§ 1 Abs. 4 EStG 1988: Voraussetzung für die Option in die unbeschränkte Steuerpflicht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer [in Folge: Bf.] brachte elektronisch über FinanzOnline am die Einkommensteuererklärungen (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 ein.
Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom , zugestellt über FinanzOnline, den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2023 zurück und führte zur Begründung aus: Da der Bf. laut eingereichter Erklärung (Formular L 1) und dem Finanzamt vorliegenden Informationen in Österreich weder einen Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei der Bf. hier nur beschränkt steuerpflichtig. Aus diesem Grund sei der Bf. zur Antragsveranlagung als unbeschränkt steuerpflichtige Person gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 in der vorliegenden Form nicht berechtigt. Der Antrag sei daher zurückzuweisen gewesen.
Als Hinweis fügte die belangte Behörde hinzu, dass der Zurückweisungsbescheid einer neuerlichen Antragstellung nicht entgegenstehe. Als beschränkt steuerpflichtige Person könne der Bf. bis zum Ablauf von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes einen Antrag auf ArbeitnehmerInnenveranlagung stellen. Dafür sei das Formular L1 gemeinsam mit dem Formular L 1i abzugeben. Wollte der Bf. einen "Antrag auf Veranlagung bei beschränkter Steuerpflicht (§ 102 Abs. 1 Z 3 EStG 1988)" stellen, müsste er im Formular L 1i verpflichtend Punkt 1 und Punkt 5 ausfüllen. In diesem Fall würde der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988 dem Einkommen hinzugerechnet. Die persönlichen Verhältnisse (Absetzbeträge,..) könnten nicht berücksichtigt werden. Wollte der Bf. als unbeschränkt steuerpflichtige Person behandelt werden, müsste er im Formular L 1i verpflichtend Punkt 1. und Punkt 6. "Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG 1988) ausfüllen und das Formular E 9 anfügen. Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen könnten auch die persönlichen Verhältnisse (Absetzbeträge,…) berücksichtigt werden. Wollte der Bf. als unbeschränkt steuerpflichtige Person den Alleinverdienerabsetzbetrag beantragen, sei zusätzlich auch das ausgefüllte und vom ausländischen Finanzamt bestätigte Formular E 9 über die Einkünfte des/der (Ehe)Partner/in einzureichen. Auf allen Anträgen und Formularen (L 1, L 1i und E 9) sei die aktuelle Wohnadresse am Familienwohnsitz (im Ausland) anzugeben.
Gegen Zurückweisungsbescheid brachte der Bf. mit Schreiben vom Beschwerde über FinanzOnline ein. Zur Begründung verwies der Bf. auf die beigefügten Unterlagen.
Der Beschwerde waren die ausgefüllten Formular L1, L1i und L1k beigefügt. Im Formular L1i
wurden vom Bf. die Punkte 1.5 und 1.5.1 "Ich hatte im Jahr 2023 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und war bei einer/einem Arbeitgeber beschäftigt, die/der einen Lohnsteuerabzug in Österreich vorgenommen hat" angekreuzt. Unter Punkt 6.1 ist vom Bf. als Ansässigkeitsstaat "HU" und im Punkt 6.2 das Kreuz für den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht im entsprechenden Feld eingetragen worden. Unter Punkt 6.3 "Einkünfte im Ansässigkeitsstaat im Jahr 2023" wies der einen Betrag iHv. 11.941,22 aus.
Die belangte Behörde erließ mit über FinanzOnline ein Ergänzungsersuchen, in welchem um Vorlage des Formulars E9 für das Jahr 2023 ersucht wurde.
Der Bf. reichte das Antwortschreiben inkl. Formular E9 über FinanOnline am ein. Im vorgelegten, mit datierten, Formular E9 wird unter "Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen" der Betrag von gesamt 4.604.122,00 ungarische Forint (Arbeitslohn 4.583.313,00 Forint, selbständige Tätigkeit 20.809,00 Forint) ausgewiesen und von der ungarischen Finanzverwaltung bestätigt, dass der Bf. 2023 den Wohnsitz in Ungarn hatte.
Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt über FInanzOnline, die Beschwerde als unbegründet ab, da die begehrte Arbeitnehmerveranlagung 2023 als unbeschränkt Steuerpflichtiger nicht durchgeführt werden könne, weil der Bf. im Jahr 2023 nur beschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Die Option gemäß § 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 sei in diesem Fall nicht möglich, da die Haupteinkünfte nicht in Österreich gewesen seien. Haupteinkünfte in Österreich würden dann vorliegen, wenn die Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000,00 Euro jährlich betragen würden. Da im Fall des Bf. jedoch die Einkünfte im Ausland über 11.000,00 Euro jährlich seien, bestehe somit nur eine beschränkte Steuerpflicht. Die Durchführung einer Veranlagung mit beschränkter Steuerpflicht ergäbe im Fall eine Steuernachforderung und daher werde diese nicht durchgeführt.
Am brachte der Bf. über FinanzOnline den Vorlageantrag gem. § 264 Abs. 1 BAO ein und begründete diesen, dass er laut Begründung der Beschwerdeablehnung mehr als 11.000,00 Euro verdient hätte. Die Grenze liege im Jahr 2023 aber bei 11.693,00 Euro und er sei knapp darunter.
Dem Vorlageantrag wurde nochmals das bereits vorgelegte Formular E9 angefügt.
Die belangte Behörde legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht nach Darstellung des Verfahrensgangs u.a. aus, dass im Formulat E9 von der ausländischen Steuerbehörde für 2023 bestätigt wird, es würden 4.583.313,00 HUF (Arbeitslohn) sowie 20.809,00 HUF (selbständige Tätigkeit), in Summe somit 4.604.122 HUF, im Ansässigkeitsstaat Ungarn der Besteuerung unterliegen. Für die Umrechnung der Ungarischen Forint (HUF) in Euro nehme die Finanzverwaltung das Formular L17b, die die Umrechnungstabelle in Euro-Beträge 2023 enthalte, zur Hilfe. Darin werde ein Umrechnungskurst (Steuerwert) von 0,002580 angegeben. Die oben erwähnten HUF 4.604.122,00 seien somit 11.878,63 Euro (HUF 4.604.122 x 0,002580). Dieser errechnete Betrag decke sich nicht ganz mit den bereits oben erwähnten 11.941,22 Euro an Einkünften, die im Ansässigkeitsstaat (Ungarn) besteuert worden seien.
Nach Anführung von § 1 Abs. 4 EStG 1988 führt die belangte Behörde weiters aus: Da die, gemäß Formular E9 bestätigten ausländischen Einkünfte 2023 von umgerechnet 11.878,63 Euro sowie vom Beschwerdeführer selbst angegebenen Auslandseinkünfte von 11.941,22 Euro, den Betrag von 11.693,00 Euro gem. § 1 Abs. 4 EStG übersteigen würden, würden die Voraussetzungen für die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich nicht vorliegen und könne die gewünschte unbeschränkte Steuerpflicht daher nicht gewährt werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. hat im Beschwerdejahr 2023 unbestritten keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sondern hatte seinen Lebensmittelpunkt in Ungarn [s. Beilage L1i für 2023, BFG-Akt OZ 9]. Laut Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde hat der Bf. in Ungarn Einkünfte iHv. 4.604.122,00 HUF bezogen [Formular E9, BFG-Akt OZ 6]. Betr. inländischen Einkünfte wurden zwei Lohnzettel iHv. 7.933,02 Euro und 2.973,00 Euro übermittelt und betrugen die steuerpflichtige Bezüge (Kz 245) gesamt somit 10.906,02 Euro.
Die belangte Behörde rechnete die in Forint ausgewiesenen ausländischen Einkünfte mittels Umrechnungstabelle L17b (abrufbar unter www.bmf.gv.at, Formulare), welche die Referenzkurse der EZB für das Beschwerdejahr auflistet, mit 0,002580 auf den Eurowert iHv. 11.878,63 Euro um. Dieser Wert liege über den Wert gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung.
Laut Bf. würden seine ausländischen Einkünfte knapp unter dem Wert gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 liegen.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im Akt einliegenden Unterlagen (insbes. eingebrachte Steuererklärung 2023 mit Beilagen L1i, E9, Daten Steuerakt aus FinanzOnline). Die genannten Unterlagen stellen Beweismittel gem. § 166ff BAO dar und liegen diese der rechtlichen Würdigung des Bundesfinanzgerichts zugrunde.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den in § 1 Abs. 4 EStG 1988 angegeben Betrag überschreiten.
§ 1 Abs. 4 EStG 1988 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 163/2022 lautet:
Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 693 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.
§ 1 Abs. 4 zweiter Satz EStG 1988 stellt auf das Welteinkommen ab und verlangt seine Teilung in einen der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Teil einerseits und die übrigen Einkünfte andererseits (vgl. ), die den in dieser Bestimmung genannten Absolutbetrag - für das Streitjahr 2023 beträgt dieser 11 693,00 Euro - nicht überschreiten dürfen (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer Band II - Rechtsprechung68, § 1 EStG zu ).
Die Bescheinigung der zuständigen ungarischen Abgabenbehörde über die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte weist einen Betrag iHv. 4.604.122,00 HUF aus. Dieser Betrag entspricht im Beschwerdejahr 2023 umgerechnet einen Eurobetrag iHv. 11.878,63 Euro. Das Bundesfinanzgericht sieht in der amtlichen Bescheinigung den Nachweis über die Höhe der Einkünfte im Ansässigkeitsstaat Ungarn als erbracht an und zieht diesen Wert, welcher unter dem vom Bf. in der Beschwerde angegeben Betrag (11.941,22 Euro) liegt, als für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgeblich an. Die nicht der österreichischen Einkommensteuer iHv. 11.878,63 Euro unterliegenden Einkünfte überschreiten somit den Absolutbetrag von 11.693,00 Euro gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988.
Da die - materiell rechtliche - Voraussetzung des Unterschreitens des Absolutbetrags für die Option in die unbeschränkte Steuerpflicht nicht gegeben ist, wurde der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Versagung der Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 ergibt sich als (Rechts-)Folge mangels Vorliegen der in der genannten Gesetzesstelle normierten Voraussetzung. Zudem folgt das Erkenntnis der angegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (). Es liegt daher keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung beizumessen wäre. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100873.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
RAAAF-66202