OGH 28.06.2023, 6Ob96/23w
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Daniel Charim und Mag. Jakob Charim, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung und Leistung, über die „außerordentliche Revision“ der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 147/22k-65, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 29/20z-59, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt (zusammengefasst)
1. die Feststellung des Bestehens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Streitteilen;
2. in eventu zu 1. die Feststellung, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Streitteilen sei infolge Kündigung durch den Beklagten mit aufgelöst;
3. die Feststellung, der Beklagte dürfe bestimmte zur Eintragung angemeldete Immaterialgüterrechte nur mit Zustimmung der Klägerin verwerten;
4. den Beklagten zu Änderungen an einer Webseite zu verpflichten und
5. den Beklagten zur Aktivierung eines E-Mail-Kontos zu verpflichten.
[2] Die Klägerin bewertete die Feststellungsbegehren (insgesamt) mit 20.000 EUR und die Leistungsbegehren (insgesamt) mit 10.000 EUR.
[3] Das Erstgericht wies das Begehren zu 1. (unangefochten) ab und gab dem übrigen Klagebegehren statt.
[4] Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts in seinem Punkt 2. (Eventualbegehren) auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf, wobei es nicht aussprach, dass gegen diesen Aufhebungsbeschluss der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Im Übrigen wies das Berufungsgericht mit Teilurteil das Klagebegehren zu 3. bis 5. ab, sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[5] Gegen dieses Teilurteil (aber – wie aus dem Rechtsmittelantrag ersichtlich – auch gegen den Aufhebungsbeschluss) richtet sich die „außerordentliche Revision“ der Klägerin, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
[6] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
[7] 1. Die Revisionswerberin meint, beim Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts liege aus verschiedenen Gründen eine krasse Unterbewertung vor, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden sei. Vielmehr liege der Wert des Entscheidungsgegenstands über 30.000 EUR, sodass der Oberste Gerichtshof die Revision als außerordentliche zu behandeln habe.
[8] 1.1. Der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts ist grundsätzlich unanfechtbar (§ 500 Abs 4 Satz 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung besteht – ausnahmsweise – nur dann keine Bindung des Obersten Gerichtshofs an die Bewertung des Berufungsgerichts, wenn dieses im Gesetz angeführte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt oder eine offenkundige Unterbewertung vorliegt (RS0042385 [T16]).
[9] 1.2. Der erste Fall (Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften) liegt nicht vor.
[10] 1.3. Entgegen den Argumenten der Revision liegt jedoch auch keine offenkundige Unterbewertung vor:
[11] 1.3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Streitteilen bestanden habe und diese aufgelöst sei (Eventualbegehren 2.), nicht (meritorischer) Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist, weil mangels Ausspruchs des Berufungsgerichts, gegen seinen Teilaufhebungsbeschluss sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, das Rechtsmittel insoweit absolut unzulässig ist.
[12] 1.3.2. Betreffend das verbleibende Klagebegehren (3.–5.) ist mit der subjektiven Einschätzung beider Parteien, die gegenständlichen Immaterialgüterrechte seien mehr als 1 Mio EUR wert, dieser Wert keineswegs offenkundig, können beide Parteien dabei doch über den (möglicherweise viel geringeren) tatsächlichen objektiven Wert geirrt haben. Soweit die Revision die behauptetermaßen 30.000 EUR weit übersteigenden Aufwendungen der Klägerin zur Verwertung der Erfindung des Beklagten ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass der Ersatz dieser Aufwendungen nicht den Gegenstand des (verbleibenden) Klagebegehrens bildet, sondern (im Wesentlichen) die Ausübung und Verwertung der Immaterialgüterrechte, deren von der Revision behaupteter (hoher) Wert – wie ausgeführt – nicht offenkundig ist.
[13] 1.4. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende offenkundige Unterbewertung durch das Berufungsgericht liegt somit nicht vor.
[14] 2. Die Zulässigkeit der Revision richtet sich daher nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei.
[15] Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben, das über den hilfsweise gestellten Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 508 ZPO zu entscheiden haben wird.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Daniel Charim und Mag. Jakob Charim, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Eversheds Sutherland Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung und Leistung, über den Rekurs und die Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 147/22k-65, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 29/20z-59, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der Rekurs wird zurückgewiesen.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Klagebegehren zu 3. bis 5. aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist ein Handelsunternehmen, das im Import und Export tätig ist. B* ist seit ungefähr zehn Jahren faktischer Geschäftsführer, seit bestellter Geschäftsführer der Klägerin.
[2] Der Beklagte ist Erfinder des Produkts „T*“. Dabei handelt es sich um einen Flaschenaufsatz bzw Flaschenverschluss, der sich beim Kippen einer Trinkflasche automatisch öffnet und schließt. Zu diesem Produkt besteht ein aufrechtes Gebrauchsmuster sowie eine eingetragene Unions-(wort-)marke für die Warenklassen 6 und 20, wobei der Beklagte sowohl für das Gebrauchsmuster als auch die Unionsmarke als Inhaber ausgewiesen ist. Zudem besteht eine noch laufende PCT-Patentanmeldung, eingebracht durch den Beklagten, die sich mittlerweile in der nationalen Phase der Patentanmeldung vor dem Europäischen Patentamt befindet.
[3] Ab dem Jahr 2018 bestand eine Kooperation betreffend das Produkt zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten, die der Beklagte mit Schreiben vom für beendet erklärte.
[4] Der Beklagte ersetzte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem die Kontaktdaten der Klägerin im Impressum der Webseite durch seine eigenen und deaktivierte das E-Mail-Konto ohne Zustimmung der Klägerin.
[5] Die Klägerin begehrt (zusammengefasst)
1. die Feststellung des Bestehens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) zwischen den Streitteilen;
2. in eventu zu 1. die Feststellung, die GesbR zwischen den Streitteilen sei infolge Kündigung durch den Beklagten mit aufgelöst;
3. die Feststellung, der Beklagte dürfe bestimmte zur Eintragung angemeldete Immaterialgüterrechte nur mit Zustimmung der Klägerin verwerten;
4. den Beklagten zu Änderungen an einer Website und
5. zur Aktivierung eines E-Mail-Kontos zu verpflichten.
[6] Sie brachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, die Streitteile hätten sich Anfang des Jahres 2018 zum Zweck der gemeinsamen Entwicklung, Produktion und des Vertriebs des Produkts zusammengeschlossen. Ab Mitte 2019 seien zwischen den Streitteilen Unstimmigkeiten über den Verlauf der bisherigen Kooperation und der Risikoverteilung aufgetreten. Letztlich habe dies dazu geführt, dass der Beklagte die Zusammenarbeit als beendet betrachtet, eigenmächtig die Klägerin als Kontakt- und Ansprechperson auf der Webseite entfernt und durch seine eigenen Kontaktdaten ergänzt habe. Zudem habe der Beklagte eigenmächtig das E-Mail-Konto für die Mitarbeiter der Klägerin deaktiviert. Der Beklagte sei nicht berechtigt, die Immaterialgüterrechte am Produkt alleine zu verwerten, weil die bisherige Zusammenarbeit als GesbR im Sinne einer 50 : 50-Partnerschaft samt Einbringung der zuvor genannten Immaterialgüterrechte zu betrachten sei.
[7] Der Beklagte wandte mangelnde Aktivlegitimation ein, weil die Kooperation lediglich zwischen dem Beklagten und B* stattgefunden habe. Selbst dieser Kooperation sei keine vertragliche Grundlage und insbesondere keine GesbR unter Einbringung von Immaterialgüterrechten zugrunde gelegen, weil B* die Gründung einer gemeinsamen GmbH und den Abschluss eines Kooperationsvertrags auch nach einem Vermittlungsversuch abgelehnt habe. Im Übrigen sei ein allfälliger Gesellschaftsvertrag angesichts des hohen Verkehrswerts der Erfindung des Beklagten wegen Verkürzung über die Hälfte rückwirkend anfechtbar. Weiters sei der Beklagte wegen diverser Verstöße gegen die „Zusammenarbeitstreue“ berechtigt gewesen, eine allfällig bestehende Zusammenarbeit zwischen den Streitteilen einseitig und mit sofortiger Wirkung zu beenden. Zudem könne er eine (bestrittene) GesbR ohnedies ordentlich für den Schluss des Geschäftsjahrs kündigen und habe daher eventualiter die ordentliche Kündigung zum ausgesprochen. Die geänderten Kontaktangaben auf der Website seien darauf zurückzuführen, dass sich B* ab 2019 nicht mehr um den Webshop gekümmert habe. Der Beklagte habe daraufhin einspringen und hierfür auch seine Daten angeben müssen.
[8] Das Erstgericht wies das Begehren zu 1. (unangefochten) ab und gab den übrigen Klagebegehren (2. bis 5.) statt. Zwischen den Streitteilen sei eine GesbR zu Stande gekommen, die wirksam vom Beklagten zum gekündigt worden sei. Trotz der Kündigung der GesbR bestünden aber die gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter zueinander noch so weit fort, als dies für die Liquidation erforderlich sei. Die Streitteile hätten daher keinen Anspruch auf Rückgabe von (auch immateriellen) Sachen, die – wie hier – quoad dominium oder quoad sortem in die GesbR eingebracht worden seien, weil diese in die Liquidationsmasse fielen. Die Immaterialgüterrechte könnten daher lediglich einvernehmlich verwertet werden. Die Klägerin sei für die Vermarktung und den Vertrieb des Produkts zuständig und als „Kontakt“ auf der Website angeführt gewesen. Ferner sei zum Zweck der Vermarktung eine E-Mail-Domain eingerichtet worden. Die durch den Beklagten vorgenommene Änderung der Kontaktdaten auf der Website sowie die Deaktivierung der E-Mail-Konten der Mitarbeiter der Klägerin stellten einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dar. Der Klägerin sei die kommerzielle Verwertung des Produkts unmöglich gemacht worden, jede künftige Verwertung sei von der Willkür des Beklagten abhängig. Angesichts der klaren Zuteilung der Vertriebsaufgaben zur Klägerin stehe ein solches Verhalten im Widerspruch zum Gesellschaftswohl. Diese Verletzung der Treuepflicht könne die Klägerin daher mittels der actio pro socio geltend machen, wobei aufgrund der Struktur als Zwei-Personen-Gesellschaft und der Natur der Beeinträchtigungen im vorliegenden Fall auch eine Leistung bloß an die Klägerin selbst an Stelle „aller Gesellschafter“ möglich sei.
[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, wies die Begehren zu 3. bis 5. mit Teilurteil ab, hob die angefochtene Entscheidung im Übrigen (Begehren zu 2.) auf und ließ die Revision gegen das Teilurteil nachträglich zu. Die Klägerin habe ihre Begehren zu 3. bis 5. auf das aufrechte Bestehen einer GesbR gestützt, an der die Streitteile zu gleichen Teilen beteiligt seien. Darauf, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber auch nach der Kündigung und Auflösung der Gesellschaft im Stadium der Liquidation zu diesen Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet wäre oder weil über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Zuge der Abwicklung ein Streit bestehe, habe sich die Klägerin in erster Instanz nicht berufen. Die Klagebegehren zu 3. bis 5. seien daher mit Teilurteil abzuweisen. Ob zwischen den Parteien eine GesbR bestanden habe, könne auf Basis des festgestellten Sachverhalts nicht beurteilt werden. In diesem Umfang sei daher das Urteil aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
[10] Gegen diese Entscheidung richten sich der Rekurs und die Revision der Klägerin mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Beklagte beantragt in seiner Rekurs- undRevisionsbeantwortung, die Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.
[12] I. Der Rekurs ist unzulässig.
[13] Nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse, soweit dadurch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Durch diese Formulierung wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Zulässigkeit des Rekurses gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss an einen ausdrücklichen Zulassungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz gebunden ist (RS0043880).
[14] Soweit sich die Klägerin in ihrem Rechtsmittelschriftsatz gegen den Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichts (Begehren zu 2.) im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wendet, ist das als Rekurs zu wertende Rechtsmittel daher jedenfalls unzulässig.
[15] II. Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
[16] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[17] 2.1. Die Beendigung einer GesbR erfolgt zweiaktig. Wenn Umstände vorliegen, die zur Auflösung der Gesellschaft führen, ist die Gesellschaft noch nicht beendet, sondern besteht zunächst fort und fällt in das Stadium der Abwicklung (Liquidation). Das Gesetz unterschiedet daher in Anlehnung an die §§ 145 bis 158 UGB (vgl ErlRV 270 BlgNR 25. GP 23) die Auflösung der GesbR (§§ 1208 bis 1216 ABGB) vom Stadium der Liquidation (§§ 1216a bis 1216e ABGB). An die Verwertungsphase, in der das Gesellschaftsvermögen „versilbert“ wird (§ 1216b Abs 1 Satz 1, § 1216c ABGB), schließt die Aufteilungsphase an, die der Verteilung des Liquidationserlöses an die Gesellschafter dient (§ 1216e ABGB; Artmann in Klang³ § 1216e ABGB Rz 1; vgl auch RS0061907 [T6] = 6 Ob 28/18p).
[18] 2.2. Zur Liquidation gehört gemäß § 1216c Abs 1 ABGB auch die Einziehung der Forderungen der Gesellschaft. Davon umfasst sind grundsätzlich auch Forderungen gegen die Gesellschafter, insbesondere Sozialansprüche (Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis), wie beispielsweise auf Herausgabe von Vermögensgegenständen der Gesellschaft. Der geänderte Gesellschaftszweck führt aber dazu, dass solche Sozialansprüche nur noch eingeschränkt geltend gemacht werden können: Während des Liquidationsstadiums können Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis ebenso wie Sozialansprüche der Gesellschaft nur noch nach Maßgabe des Liquidationszwecks isoliert geltend gemacht werden; sonst fließen sie in der Regel als unselbständige Rechnungsposten in eine kontokorrentähnliche Gesamtabrechnung ein. Dies bedeutet, dass sie nur geltend gemacht werden können, wenn und soweit dies für die Liquidation erforderlich ist; im Übrigen sind sie als Rechnungsposten in der Schlussabrechnung zu berücksichtigen, sodass sie nur im Wege einer Gesamtabrechnung geltend gemacht werden können (vgl 6 Ob 28/18p; Artmann in Klang³ § 1216c ABGB Rz 10 f; Rauter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1216c Rz 15).
[19] Im Interesse einer raschen und ungehinderten Durchführung der Liquidation trägt im Allgemeinen der Gesellschafter, der die Forderung ablehnen will, die Beweislast dafür, dass die Einziehung für den Abwicklungszweck nicht erforderlich ist (Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB3 § 149 Rz 26; Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger, UGB § 149 Rz 32; BGH V ZR 59/78 NJW 1980, 1522; K. Schmidt in MünchKommHGB5 § 149 Rn 20; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB4 § 149 Rz 16; Anissimov in Heidl/Schall, HGB³ § 149 Rz 9; Habersack in GroßkommHGB5 § 149 Rz 22; aA etwa U. Torggler in U. Torggler, UGB3 § 149 Rz 10 mwN; offen lassend Artmann in Klang³ § 1216c ABGB Rz 11; Rauter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1216c Rz 15).
[20] Die Geltendmachung von Sozialansprüchen kann auch mittels actio pro socio (§ 1188 ABGB) durch einzelne Gesellschafter erfolgen (vgl 3 Ob 175/01h; Artmann in Klang³ § 1216c ABGB Rz 13; Rauter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1216c Rz 15; U. Torggler in U. Torggler, UGB3 § 149 UGB Rz 11; Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger § 149 UGB Rz 103).
[21] 2.3. Der innere Ausgleich zwischen den Gesellschaftern zählt nicht mehr zur Liquidation, weil er entweder einvernehmlich erfolgt oder im Prozessweg auszutragen ist (RS0062180 [T1] = 6 Ob 162/19w).
[22] 2.4. Der Revision ist zuzustimmen, dass die von ihr zu Punkt 3. bis 5. geltend gemachten Ansprüche keinen Streit über die Verteilung des Liquidationserlöses unter den Gesellschaftern darstellen (§ 1216e Abs 3 ABGB; vgl dazu etwa Rauter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1216c Rz 21; Dellinger/Schellner in Zib/Dellinger § 155 UGB Rz 42; Warto in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 155 UGB Rz 32), also nicht zum inneren Ausgleich der Gesellschafter zu zählen sind, begehrt sie doch die Feststellung, der Beklagte dürfe bestimmte zur Eintragung angemeldete Immaterialgüterrechte nur mit Zustimmung der Klägerin verwerten, sowie die Verpflichtung des Beklagten zu Änderungen an einer Webseite sowie zur Aktivierung eines E-Mail-Kontos. Die Geltendmachung der behaupteten Sozialansprüche im Liquidationsstadium ist daher grundsätzlich zulässig.
[23] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich aus dem Vorbringen der Klägerin außerdem hinreichend deutlich erkennen, dass sich ihre aus dem Gesellschaftsverhältnis abgeleiteten Begehren zu 3. bis 5. auch auf das Liquidationsstadium beziehen. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass sie in ihrem Begehren zu 2. ausdrücklich von einer Kündigung der Gesellschaft zum und damit von einer aufgelösten Gesellschaft ausgeht. Unter dieser Prämisse wären die weiteren Begehren der Klägerin daher sinnwidrig. Im Übrigen trägt – wie dargelegt – die Beweislast dafür, dass die Forderung für den Abwicklungszweck nicht erforderlich ist, die Beklagte. Insoweit bedarf es aber keines Vorbringens der Klägerin. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist somit insofern korrekturbedürftig.
[24] 2.5. Zusammengefasst erfolgte die Abweisung der Klagebegehren zu 3. bis 5. mit Teilurteil durch das Berufungsgericht in diesem Verfahrensstadium zu Unrecht. Ob die Klagebegehren zu 3. bis 5. (inhaltlich) berechtigt sind, kann derzeit schon deshalb nicht beurteilt werden, weil aufgrund des vom Berufungsgericht getroffenen Aufhebungsbeschlusses – an den der Oberste Gerichtshof ohne Zulassung des Rekurses gebunden ist (vgl RS0043880) – noch nicht einmal abschließend geklärt ist, ob zwischen den Streitteilen eine GesbR bestand.
[25] 3. Der Revision war daher Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen bezüglich der Klagebegehren zu 3. bis 5. aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.
[26] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00096.23W.0628.000 |
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Fundstelle(n):
YAAAF-67228