OGH 01.03.2021, 5Ob3/21h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch MMag. Dr. Roman Schobesberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 152/20d-16, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG wird der Mietvertrag durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, wenn bei Wohnungen die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer (§ 29 Abs 4 MRG) jeweils mindestens drei Jahre beträgt und schriftlich vereinbart wurde, dass der Mietvertrag durch Ablauf der bedungenen Zeit erlischt.
[2] 1.2 Eine Befristung des Bestandverhältnisses ist daher durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und der Endtermin von vornherein durch Datum oder Fristablauf bestimmt ist (RIS-Justiz RS0090569; RS0070201). Wird hingegen die Mindestdauer im ersten Vertrag oder in der Verlängerung unterschritten, ist die Befristung nicht durchsetzbar und es liegt ein unbefristeter Mietvertrag vor (§ 29 Abs 3 lit a MRG).
[3] 2.1 Das ursprünglich mit dem Ehemann der Beklagten als Bestandnehmer bestehende Mietverhältnis sollte am durch Fristablauf enden, wurde aber im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens zur Übergabe der Wohnung einvernehmlich bis verlängert, was sie schriftlich auf einer Ausfertigung des ursprünglichen Mietvertrags festhielten. Die Unterfertigung dieses Vermerks erfolgte erst geraume Zeit nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Befristung. Beginnend mit schlossen der Kläger und die Beklagte einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag, der am enden sollte und um weitere drei Jahre bis verlängert wurde.
[4] 2.2 Die Beklagte bestreitet die mit ihr schriftlich vereinbarten Endtermine ebenso wenig wie die Zulässigkeit der in den mit ihr abgeschlossenen Mietverträgen enthaltenen Befristungen. Sie steht aber auf dem Standpunkt, dass die zuvor mit ihrem Mann als Bestandnehmer vereinbarte Verlängerung des ursprünglichen Mietverhältnisses bis eine nicht durchsetzbare Befristung enthalten habe, weil der schriftliche Vertrag über diese Verlängerung erst nach Ende der ursprünglich bedungenen Zeit unterfertigt und damit die Mindestfrist des § 29 Abs 4 MRG unzulässig verkürzt worden sei. Daraus leitet sie ab, dass ein (unbefristetes) Vertragsverhältnis zu ihrem Mann nach wie vor aufrecht sei. Eine erhebliche Rechtsfrage kann die Beklagte mit dieser Argumentation schon deshalb nicht aufzeigen, weil § 29 MRG nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einer einverständlichen Auflösung eines Mietverhältnisses nur entgegensteht, wenn sich der Mieter in einer Drucksituation befindet, im Übrigen aber die Vertragsfreiheit nicht aufgehoben ist. Eine Einigung über die Auflösung eines Mietverhältnisses (und allenfalls die Räumung) ist auch während des Bestandverhältnisses wirksam (RS0113485).
[5] 2.3 Ein allfälliges Vorliegen einer Drucksituation bei erstmaligem Abschluss des Mietvertrags mit ihr behauptet die Beklagte in ihrer Revision nicht. Nach den Feststellungen war es aber ihr Mann und damaliger Mieter, der die Gespräche, die zum Abschluss des (befristeten) Mietvertrags mit ihr führten, in erster Linie bestritten hat. Selbst wenn man daher mit ihr von einer nicht wirksamen Vereinbarung über die (befristete) Verlängerung des ursprünglichen Mietvertrags mit ihrem Mann ausgehen (und, weil dann das Mietverhältnis weder vertraglich verlängert noch aufgelöst worden wäre, auch keine stillschweigende Verlängerung im Sinn des § 29 Abs 3 lit b MRG annehmen) wollte, kann bei dieser Sachlage nur auf einen Parteiwillen dahin geschlossen werden, dass durch den Neuabschluss des Vertrags mit ihr ein davor bestandenes Mietverhältnis jedenfalls beendet und ein neues eingegangen werden sollte. Damit müssen aber die Überlegungen der Beklagten, das ursprüngliche Mietverhältnis mit ihrem Mann sei nach wie vor aufrecht, jedenfalls ins Leere gehen. Eine Umgehung des MRG, wie sie meint, ist nicht ersichtlich.
[6] 3.1 Ein Vertragsabschluss aufgrund konkludenten Verhaltens setzt voraus, dass kein vernünftiger Grund übrig sein darf, daran zu zweifeln, dass beide Vertragsteile den Willen hatten, eine derartige Rechtsfolge herbeizuführen (§ 863 Abs 1 ABGB; RS0014146; RS0014150 uva). Auch ein Bestandvertrag kann konkludent nur zustande kommen, wenn beide Teile die Absicht gehabt haben, einen solchen Vertrag zu schließen (RS0014313).
[7] 3.2 Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines Entgelts für die Benutzung von Räumen durch längere Zeit kann nur dann als stillschweigender Abschluss eines Mietvertrags angesehen werden, wenn kein anderer Grund für die Zahlung in Frage kommt (4 Ob 53/14v mwN). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0081754). Eine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht kann die Beklagte mit ihrem Hinweis, ihr Mann habe – vom Kläger unbeanstandet – die laufenden Mietzinszahlungen geleistet, weswegen ein (konkludentes) Bestandverhältnis mit diesem bestehe und sie ihr Aufenthaltsrecht von diesem ableite, schon deshalb nicht aufzeigen, weil für den Kläger kein Zweifel bestehen konnte, dass der Grund der Zahlungen der mit ihr abgeschlossene Vertrag war. Fest steht, dass der Kläger den mit beginnenden Mietvertrag und dessen daran anschließende Verlängerung ausdrücklich mit der Beklagten eingehen wollte und die Gespräche, die zu diesen Abschlüssen führten, maßgeblich deren Mann führte, sodass allen Beteiligten klar sein musste, dass sich in der Entgegennahme der Mietzinszahlungen kein Vertragswille des Klägers, mit dem Mann der Beklagten kontrahieren zu wollen, manifestieren konnte.
[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch MMag. Dr. Roman Schobesberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 152/20d-16, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Schriftsatz der beklagten Partei vom erklärte Zurückziehung der außerordentlichen Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der Senat hat die außerordentliche Revision der Beklagten bereits mit Beschluss vom zurückgewiesen.
[2] Mit Schriftsatz vom erklärte die Beklagte, ihre außerordentliche Revision zurückzuziehen.
[3] Nach Entscheidung und Abgabe des Aktes an die Kanzlei zur Ausfertigung ist die Zurückziehung eines Rechtsmittels nicht mehr zulässig (§§ 513, 484 ZPO; RIS-Justiz RS0104364).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00003.21H.0301.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-68833