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OGH 11.04.2025, 1 Ob 147/23h

OGH 11.04.2025, 1 Ob 147/23h

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Rechtssätze


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Normen
RS0112887
Ist die Naturalherstellung sowohl möglich als auch tunlich, so steht es dem Geschädigten frei, entweder Wiederherstellung des vorigen Zustands oder Geldersatz zu verlangen. Seine Position gleicht damit der eines Gläubigers einer Wahlschuld im Sinne des § 906 ABGB, so dass es gerechtfertigt erscheint, auch den Geschädigten - wie den Gläubiger einer Wahlschuld - an die einmal getroffene Wahl zu binden, soweit nicht der Geschädigte - so bei Verzug des Schädigers mit der Naturalherstellung - die Wiederherstellung des vorigen Zustands nachträglich als untunlich erachten und Geldersatz begehren kann.
Normen
RS0009865
Entscheidend dafür, ob ein Gebäude durch seine Errichtung kraft Gesetzes zum (unselbstständigen) Bestandteil des Grundes und damit Eigentum des Liegenschaftseigentümers wird, ist nicht, ob es ohne wesentliche Zerstörung der Substanz wieder demontiert werden kann, sondern die Belassungsabsicht des Erbauers. Es kommt dabei nicht auf die (unkontrollierbare) innere Absicht der Erbauers, sondern deren äußeren Erscheinungsbild an, das vornehmlich aus dem Zweck des Gebäudes, aber auch seiner Beschaffenheit oder anderen Umständen erschlossen werden kann.
Normen
RS0012258
Sind Bauwerke durch ihre Aufführung bereits Bestandteil des Grundstückes geworden, können sie später auch nicht einvernehmlich zu sonderrechtsfähigen Superädifikaten gemacht werden.
Normen
RS0011252
Ein Überbau im Sinne des § 435 ABGB liegt vor, wenn auf fremden Grund ein Bauwerk in der Absicht aufgeführt wird, dass es nicht stets darauf bleiben soll. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss äußerlich erkennbar sein. Die maßgebliche Absicht tritt im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerkes hervor. Die kann aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden, zum Beispiel aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestehen.
Normen
RS0009939
Der Grundsatz des § 297 ABGB, dass das Eigentum an dem auf fremden Grund errichteten Gebäude dem Grundeigentümer zufalle, schlägt dann nicht durch, wenn das Gebäude nicht in der Absicht aufgeführt wurde, auf dem Grund zu bleiben (Superädifikat).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F*, und 2. V*gesellschaft mbH, *, beide vertreten durch die Kopp – Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 115/23z-17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin verkaufte dem Erstbeklagten im Jahr 2001 ein in den 1960er-Jahren auf öffentlichem Wassergut errichtetes (vormaliges) Zollhaus samt Nebengebäude (Pegelhaus). Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass der Erwerb der Gebäude losgelöst von den Grundstücksflächen als Superädifikat erfolgt. Der Erstbeklagte vermietete diese Gebäude 2017 an die Zweitbeklagte. Diese schloss mit der Klägerin zuletzt einen von 2017 bis 2021 befristeten Bestandvertrag über die Benutzung der Grundstücksflächen, auf denen die Bauwerke errichtet sind.

[2] Die Vorinstanzen gaben den von der Klägerin als Liegenschaftseigentümerin gegen die Beklagten erhobenen Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung übereinstimmend statt, weil die Gebäude nicht sonderrechtsfähig seien und der Erstbeklagte daran kein Eigentum habe erwerben können. Die Bestandverträge über die Benutzung der Grundstücksflächen seien beendet worden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Beklagten zeigen in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erhebliche Bedeutung auf.

[4] 1. Das Eigentum an einem auf fremden Grund errichteten Bauwerk fällt gemäß § 297 ABGB dem Grundeigentümer zu, außer es wurde in der Absicht aufgeführt, dass es nicht auf Dauer dort bleiben soll (RS0009939; RS0011252 [T4]). Die fehlende Belassungsabsicht muss objektiv in Erscheinung treten, und zwar entweder durch die Bauweise oder durch ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenutzungsrecht (RS0009865 [T3]). Sie muss im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks bestehen (RS0009939 [T3]; RS0009865 [T8]; RS0011252 [T10]). Ist dieses bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, kann daran später auch einvernehmlich kein Superädifikat mehr begründet werden (RS0012258).

[5] 2. Von dieser Rechtslage ausgehend gelangten die Vorinstanzen zur Auffassung, die Klägerin und der Erstbeklagte hätten durch den späteren Kaufvertrag über die unzweifelhaft in Belassungsabsicht errichteten Gebäude kein Superädifikat an den bereits Bestandteil des Grundstücks gewordenen Bauwerken mehr begründen können.

[6] Dem halten die Beklagten nichts Stichhältiges entgegen:

[7] 2.1. Sie behaupten, ausnahmsweise hätte doch nachträglich ein Superädifikat entstehen können, weil ein einer öffentlichen Versteigerung gleichzuhaltender Fall vorliege. Aus den von ihnen ins Treffen geführten Entscheidungen 3 Ob 2277/96s und 5 Ob 55/13v ergibt sich jedoch nicht, dass bei einer öffentlichen Versteigerung „durch Hoheitsakt“ ein Superädifikat begründet werden könnte. Der ersten Entscheidung lag unstrittig ein Superädifikat zugrunde; fraglich war lediglich das Eigentumsrecht des dortigen Exszindierungsklägers an dem gepfändeten Bauwerk. Die zweite Entscheidung beschäftigte sich mit der Ersitzung einer als Superädifikat zu qualifizierenden Fischerhütte. Bei den hier strittigen Gebäuden handelt es sich aber gerade um keine – sonderrechtsfähigen – Superädifikate.

[8] Schon daran scheitert auch die von den Beklagten behauptete Ersitzung, ohne dass es auf die Frage der Redlichkeit noch ankäme.

[9] 2.2. Ob den Beklagten gegen die Klägerin als Verkäuferin Schadenersatzansprüche aufgrund sittenwidriger Schädigung zustehen, kann offen bleiben. Die den Rechtsmittelwerbern vor Augen stehende Naturalrestitution im Sinn einer Erfüllung des (nach § 878 ABGB unwirksamen) Kaufvertrags kommt wegen (rechtlicher) Unmöglichkeit jedenfalls nicht in Betracht (vgl RS0112887 [T5]). Ersatz des Vertrauensschadens (§ 878 Satz 3 ABGB) begehren die Beklagten nicht.

[10] 3. Letztlich rügen die Beklagten als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass sich das Berufungsgericht nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt habe, es liege ein unkündbarer Mietvertrag nach dem MRG vor. Diese Ausführungen gehen allerdings von der Annahme aus, dass das (erste) Mietverhältnis zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten bereits am begonnen hätte und daher die Vollausnahme für Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten noch nicht gelte. Hingegen hat das Erstgericht festgestellt, dass der (erste) „Vertrag über die Benützung von öffentlichem Wassergut“ für die Dauer von bis abgeschlossen und erst im März 2002 vom Erstbeklagten und im März 2003 von einem Vertreter der Klägerin unterfertigt wurde. Diese Tatsachengrundlage haben die Beklagten nicht angefochten. Dem behaupteten Verfahrensmangel fehlt bereits aus diesem Grund die Relevanz.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00147.23H.1023.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-66510