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OGH 21.03.2023, 10ObS14/23s

OGH 21.03.2023, 10ObS14/23s

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

Rechtssatz


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Normen
RS0134327
Die Leistung der Überweisungsbeträge führt zwar zur Anerkennung der Anwartschaften, die in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erworben wurden. Die Leistung der Überweisungsbeträge kann aber nicht die Unterschiede zwischen verschiedenen Pensionsversicherungssystemen - hier das unterschiedliche Regelpensionsalter - ex post beseitigen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Mag. Faber und den Hofrat Dr. Thunhart sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Franz Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alfred Iser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Alterspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 76/22h-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cgs 23/22m-7, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 24 Cgs 23/22m-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 304,84 EUR (darin 50,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 209,38 EUR (darin 34,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die am * geborene Klägerin war von bis bei der VOEST-ALPINE AG und von bis als Vertragslehrerin beim Land Oberösterreich beschäftigt. Mit wurde sie in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich aufgenommen, wofür die Beklagte einen Überweisungsbetrag gemäß § 308 ASVG in Höhe von 11.422,85 EUR leistete. Mit Wirksamkeit zum erklärte die Klägerin den Austritt aus diesem Dienstverhältnis. Sie hatte schon zuvor, am , bei der Beklagten einen Antrag auf Alterspension ab gestellt. Das Land Oberösterreich leistete daraufhin einen Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG an die Beklagte und zahlte den seinerzeit von der Beklagten erhaltenen Überweisungsbetrag zurück. Die Klägerin hat zum gesamt 458 Versicherungsmonate erworben, davon 362 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit und 96 Monate einer Ersatzzeit.

[2] Mit dem angefochtenen Bescheid vom gewährte die Beklagte der Klägerin ab eine Alterspension von 2.243,72 EUR monatlich.

[3] Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung einer Alterspension von zumindest 2.440,05 EUR brutto monatlich ab . Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Pension erst 25 Monate nach Erreichen des Regelpensionsalters von 60 Jahren beansprucht habe, sodass ihr nach § 5 Abs 4 APG eine Erhöhung der Pensionsleistung im Ausmaß von 8,75 % gebühre.

[4] Die Beklagte wendete ein, dass die Klägerin die Mindestversicherungszeit erst durch Entrichtung des Überweisungsbetrags erfüllt habe, sodass sie keine Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG beanspruchen könne.

[5] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Leistung einer Alterspension von 2.251,57 EUR monatlich ab und wies das Mehrbegehren ab. Aufgrund der in § 313 Abs 2 ASVG normierten Wartefrist habe die Klägerin ihre Mindestversicherungszeit erst nach Erreichen des 62. Lebensjahres erfüllt und einen Monat später die Alterspension beansprucht, sodass sich die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG auf 0,35 % beschränke.

[6] Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Über Berufung der Klägerin änderte es das Urteil dahin ab, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Nach § 313 Abs 2 ASVG führe der Wechsel in das Sozialversicherungssystem zu einer Wartezeit von fünf Jahren bzw bis zum 62. Lebensjahr, habe aber keine Auswirkungen auf die Berechnung der Pensionshöhe. Auch der Zeitpunkt der Zahlung des Überweisungsbetrags sei für den Pensionsanspruch ohne Bedeutung. Aufgrund des Regelpensionsalters von 60 Jahren habe die Klägerin nach § 5 Abs 4 APG Anspruch auf eine Bonifikation für 25 Monate, was einer Erhöhung von 8,75 % entspreche. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zulässig sei.

[7] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch teilweise im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

[10] 1. Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, inwieweit einer ehemaligen Beamtin, die nach dem Ausscheiden aus ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis die Alterspension ungeachtet des dann für sie geltenden Regelpensionsalters von 60 Jahren (§ 16 Abs 6 APG) nach § 313 Abs 2 ASVG erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres beanspruchen kann, eine Bonifikation nach § 5 Abs 4 APG gebührt.

[11] 2.1 Ist ein Dienstnehmer aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien oder nach früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne dass aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe-(Versorgungs-)genuss erwachsen ist und ohne dass ein außerordentlicher Ruhe-(Versorgungs-)genuss in der Höhe des normalmäßigen Ruhe-(Versorgungs-)genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der Dienstgeber, soweit in § 311 Abs 3 und 4 ASVG nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten. Der Überweisungsbetrag beträgt nach § 311 Abs 5 und 6 ASVG für jeden Monat des pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses 22,8 % des letzten vollen Monatsentgelts, höchstens jedoch das Dreißigfache der Höchstbeitragsgrundlage.

[12] 2.2 Die Wirkung der Zahlung des Überweisungsbetrags regelt § 313 ASVG. Nach § 313 Abs 1 ASVG idF des SRÄG 2010, BGBl I 2010/62, gelten volle Monate, die berücksichtigt sind in den an einen Versicherungsträger nach § 311 ASVG (§ 175 GSVG; § 167 BSVG) geleisteten oder zurückgezahlten Überweisungsbeträgen (Z 1) sowie in den aus Anlass der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis vom Dienstnehmer oder der Dienstnehmerin geleisteten besonderen Pensionsbeiträgen (Z 2), als Versicherungsmonate im Sinn des ASVG, wenn sie im Überweisungsbetrag als solche berücksichtigt wurden.

[13] 2.3 Unter Überweisungsbetrag ist eine Geldentschädigung zu verstehen, die der Träger des alten Sicherungssystems dem Träger des neuen Sicherungssystems für die Anerkennung der Anwartschaften, welche im alten System erworben worden sind, bezahlen muss, wenn ein Versicherter in ein anderes Versicherungssystem übertritt (Zankel, Der sozialversicherungsrechtliche Überweisungsbetrag, ASoK 2009, 186; Tomandl, Sozialrecht7 Rz 300). Die mit den §§ 308 ff ASVG begründete Durchlässigkeit von Pensionsversicherung und Versorgung schützt vor Leistungsnachteilen durch einen Systemwechsel (Resch in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts [35. ErgLfg] 2.4.8.3). Mit der Leistung des Überweisungsbetrags wird praktisch eine Versicherung liquidiert (ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 120 f; vgl VwGH 2003/08/0088).

[14] 2.4 Mit dem SRÄG 2010 reagierte der Gesetzgeber auf den möglichen Wechsel einer größeren Anzahl von Beamtinnen und Beamten in das ASVG-System. Versicherungsmonate nach § 313 Abs 1 ASVG werden gemäß § 313 Abs 2 Satz 1 ASVG erst ab dem 61. Kalendermonat nach dem Austritt aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis leistungswirksam, spätestens aber ab dem Monatsersten nach der Erreichung des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG. Fällt der Zeitpunkt der Erreichung des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG selbst auf einen Monatsersten, so gilt gemäß § 313 Abs 2 letzter Satz ASVG dieser Tag als Monatserster im Sinne des § 313 Abs 2 Satz 1 ASVG. Folge dieser Novellierung war, dass nach dem Ausscheiden aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis jene Versicherungsmonate, für die ein Überweisungsbetrag geleistet wurde, nicht mehr sofort als Beitragsmonate wirksam wurden, sondern erst nach fünf Jahren oder spätestens ab Erreichen des Korridorpensionsalters von 62 Jahren. Damit wurde das Ziel verfolgt, die große finanzielle Belastung für das Versicherungssystem nach dem ASVG, die sich daraus ergeben konnte, dass Personen kurz vor Erreichen des 55. bzw 60. Lebensjahres von einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in das ASVG-System wechselten, abzuwenden (VfGH G 21/2013; ErläutRV 785 BlgNR 24. GP 7).

[15] 3.1 Hat eine versicherte Person bereits das Regelpensionsalter erreicht und arbeitet weiter, anstatt die Pension zu beanspruchen, so sieht § 4 Abs 5 APG (ebenso wie § 261c ASVG) eine Erhöhung der Pension („Bonifikation“) wegen des Aufschubs der Geltendmachung des Anspruchs vor (Rainer/Pöltner in Der SV-Komm [307. Lfg] § 5 APG Rz 86 ff).

[16] 3.2 Das Regelpensionsalter von weiblichen Versicherten, die – wie das auf die Klägerin zutrifft – das 60. Lebensjahr vor dem vollenden, wird nach § 16 Abs 6 APG mit der Vollendung des 60. Lebensjahres erreicht (§ 253 Abs 1 ASVG). Tritt die versicherte Person die Pension nicht zum Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters an, so erhöhen sich die Pensionsleistungen nach § 5 Abs 4 APG „frühestens ab dem Vorliegen der Mindestversicherungszeit“ um 0,35 % für jeden Monat des späteren Pensionsantritts, höchstens jedoch um 12,6 % der Leistung. Der Verfassungsgerichtshof verneinte eine Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 2 bis 4 APG und führte dazu aus, dass sich der Gesetzgeber für ein System von Ab- und Zuschlägen in Abhängigkeit vom tatsächlichen Pensionsantrittsalter im Vergleich zum – noch unterschiedlichen – Regelpensionsalter entschieden hat, wodurch es – derzeit – zu einer unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Männern kommt. Diese Unterschiede sind jedoch auf Regelungen zurückzuführen, die sich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf das BVG Altersgrenzen (BGBl 1992/832) stützen können bzw auf dieses verweisen (G 107/2019).

[17] 3.3 Dass die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG den Ablauf der Mindestversicherungszeit erfordert, wurde mit dem SVAG 2015, BGBl I 2015/2, in das Gesetz aufgenommen, um einen Gleichklang mit der Parallelvorschrift in § 261c ASVG herbeizuführen, wonach der „Aufschub-Bonus“ für die spätere Inanspruchnahme der Alterspension seit jeher frühestens „ab dem Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit“ nach § 236 ASVG gebührt (ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 13). Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass nur ein freiwilliger Aufschub honoriert wird und die Pensionserhöhung nur dann beansprucht werden kann, wenn bereits ein Anspruch auf Alterspension besteht, der Pensionsantritt aber dennoch verschoben wird (Pöltner/Pacic, ASVG § 5 APG Anm 7; Panhölzl in Der SV-Komm [292. Lfg] § 261c ASVG Rz 11).

[18] 3.4 Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 10 ObS 29/09a SSV-NF 23/27 – zum Fall einer Änderung des Geschlechts – darauf hingewiesen, dass diese Bonifikation einen Anreiz schaffen soll, dass eine an sich pensionsberechtigte Person trotz Erreichens des Regelpensionsalters noch keine Pensionsleistungen in Anspruch nimmt. In diesen Genuss hätte die damalige Klägerin allerdings bis zur Anerkennung ihrer neuen geschlechtlichen Identität gar nicht kommen können, da sie bis dahin noch als Mann zu gelten hatte. Als Mann sei sie – mangels Erreichens des 65. Lebensjahres – im Zeitraum zwischen dem Erreichen des 60. Lebensjahres und des späteren Zeitpunkts der Wirksamkeit der Eintragung der Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister aber nicht berechtigt gewesen, eine Regelpension zu beanspruchen, sodass ein nach § 261c ASVG zu honorierender Aufschub der Geltendmachung einer Alterspension gar nicht denkbar war. Ein Tatbestand, der eine solche Bonifikation rechtfertigen könnte, liege daher erst ab demjenigen Zeitpunkt vor, zu dem die Klägerin auch rechtlich als Frau anzusehen ist.

[19] 3.5 Der Verfassungsgerichtshof hat erst jüngst in der Entscheidung G 192/2022 vom eine Verfassungswidrigkeit des § 313 Abs 2 ASVG verneint. Er verneinte eine behauptete Unsachlichkeit dieser Bestimmung und führte dazu unter anderem aus:

„Dem Gesetzgeber ist nicht entgegenzutreten, wenn er mit dem Ziel der Vermeidung der Leistungsoptimierung eine Wartefrist vorsieht. Wie aus den Gesetzesmaterialien (RV 785 BlgNR 24. GP 7 f) hervorgeht, soll durch die in § 313 Abs 2 ASVG festgelegte Wartezeit verhindert werden, dass Personen allein zum Zweck der Leistungsoptimierung zwischen den Versorgungssystemen wechseln. Bei Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis wird die versicherte Person einer Versichertengemeinschaft zugeordnet, deren Angehörige Versicherungszeiten unter rechtlich anderen Bedingungen erworben haben als Personen, die in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden sind. Die Leistung eines Überweisungsbetrages durch den Dienstgeber kann diese Unterschiede zwischen den Dienstnehmern nicht ex post beseitigen. Die Wartezeit bewirkt, dass Personen, die bisher der Versichertengemeinschaft nicht angehört haben, erst dann Versicherungsleistungen beziehen können, wenn sie der Risikogruppe eine gewisse Zeit angehört haben.“

[20] 4.1 Daraus folgt, dass die Klägerin aufgrund der Anrechnungsbestimmung in § 313 Abs 2 ASVG erst nach Vollendung ihres 62. Lebensjahres – hier ab – eine Alterspension beanspruchen konnte. Ein Pensionsantritt vor diesem Zeitpunkt war ihr nicht möglich, weil sie nicht dem ASVG unterlag. Die Leistung der Überweisungsbeträge führt zwar zur Anerkennung der Anwartschaften, die die Klägerin im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erworben hat, durch die Beklagte. Die Leistung der Überweisungsbeträge kann aber – wie der Verfassungsgerichtshof ausgeführt hat – die Unterschiede zwischen verschiedenen Versicherungssystemen – hier das für die Klägerin unterschiedliche Regelpensionsalter – nicht ex post beseitigen. § 5 Abs 4 APG kann daher, worauf das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, im konkreten Fall frühestens ab einem Pensionsantritt ab – einen Monat nach Vollendung des 62. Lebensjahres der Klägerin – zur Anwendung gelangen.

[21] 4.2 Dem Argument der Beklagten, dass vor Eintritt der Leistungswirksamkeit des Überweisungsbetrags keine rückwirkende Bonifikation gemäß § 4 Abs 2 APG zukommen könne, kommt keine Berechtigung zu:

[22] 4.2.1 Die Beklagte erkennt selbst, dass die Wartefrist des § 313 Abs 2 ASVG bei Erreichen des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG (Vollendung des 62. Lebensjahres) verkürzt wird (arg: „spätestens“). Dem Gesetz ist nur zu entnehmen, zu welchen Zeitpunkten die Fälligkeit der Überweisungsbeträge eintritt (§ 312 ASVG). Aus den §§ 312 und 313 ASVG ergibt sich jedoch nicht die von der Beklagten behauptete Rechtsfolge, dass die Leistung des Überweisungsbetrags der Festsetzung eines Stichtags prinzipiell voranzugehen habe: Der Stichtag wird vielmehr maßgeblich durch den Antrag bestimmt (§ 223 Abs 2 ASVG). Wird ein Antrag gestellt, so ist, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, der Überweisungsbetrag gemäß § 312 Abs 1 ASVG unverzüglich zu leisten. Der Fälligkeitszeitpunkt für die Leistung des Überweisungsbetrags in den Fällen des § 313 Abs 2 ASVG ergibt sich aus § 312 Abs 2 ASVG. Bei verspäteter Zahlung ist der Überweisungsbetrag gemäß § 312 Abs 1 letzter Satz ASVG mit dem Aufwertungsfaktor nach § 108c ASVG, der für das Jahr des Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gilt, aufzuwerten.

[23] 4.2.2 Als weitere Voraussetzung normiert § 5 Abs 4 APG schließlich noch das Vorliegen der Mindestversicherungszeit, die in § 4 Abs 1 APG geregelt ist. Anspruch auf Alterspension hat gemäß § 4 Abs 1 APG die versicherte Person nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelpensionsalter), wenn bis zum Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) mindestens 180 Versicherungsmonate nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz vorliegen, von denen mindestens 84 aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden (Mindestversicherungszeit). Die Mindestversicherungszeit hat die Klägerin infolge der dargestellten Wirkung der Leistung der Überweisungsbeträge – unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Leistung – im vorliegenden Fall schon vor Vollendung des 62. Lebensjahres erworben.

[24] 4.3 Der Klägerin gebührt daher, worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, zwar die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG, weil sie die Alterspension mit Vollendung des 62. Lebensjahres hätte beanspruchen können, dies aber nur für einen Monat, weil der Pensionsantritt mit erfolgte.

[25] 5.1 Dass die Klägerin damit eine geringere Pension bezieht als eine Arbeitnehmerin mit gleichen Versicherungszeiten, die immer in der gesetzlichen Pensionsversicherung versichert war und erst mit Vollendung ihres 62. Lebensjahres die Alterspension beansprucht, ist letztlich eine Folge des höheren Pensionsantrittsalters von Beamten, das nach § 313 Abs 2 ASVG auch bei einem Wechsel in die gesetzliche Sozialversicherung fortwirkt. Wie bereits ausgeführt kommt der Leistung eines Überweisungsbetrags durch den Dienstgeber keine ex post-Wirkung zu.

[26] 5.2 Den verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin ist entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof einen Vergleich zwischen Beamtendienstrecht und Sozialversicherungsrecht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes seit jeher ablehnt, weil es sich um verschiedene Regelungssysteme handelt (VfGH B 377/91 VfSlg 13.829; G 300/02 VfSlg 16.923; B 1081/2013 VfSlg 19.884; zuletzt G 192/2022).

[27] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Ist eine Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängig, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Versicherten die Hälfte der Kosten seiner Rechtsvertretung zuzuerkennen (RIS-Justiz RS0085871).

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00014.23S.0321.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-66311