OGH 15.12.2022, 3Ob201/22p
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen G* F*, geboren am * 2019, vertreten durch seine Mutter G* N*, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters F* F*, vertreten durch Mag. Wolfgang A. Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 390/22d-114, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Auch im Obsorgeverfahren gilt, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz keinen Revisionsrekursgrund bildet, sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist (RS0050037 [T4]; RS0030748 [T18]). Die Voraussetzungen für die Wahrnehmung angeblicher erstinstanzlicher Verfahrensmängel sind hier schon deshalb nicht gegeben, weil der Vater deren Erheblichkeit nicht darlegt (vgl RS0043027 [T13]).
[2] 2. Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, ist ein Akt der Beweiswürdigung, der auch im Außerstreitverfahren nicht revisibel ist (RS0043414 [T15]). Gelangen die Vorinstanzen – wie hier – zum Ergebnis, dass eine fachkundige Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe im Zusammenhang mit den anderen Beweismitteln (hier eine Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe) eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bildet, so ist auch die Frage, ob im Einzelfall ein Sachverständigengutachten erforderlich ist, vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar (RS0108449 [T4]; RS0115719).
[3] 3. Die Entscheidung des Rekursgerichts über die Beweisrüge des Vaters ist mangelfrei, weil sich die zweite Instanz mit dieser inhaltlich auseinandergesetzt und die wesentlichen Gründe für seine Beweiswürdigung nachvollziehbar dargelegt hat (vgl RS0043150; RS0040165 [T2 und T3]). Der Hinweis des Vaters auf den mittlerweile gegen die Mutter erhobenen Strafantrag wegen des Verdachts der Verleumdung des Vaters (im Zusammenhang mit einem Vergewaltigungsvorwurf) bestätigt das konfliktgeladene Verhältnis der Eltern untereinander, betrifft aber nicht unmittelbar die Erziehungsfähigkeit der Mutter.
[4] 4. In rechtlicher Hinsicht bezeichnet der Vater die Frage als erheblich, ob für die Beurteilung der Obsorgefrage nur das aktuelle Verhalten der Eltern oder eine umfassende Gesamtschau „unter Einschluss des zurückliegenden Fehlverhaltens der Mutter“ maßgebend sei.
[5] Nach der Rechtsprechung ist im Rahmen der Obsorgeentscheidung die derzeitige Lebenssituation der Eltern und des Kindes zu berücksichtigen, wobei es auf eine Gesamtschau der für die Obsorgeentscheidung maßgebenden Umstände ankommt (vgl 3 Ob 141/15d; 10 Ob 18/10k; vgl auch 8 Ob 81/15t). Es ist jedenfalls keine Verkennung der Rechtsprechungsgrundsätze, wenn nachhaltige positive Verhaltensänderungen (hier der Mutter) etwa aufgrund der Inanspruchnahme fachlicher Unterstützungsleistungen in die Entscheidung miteinbezogen werden (vgl 4 Ob 205/21g). Den Feststellungen lässt sich klar entnehmen, dass die Betreuungssituation des Kindes seit der getrennten Wohnungsnahme der Mutter eine gute Entwicklung genommen hat und ihre Erziehungsfähigkeit uneingeschränkt gegeben ist. Demgegenüber bringt der Vater das Kind in für dessen altersgerechte Entwicklung nachteilige Loyalitätskonflikte, weshalb eine Betreuung durch ihn das Kindeswohl gefährden würde.
[6] Auf die im Rekurs angesprochene beiderseitige Obsorge, die ein – hier allerdings nicht bestehendes – Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt (vgl 1 Ob 119/21p), kommt der Vater im Revisionsrekurs nicht mehr zurück.
[7] 5. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00201.22P.1215.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-66768