Suchen Hilfe
OGH 30.06.2021, 7Ob116/21s

OGH 30.06.2021, 7Ob116/21s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I***** D*****, 2. Dr. A*****D*****, beide vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, deren Nebenintervenienten Ing. H***** U*****, vertreten durch Univ.-Prof. Gernot Murko und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 58.745,67 EUR sA, infolge der „außerordentlichen Revision“ der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 28/21a-82, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 28 Cg 77/18m-78, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht gab dem auf Gewährleistung/ Schadenersatz gegründeten Begehren auf Zahlung von 58.745,67 EUR sA im Umfang von 33.176,23 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 25.569,44 EUR ab. Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von 25.569,44 EUR gerichteten Berufung der Kläger teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil teilweise dahin ab, dass es die Beklagte insgesamt zur Zahlung von 39.612,07 EUR sA verpflichtete. Die Abweisung des Mehrbegehrens von 19.133,60 EUR sA bestätigte es. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Kläger erhoben eine „außerordentliche Revision“, die dem Obersten Gerichtshof vom Erstgericht vorgelegt wurde. Die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof entspricht nicht der Rechtslage.

[3] Hat das Berufungsgericht – wie hier – ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) den Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

[4] Wird dennoch eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen (RS0109623).

[5] Der Akt war daher dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I* D*, 2. Dr. A* D*, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig, Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, deren Nebenintervenienten Ing. H* U*, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M* S*, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt, wegen 58.745,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 28/21a-82, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 28 Cg 77/18m-78, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[2] 1. Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Frage eines Abzugs „neu für alt“ im Zusammenhang mit den von den Klägern aufgewendeten und klageweise geltend gemachten Kosten zur Behebung eines vom Rechtsvorgänger der Beklagten zu vertretenden Mangels (Herstellung einer den Bauauflagen entsprechenden Abwasserhebeanlage) strittig.

[3] 2.1 Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist (7 Ob 37/21y, vgl RS0120246).

[4] 2.2 Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. § 933a Abs 1 ABGB schreibt als lex specialis, die den §§ 1295 ff ABGB vorgeht, den Grundsatz der vollen Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz explizit im Gesetz fest. Damit wird klargestellt, dass der Übernehmer wegen der vom Übergeber verschuldeten (= schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigten) Mängel auch Anspruch auf Schadenersatz hat (5 Ob 65/18x; vgl RS0122651).

[5] 2.3 Als sekundärer Rechtsbehelf – also bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit bzw bei Verweigerung oder Verzögerung der Verbesserung oder des Austauschs oder aber bei erheblichen Unannehmlichkeiten oder Unzumutbarkeiten für den Unternehmer – kann der Gewährleistungsberechtigte grundsätzlich Geldersatz in Form des Erfüllungsinteresses verlangen (RS0126731 [T2], 1 Ob 138/17a). Danach ist er so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt dies jedenfalls dann, wenn der Mangel behebbar ist (RS0126732). Das Erfüllungsinteresse besteht zunächst in den Kosten der Mängelbehebung. Als Geldersatz für den Mangelschaden gebühren daher – nach Wahl des Gewährleistungsberechtigten – insbesondere die Verbesserungskosten, die Austauschkosten oder die Ersatzvornahmekosten (RS0131269, 1 Ob 138/17a).

[6] 2.4 Die Kläger begehren Geldersatz für die von ihnen aufgewendeten Kosten der bereits durchgeführten Ersatzvornahme durch einen Dritten als Erfüllungsinteresse infolge Verzugs des Rechtsvorgängers der Beklagten mit der Verbesserung. Dabei handelt es sich entgegen ihrer Bezeichnung nicht um einen Gewährleistungsbehelf nach § 932 ABGB, sondern um einen Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB. Die Frage des Beginns der Gewährleistungsfrist stellt sich damit nicht, sodass sich auch ein Eingehen auf das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts zu Punkt 5.5 des Kaufvertrags erübrigt.

[7] 3.1 Über den Umfang und die Art der Berechnung des Geldersatzes trifft § 933a ABGB keine Aussage, sodass auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln zurückgegriffen werden muss (10 Ob 29/16m).

[8] 3.2 Auch bei einem Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB, der auf Verbesserung gerichtet ist, ist der Nutzen des Geschädigten aus der um Jahre verlängerten Lebensdauer des Werks nach dem Prinzip „neu für alt“ in Abzug zu bringen (RS0021942 [T11]; 6 Ob 146/20v, 10 Ob 80/19s). Ein Vorteilsausgleich ist im Rahmen der Gewährleistung ausgeschlossen (RS0018699), im Schadenersatzrecht hingegen aufgrund der dort gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RS0030206) vorzunehmen.

[9] 3.3 Die Beurteilung, ob ein Abzug „neu für alt“ entsprechend einer verhältnismäßigen Abnützungsquote gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0030246 [T9]).

[10] 3.4 Bei Erneuerung von Teilen einer Sache, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin erneuert hätten werden müssen, führt die Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern und Installationen der Fall ist. Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen. Dabei ist in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte, zur erwarteten Lebensdauer des erneuerten Sachteils in Beziehung zu setzen (RS0030206; 5 Ob 292/05k; 8 Ob 67/20s). In diesem von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen hielten sich die Vorinstanzen.

[11] 4. Der Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

[12] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Revisionsbeantwortung gebührt aber kein Streitgenossenzuschlag, weil sich der Nebenintervenient der Kläger am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat (RS0036223).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00116.21S.0630.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-69097