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OGH 21.02.2018, 3Ob166/17h

OGH 21.02.2018, 3Ob166/17h

Rechtssatz


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Norm
RS0132300
Allein durch die Bestellung des einstweiligen Sachwalters kommt es nicht zur konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit. Eine solche muss vielmehr vom Gericht ausdrücklich angeordnet werden (so bereits 10 ObS 25/16y).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers C*****, vertreten durch Mag. Agnes Lepschy, Rechtsanwältin in Altlengbach, wider die Antragsgegnerin M*****, vertreten durch Mag. Alexandra Ehrenhöfer, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, wegen Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch (§ 35 EO), aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 110/17s-20, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 1 FAM 29/16f-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

M***** wurde am am als Tochter des Antragstellers geboren. Sie hält sich seit auf Kosten des Landes Niederösterreich im Wohnheim S***** und in der Tagesheimstätte Verein M***** auf. Die Vollversorgung in diesem Tages- und Wohnbereich wurde vom Land Niederösterreich bis bewilligt. Der Antragsteller ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 1 Pu 3437/10z-18, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 380 EUR verpflichtet.

Mit einem Oppositionsantrag gemäß § 35 Abs 2 EO begehrte der Antragsteller, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin seit Mai 2016 für erloschen und die mit Beschluss vom gegen ihn bewilligte Gehalts- und Fahrnisexekution für unzulässig zu erklären. Er brachte vor, nach der Schaffung des Exekutionstitels hätten sich die Verhältnisse geändert. Obwohl die Antragsgegnerin seit Jahren an psychischen Problemen (Depressionen) leide und schon von Kindheit an immer wieder in Behandlungen und Therapien gewesen sei, sei sie nicht arbeitsunfähig, sondern zumindest seit dem Eintritt der Volljährigkeit selbsterhaltungsfähig. Der Antragsteller habe im Jahr 2015 mit der Antragsgegnerin und dem behandelnden Psychiater vereinbart, dass die Antragsgegnerin zwecks Erlernens des Umgangs mit Geld zur Erreichung der Selbständigkeit 195 EUR monatlich erhalte. Die Betreuungseinrichtung, in der sich die Antragsgegnerin seit auf Kosten des Landes Niederösterreich befinde, ziele mit anerkannten Methoden darauf ab, psychisch beeinträchtigte Personen (wieder) in den Berufsalltag zu führen; Teil der Therapie sei es auch, dass die Betreuten keine zusätzlichen Geldbeträge erhalten.

Am erschien die Antragsgegnerin (noch vor Zustellung des Oppositionsantrags) mit einer Betreuerin beim Erstgericht und gab, nachdem ihr der Oppositionsantrag zur Kenntnis gebracht und ausgefolgt worden war, Folgendes an: In der Einrichtung erhalte sie Vollversorgung, sei aber aus gesundheitlichen Gründen in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt und daher nicht selbsterhaltungsfähig, sondern auf den Unterhalt ihrer Eltern angewiesen. Eine Fachschulausbildung habe sie, wegen vieler Fehlstunden – da sie bereits auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt worden sei – abgebrochen. Der Trägerverein des Wohnheims werde aktuelle Befunde übermitteln. Sie sei laufend in ärztlicher Behandlung. Gleichzeitig stellte sie einen Verfahrenshilfeantrag.

In seiner dazu erstatteten Äußerung hielt der Antragsteller seinen Antrag aufrecht.

Das Erstgericht stellte diese Äußerung der Antragsgegnerin gemäß § 17 AußStrG zu und forderte sie „letztmalig“ auf, binnen drei Wochen aktuelle Befunde und zweckdienliche Nachweise zu ihrer gesundheitlichen Situation sowie näher bezeichnete Nachweise zum Einkommen und Vermögen innerhalb derselben Frist vorzulegen. Diese Aufforderung wurde der Antragsgegnerin am zugestellt und blieb unbeantwortet.

Das Erstgericht gab dem Oppositionsantrag mit Beschluss vom statt, erklärte den Unterhaltsanspruch ab für erloschen (Punkt 1.) und wies den Verfahrenshilfeantrag mangels Vorlage von Nachweisen ab (Punkt 3.). Den eingangs dargelegten Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass angesichts der Vollversorgung kein Unterhaltsbedarf mehr bestehe. Die Antragsgegnerin habe trotz der sie treffenden Behauptungs- und Beweispflicht keine Unterlagen vorgelegt, aus denen eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit aufgrund von gesundheitlichen Problemen hervorginge. Da die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers nicht mehr bestehe, sei die Exekution zur Hereinbringung des Unterhalts für erloschen zu erklären (ON 7).

Nachdem der Antragsgegnerin über neuerlichen Antrag vom die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts mit Beschluss vom (zugestellt am ) bewilligt worden war, erhob sie, vertreten durch die bestellte Verfahrenshelferin, gegen Punkt 1. des Beschlusses ON 7 Rekurs. Mit diesem Rechtsmittel legte sie ein Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien vom vor. Diesem ist ein Gesamtgrad der Behinderung der Antragsgegnerin von 60 %, weil sie an einer Phokomelie des linken Arms und einer depressiven Störung leide, zu entnehmen. Zum Psycho-(patho-)logischen Status wird ua festgehalten, dass Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen der Antragsgegnerin reduziert sind; weiters wird ausgeführt, dass sie voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und diese Unfähigkeit vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten ist.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs (vorerst) nicht zu. Sie habe zwar unsubstantiiert ihre Arbeitsunfähigkeit eingewendet, jedoch trotz nachdrücklicher Aufforderung ohne Angabe von Gründen keine zweckdienlichen Nachweise vorgelegt. Daher habe für das Erstgericht kein Anlass bestanden, amtswegig ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Es habe keine Säumnisfolgen aus der Nichtäußerung abgeleitet und § 17 AußStrG nicht angewendet. Die Antragsgegnerin habe auch nicht eingewendet, sie habe trotz Vollversorgung ungedeckte Bedürfnisse. Daher sei von ihrer fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen gewesen. Selbst wenn – wie im Rekurs behauptet – das Land Niederösterreich den Aufenthalt der Antragsgegnerin nach dem NÖ-SHG, das eine aufgeschobene Legalzession vorsehe, finanziere, bestehe kein Unterhaltsanspruch.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu, um zu klären, ob es zur Prüfung der Prozessfähigkeit der Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wäre.

Das Erstgericht verfügte am (ON 21) die Zustellung der Rekursentscheidung auch an den einstweiligen Sachwalter, weil nach Rücklangen des Aktes vom Rekursgericht ein vom Bezirksgericht Wiener Neustadt zu 21 P 21/17d-4 am gefasster Beschluss im Akt vorlag, mit dem für die Antragsgegnerin der Rechtsanwalt Mag. Michael Luszczak zum einstweiligen Sachwalter ua für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt wurde.

Gegen die Rekursentscheidung erhob die Antragsgegnerin, vertreten durch die bestellte Verfahrenshelferin, Zulassungsvorstellung verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs und begehrte die Nichtigerklärung des Verfahrens seit Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags; hilfsweise stellte sie einen Aufhebungsantrag. Die Antragsgegnerin macht dem Rekursgericht ua zum Vorwurf, es hätte selbständig nach § 5 Abs 1 AußStrG prüfen müssen, ob sie bereits vor Bestellung des einstweiligen Sachwalters prozessunfähig gewesen sei.

Der Antragsteller erachtet den Revisionsrekurs in seiner Revisionsrekursbeantwortung für unzulässig und unberechtigt.

Im Hinblick auf die für die Vorinstanzen (vgl ON 21) offensichtlich erst seit Anfang Juli 2017 aktenkundige Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für die Antragsgegnerin hat der erkennende Senat – durch Nachschau im VJ-Register – zum Sachwalterschaftsverfahren beim Bezirksgericht Wiener Neustadt zu 21 P 21/17d in Erfahrung gebracht, dass Mag. Michael Luszczak mit Beschluss vom zum Sachwalter der Antragsgegnerin (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB) ua zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt wurde (die Beschlusszustellung erfolgte an den Sachwalter am und an die Betroffene am , sodass dessen Rechtskraft mit Ablauf des eintrat).

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat Folgendes erwogen:

1. Mit Rücksicht auf die schon im März 2017 wirksam gewordene Bestellung eines einstweiligen Sachwalters und die zwischenzeitig erfolgte Bestellung eines („endgültigen“) Sachwalters mit Wirkung ab ist zunächst zu prüfen, ob die am von der Verfahrenshelferin erhobene Zulassungsbeschwerde samt ordentlichem Revisionsrekurs ein wirksames Rechtsmittel darstellt.

1.1. Die Zuweisung von Angelegenheiten an den Sachwalter und damit die entsprechende Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen wirkt rechtsgestaltend nur für die Zukunft (RIS-Justiz RS0110082). Die Rechtskraft des Beschlusses über die Sachwalterbestellung führt innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters konstitutiv zur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der betroffenen Person und auch zum Verlust der Prozess-/Verhandlungsfähigkeit (RIS-Justiz RS0125589; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 280 Rz 2; Pfurtscheller in Schwimann/Neumayr ABGB TaKom4 § 280 aF Rz 1). Für die Zeit bis zur Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses hat das Prozess-/Verfahrensgericht selbständig zu prüfen, ob die betroffene Person prozess-/verfahrensfähig war (RIS-Justiz RS0110082 [T4]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 5 Rz 38).

Die seit rechtskräftige Bestellung eines „endgültigen“ Sachwalters für die Antragsgegnerin hat somit keine konstitutive Wirkung auf die Zeit davor.

1.2. Die betroffene Person wird durch die Bestellung des einstweiligen Sachwalters in ihren Rechtshandlungen nur insofern eingeschränkt, als es das Gericht ausdrücklich anordnet (§ 120 Satz 2 AußStrG). Letzteres ist im vorliegenden Bestellungsbeschluss vom nicht geschehen. Daher kam es dadurch nicht zur konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Antragsgegnerin (10 ObS 25/16y; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 120 Rz 17 und 30 [mwN zur – ggt – alten Rechtslage in FN 86]; Pfurtscheller in Schwimann/Neumayr ABGB TaKom4 § 280 aF Rz 1; Weitzenböck in Schwimann/Kodek ABGB4 § 280 Rz 2; aA 3 Ob 236/08i; 10 ObS 95/09g; Zankl/Mondel in Rechberger AußStrG² § 120 Rz 3).

1.3. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin sowohl im Rekursverfahren als auch bei der Erhebung der Zulassungsvorstellung verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs von einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelferin vertreten war, reichte allein nicht aus, um von ihrer ordnungsgemäßen Vertretung auszugehen (RIS-Justiz RS0107438 [T1]): Würde dies doch voraussetzen, dass sie im Zeitpunkt der Antragstellung und Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung der Rechtsanwältin (also im Februar und März 2017) verfahrensfähig war (vgl 8 Ob 2185/96y; 9 Ob 11/98b; 10 ObS 95/09g; 10 Ob 64/11a), woran aber derzeit begründete Zweifel bestehen.

2. Nach § 5 Abs 1 AußStrG hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens (also auch noch im Rechtsmittelverfahren) von Amts wegen ua den Mangel der Verfahrensfähigkeit zu berücksichtigen und das Erforderliche zur Beseitigung dieses Mangels anzuordnen (vgl RIS-Justiz RS0125145).

Die dem Erst- und Rekursgericht nach der Aktenlage bis zu deren Entscheidungen unbekannt gebliebene Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters ua zur Vertretung vor Gerichten kann daher vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des vorliegenden Revisionsrekurses nicht außer Acht gelassen werden. Sie lässt nämlich das Vorbringen beider Parteien in erster Instanz zu den schon länger bestehenden gesundheitlichen Problemen der Antragsgegnerin und ihr Verhalten gegenüber dem Erstgericht – nicht nur aus zeitlichen Gründen (zwischen der Wirksamkeit der Bestellung des [„endgültigen“] Sachwalters [] und dem Eintritt der Antragsgegnerin in das Oppositionsverfahren [] liegen nur etwa 10 Monate) – in einem anderen Licht erscheinen, was gewichtige Bedenken gegen die Verfahrensfähigkeit der Antragsgegnerin – schon von Beginn des Oppositionsverfahrens an – zur Folge hat.

3. Es bedarf somit der Klärung, ob der Mangel der Verfahrensfähigkeit, der konstitutiv (erst) für die Zeit ab feststeht, nicht bereits seit dem Eintritt der Antragsgegnerin in das Verfahren, also seit , und im weiteren Verfahren bestand, um primär beurteilen zu können, ob ein wirksames Rechtsmittel der Antragsgegnerin vorliegt.

Das obliegt dem Erstgericht (vgl § 51 Abs 2 AußStrG) im Rahmen eines Zwischenverfahrens, in dem den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren ist. Es wird daher sachdienliche Erhebungen zu diesem Thema durchzuführen haben, die zweckmäßigerweise auch die Einholung eines Neurologisch-Psychiatrischen Gutachtens, allenfalls der im Sachwalterschaftsverfahren bestellten Sachverständigen umfassen.

Nach Abschluss dieses Zwischenverfahrens wird das Rechtsmittel – samt den Akten zur Anlassexekution – neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

4. Zur Durchführung des Zwischenverfahrens ist der Akt an das Erstgericht rückzumitteln.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers C*, vertreten durch Mag. Agnes Lepschy, Rechtsanwältin in Altlengbach, wider den Antragsgegner J*, vertreten durch den Sachwalter Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Grazerstraße 77/2, wegen Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch (§ 35 EO), aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 110/17s-20, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 1 FAM 29/16f-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Parteienbezeichnung der (früheren) Antragsgegnerin wird auf „Antragsgegner J*“ richtiggestellt.

II. Das gesamte erstinstanzliche Verfahren ab der Zustellung des Oppositionsantrags vom an den Antragsgegner bis einschließlich des Beschlusses des Erstgerichts vom , GZ 1 FAM 29/16f-7, wird wegen mangelnder Verfahrensfähigkeit des Antragsgegners aufgehoben und dem Erstgericht die Neudurchführung des Verfahrens durch Zustellung des Oppositionsgesuchs an den Erwachsenenvertreter des Antragsgegners aufgetragen.

III. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Zum bisherigen Verfahrensgang kann auf den Beschluss des erkennenden Senats vom , GZ 3 Ob 166/17h-26, und die dortigen Rechtsausführungen verwiesen werden.

Mit diesem Beschluss stellte der Oberste Gerichtshof den Akt dem Erstgericht zurück, weil es der Klärung bedurfte, ob der Mangel der Verfahrensfähigkeit des Antragsgegners, der konstitutiv erst für die Zeit ab durch die Sachwalterbestellung feststand, nicht bereits seit dem Eintritt der Antragsgegnerin in das Verfahren, also seit , und im weiteren Verfahren bestanden habe, um primär beurteilen zu können, ob ein wirksames Rechtsmittel der Antragsgegnerin vorliege. Das Erstgericht hatte sachdienliche Erhebungen zu diesem Thema durchzuführen, die zweckmäßigerweise auch die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, allenfalls durch die im Sachwalterschaftsverfahren bestellten Sachverständigen, umfassen sollte.

Das vom Erstgericht geführte Zwischenverfahren brachte folgende Ergebnisse:

Den Kopien aus dem Sachwalterschaftsakt ist zu entnehmen, dass der Sachwalter mit Schriftsatz vom die Geschlechtsumwandlung und Namensänderung des Betroffenen, der nunmehr männlich ist und den Vornamen J* führt, bekanntgab. In der angeschlossenen Kopie der Geburtsurkunde des Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbands W* vom , Zahl 000373/2017, wird das Geschlecht von „M*“ als „männlich“ bezeichnet. Mit dem ebenfalls in Kopie angeschlossenen Bescheid der BH W* vom , Kennzeichen WBA4-P-121/162, wurde der Vorname „des Herrn M*“ in „J*“ geändert. Das Erstgericht nahm die Änderung des Vornamens des Betroffenen von M* auf J* mit Beschluss vom zur Kenntnis.

Mit Beschluss vom bestellte das Erstgericht Dr. M*, die schon im Sachwalterschaftsverfahren tätig gewesen war, zur Sachverständigen und beauftragte diese ein Gutachten zu erstatten, ob beim Antragsgegner im Zeitraum vom bis „Verfahrensfähigkeit bestand oder nicht, insbesondere ob er in der Lage war, die mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Probleme zu erkennen und dementsprechend rational zu agieren“.

Die Sachverständige kam in ihrem (Ergänzungs-)Gutachten vom unter Hinweis auf eine jahrelange psychische Problematik des Antragsgegeners, des Entlassungsbefunds des Universitätsklinikums Tulln, klinische Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, vom , wo als Entlassungsdiagnose ua zitiert werde: „F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome mit drängenden Suizidgedanken und Selbstverletzung, F50.2 Bulimia nervosa“ und der im früheren Gutachten attestierten affektiven Störung mit rezidivierend auftretenden depressiven Episoden (schwer) und mehrmaligen Suizidtendenzen sowie Bulimia nervosa, Transsexualismus sowie Phokomelie des linken Arms zum Ergebnis, dass beim Antragsgegner im Rahmen der schweren Erkrankungen aus neurologisch psychiatrischer Sicht im relevanten Zeitraum keine Verfahrensfähigkeit bestanden habe. Er sei nicht in der Lage gewesen, die mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Probleme zu erkennen und dementsprechend rational zu agieren.

Mit Schriftsatz vom gab der Erwachsenenvertreter bekannt, dass er die Erhebung des Rekurses sowie die Zulassungsvorstellung samt ordentlichem Revisionsrekurs, bedingt durch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Erstgerichts, genehmige.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat Folgendes erwogen:

1. Der bei der (früheren) Antragsgegnerin erfolgten (nach der Aktenlage ausreichend dokumentierten) Geschlechtsumwandlung samt Namensänderung war durch eine Berichtigung der Parteienbezeichnung zu entsprechen.

2. Nach dem vom Erstgericht eingeholten, schlüssigen (Ergänzungs-)Gutachten ist davon auszugehen, dass beim Antragsgegner schon seit Beginn des Oppositionsverfahrens keine Verfahrensfähigkeit bestand (vgl RIS-Justiz RS0036430 [T3]).

3. Der Erwachsenenvertreter des Antragsgegners hat bereits erklärt, die Erhebung des Rekurses sowie die Zulassungsvorstellung samt ordentlichem Revisionsrekurs, zu genehmigen, allerdings bedingt durch eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung. Die Vertretung eines Pflegebefohlenen in einem gegen ihn geführten Passivverfahren bedarf allerdings keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, was auch für die Erhebung von Rechtsmitteln gilt (RIS-Justiz RS0048154 [T2]), sodass der ausgesprochene Genehmigungsvorbehalt nicht zum Tragen kommt. Somit erübrigt sich ein Verbesserungsauftrag durch den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS0035331 [T9]), weil bereits klargestellt ist, dass der Erwachsenenvertreter nur die beiden Rechtsmittel des Antragsgegners genehmigt.

4. Da keine Sanierung des vom verfahrensunfähigen Antragsgegner geführten erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte, ist es aufzuheben (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 5 Rz 8) und dem Erstgericht aufzutragen, den Oppositionsantrag an den Erwachsenenvertreter zuzustellen und mit diesem das Verfahren neu durchzuführen.

5. Der (genehmigte und damit wirksame) Revisionsrekurs erweist sich im Ergebnis als berechtigt, weil die (amtswegige) Beseitigung auch des erstgerichtlichen Beschlusses die Grundlage für die (wegen Genehmigung des Rekurses wirksame) Rekursentscheidung vernichtete, sodass diese ersatzlos zu beheben ist.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00166.17H.0221.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-68512