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OGH 06.08.2021, 6Ob119/21z

OGH 06.08.2021, 6Ob119/21z

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L*****, 2. L*****, beide vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 5.881,74 EUR sA, über den „Rekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 1/21z-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 14 C 139/20y-11, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof zu ergänzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von der in Österreich ansässigen Erstbeklagten und der in der Schweiz ansässigen Zweitbeklagten die Zahlung von 5.881,74 EUR sA zur ungeteilten Hand wegen Nichtigkeit eines mit der Zweitbeklagten abgeschlossenen Vertrags. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte er hinsichtlich der Zweitbeklagten auf Art 6 Nr 1 iVm Art 15 Abs 1 lit c iVm Art 16 Abs 1 iVm Art 60 LGVÜ 2007.

[2] Das Erstgericht wies mit in das Urteil aufgenommenem Beschluss ua die Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit ab, wies das gegen die Erstbeklagte gerichtete Klagebegehren zur Gänze, das gegen die Zweitbeklagte im Betrag von 741,92 EUR sA ab und gab dem Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte im Übrigen, somit im Betrag von 5.139,82 EUR sA statt.

[3] Das Berufungsgericht gab der von der Zweitbeklagten erhobenen Berufung Folge, änderte den in das Urteil aufgenommenen Beschluss über die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und über die Einrede der mangelnden internationalen und örtlichen Zuständigkeit infolge Berufung der Zweitbeklagten und aus Anlass der Berufung der klagenden Partei dahingehend ab, dass es das Erstgericht für unzuständig erklärte, das erstgerichtliche Urteil und das in der Sache selbst durchgeführte Verfahren wegen fehlender „inländischer Gerichtsbarkeit“ als nichtig aufhob und die Klage zurückwies.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der „Vollrekurs“ gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht) dann nicht in Betracht, wenn die Frage des Vorliegens eines bestimmten Prozesshindernisses bereits Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens und der erstgerichtlichen Entscheidung war. In diesen Fällen wurde das Gericht zweiter Instanz, das sich ebenfalls mit dem Prozesshindernis befasst hat, funktionell als Rekursgericht tätig. Ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unterliegt dann den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (RS0116348; RS0043861 [T2]; zuletzt etwa 2 Ob 107/20d; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 519 Rz 14 mwN). § 519 Abs 1 ZPO ist nur dann analog anzuwenden, wenn ein Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgreift und die Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens zurückweist (RS0043861 [T4]). Das ist hier nicht der Fall.

[5] 2. Das Berufungsgericht wird daher seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu ergänzen haben. Für den Fall, dass das Berufungsgericht ausspricht, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist, ist entweder über die im „Rekurs“ bereits als enthalten anzusehende Zulassungsbeschwerde zu entscheiden oder aber dem Kläger die Möglichkeit zu geben, sein Rechtsmittel durch Ergänzung der an das Gericht zweiter Instanz zu richtenden Zulassungsbeschwerde zu verbessern (§ 528 Abs 2a ZPO; vgl 9 Ob 51/12h).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, vertreten durch Mag. Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L* AG, *, 2. L* AG, *, Schweiz, beide vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 5.881,74 EUR sA, über den Rekurs und Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom , GZ 1 R 1/21z-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 14 C 139/20y-11, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Rekurs und dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungs- und Rekursgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei, die Berufung der zweitbeklagten Partei sowie den Kostenrekurs der erstbeklagten Partei unter Abstandnahme von dem als gegeben erachteten Nichtigkeitsgrund aufgetragen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 501,92 EUR (darin 83,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Die Schriftsätze der klagenden Partei vom (Urkundenvorlage) und (Ergänzende Begründung zur Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses samt Urkundenvorlage) sowie der Schriftsatz der zweitbeklagten Partei (Replik) vom werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die in der Schweiz ansässige Zweitbeklagte bot ein Geschäftssystem mit sogenannten Rabattgutscheinen an, dem sie ihre „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für L* Mitglieder“ (./A), die „L*-Vereinbarung für unabhängige L* Marketer“ (kurz: L*-Vereinbarung; ./B) sowie die „Zusatzbedingungen für L* Rabattgutscheine“ (./2), jeweils idF November 2014, zugrunde legte. Vertragspartner der Zweitbeklagten mussten, um eine Registrierung auf deren Webseite durchführen zu können, bestätigen, dass sie diese Bedingungen gelesen und akzeptiert haben.

[2] Der in Österreich wohnhafte Kläger registrierte sich am zu diesen Bedingungen bei der Zweitbeklagten als Privatkunde und nicht als Firma.

[3] Die „L*-Vereinbarung“ lautet auszugsweise wie folgt:

3. Rechtsverhältnis

3.1 L* räumt dem Marketer ein nicht exklusives Recht ein, nach Maßgabe der L*-Vereinbarung vertrieblich für L* tätig zu werden. […]

3.2 Der Marketer handelt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit als selbstständiger Unternehmer. […]

4. Voraussetzung für die Tätigkeit und den Vergütungsanspruch

[…]

4.2 Der Marketer hat – als Voraussetzung für die Entstehung seines Vergütungsanspruchs – in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit zu handeln. Dabei hat der Marketer selbstständig dafür Sorge zu tragen, dass sein Gewerbe ordnungsgemäß angemeldet ist und er über die für die Ausübung seines Gewerbes benötigten behördlichen Genehmigungen verfügt. […]

9. Vergütung

9.1 Der Marketer wird für seine Tätigkeit von L* nach dem L* Compensation Plan in Anlage 1 vergütet. [...]

9.2 In Ergänzung der Vergütungen gemäß Compensation Plan kann L* nach eigenem Ermessenauch weitere Prämien ausrichten. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht.

9.3 Die Berechnung sämtlicher Vergütungen erfolgt wöchentlich bzw monatlich unter Berücksichtigung aller im Rahmen des L* Marketing Program gutgeschriebenen Shopping Points (gemäß dem L* Compensation Plan in Anlage 1). In den Abrechnungen, die dem Marketer über seinen www.l*.com Zugang im Login-Bereich zugänglich gemacht werden, bildet L* sämtliche Informationen ab, die nach dem L* Compensation Plan für die Vergütung des Marketers relevant sind.

[...]

9.5 Die dem Marketer aus dem L* Marketing Programm zustehende Vergütung wird […] wöchentlich auf das Konto des Marketers ausgezahlt, sofern die Summe der Zahlungsansprüche das Mindestguthaben gemäß Ziffer 8.5 der L* AGB erreicht.

[…]

16. Rechtswahl und Gerichtsstand

[...]

16.2 Ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dieser L*-Vereinbarung ist * (Schweiz).

16.3 Soweit dem Gerichtsverfahren kein staatliches Schilchtungsverfahren vorausgeht, sind die Parteien verpflichtet, vor Einleitung eines allfälligen Gerichtsverfahrens, am Sitz der [Zweitbeklagten] eine Einigungsverhandlung durchzuführen.

[4] Die „Zusatzbedingungen“ legen „ergänzend zu den L* AGB [...] sowie der L* Vereinbarung für unabhängige L* Marketer [...] in ihrer jeweils aktuellen Fassung […] die Rechte und Pflichten des Marketer im Zusammenhang mit dem Erwerb von L* Rabattgutscheinen fest“ und enthalten ua folgende Bestimmungen:

2. Erwerb von Rabattgutscheinen

2.1 Der Marketer kann Rabattgutscheine bei L* [Zweitbeklagte] […] erwerben. Diese Möglichkeit besteht nicht für L* Mitglieder, die keine L* Vereinbarung abgeschlossen haben. L* behält sich vor, Bestellungen von Rabattgutscheinen im eigenen Ermessen abzulehnen.

2.2 Der Rabattgutschein ist ein von L* ausgestellter Gutschein, der im L* Global-Store insbesondere für Marketingzwecke zum Erwerb von Originalgutscheinen bzw. Gift-Cards gemäß dieser Zusatzbedingungen eingesetzt werden kann. Der Rabattgutschein kann nicht für direkte Einkäufe beim Partnerunternehmen eingesetzt werden und weder vollständig noch teilweise bar zurückerstattet werden.

3. Shopping Point Gutschriften

[...]

Beim Einlösen des Rabattgutscheins erhält der Einlösende die für das jeweilige Partneruntemehmen ausgewiesenen Shopping Points für Deals auf den gesamten Kaufpreis. Im L* Marketing Programm werden 100% der aus seinem Kauf des Rabattgutscheins resultierenden Shopping Points für die Wertung im Balance Program sowie im Career Program bei Kauf des Rabattgutscheins gutgeschrieben. Beim Einlösen des Rabattgutscheins erfolgen im Balance Program sowie im Career Program keine weiteren Gutschriften von Shopping Points.

[5] Der „L* Compensation Plan (Anlage 1 der L* Vereinbarung)“ hält unter „Vergütungsberechtigung“ fest:

„Für sämtliche Vergütungen im Balance Programm sowie für den Erhalt von Bonus und Transfer Units im Rahmen des Balance Programms benötigt der Marketer jährlich den Status der Vergütungsberechtigung. Dieser kann auf 2 verschiedene Arten erlangt werden:

1. 350 Shopping Points gewertet im Balance Programm: Gewertet werden die Shopping Points der eigenen L* Kunden des Marketers sowie die persönlichen Shopping Points aus eigenen vollbezahlten Einkäufen bzw. Bestellungen des Marketers.

2. ODER: in 5 unterschiedlichen direkten Linien des Marketers jeweils 150 Shopping Points, welche im Balance Programm gewertet werden.“

[6] Der Kläger investierte 2017 bis 2019 insgesamt 5.900 EUR in sogenannte Rabattgutscheine (Discount Vouchers) und Limited Edition Discount Vouchers (= LEDV). Zuzüglich eines Guthabens des Klägers von 50 EUR und abzüglich von Auszahlungen im Zeitraum bis von 810,18 EUR errechnet sich ein Differenzbetrag von 5.139,82 EUR.

[7] Am akzeptierte der Kläger die neue L* Vereinbarung in der Fassung März 2019 hinsichtlich der in Österreich ansässigen Erstbeklagten. Der Kläger investierte in drei sogenannte mVouchers der Erstbeklagten im Zeitraum Mai 2019 bis Jänner 2020 von jeweils 50 EUR, gesamt somit 150 EUR.

[8] Der Kläger machte eine weitere Person auf die Angebote der Beklagten aufmerksam bzw warb ein Mitglied direkt an.

[9] Laut Werbeanzeige hätte bei der Polish Customer Cloud (PLCC) die Erstzuteilung der SP (Shopping Points) am erfolgen sollen. Die ersten 1500 SP pro LEDV sollten gegen Discount Voucher im Wert von 1.500 EUR eingelöst und ausbezahlt werden. Ab Februar 2019 hätte die monatliche Zuteilung der SP starten sollen. Dem Kläger wurden keine SP zugeteilt, es erfolgten keine Auszahlungen, und auch der Einsatz für den LEDV (PLCC) von 1.500 EUR wurde dem Kläger nicht rückerstattet. Die Cloud wurde nicht zurückbezahlt und auch keine Gewinne ausbezahlt.

[10] Laut Werbeanzeige soll bei der Italian Customer Cloud (ITCC) die Erstzuteilung der SP (Shopping Points) am erfolgen sollen. Das gesammelte Volumen der ITCC soll auf die Sponsoren aufgeteilt werden. Zugeteilte Shopping Points aus der ITCC sollen standardmäßig SP Volumen Neu (SP Balance zur freien Verbuchung + SP Career) generieren. Vorhandene Discount Voucher sollen jederzeit durch Änderung der Standardeinstellung eingelöst werden können. Ab November 2020 soll die monatliche Zuteilung der SP starten. Dem Kläger wurden bislang keine SP zugeteilt, es erfolgten bislang keine Auszahlungen, und auch der Einsatz für den LEDV (ITCC) von 1.500 EUR wurde dem Kläger nicht rückerstattet. Die Cloud wurde nicht zurückbezahlt und auch keine Gewinne ausbezahlt.

[11] Mit Schreiben vom erklärte der Klagevertreter unter Hinweis auf die Nichtigkeit des Vertrags nach § 879 Abs 1 ABGB den Rücktritt des Klägers vom Vertrag und forderte die Beklagten zur Rückzahlung der Investments samt Guthaben sowie den gesetzlichen Zinsen auf.

[12] Die m* GmbH, eine Niederlassung der Zweitbeklagten in Österreich, zahlte am 152,75 EUR, gewidmet auf die mVoucher, zuzüglich Zinsen an den Kläger zurück. Die Zweitbeklagte zahlte trotz Urgenz nichts.

[13] Es steht nicht fest, dass die Erstbeklagte dem Schuldverhältnis gegenüber der Zweitbeklagten beigetreten war und dass die Erstbeklagte für allfällige Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis des Klägers mit der Zweitbeklagten eine Haftungsübernahme erklärte.

[14] Der Kläger begehrt von den Beklagten die Rückzahlung des für die Rabattgutscheine an die Zweitbeklagte geleisteten Betrags von 5.900 EUR zuzüglich eines Guthabens von 100 EUR abzüglich der Auszahlungen von 118,26 EUR, insgesamt somit 5.881,74 EUR sA, zur ungeteilten Hand. Das Geschäftsmodell der Beklagten sei ein verbotenes und somit gemäß § 879 ABGB nichtiges Schneeballsystem. Es liege Dissens vor. Maßgebliche Bestimmungen der anwendbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verstießen überdies gegen die §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG. Mit Satzung vom sei die Erstbeklagte gegründet und am ins Firmenbuch eingetragen worden. Ab März 2019 habe die „Erstbeklagte“ ihre Mitglieder gedrängt, auf „L* New“ umzustellen, wobei die bisher erfolgten Zahlungen gutgeschrieben und die von Mitgliedern angeworbenen Kunden bestehen bleiben sollten. Es sollten durch die Umstellung nur Vorteile entstehen. Mit keinem Wort sei erwähnt worden, dass nun das Mitglied die Erstbeklagte als neue Vertragspartnerin erhalten sollte. Die Gutschriften über die Anwerbeprovisionen seien von der Erstbeklagten infolge erstellt worden.

[15] Die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte der Kläger für die Zweitbeklagte auf den Gerichtsstand des Zusammenhangs nach Art 6 Nr 1 LGVÜ und auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 Abs 1 lit c iVm Art 16 Abs 1 LGVÜ 2007. Der auch für die Beklagten objektiv erkennbare Zweck des Vertrags sei die private Vermögensanlage und -vorsorge gewesen. Da die Zweitbeklagte ihren Sitz nur zum Schein in der Schweiz habe, ihre Hauptverwaltung hingegen in Österreich, sei Österreich auch nach Art 60 Abs 1 LGVÜ international zuständig.

[16] Die Beklagten bestreiten und erhoben insbesondere den Einwand der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts sowie der Unzulässigkeit des Rechtswegs gegen die Zweitbeklagte. Mit der L*-Vereinbarung sei mit der Zweitbeklagten wirksam der Gerichtsstand  *, Schweiz, vereinbart worden. Der Kläger habe gegenüber der Zweitbeklagten zu erkennen gegeben, das L* Marketing Programm zu beruflichen und gewerblichen Zwecken nutzen zu wollen. Er habe sich ein Vertriebssystem eingerichtet bzw einzurichten versucht. Er könne sich daher auf den Verbrauchergerichtsstand nicht berufen. Nach Punkt 16.3 der L*-Vereinbarung hätte der Kläger vor Klageeinbringung eine Einigungsverhandlung durchführen müssen, was er unterlassen habe. Klagbarkeit gegenüber der Zweitbeklagten bestehe daher nicht. Ein ausdrückliches Vorbringen zur mangelnden internationalen Zuständigkeit hinsichtlich der Erstbeklagten wurde nicht erstattet.

[17] Das Erstgericht verwarf mit in das Urteil aufgenommenem Beschluss die Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit sowie der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Es wies das Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten zur Gänze ab, gab ihm gegenüber der Zweitbeklagten im Betrag von 5.139,82 EUR samt gestaffelten Zinsen statt und wies das Mehrbegehren ab. Es vertrat die Auffassung, der Kläger könne sich auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art 16 LGVÜ berufen, weshalb die Gerichtsstandvereinbarung in den AGB unbeachtlich und das Erstgericht zuständig sei. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs liege nicht vor, weil gemäß § 13a Abs 2 KSchG iVm § 879 Abs 3 ABGB Punkt 16.3 der L*-Vereinbarung nichtig sei. Die die Hauptleistungspflichten der Zweitbeklagten enthaltenden Bestimmungen der anzuwendenden AGB seien nichtig, weshalb der Kläger gemäß § 877 ABGB rückforderungsberechtigt sei. Ein Schuldbeitritt oder eine Haftungsübernahme der Erstbeklagten liege nicht vor, weshalb diese nicht passivlegitimiert sei.

[18] Das von der Erstbeklagten mit Kostenrekurs, vom Kläger mit Berufung (laut dem maßgeblichen [RS0041772] Berufungsantrag nur) betreffend die Erstbeklagte und von der Zweitbeklagten mit Berufung angerufene Berufungs- und Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss der von der Zweitbeklagten erhobenen Berufung Folge, änderte den Beschluss über die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und über die Einrede der mangelnden internationalen und örtlichen Zuständigkeit infolge Berufung der Zweitbeklagten und aus Anlass der Berufung des Klägers dahin ab, dass das Erstgericht für unzuständig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig hob das Berufungs- und Rekursgericht das Urteil des Erstgerichts und das in der Sache selbst durchgeführte Verfahren als nichtig auf. Weiters verwies es die Erstbeklagte hinsichtlich des Kostenrekurses auf die Aufhebung des Urteils und das nichtig erklärte Verfahren.

[19] Das Berufungs- und Rekursgericht führte aus, auf den vorgebrachten subjektiven Zweck des Klägers, sein privates Vermögen zu veranlagen, komme es bei der Beurteilung der Verbrauchereigenschaft nicht an. Natur und Zielsetzung der L*-Vereinbarung 2014 sei es gewesen, dass der Kläger als Marketer einer gewerblichen Tätigkeit als selbstständiger Unternehmer nachgehe und dafür einen Vergütungsanspruch erhalte. Der Kläger habe in weiterer Folge auch eine weitere Person direkt angeworben. Er sei daher im Sinne der dargestellten Rechtslage nicht als Verbraucher gemäß Art 15 Abs 1 LGVÜ 2007 anzusehen. Eine Gerichtsstandvereinbarung gemäß Art 17 LGVÜ führe zu einer ausschließlichen Zuständigkeit. Das Erstgericht sei damit für die Klage nicht international zuständig. Dies gelte auch für dessen noch nicht rechtskräftiges Urteil gegen die Erstbeklagte, für die aufgrund der vorliegenden Gerichtsstandsvereinbarung – ausgehend vom klägerisch behaupteten Vertragsbeitritt und dem unverzüglich erhobenen Unzuständigkeitseinwand – nichts anderes gelten könne. Aus Anlass des Rechtsmittels des Klägers sei daher von Amts wegen der Nichtigkeitsgrund der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit wahrzunehmen gewesen.

[20] Nach Aktenrückstellung durch den erkennenden Senat vom ergänzte das Berufungsgericht seine angefochtene Entscheidung mit Beschluss vom durch den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

[21] Gegen diese Entscheidung richtet sich das als „Rekurs“ bezeichnete Rechtsmittel des Klägers, mit dem er in erster Linie die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund beantragt.

Rechtliche Beurteilung

[22] I. Revisionsrekurs und Rekurs sind zulässig; sie sind auch berechtigt.

[23] 1. Im Hinblick auf den Sitz der Zweitbeklagten in der Schweiz und das Datum der Klagseinbringung () richtet sich für sie die internationale Zuständigkeit nach dem am in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art 64 Abs 2 lit a LGVÜ 2007).

[24] Der Oberste Gerichtshof hat in der ebenfalls (unter anderem) die Zweitbeklagte, jedoch einen anderen Marketer betreffenden Entscheidung 8 Ob 71/21f ausgeführt:

„Das LGVÜ 2007 stimmt inhaltlich mit den Art 1 bis 61 der EuGVVO nahezu wortgleich überein, sodass die diesbezügliche Literatur und Rechtsprechung weitgehend auch für das LGVÜ 2007 herangezogen werden kann (RS0131605).

Maßgeblich für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind die Klageangaben (RS0115860; RS0050455). Sind die die Zuständigkeit begründenden Tatsachenbehauptungen zugleich Anspruchsvoraussetzungen ('doppelrelevante Tatsachen'), so ist ihre Richtigkeit zu unterstellen (RS0115860 [T4]; sie sind auch dann der Zuständigkeitsentscheidung zugrunde zu legen, wenn sie vom Beklagten bestritten wurden, RS0050455 [T1]), soweit sie nicht durch das bereits durchgeführte Beweisverfahren und die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine Änderung erfahren haben (8 Ob 23/19v; 8 Ob 31/19w; 8 Ob 45/19d).

2.1 Nach Art 16 Abs 1 LGVÜ 2007 kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des durch das LGVÜ 2007 gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Gemäß Art 17 LGVÜ 2007 ist eine Gerichtsstandvereinbarung in Verbrauchersachen nur nach der Entstehung der Streitigkeit zulässig; weiters wenn sie dem Verbraucher noch andere Gerichtsstände zur Verfügung stellt und schließlich wenn sie für beide Parteien den gemeinsamen Wohnsitz oder den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt als Gerichtsstand festschreibt, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist (zum gleichlautenden Art 15 LGVÜ: RS0124949).

Gerichtsstandvereinbarungen haben nach Art 23 Abs 5 LGVÜ 2007 keine rechtliche Wirkung, wenn sie wie die Klausel 16.2 in der L*-Vereinbarung den Vorschriften des Art 17 LGVÜ 2007 zuwiderlaufen.

Für die Frage der internationalen Zuständigkeit ist daher entscheidend, ob der Kläger als Verbraucher im Sinn des Art 15 Abs 1 LGVÜ zu beurteilen ist.

2.2 Spezialgerichtsstände sind autonom unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung des Übereinkommens (vgl C-96/00, ECLI:EU:C:2002:436, Rn 37 mwN) und – wie der EuGH bereits mehrfach betont hat (etwa C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 32 f mwN) – als Ausnahme zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaats des Beklagten eng auszulegen (RS0128703; RS0112833; vgl 4 Ob 218/06x).

Der Begriff des Verbrauchers bestimmt sich nach seiner Stellung innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach seiner subjektiven Stellung (C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 36). Es kommt auf die für den Vertragspartner des Verbrauchers objektiv erkennbaren Umstände des Geschäfts an (1 Ob 115/12m mwN). Der innere Wille der Person, die sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, ist demgegenüber irrelevant (Simotta in Fasching/Konecny2 Art 15 EuGVVO Rz 30; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 EuGVVO Art 17 Rz 61; jeweils mwN).

Geschützt werden soll nur der nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnde private Endverbraucher. Erfasst sind deshalb nur Verträge, die eine (natürliche) Einzelperson zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch schließt und die keinen Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person haben (stRsp des EuGH seit C-89/91, ECLI:EU:C:1993:15, Rn 20 und 22). Da schon der Bezug zu einer zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit schadet, sind etwa Vorbereitungsgeschäfte zur Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit vom Schutzbereich der Zuständigkeitsregeln für Verbraucher nicht erfasst (vgl C-269/95, ECLI:EU:C:1997:337, Rn 17 f; 4 Ob 218/06x). Wohl aber können, zumal sich die Zuständigkeitsregeln im Zusammenhang mit Verbrauchersachen grundsätzlich auf alle Vertragstypen erstrecken, auch Geschäfte zur privaten Kapitalanlage darunter fallen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Kleinanleger handelt oder nicht (vgl dazu C-208/18, ECLI:EU:C:2019:825, Rz 48 ff; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 EuGVVO Art 17 Rz 40, 65c mwN).

Bei sowohl privaten als auch beruflich-gewerblichen Zwecken dienenden Verträgen liegt ein Verbrauchervertrag dann vor, wenn der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (1 Ob 115/12m; vgl RS0115822 [T1]). Bei gemischten Zwecken ist eine Gesamtbewertung geboten, bei der Inhalt, Art und Zweck des Vertrags sowie die objektiven Umstände bei Vertragsabschluss zu berücksichtigen sind (C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 44 und 47; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 EuGVVO Art 17 Rz 46).

Die Beweislast dafür, dass in einem Vertrag der beruflich-gewerbliche Zweck nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, obliegt der Person, die sich auf den Verbrauchergerichtsstand beruft (RS0115822 [T3]), wobei die gegnerische Partei berechtigt ist, den Gegenbeweis zu erbringen. Ein non liquet geht nach der Rechtsprechung des EuGH zu Lasten des Vertragspartners des Verbrauchers, weil anderenfalls die Schutzregelung ihre praktische Wirksamkeit verlöre. Zu prüfen bleibt in diesem Fall nur, ob der andere Vertragspartner den nicht beruflich-gewerblichen Zweck des Geschäfts zu Recht deswegen nicht zu kennen brauchte, weil der vermeintliche Verbraucher durch sein eigenes Verhalten gegenüber seinem (zukünftigen) Vertragspartner bei diesem den Eindruck erweckt hat, dass er zu beruflich-gewerblichen Zwecken gehandelt hat (zu all dem C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 46 bis 53; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 EuGVVO Art 17 Rz 49 bis 54; Simotta in Fasching/Konecny2 Art 15 EuGVVO Rz 31 bis 36; jeweils mwN).

3. Der Kläger behauptete erstmals im Rechtsmittelverfahren, der Erwerb der Rabattgutscheine sei getrennt von seiner Tätigkeit als 'Marketer' zu betrachten, weil er einen Vergütungsanspruch aus der L*-Vereinbarung gar nicht geltend mache.

Dieser Einschätzung kann schon angesichts des Umstands, dass nach Punkt 2.1 der Zusatzbedingungen die Tätigkeit als 'Marketer' Voraussetzung für den Erwerb von Rabattgutscheinen ist, nicht beigetreten werden. Ausgehend von einem einheitlichen Rechtsverhältnis kommt eine kompetenzrechtliche Aufteilung in einen unter das allgemeine Zuständigkeitsrecht fallenden und einen unter den Verbrauchergerichtsstand zu subsumierenden Teil nicht in Betracht (vgl dazu Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 EuGVVO Art 17 Rz 46 mwN; C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 44).

4. Zu Recht bemängelt der Kläger im Ergebnis allerdings, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Verbrauchereigenschaft bloß auf die von der Beklagten vorgegebene formale Vertragsgestaltung abgestellt und die damit verfolgte inhaltliche Zielsetzung außer Acht gelassen hat.

[25] Schon aus dem Bedingungswerk der Beklagten (insbesondere Punkt 3.1 der Zusatzbedingungen iVm Punkt 9. der L*-Vereinbarung) geht bei objektiver Betrachtung hervor, dass durch den Erwerb von Rabattgutscheinen sogenannte Shopping Points generiert werden sollen, die zu einem (periodischen) Vergütungsanspruch für den „Marketer“ führen sollen (Punkt 9.3 iVm Punkt 9.5 der L*-Vereinbarung). Um diese wiederkehrenden Vergütungen beziehen zu können, ist neben der Registrierung als „Marketer“ nur eine gewisse Mindestanzahl von „Shopping Points“ erforderlich, die auch allein durch den Kauf von Rabattgutscheinen erlangt werden können, wie in der Anlage 1 der L*-Vereinbarung klargestellt wird ('persönlichen Shopping Points aus … oder gekauften Rabattgutscheinen'). Weder ist der 'Marketer' zu irgendeiner Vertriebstätigkeit verpflichtet, noch ist die Anwerbung anderer 'Marketer' oder Mitglieder notwendigerweise Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch bzw die Zuteilung von 'Shopping Points'.

Dieses Prinzip kommt auch in den Werbeaussagen der Beklagten in den (als ./V und ./W [vorletzte Seite] zum Bestandteil der Feststellungen erklärten) Informationsbroschüren zu den sogenannten Clouds zum Ausdruck, wonach die von Kunden der jeweiligen Cloud 'durch ihre Einkäufe jeden Monat [produzierten] Shopping Points […] anteilig auf alle Sponsoren (teilnehmende Marketer)' der jeweiligen Cloud im Rahmen monatlicher Zuteilungen verteilt werden sollen.

Das Geschäftsmodell der Beklagten im Zusammenhang mit den Rabattgutscheinen lässt sich dahin zusammenfassen, dass der 'Marketer' durch den Erwerb der Rabattgutscheine an der regelmäßigen Ausschüttung von 'Shopping Points' teilnimmt, für die wiederum periodische Auszahlungen in Geld in Aussicht gestellt werden (Punkt 9. der L*-Vereinbarung).

Damit ergibt sich bereits aus den von der Beklagten selbst stammenden Angaben, dass der Erwerb von Rabattgutscheinen vom Interessenten nicht nur gleichsam zweckentfremdet als Kapitalanlage genützt werden kann, sondern vielmehr geradezu als Investmentform angelegt ist.

Die Beklagte musste vor diesem Hintergrund bei Abschluss des Erwerbsgeschäfts redlicherweise den Eindruck gewinnen, dass es dem Kläger beim Kauf der Rabattgutscheine auf die Erzielung eines passiven Einkommens ankam und nicht auf deren Einsatz zu Marketingzwecken, den die Zweitbeklagte in Punkt 2.2 der Zusatzbedingungen beispielhaft anspricht, was sich allerdings in keiner Weise in den Informationsbroschüren zu den sogenannten Clouds widerspiegelt.

Daran ändert nichts, dass die Beklagte für den Erwerb von Rabattgutscheinen die Anmeldung als 'Marketer' fordert (Punkt 2.1 der Zusatzbedingungen) und sich durch Akzeptanz ihrer Geschäftsbedingungen bestätigen lässt, dass der Marketer 'im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit als selbstständiger Unternehmer' handelt (insbesondere Punkt 3.2 und 3.4 der L*-Vereinbarung). Bei der Unterwerfungserklärung ihres Vertragspartners handelt es sich um ein reines Formalerfordernis, das von dessen tatsächlicher Tätigkeit völlig losgelöst ist. Auf die Fiktion der Unternehmereigenschaft kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sonst durch entsprechende Klauseln in Geschäftsbedingungen der zwingende Verbraucherschutz umgangen werden könnte.

Es schadet auch nicht, dass der Kläger Personen angeworben hat. Die Beklagte musste zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon ausgehen, dass die dem Kläger eingeräumte Berechtigung zum Tätigwerden als Vertriebsmittler für diesen bloß einen ganz untergeordneten Aspekt des mit ihr eingegangenen Rechtsverhältnisses darstellte. Jedenfalls kann aber bei dieser Sachlage keine Rede davon sein, dass die Beweismittel für den rechtlichen Schluss ausreichten, dass der Vertrag in nicht ganz unerheblichem Maße zur Deckung von Bedürfnissen diente, die der beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind, sodass ein Verbrauchervertrag anzunehmen ist (vgl C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32, Rn 50). Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten auf Erklärungen, die sie ihren Vertragspartnern – wie ausgeführt – pro forma abverlangt, besteht nicht.

5. Da bei einer Gesamtbetrachtung entgegen der Meinung des Berufungsgerichts eine Verbrauchersache im Sinn des Art 15 Abs 1 lit c LGVÜ 2007 vorliegt, war dem als Revisionsrekurs zu qualifizierenden Rechtsmittel des Klägers Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.“

[26] Der erkennende Senat tritt den überzeugenden Ausführungen dieser Entscheidung bei (6 Ob 146/21w).

[27] 2. Da die Erstbeklagte ihren Sitz in Österreich hat und auch kein Vorbringen dazu erstattet, warum für sie die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts nicht gegeben sein sollte, war die Entscheidung des Berufungsgerichts auch für sie abzuändern.

[28] 3. Das Berufungs- und Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren über die ihm vorgelegten Rechtsmittel unter Abstandnahme von dem als gegeben erachteten Nichtigkeitsgrund zu entscheiden haben.

[29] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Das (Revisions-)Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof betrifft ausschließlich den Zwischenstreit über die internationale und örtliche Zuständigkeit, der nunmehr abschließend erledigt ist. Die in diesem Zwischenstreit unterlegenen Beklagten haben dem Kläger daher die Kosten des Rechtsmittels zu ersetzen (RS0035955). Eine Pauschalgebühr fällt für das Revisionsrekursverfahren nicht an (vgl Anm 1 TP 3 GGG).

[30] II. Den Parteien steht jeweils nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu; weitere Ergänzungen sind zurückzuweisen (RS0041666 [T56]).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00119.21Z.0806.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-68899