sei. Drei der vier Schadenereignisse seien außerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist aufgetreten. Da es sich bei den vier Schadenereignissen um einen Serienschaden handle, der in dem Zeitpunkt als eingetreten gelte, in dem das erste Ereignis dieser Serie eingetreten sei, gelte der zeitliche Ausschluss auch für das Schadenereignis im Bauabschnitt R, sodass auch aus diesem Grund insgesamt keine Deckung bestehe.
[14] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vom Kläger zu vertretenden Mängel seien vom Risikoausschluss des Art 7.1.1 AHVB 2004 (Gewährleistung) erfasst. Auch Art 27.1 G007 führe zu keiner Versicherungsdeckung. Unter dem Begriff Nachbesserungsbegleitschäden seien weder Fehlersuchkosten noch Kosten für die Freilegung der Schadensstellen zu subsumieren. Im Übrigen läge auch ein Serienschaden gemäß Art 1.1.2 AHVB 2004 vor. Da ein Serienschaden in dem Zeitraum als eingetreten gelte, indem das erste Ereignis dieser Serie eingetreten sei, sei für den Lauf der Gewährleistungsfristen aller Schadenereignisse bereits die Leistungsausführung im Jahr 2014 maßgeblich, wodurch auch der zeitlich zuletzt verursachte Mangel im Bauabschnitt R außerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist liege.
[15] Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Sowohl bei den Fehlersuchkosten als auch den Kosten für die Freilegung der Schadensstellen handle es sich nicht um Mangelfolgeschäden, sodass im Rahmen der Basisdeckung kein Versicherungsschutz bestehe. Diese Kosten würden auch nicht aus der Beschädigung einer Sache des Auftraggebers im Zusammenhang mit den Behebungsarbeiten resultieren, weshalb auch nach Art 27.1 G007 für keinen der Schadensfälle eine Deckung bestehe. Trotz Verneinung eines Serienschadens sei wegen der bereits abgelaufenen dreijährigen Gewährleistungsfrist eine Versicherungsdeckung der auf die Bauabschnitte B, D und BB entfallenden Fehlersuch- und Freilegungskosten auch aus diesem Grund ausgeschlossen.
[16] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[17] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[18] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.
[19] 1. Der Kläger beruft sich erstmals in der Revision auf einen Versicherungsschutz aus dem Produkthaftpflichtrisiko (Art 13. G007). Diese Ausführungen verstoßen gegen das Neuerungsverbot, ein Eingehen darauf ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt (§ 504 ZPO; RS0037612 [T3]).
[20] 2. Der Kläger zieht in der Revision nicht in Zweifel, dass für die von ihm geltend gemachten Ansprüche im Rahmen der Basisdeckung kein Versicherungsschutz besteht. Ebensowenig wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach der von ihm freiwillig übernommene „Garantiezeitraum“ von fünf Jahren eine besondere Zusage im Sinn von Art 3 G007 sowie Art 7.1.2 AHVB 2004 darstelle und er die Mängelbehebung im Rahmen dieser vertraglichen Garantiezusage erbracht habe.
[21] 3. Es ist daher im Revisionsverfahren nur zu klären, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Fehlersuche und die Freilegung der Schadensstelle im Bauabschnitt R von Art 27 G007 gedeckt sind:
[22] 3.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).
[23] 3.2. Die Beklagte ist der Ansicht, bei den vier Schadenereignissen (Bauabschnitte B, D, BB und R) handle es sich um einen Serienschaden. Da der erste Schaden (Bauabschnitt B) außerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist gelegen sei und der Kläger die diesbezügliche Mängelbehebung aufgrund einer vertraglichen Garantiezusage erbracht habe, gelte der zeitliche Ausschluss für sämtliche Schadenereignisse.
[24] Zweck der Serienschadenklausel gemäß Art 1.1.2 AHVB 2004 ist es, mittels einer Fiktion mehrere Versicherungsfälle unter bestimmten Voraussetzungen als einen Versicherungsfall zu behandeln, um so die vereinbarte Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung zu stellen (Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 149 VersVG Rz 39; vgl RS0133573 zu Art 6.7.2. ARB 2012). Durch die Serienschadenklausel werden gedeckte Schadensfälle zu einem Versicherungsfall zusammengezogen (Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 149 VersVG Rz 39; Fenyves, Die Serienschadenklausel der AHVB 1986, VR 1986, 57 [63]). Die Selbständigkeit der einzelnen Versicherungsfälle wird aber nur insoweit beseitigt, als es um den Umfang der Deckung durch den Versicherer geht (Fenyves, VR 1986, 64).
[25] Die Ansicht der Beklagten, dass ein innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist liegender Versicherungsfall (Bauabschnitt R) mit einem außerhalb dieser Frist liegenden Fall (Bauabschnitt B) zusammengezogen und dadurch dessen Deckung vernichtet wird, ist mit den dargelegten Grundsätzen unvereinbar, wäre die Serienschadenklausel hier doch nur für die nicht relevante Frage des Umfangs der Deckung (die Versicherungssumme steht für mehrere Schadensfälle nur einmal zur Verfügung) von Bedeutung. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die hier strittigen Schadensereignisse überhaupt als Serienschaden im Sinn von Art 1.1.2 AHVB 2004 anzusehen sind.
[26] 3.3. Im vorliegenden Fall wurden durch die AHVB 2004 grundsätzlich nicht gedeckte „Nachbesserungsbegleitschäden“ durch Art 27 G007 in die Deckung eingeschlossen (vgl allgemein dazu Lübben, Versicherungsschutz für sog. „Nachbesserungsbegleitschäden“ in der Betrieblichen Haftpflichtversicherung, VersR 2020, 1225; Gisch, Haftpflichtversicherung: Deckung von Nachbesserungsbegleitschäden, ZVers 2021, 40 [41]).
[27] 3.3.1. Diese Nachbesserungsbegleitschäden werden in den Besonderen Bedingungen G007 als Schäden definiert, „die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von wegen eines Mangels notwendigen Nachbesserungsarbeiten Sachen des Auftraggebers beschädigt werden müssen“, wobei als Beispiele das Abreißen von Tapeten, das Abschlagen von Wänden oder das Abschlagen von Fliesen genannt werden. Dieser zusätzliche Versicherungsschutz beruht auf der Überlegung, dass der Werkunternehmer bei Verbesserung seines mangelhaften Gewerks in vielen Fällen zwangsläufig Gebäudeteile oder sonstige Sachen des Werbestellers beschädigen muss und dieses Risiko zusätzlich versichern will (7 Ob 125/21i). Voraussetzung ist jedoch, dass Sachen des Auftraggebers wegen der aufgrund des Mangels notwendigen Verbesserungsarbeiten „beschädigt“ werden. Aufwendungen für „beschädigungsfreie“ Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten sind somit aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht mitversichert (7 Ob 125/21i).
[28] 3.3.2. Die Kosten für die Fehlersuche resultieren nicht aus der Beschädigung einer Sache im Zusammenhang mit den vom Kläger durchgeführten Mängelbehebungsarbeiten, was er in seiner Revision gar nicht bestreitet. Er ist jedoch der Ansicht, eine am Zweck orientierte Auslegung müsse ergeben, dass Aufwendungen, die für eine Verbesserung zwingend erforderlich sind, aber im Ergebnis keine Sachschäden am sonstigen Eigentum des Geschädigten verursachen, gedeckt sind. Dem steht jedoch der eindeutige Wortlaut von Art 27.1 G007 entgegen, was auch einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer klar sein muss.
[29] 3.3.3. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Freilegung der Schadensstelle resultieren hingegen aus der Beschädigung einer Sache, wird doch der Erdboden aufgebrochen und Erde entfernt.
[30] 3.3.3.1. Die Beklagte meint jedoch, auch diese Position sei nicht gedeckt, weil es nicht zu einer Beschädigung von Sachen des „Auftraggebers“ gekommen sei.
[31] Dem ist entgegenzuhalten, dass in der Klausel nur allgemein „Sachen des Auftraggebers“ genannt sind und nicht etwa „Sachen des Auftraggebers des Versicherungsnehmers“ oder „Sachen seines Auftraggebers“. Der Wortlaut trägt daher die Auslegung der Beklagten nicht. Diese Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass der Klausel bei der von der Beklagten angestrebten Auslegung aufgrund der in der Baubranche gängigen Auftragsvergabe über Subunternehmer nahezu jeglicher Anwendungsbereich genommen wurde. Schließlich würde auch immer dann, wenn die Werkleistung nicht vom Eigentümer, sondern von einem bloß Nutzungsberechtigten beauftragt wird, keine Versicherungsdeckung bestehen, weil Auftraggeber (Werkbesteller) und Eigentümer der beschädigten Sache nicht ident sein müssen. Ein derartiger Vertragswille ist der Klausel nicht zu entnehmen. Wenn daher im Zuge von für die Mängelbehebung notwendigen Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten Sachen des Bauherren beschädigt werden müssen, besteht Versicherungsdeckung gemäß Art 27.1 G007 auch dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht als (unmittelbarer) Auftragnehmer (Werkunternehmer) des geschädigten Bauherren tätig wurde.
[32] 3.3.3.2. Müssen im Zuge von Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten Sachen des Auftraggebers beschädigt werden, sind ausgehend vom dargestellten Zweck der Regelung und dem Verständnis eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers nicht bloß die Materialkosten (zB Holz, Fliesen, Tapete, Asphalt), sondern auch der sonstige Aufwand (zB Personalkosten für das Entfernen, die Entsorgung und die Wiederherstellung des Bodens, der Fliesen usw) von der Versicherungsdeckung gemäß Art 27.1 G007 umfasst. Die Regelung spricht nämlich allgemein von „Schäden“, ohne diese in Richtung des bloßen Materialersatzes einzuschränken. Dies wird auch durch den Hinweis auf das Abreißen von Tapeten bestätigt, machen doch die Materialkosten in der Regel nur einen geringfügigen Teil des Gesamtaufwands aus (vgl auch 7 Ob 125/21i).
[33] 3.3.4. Dem Kläger stehen daher die der Höhe nach unstrittigen Kosten für die Freilegung der Schadensstelle im Bauabschnitt R in Höhe von 5.970,71 EUR zu. Dieser Betrag ist auch von Art 27.3 G007 gedeckt (maximal 1 % der Versicherungssumme von 2.000.000 EUR).
[34] 4. Die Revision ist somit teilweise berechtigt. Dem Klagebegehren war im Umfang von 5.970,71 EUR samt den unstrittigen Zinsen stattzugeben und im Übrigen die Abweisung des Klagebegehrens zu bestätigen.
[35] 5. Der Kostenzuspruch an die Beklagte beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00130.21Z.1124.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-69115