OGH 19.09.2024, 9ObA57/24h
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Katharina Hausmann, Rechtsanwältin in Berndorf, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen 10.420,99 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 5.530,08 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 7/23z-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 6 Cga 23/22v-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das Verfahren wird fortgesetzt.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger war bei der Beklagten seit als Kellner mit einem Lohn von 1.575 EUR brutto monatlich vollzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt der Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (in Folge: KV) zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung vom (zugegangen dem Kläger spätestens am ) zum .
[2] Der Kläger begehrt die Zahlung von 10.420,99 EUR brutto. Darin enthalten sind – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – Ansprüche auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom bis in Höhe von 2.730,01 EUR brutto (ohne Überstundendurchschnitt), Urlaubsersatzleistung in Höhe von 849,67 EUR brutto (ohne Überstundendurchschnitt) und Jahresremuneration in Höhe von 1.950,40 EUR brutto. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei fristwidrig erfolgt. Die Beklagte betreibe keinen „Saisonbetrieb“, weshalb die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB zur Anwendung gelange.
[3] Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Kündigung unter Einhaltung der gemäß Pkt 21 lit a des anzuwendenden Kollektivvertrags vorgesehenen Frist von 14 Tagen zulässig erfolgt sei. Für den Fall der Geltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist habe das Dienstverhältnis zum beendet werden können, weil es analog zum Kollektivvertrag für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe zum 15. und Letzten eines Monats kündbar sei.
[4] Das Erstgericht sprach dem Kläger 8.960,77 EUR brutto sA zu. Das Mehrbegehren von 1.460,22 EUR brutto sA wies es unangefochten ab. Mangels entsprechenden Vorbringens der qualifiziert vertretenen Parteien sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers die Kollektivvertragsparteien keine Einigung darüber erzielt hätten, dass es sich bei den Betrieben im Bereich der Hotellerie und Gastronomie um Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG handle. Daher sei keine kollektivvertragliche Abweichung von § 1159 ABGB vorgelegen, weshalb die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 1159 Abs 2 ABGB nur zum auflösen habe können. Das Zustandekommen einer Vereinbarung über die Kündbarkeit des Dienstverhältnisses zum 15. und Letzten eines Monats im Sinne des § 1159 Abs 3 ABGB habe die Beklagte nicht behauptet.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte – soweit im Revisionsverfahren relevant – das Urteil des Erstgerichts mit Teilurteil im Umfang des Zuspruchs von 5.530,08 EUR brutto sA. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die Beklagte frühestens zum zulässig gewesen wäre. Die Beklagte habe sich gar nicht auf § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB berufen und auch nicht behauptet, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen einer Branche angehöre, in der Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen. Eine Vereinbarung im Sinne des § 1159 Abs 3 ABGB habe die Beklagte nicht behauptet. Eine „analoge“ Anwendung von Bestimmungen des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe auf das Dienstverhältnis des Klägers käme nur dann in Betracht, wenn eine Regelung in dem auf das Dienstverhältnis sachlich und persönlich anwendbaren Kollektivvertrag fehle. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die zum ausgesprochene Kündigung sei daher fristwidrig erfolgt, dem Kläger gebühre die vom Erstgericht zugesprochene Kündigungsentschädigung.
[6] Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[7] Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 5.530,08 EUR brutto anstrebt. In eventu wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.
[8] Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision der Beklagten wurde bereits im Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom zu 9 ObA 38/23p für zulässig erklärt. Sie ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[10] I. Da der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Bestimmungen des § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB idF BGBl I 2017/153, allenfalls des § 1159 Abs 2 Satz 3 und Abs 4 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153, allenfalls des § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153 für sich allein gesehen, hatte, stellte er mit Beschluss vom , AZ 9 ObA 38/23p, einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
[11] Mit Erkenntnis vom , G 29/2024-12, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab.
[12] Das Revisionsverfahren ist nun fortzuführen.
[13] II.1. § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 lautet:
„(1) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.
(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 desArbeitsverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 22/1974, überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.
(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.
(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.
(5) Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.“
[14] § 1159 ABGB trat (nach Verschiebungen) schließlich mit in Kraft (§ 1503 Abs 19 ABGB idF BGBl 2021/121) und ist auf Beendigungen anzuwenden, die – wie hier – nach dem ausgesprochen wurden.
[15] 2. § 53 Abs 6 ArbVG lautet:
„Als Saisonbetriebe gelten Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.“
[16] 3. Pkt 21 lit a des (Rahmen-)Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe in der ab geltenden Fassung abgeschlossen zwischen dem Fachverband Gastronomie und dem Fachverband Hotellerie und der Gewerkschaft vida (in der ab geltenden Fassung) lautet:
„21. Lösung des Arbeitsverhältnisses
a. Das unbefristete Arbeitsverhältnis kann in den ersten 14 Tagen, die als Probezeit gelten, ohne vorherige Kündigung gelöst werden. Nach Ablauf dieser Zeit kann das unbefristete Arbeitsverhältnis nur nach vorheriger 14 tägiger Kündigung gelöst werden.“
[17] 4. Mit § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 im Verhältnis zu Pkt 21 lit a KV hat sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 9 ObA 116/21f und 9 ObA 137/21v, die jeweils in Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG ergingen, ausführlich auseinandergesetzt. Die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidungen lassen sich, soweit sie Bedeutung für den vorliegenden Fall haben, wie folgt zusammenfassen:
[18] 4.1. Die ursprünglich angestrebte Harmonisierung der Kündigungsfristen und -termine von Arbeitern und Angestellten ist nach dem gesetzlichen Modell nicht durchgehend verwirklicht, sondern ermöglicht nach Maßgabe des § 1159 ABGB kollektivvertragliche Abweichungen vom gesetzlichen Regelmodell, die für „Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen“, auch kürzere Kündigungsfristen enthalten können (9 ObA 116/21f Rz 19; vgl auch § 10 Abs 5 AÜG; RS0133981).
[19] 4.2. Eine bereits vor Inkrafttreten des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 (letztlich mit , § 1503 Abs 19 ABGB) geschaffene kollektivvertragliche Regelung – wie Pkt 21 lit a KV – hat auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes weiter Bestand, sofern und soweit mit ihr die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden (9 ObA 116/21f Rz 25).
[20] 4.3. Der Begriff der „Branche“ ist gesetzlich nicht definiert. Der fachliche Geltungsbereich des KV erstreckt sich auf die Hotellerie und Gastronomie und ist als branchenbestimmend anzusehen. Das Hotel- und Gastgewerbe ist in diesem Sinn als einheitliche Branche anzusehen (9 ObA 116/21f Rz 33).
[21] 4.4. Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt nur, wenn in der Branche „Saisonbetriebe“ (§ 53 Abs 6 ArbVG iVm § 1159 Abs 2 und 4 jeweils letzter Satz ABGB) überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbetriebe sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst (9 ObA 116/21f Rz 34). Die Kollektivvertragsparteien können das Überwiegen von Saisonbetrieben zwar deklarativ festhalten, jedoch nicht normativ festlegen, weil dieser Umstand tatbestandliche Voraussetzung für ihre Regelungsbefugnis ist (Rz 35). „Überwiegen“ bedeutet quantitatives Überwiegen: es kommt – was in einem längeren Untersuchungszeitraum zu beurteilen ist – auf die Anzahl der Saisonbetriebe in Relation zur Gesamtanzahl der Betriebe einer Branche an (Rz 36 f).
[22] III. Im vorliegenden Verfahren ist die Frage strittig, ob der klagende Arbeitnehmer, der sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB beruft, die Unwirksamkeit der eine kürzere Kündigungsfrist normierenden Bestimmung des Pkt 21 lit a Satz 2 KV zu behaupten und die insoweit relevanten Tatsachen zu beweisen hat, oder der sich auf die kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist berufende Arbeitgeber die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Bestimmung des Pkt 21 lit a Satz 2 KV (iVm § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB) und nicht die gesetzliche Bestimmung des § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB im konkreten Fall wegen des Vorliegens einer Saisonbranche anwendbar ist.
IV. Dazu ist auszuführen:
[23] 1. Die hier zu beurteilende Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht beantwortet. Im Schrifttum finden sich dazu zahlreiche, unterschiedliche Stellungnahmen:
[24] 2. Für eine Behauptungspflicht (und Beweislastverteilung zu Lasten) des Arbeitgebers sprechen sich folgende Autorinnen und Autoren aus:
[25] 2.1. Ausführlich beschäftigt sich Nunner-Krautgasser (Zur Beweislastverteilung betreffend das [Nicht-]Vorliegen einer Saisonbranche, DRdA-infas 2023, 72) mit diesem Thema. Ihrer Ansicht nach beziehe sich die Richtigkeitsvermutung (besser: „Richtigkeitsgewähr“) kollektivvertraglicher Regelungen im Sinne der Judikatur darauf, dass kollektivvertraglichen Regelungen im Zweifel unterstellt werden dürfe, dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip gerecht zu werden. Damit sei jedoch keine beweisrechtlich relevante Vermutungsregelung verbunden, aus der sich eine Vermutung hinsichtlich des Anwendungsbereichs einer kollektivvertraglichen Norm im System der Rechtsordnung ableiten ließe, die durch den Beweis der Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Norm zu entkräften wäre. Insbesondere begründe auch der Umstand, dass ein Kollektivvertrag eine ausdrückliche Regelung enthalte, nach der in den erfassten Branchen Saisonbetriebe überwiegen, keine Vermutungsbasis im Sinne des § 270 ZPO. Daher sei die Frage der Beweislastverteilung auch in Fällen, in denen der betreffende Kollektivvertrag eine ausdrückliche Regelung enthalte, nach der in den erfassten Branchen Saisonbetriebe überwiegen, stets nach der Grundregel über die Beweislastverteilung zu klären, ob eine kollektivvertragliche Norm überhaupt von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1159 ABGB gedeckt sei. Da § 1159 ABGB regelungstechnisch die Basis, die jeweilige kollektivvertragliche Bestimmung betreffend Saisonbranchen hingegen die Ausnahmeregelung darstelle, sei der Arbeitgeber, der die Ausnahmeregelung der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist für sich in Anspruch nehmen wolle, behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Saisonbranche und die daran geknüpfte Anwendbarkeit der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist. Bleibe unklar, ob eine für die Anwendbarkeit der kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfrist vorausgesetzte Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann sei nach der allgemeinen Beweislastgrundregel so zu entscheiden, als wäre festgestellt worden, dass eine Saisonbranche nicht vorliege. In diesem Fall seien die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 ABGB als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.
[26] 2.2. Grillberger verweist in einer Anmerkung zu 9 ObA 116/21f (wbl 2022/114, 403 [406]) darauf, dass Bestimmungen in Kollektivverträgen, die eine ausdrückliche Regelung enthielten, wonach in deren Branchen Saisonbetriebe überwiegen, nach dieser Entscheidung nur deklarative Bedeutung hätten, weshalb sie auch nicht als Beweislastregel verstanden werden könnten. Berufe sich der Arbeitgeber auf eine kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist, obliege ihm im Streitfall der Nachweis, dass der Kollektivvertrag die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB erfülle.
[27] 2.3. Radlingmayr (Zur Beweislast bei der Kündigungsfrist für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, ecolex 2023/320, 516 [517 f]) hält ebenfalls daran fest, dass in einem derartigen Leistungsstreitverfahren (Anmerkung: wie dem vorliegenden) die allgemeinen Beweislastregeln zur Anwendung kämen. Noga (siehe Pkt IV.3.1.) hält er entgegen, dass der Arbeitnehmer die Nichtigkeit gar nicht einwenden müsse, weil sich aus der gesetzlich angeordneten, längeren Kündigungsfrist der Anspruch auf die Kündigungsentschädigung bereits zweifelsfrei ergebe. Der Arbeitnehmer müsse sich in diesem Fall keineswegs auf das Nichtvorliegen einer Saisonbranche stützen, und dementsprechend auch keinen Beweis darüber führen. Möchte der Arbeitgeber die Zahlung der Kündigungsentschädigung verhindern, müsse er sich als einzige Ausnahme von der Grundregel des § 1159 Abs 2 ABGB auf die Saisonbranchenbestimmung des letzten Satzes stützen. Hierbei handle es sich um eine für den Arbeitgeber günstigere Norm, deren Voraussetzungen ausschließlich er unter Beweis zu stellen habe, weil die Ausnahmeregelung des Abs 2 geeignet sei, den klägerischen Anspruch abzuwehren, da in diesem Fall die kürzere Kündigungsfrist des Kollektivvertrags zur Anwendung komme. Es handle sich also um einen anspruchsvernichtenden Einwand. Gelinge dem Arbeitgeber im Verfahren der Nachweis nicht, dass das Hotel- und Gastgewerbe eine Saisonbranche sei, sei der Klage auf Kündigungsentschädigung demnach stattzugeben.
[28] 2.4. Auch nach Tinhofer (Längere Kündigungsfristen für Arbeiter in Hotels und Gastronomie, Der Standard 2022/19/02) ist die Klage eines Arbeitnehmers auf Kündigungsentschädigung, gestützt auf die längeren Kündigungsfristen des § 1159 ABGB, nur dann abzuweisen, wenn der Arbeitgeber nachweisen könne, dass die vom Obersten Gerichtshof in 9 ObA 116/21f geforderten Voraussetzungen für Saisonbetriebe in der Branche tatsächlich erfüllt seien.
[29] 2.5. Reissner (Kündigungszeiten im Hotel- und Gastgewerbe – Überwiegen von Saisonbetrieben nicht belegt, JAS 2023, 145 [161 f]) zitiert die Ausführungen von Nunner-Krautgasser und untersucht die dogmatischen Grundlagen der Rechtsfolgen von einschlägigen kollektivvertraglichen Regelungen. Träfen ein grundsätzlich einseitig zwingendes Gesetz und ein dem Gesetz im Stufenbau untergeordneter Kollektivvertrag aufeinander, bestimme sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsquellen nach § 1164 Abs 1 ABGB. Demnach könnten „die Berechtigungen des Dienstnehmers“, die sich ua aus § 1159 ABGB ergeben, „durch den Dienstvertrag oder durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden“. Es sei daher zu prüfen, ob der Kollektivvertrag das Gesetz „aufhebt oder beschränkt“ oder ob dieser als für die Arbeitnehmer günstigere Rechtsquelle bestehen bleibe. Diesbezüglich sei also eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen, die mittels eines Günstigkeitsvergleichs durchzuführen sei. Aus (objektiver) Sicht des Arbeitnehmers sei es günstiger, wenn der Arbeitgeber kündige und die Abwicklungszeit länger andauere. Das bedeute für den Fall einer gesetzwidrigen Festlegung einer 14-tägigen Kündigungsfrist für beide Seiten durch den Kollektivvertrag, dass die Regelung im Hinblick auf die Arbeitgeberkündigung an § 1159 ABGB scheitere, während diese hinsichtlich der Kündigung von Seiten des Arbeitnehmers als günstigere Regelung gültig sei.
[30] 3. Hingegen treten für die Rechtsauffassung, dass der gekündigte Arbeitnehmer, der unter Berufung auf das Gesetz eine Kündigungsentschädigung fordert, jene Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sich die Nichtigkeit einer kollektivvertraglichen Regelung über Kündigungsfristen- und termine ergibt, folgende Autorinnen und Autoren ein:
[31] 3.1. Noga (Die gerichtliche Inhaltskontrolle abweichender kollektivvertraglicher Kündigungsfristen und -termine, ASoK 2022, 281 [285 ff]) setzt zentral an der (widerlegbaren) Richtigkeitsvermutung kollektivvertraglicher Regelungen und ihrer normativen Wirkung an und verknüpft diese mit weitreichenden Folgen (auch) für die Beweislastverteilung. Insoweit geht er davon aus, dass in einschlägigen Individualprozessen die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Regelung nach den allgemeinen Beweislastregeln vom Arbeitnehmer zu behaupten und die insoweit erforderlichen Tatsachen von ihm zu beweisen seien. Könne das Gericht nicht feststellen, ob es sich bei einer Branche um eine Saisonbranche handelt oder nicht, so treffe den Arbeitnehmer, der die Nichtigkeit behauptet das Beweislastrisiko.
[32] 3.2. Rauch (ASoK-Spezial Arbeitsrecht 2023, 2.16.1. Ist das Hotel- und Gastgewerbe eine Saisonbranche und sind daher die 14-tägigen Kündigungsfristen [nach dem Arbeiter-KV] weiterhin anwendbar?) teilt diese Ansicht ohne weitere Begründung.
[33] 3.3. Kietaibl (Die Beweislastverteilung in Bezug auf das [Nicht-]Vorliegen einer Saisonbranche im Anwendungsbereich eines Kollektivvertrages mit abweichenden Kündigungsbestimmungen, ASoK 2023, 234 [237 ff]) legt seinen Ausführungen ebenfalls zugrunde, dass beweispflichtig grundsätzlich der ist, der die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit einer Abrede behauptet (Ausnahmecharakter). Bei Vorhandensein einer kollektivvertraglichen Regelung sei daher nach herrschender Lehre zunächst ebenfalls von deren Wirksamkeit auszugehen und der beweisbelastet, der die Unwirksamkeit behauptet. Zudem sei grundsätzlich von einer Richtigkeitsgewähr des Kollektivvertrags auszugehen. Übertrage man diese Grundsätze auf den Fall abweichender kollektivvertraglicher Kündigungsbestimmungen, so wäre auf Basis der dargelegten Grundsätze zur Beweislast und kollektivvertraglichen Richtigkeitsgewähr zunächst von der Wirksamkeit der abweichenden Kündigungsbestimmung im Kollektivvertrag auszugehen, sodass bei Behauptung ihrer Nichtigkeit auch die nichtigkeitsbegründenden Tatsachen zu beweisen wären, in concreto also jene für das Nichtvorliegen einer Saisonbranche, woraus dann rechtlich die Überschreitung der kollektivvertraglichen Regelungsbefugnis und die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Kündigungsmodalitäten wegen Gesetzwidrigkeit folgen würden. Angesichts der Anforderungen an den Nachweis der von § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB normierten Voraussetzungen würde eine Beweislast desjenigen, der sich auf einen vorhandenen Kollektivvertrag mit abweichenden Kündigungsbestimmungen stütze, regelmäßig dazu führen, dass die kollektivvertragliche Kündigungsbestimmung im Ergebnis allein dadurch unanwendbar (außer Kraft gesetzt) würde, dass die andere Arbeitsvertragspartei die Regelungsbefugnis des Kollektivvertrags bestreite. Dem Gesetzgeber könne aber nicht unterstellt werden, dass die gesetzliche Regelungsermächtigung in § 1159 Abs 2 Satz 2 ABGB dadurch im Individualverfahren de facto beseitigt werde.
[34] 3.4. Dehn (Unbefristetes Unbestimmtes? In FS Neumayr II, 2467 [2474 ff]) argumentiert, dass die Erklärung eines Kollektivvertrags, die von ihm geregelte Branche sei eine Saisonbranche im Sinne des § 1159 ABGB, nur eine Orientierung sein, aber keine abschließende Richtigkeitsgewähr bieten könne. Die Kollektivvertragsparteien könnten im Streben um die Schaffung von Rechtsklarheit zwar auf das Überwiegen von Saisonbetrieben in der Branche hinweisen, diesen Umstand aber nicht normativ festlegen, weil ihre Regelungsbefugnis ja erst einsetze, wenn der Tatbestand tatsächlich erfüllt sei. Grundsätzlich sei eine kollektivvertragliche Regelung nicht im Hinblick auf ihre Rechtswirksamkeit, sondern auf ihre allfällige Rechtsunwirksamkeit hin zu prüfen. Im Individualprozess bedürfte es demnach nicht im Interesse der Prozesspartei, die sich auf die kollektivvertragliche Regelung berufe, der Feststellung von Tatsachen für die Annahme ihrer Wirksamkeit, sondern vielmehr im Interesse der Gegenpartei, die sich auf die gesetzliche Frist berufe, der Feststellung von Tatsachen für die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Frist. Daher wäre die Prozesslast im Falle einer Negativfeststellung über die zu behauptenden Tatsachen von demjenigen zu tragen, der die kollektivvertragliche Regelung nicht angewendet wissen wolle.
[35] V. Den überzeugenden Rechtsausführungen von Dehn, die der Senat teilt, sind folgende Grundsätze voranzustellen:
[36] 1. Gemäß § 11 Abs 1 ArbVG sind die Bestimmungen des Kollektivvertrags, soweit sie nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien regeln, innerhalb seines fachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereichs unmittelbar rechtsverbindlich. In diesem Geltungsbereich wirken die Bestimmungen des Kollektivvertrags normativ, sie schaffen objektives Recht und sind als Gesetz im materiellen Sinn zu qualifizieren (RS0050914; Reissner in ZellKomm³ § 11 ArbVG Rz 5 mwN; Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6 § 11 ArbVG Rz 5; Resch in Jabornegg/Resch, ArbVG § 11 Rz 4).
[37] 2. Nach der Rechtsprechung ist eine mit zwingendem Recht in Widerspruch stehende Kollektivvertragsbestimmung nicht rechtsgültig und daher wirkungslos (RS0050828) bzw nichtig (vgl RS0034517 [T12, T18]; Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6 § 2 ArbVG Rz 23; Runggaldier in Brameshuber/Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz, § 2 ArbVG Rz 37). Auch dann, wenn die Kollektivvertragsparteien ihre vom Gesetz (§ 2 Abs 2 ArbVG) eingeräumte Ermächtigung überschritten haben, kommt der kollektivvertraglichen Regelung nicht die Normwirkung des § 11 Abs 1 ArbVG zu (vgl 8 ObA 98/02y; vgl Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 2 Rz 10).
[38] 3. § 43 Abs 1 ASGG, wonach der Inhalt kollektivvertraglicher Normen von Amts wegen zu ermitteln ist, enthält keine Beweislastregel. Kollektivvertragliche Regelungen weisen eine „Richtigkeitsvermutung“ bzw „Richtigkeitsgewähr“ auf (vgl Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6, § 2 ArbVG Rz 7). Diese stellt in der Sache eine Vermutung für die Angemessenheit, Sachlichkeit und Rechtsrichtigkeit des Kollektivvertrags dar. Den Kollektivvertragsparteien darf nämlich grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, weshalb bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828; RS0008897). Dennoch steht es den Parteien frei, im gerichtlichen Verfahren die Unwirksamkeit kollektivvertraglicher Normen, etwa wegen Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung, geltend zu machen.
[39] 4. Nach den allgemeinen Beweislastregeln hat jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen (RS0109832 [T1]; RS0039939 [T30]), und es trifft denjenigen die Beweislast, der behauptet, es liege eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel vor (RS0040188; RS0109832 [T6]). Hier stellt sich nicht die Frage, ob ein konkreter Sachverhalt die Voraussetzungen einer bestimmten Norm erfüllt, sondern ob eine bestimmte Norm selbst überhaupt rechtswirksam ist. Spricht eine Prozesspartei einer kollektivvertraglichen Bestimmung die Normwirkung ab, dann hat sie die allenfalls erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Bestimmung – hier die Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung – ableiten lässt.
[40] 5. Die hier zu beurteilende Rechtsfrage kann aber nicht abschließend beantwortet werden, weil dazu Feststellungen fehlen.
[41] 6. Da die Parteien (unstrittig) keine Vereinbarung im Sinne des § 1159 Abs 3 zweiter Halbsatz ABGB getroffen haben, endet die Kündigungsfrist nach § 1159 Abs 2 Satz 1 ABGB jedenfalls mit Ablauf des Kalendervierteljahres.
[42] 7. Pkt 15 des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe, wonach das unbefristete Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes mit der Maßgabe gekündigt werden kann, dass es jeweils zum 15. oder Letzten des Kalendermonats aufgekündigt werden kann (§ 20 Abs 3 AngG), ist auf Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, die einem anderen Kollektivvertrag unterliegen, nicht analog anwendbar. Ein Analogieschluss würde eine Gesetzeslücke voraussetzen, was heißt, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann (RS0098756 [T12]; RS0010089 [T40]). Dass dies hier der Fall wäre, behauptet aber selbst die Revisionswerberin nicht. Es ist zudem nicht Aufgabe des Gerichts vermeintlich unbefriedigende Gesetzesbestimmungen (hier Kollektivvertragsbestimmungen) zu ändern (RS0008880). Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber mit eine gewisse Angleichung der Kündigungsfristen und -termine für Arbeiter/-innen an die Systematik der Angestellten nach dem Angestelltengesetz getroffen hat (BGBl I 2017/153), eine völlige Angleichung hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgenommen (9 ObA 131/19h).
[43] 8. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
[44] 8.1. Macht der vom Arbeitgeber unter Berufung auf die 14-tägige Kündigungsfrist des Pkt 21 lit a KV gekündigte Arbeitnehmer auf Basis der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung geltend, so muss nicht der Arbeitgeber das Vorliegen einer Saisonbranche und damit die Rechtswirksamkeit der kollektivvertraglichen Regelung behaupten und beweisen. Vielmehr trägt der klagende Arbeitnehmer im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass in einer Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen und die kollektivvertragliche Bestimmung des Pkt 21 lit a KV daher wirkungslos ist, weshalb nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist zum Tragen kommt.
[45] Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht die – gerade auch im konkreten Fall – mit dieser Beweisführung verbundenen Schwierigkeiten. Es ist jedoch nicht Aufgabe der – ordentlichen – Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung (RS0008880).
[46] 8.2. Kann nicht festgestellt werden, ob eine Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann trifft den diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitnehmer die Beweislast. In diesem Fall sind die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 Abs 2 ABGB nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.
[47] 8.3. Pkt 15 des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe, wonach das unbefristete Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes mit der Maßgabe gekündigt werden kann, dass es jeweils zum 15. oder Letzten des Kalendermonats aufgekündigt werden kann (§ 20 Abs 3 AngG), ist auf Arbeitnehmer, die dem Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe unterliegen, nicht analog anwendbar.
[48] 9.1. Die Parteien haben hier kein (ausreichendes) Vorbringen zur Beurteilung der Frage erstattet, ob Pkt 21 lit a KV mit § 1159 Abs 2 ABGB in Widerspruch steht. Insbesondere hat der behauptungs- und beweispflichtige Kläger keine Behauptungen in Ansehung des Überwiegens von Betrieben in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes, die keine Saisonbetriebe sind, aufgestellt und dafür Beweisanbote erstattet. Dementsprechend wurden hierzu auch keine Feststellungen getroffen.
[49] 9.2. Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Das Verbot von Überraschungsentscheidungen gilt auch für den Obersten Gerichtshof (RS0037300 [T55]). Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien die dargestellten Grundsätze zur Behauptungs- und Beweispflicht zu erörtern und ihnen Gelegenheit zur Erstattung weiteren Vorbringens zu geben haben.
[50] In Stattgebung der Revision der Beklagten waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben.
[51] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Katharina Hausmann, Rechtsanwältin in Berndorf, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, wegen 10.420,99 EUR brutto sA, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die den Parteien im ERV übermittelten Ausfertigungen des Beschlusses vom werden dahin berichtigt, dass sie der Urschrift angeglichen werden und wie die beigeschlossenen Ausfertigungen lauten.
Text
Begründung:
[1] Den Parteien wurden Ausfertigungen zugestellt, die im Kopf den fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Kallab irrtümlich als „(aus dem Kreis der Arbeitgeber)“ ausweisen. Tatsächlich ist er dem Kreis der Arbeitnehmer zugehörig.
Rechtliche Beurteilung
[2] Gemäß § 419 Abs 1 und 2 ZPO ist diese Abweichung der Ausfertigungen von der Urschrift von Amts wegen zu berichtigen. Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass den Parteien die mit der Urschrift übereinstimmenden Ausfertigungen des Beschlusses zugestellt werden (RS0041601 [T5]).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00057.24H.0919.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-67770