OGH 22.08.2023, 10Ob14/23s
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzendenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*, vertreten durch die lawpoint Hütthaler-Brandauer & Akyürek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K * GmbH *, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.080 EUR sA (Revisionsstreitwert: 11.560 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 58 R 141/22s-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 4 C 788/21t-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang des Zuspruchs eines Teilbetrags von 1.520 EUR sA als unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Mit Kaufvertrag vom erwarb die Beklagte von einer GmbH ein Schaubergwerk, wobei der Kläger als anwaltlicher Vertreter der Verkäuferin und Treuhänder tätig wurde. Der Kaufpreis von mehr als 2,2 Mio EUR sollte durch Übernahme von zwei Bankkrediten der Verkäuferin sowie Zahlung eines Barkaufpreises von 160.000 EUR durch die Beklagte entrichtet werden. In dieser Hinsicht war im Kaufvertrag festgehalten:
„Die Verkäuferin weist die Käuferin [Beklagte] hiermit an, binnen 4 Wochen ab Unterfertigung dieses Kaufvertrags vom vereinbarten Barkaufpreis einen Teilbetrag in Höhe von 143.129,93 direkt und schuldbefreiend – für Rechnung der Verkäuferin – an die in der [Gläubigerliste] Beilage ./7 genannten Gläubiger zu bezahlen. Die Käuferin verpflichtet sich, der Verkäuferin die Bezahlung durch Vorlage von Zahlungsbestätigungen nachzuweisen.“
[2] In der Gläubigerliste war neben den Forderungen von 23 anderen Gläubigern auch die Honorarforderung des Klägers von 13.080 EUR angeführt. Die Beklagte beglich alle Forderungen mit Ausnahme jener des Klägers.
[3] Vom restlichen Barkaufpreis von 16.870,07 EUR sollte die Beklagte binnen vier Wochen 10.000 EUR als Haftrücklass (für den Fall ihrer Inanspruchnahme wegen „Altverbindlichkeiten“) beim Treuhänder erlegen und den Restbetrag von 6.870,07 EUR, abzüglich allfälliger vom Haftrücklass nicht gedeckter Dienstnehmeransprüche, an die Verkäuferin zahlen.
[4] Dazu erklärte die Verkäuferin im Kaufvertrag, dass im Schaubergwerksbetrieb mit Ausnahme von zwei Arbeitnehmern keine Arbeitnehmer beschäftigt sind und weder im Hinblick auf diese noch im Hinblick auf allfällige andere (frühere) Arbeitnehmer Ansprüche welcher Art auch immer bestehen. Für den Fall, dass Arbeitnehmer wider Erwarten dennoch Ansprüche im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang geltend machen sollten, verpflichtete sich die Verkäuferin, die Käuferin vollkommen schad- und klaglos zu halten.
[5] Tatsächlich stehen den (zwei) von der Beklagten übernommenen Dienstnehmern des Schaubergwerks(-betriebs) Ansprüche aus nicht konsumierten Urlauben von „maximal 11.560 EUR“ zu.
[6] Mit seiner Klage begehrt der Kläger 13.080 EUR sA von der Beklagten. Soweit hier noch von Interesse führte er aus, dass die Verkäuferin die Beklagte im Kaufvertrag angewiesen habe, ihm sein Honorar direkt zu überweisen. Durch Unterfertigung des Kaufvertrags habe die Beklagte die Anweisung angenommen und ihren Verpflichtungswillen zum Ausdruck gebracht. Da die Vertragsparteien den Kaufvertrag in seiner Anwesenheit unterzeichnet und ihm eine Kopie ausgehändigt hätten, sei ihm die Annahme der Anweisung – vor allem in Form der Vertragskopie – auch zugekommen. Die aus dem Deckungsverhältnis abgeleitete Gegenforderung könne die Beklagte mangels einer titulierten Anweisung ihm gegenüber nicht geltend machen.
[7] Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Kläger sie aufgrund der Anweisung nicht direkt in Anspruch nehmen könne, weil sie weder im Kaufvertrag noch ihm gegenüber erklärt habe, die Anweisung anzunehmen. Abgesehen davon habe sich herausgestellt, dass die von ihr übernommenen Dienstnehmer entgegen der Zusicherung der Verkäuferin Ansprüche auf Urlaubsersatzleistungen von insgesamt rund 11.560 EUR hätten, für die nach dem Inhalt des Kaufvertrags (im Innenverhältnis) die Verkäuferin hafte. Diesen Betrag wende sie daher aufrechnungsweise ein.
[8] Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass eine Annahme der Anweisung durch die Beklagte nicht vorliege.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers insofern Folge, als es die Klageforderung mit 13.080 EUR sowie die Gegenforderung mit 11.560 EUR als zu Recht bestehend erkannte und die Beklagte daher zur Zahlung von 1.520 EUR sA an den Kläger verpflichtete. Das Mehrbegehren von 11.560 EUR sA wies es ab. Die Annahme einer Anweisung durch den Angewiesenen müsse nicht gegenüber dem Anweisungsempfänger selbst abgegeben werden. Es reiche aus, wenn sie ihm (nur) zukomme. Das sei hier zweifellos der Fall, weil die Beklagte gar nicht bestreite, den Kaufvertrag in Anwesenheit des Klägers unterfertigt zu haben. Da die Anweisung ausdrücklich auf den Kaufvertrag Bezug nehme, sei sie auch tituliert, weshalb die Beklagte dem Kläger alle Einwendungen im Zusammenhang mit dem Kauf des Schaubergwerks entgegenhalten könne. Solche bestünden im Anlassfall darin, dass den übernommenen Dienstnehmern über die der Beklagten bekannt gegebenen Ansprüche hinaus weitere Ansprüche von „maximal 11.560 EUR“ zustünden und sich die Verkäuferin verpflichtet habe, die Beklagte in dieser Hinsicht schad- und klaglos zu halten. Auf die Vereinbarung über den Haftrücklass könne sich der Kläger nicht berufen, weil unstrittig sei, dass die Beklagte (bereits vor Ablauf der Frist für seinen Erlag andere „Altverbindlichkeiten“ beglichen und daher) den Haftrücklass einvernehmlich nicht erlegt habe.
[10] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bestimmtheit der Titulierung einer Anweisung fehle.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig und im Umfang des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[12] 1. Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass im Anlassfall eine (gültige) Anweisung in Form einer doppelten Ermächtigung des Anweisungsempfängers (des Klägers) zur Empfangnahme der Leistung und des Angewiesenen (der Beklagten) zur Erbringung einer Leistung im eigenen Namen und aus eigenem Vermögen für Rechnung des Anweisenden vorliegt (RIS-Justiz RS0019551; RS0032933 [T1]). Die Parteien gehen zu Recht davon aus, dass dem Kläger (als Anweisungsempfänger) nur dann ein unmittelbarer Anspruch gegen die Beklagte (als Angewiesene) zustehen kann, wenn sie die Anweisung angenommen hat und dem Kläger diese Erklärung auch zugekommen ist (§ 1400 Satz 2 ABGB; 6 Ob 218/05k). Unstrittig ist ferner, dass die Annahme der Anweisung in der Regel eine abstrakte Schuld schafft (RS0033174; RS0033146 [T1]) und der Angewiesene nur im Fall einer titulierten Anweisung Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben kann (RS0033180; 9 Ob 102/06z; Ertl in Rummel, ABGB3 § 1402 Rz 2 ua).
[13] 2. Der Kläger vertritt in der Revision weiterhin den Standpunkt, dass eine abstrakte und keine titulierte Anweisung vorliege, was den Einwand von aus dem Grundgeschäft abgeleiteten Forderungen von vornherein ausschließe. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht nicht.
[14] 2.1. Zwar ist richtig, dass eine Anweisung nur dann tituliert ist, wenn sie sich auf das Grundgeschäft, mit anderen Worten auf die im Deckungsverhältnis geschuldete Leistung, bezieht (Neumayr in KBB7 § 1402 Rz 3; Lukas in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1400 Rz 13). Die Ansicht des Klägers, abgesehen von der Zahlungsfrist von vier Wochen ab Unterfertigung des Kaufvertrags fehle ein solcher Bezug hier gänzlich, übergeht aber den Wortlaut der Anweisung, die die Beklagte explizit anweist, einen Teil des vereinbarten Barkaufpreises an näher genannte Gläubiger der Verkäuferin zu zahlen. Anhand dieser Formulierung ist eindeutig, dass sich die Leistung der Beklagten auf den nach dem Kaufvertrag geschuldeten (Bar-)Kaufpreis beschränken und kein neues Deckungsverhältnis begründet werden soll (vgl etwa die Beispiele bei Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1402 Rz 6; Spielbüchler in Fenyves/Kerschner/ Vonkilch, Klang3 § 1400 Rz 7 [zweiter Absatz]). Wenn das Berufungsgericht daher von einer ausreichenden Bezugnahme auf den Kaufvertrag ausgeht, liegt dem keine Fehlbeurteilung zugrunde. Die – gar nicht umgesetzte – Vereinbarung des Haftrücklasses vermag daran nichts zu ändern. Letztlich kommt es dem Kläger bei seiner Argumentation darauf an, von der Gegenforderung 10.000 EUR abzuziehen, weil die Beklagte den Haftrücklass nicht erlegt habe. Damit zielt er nicht auf die Frage der Tituliertheit der Anweisung als Voraussetzung für den Einwand einer aus dem Grundgeschäft abgeleiteten Gegenforderung, sondern nur deren Höhe ab.
[15] 2.2. Soweit sich die Beklagte ihrerseits gegen die Hauptforderung wendet und ausführt, sie habe die Anweisung nicht angenommen, ist sie darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht den Bestand der Klageforderung bejaht hat. Da die Beklagte diese Entscheidung nicht angefochten hat und ihr die Revisionsbeantwortung keine eigenständige Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts eröffnet, ist auf diese selbständige Frage nicht mehr einzugehen (RS0043338 [T21]; RS0043352 [T15]; Dullinger, Teilrechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung bei dreigliedrigem Urteil, JBl 1996, 254 [256]). Der Fall, dass die Haupt- und die Gegenforderung im untrennbaren Zusammenhang stehen, wie das etwa bei wechselseitigen Ansprüchen aus demselben Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis der Fall ist (7 Ob 153/14x), liegt hier nicht vor.
[16] 3. Dennoch ist die Sache nicht spruchreif, weil der derzeit feststehende Sachverhalt für die abschließende Entscheidung über die Gegenforderung nicht ausreicht. Denn die Feststellung, dass den von der Beklagten übernommenen Dienstnehmern weitere (der Beklagten unbekannte) Ansprüche „von maximal 11.560 EUR“ zustehen, bedeutet letzten Endes bloß eine obere, maximale Grenze der vom Berufungsgericht als berechtigt erachteten Gegenforderung. Aus ihr lässt sich nur ableiten, dass der Beklagten grundsätzlich eine Forderung zukommt und sich diese in einer Bandbreite bewegt, nicht jedoch, wie hoch sie tatsächlich ist. Feststellungsmängel liegen aber nicht nur dann vor, wenn Feststellungen (gänzlich fehlen oder) widersprüchlich sind, sondern auch, wenn sie unvollständig oder undeutlich sind (6 Ob 69/23z). Ohne klare Feststellungen zur konkreten Höhe der Gegenforderung kann eine (richtige) rechtliche Beurteilung nicht stattfinden.
[17] Dazu kommt, dass die Beklagte bislang noch nicht schlüssig dargestellt hat, dass ihre (Gegen-)Forderung überhaupt fällig und somit aufrechenbar ist. Nach ihrem Vorbringen wird sie die eingewandten Urlaubsersatzleistungs-ansprüche nämlich erst zu bedienen haben (vgl ON 6), was insofern konsequent ist, als solche erst mit Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen (§ 10 UrlG). Auch im Rahmen des § 6 Abs 1 AVRAG – dessen Anwendung hier nahe liegt – würde sich der Ersatz nach § 896 ABGB richten (RS0118660; RS0120011), sodass die im Innenverhältnis regressberechtigte Beklagte erst dann Regress nehmen könnte, wenn sie selbst geleistet hat (RS0017558). Alles das wurde bislang nicht erörtert.
[18] 4. Im weiteren Verfahren werden daher zunächst diese bislang nicht thematisierten Fragen mit der Beklagten zu erörtern und ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zur Gegenforderung allenfalls zu ergänzen. Sofern die Beklagte das Bestehen ihrer Forderung schlüssig darstellen kann, werden sodann konkrete Feststellungen zu deren Fälligkeit und Höhe zu treffen und darauf aufbauend erneut über das restliche Klagebegehren zu entscheiden sein. Auch wenn von der Aufhebung auch der Ausspruch über die Hauptforderung betroffen ist, weil dieser für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen kann (RS0040742 [T2]), wird dabei davon auszugehen sein, dass dieser Sachantrag ein abschließend erledigter Streitpunkt ist.
[19] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00014.23S.0822.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-66226