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VwGH 24.06.1999, 97/15/0131

VwGH 24.06.1999, 97/15/0131

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
ABGB §1002;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
WTBO §33 Abs1 litc;
RS 1
Bei der Bevollmächtigung ist zwischen dem Auftrag im Innenverhältnis und der Vollmacht im Außenverhältnis zu unterscheiden. Durch die Vollmacht wird dem Bevollmächtigten ein rechtliches "Können" eingeräumt; die Vollmachtserteilung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Durch die Berufung auf die Vollmacht (etwa iSd § 33 Abs 1 lit c WTBO) gegenüber der Beh oder durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde an die Beh wird die Vollmacht nach außen wirksam. Die Bestellung des Vertreters wird daher erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Beh gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Beh wirksam (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 818). Dies ungeachtet des Umstandes, dass das Bevollmächtigungsverhältnis (im Innenverhältnis) schon vor der Vorlage der Vollmacht bestanden haben kann. Solange die Bevollmächtigung der Beh gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, bleibt ihre Wirkung auf das Innenverhältnis beschränkt (Hinweis Stoll, aaO). Beruft sich ein Parteienvertreter auf eine ihm erteilte Vollmacht, so ist für den Umfang der Vertretungsbefugnis seine Behauptung maßgebend (Hinweis Ritz, BAO-Kommentar/2, § 83 Tz 12).
Normen
BAO §103 Abs2;
BAO §97 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
RS 2
Kommt dem angefochtenen Bescheid in Wahrheit mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe iSd § 97 Abs 1 BAO Bescheidcharakter nicht zu, fehlt es an einer Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Bescheidbeschwerde. Die Beschwerde ist daher gem § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen. (Hier: Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Parteienvertreter, obwohl auf Grund des § 103 Abs 2 BAO eine wirksame Zustellvollmacht nicht vorgelegen hat. Von der belBeh wird auch nicht eine solche ausdrückliche Erklärung zur Zustellungsbevollmächtigung behauptet, wie sie von

der Rechtsprechung des VwGH (Hinweis B , 94/15/0110; B , 97/13/0014; B , 95/13/0273) zu § 103 Abs 2 BAO) verlangt wird.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, in der Beschwerdesache der M in S, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , RV 044-10/01/97, betreffend Erstattung von Vorsteuerbeträgen für die Kalendermonate Jänner bis Juni 1995, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung von Vorsteuerbeträgen. Auf der Eingabe ist die S-GmbH, eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft, als ihre steuerliche Vertreterin ausgewiesen.

Gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen worden war, brachte die S-GmbH im Namen der Beschwerdeführerin die Berufung von ein. Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die S-GmbH für die Beschwerdeführerin den Antrag vom auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die schriftliche Vollmacht, welche die Beschwerdeführerin der S-GmbH erteilt hatte, wurde dem Finanzamt am vorgelegt.

Im Verwaltungsakt findet sich ein mit datierter Aktenvermerk, in welchem ausgeführt wird, dass Frau Mag. M - diese ist beeidete Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin - bei der belangten Behörde angerufen und über die Übernahme der Vollmacht der Beschwerdeführerin informiert habe. Frau Mag. M habe ersucht, "im Sommer zu einer Erörterung des Falles vorbeikommen zu können."

Mit Schreiben vom teilte die S-GmbH dem Finanzamt auf dessen Anfrage mit, dass sie die Vollmacht für die Beschwerdeführerin zurückgelegt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie stellte die Entscheidung an Frau Mag. M als Vertreterin der Beschwerdeführerin zu, und zwar am .

Frau Mag. M richtete im Namen der Beschwerdeführerin die Eingabe vom an die belangte Behörde. Mit dieser Eingabe wurde das Berufungsvorbringen ergänzt. Als Beilage zu dieser Eingabe wurde der belangten Behörde (erstmalig) die (mit datierte) schriftliche Vollmacht vorgelegt, welche die Beschwerdeführerin Frau Mag. M erteilt hatte.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Zustellung sei an Frau Mag. M erfolgt. Der belangten Behörde gegenüber sei Frau Mag. M jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht als bevollmächtigter Vertreter namhaft gemacht gewesen. Frau Mag. M habe in einem Telefonat mit der belangten Behörde einen Vollmachtswechsel lediglich in Aussicht gestellt. Sie habe angekündigt, allenfalls die Vollmacht mit einem ergänzenden Schriftsatz vorzulegen. Dazu sei es nicht mehr gekommen, weil der angefochtene Bescheid sofort (rechtsirrig) an Frau Mag. M zugestellt worden sei. "Vorsichtshalber wird die Beschwerde aber ausgeführt, als ob der Bescheid gültig zugestellt worden wäre."

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und führt in ihrer Gegenschrift aus, Frau Mag. M habe mit dem Telefonat vom nicht bloß einen Vollmachtswechsel in Aussicht gestellt, sondern im Namen der Beschwerdeführerin um die Anberaumung eines Vorsprachetermins für die mündliche Erörterung des Falles ersucht. Dieses Einschreiten von Frau Mag. M könne nur als schlüssige und uneingeschränkte fernmündliche Berufung auf eine bereits erteilte Vollmacht iSd § 33 Abs. 1 lit. c WTBO verstanden werden. Wie sich später herausgestellt habe, sei die Vollmachtsurkunde mit datiert; sie sei der belangten Behörde als Beilage zur Berufungsergänzung vorgelegt worden. Um einem telefonischen Einschreiten eines berufsmäßigen Parteienvertreters für einen Klienten die intendierte rechtliche Relevanz zumessen zu können, sei von einer Bevollmächtigung auszugehen, wenn sich später herausstelle, dass im Zeitpunkt des Einschreitens bereits eine Vollmacht vorgelegen sei. Eine abweichende Beurteilung hätte die realitätsferne und formalistische Konsequenz, dass jegliches telefonische oder mündliche Vorbringen von berufsmäßigen Parteienvertretern vor Behörden ohne vorherige Verwendung bestimmter Formeln (wie zB "Unter Berufung auf die mir nach § 33 Ab. 1 lit. c WTBO erteilte Bevollmächtigung") erst mit der schriftlichen Bestätigung wirksam würde. Die belangte Behörde gehe sohin von einer rechtswirksamen Zustellung am aus.

Im Zusammenhang mit der Bevollmächtigung ist zwischen dem Auftrag im Innenverhältnis und der Vollmacht im Außenverhältnis zu unterscheiden. Durch die Vollmacht wird dem Bevollmächtigten ein rechtliches "Können" eingeräumt; die Vollmachtserteilung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Durch die Berufung auf die Vollmacht (etwa iSd § 33 Abs. 1 lit. c WTBO) gegenüber der Behörde oder durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde an die Behörde wird die Vollmacht nach außen wirksam. Die Bestellung des Vertreters wird daher erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 818). Dies ungeachtet des Umstandes, dass das Bevollmächtigungsverhältnis (im Innenverhältnis) schon vor der Vorlage der Vollmacht bestanden haben kann. Solange die Bevollmächtigung der Behörde gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, bleibt ihre Wirkung auf das Innenverhältnis beschränkt (vgl. Stoll, aaO).

Beruft sich ein Parteienvertreter auf eine ihm erteilte Vollmacht, so ist für den Umfang der Vertretungsbefugnis seine Behauptung maßgebend (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 83 Tz 12).

Im gegenständlichen Fall wird in der Beschwerde behauptet, Frau Mag. M habe beim Telefonat vom lediglich in Aussicht gestellt, dass sie sich auf eine Vollmacht berufen werde. Nach der Behauptung der belangten Behörde habe Frau Mag. M im Namen der Beschwerdeführerin um die Anberaumung eines Vorsprachetermins für die mündliche Erörterung des Falles ersucht; damit will die belangte Behörde dartun, dass sich Frau Mag. M auf die Vollmacht berufen habe.

Im gegenständlichen Fall kann es aus nachstehend genannten Gründen auf sich beruhen, ob sich Frau Mag. M der Behörde gegenüber auf eine Vollmacht berufen hat. Es kann auch unerörtert bleiben, ob eine telefonische Berufung auf die Bevollmächtigung überhaupt Rechtswirkungen entfalten (gegen eine solche Wirkung Ritz, BAO-Kommentar2, § 83 Tz 10).

Gemäß § 103 Abs. 2 BAO ist eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Beschlüsse vom , 94/15/0110, vom , 97/13/0014, und vom , 95/13/0273) hat die Abgabenbehörde in den Fällen des § 103 Abs. 2 BAO die Zustellung nur dann an einen (gewillkürten) Vertreter vorzunehmen, wenn dieser die ausdrückliche Erklärung abgibt, dass ihm alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen zuzustellen sind, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird.

Selbst aus der Sachverhaltsbehauptung der belangten Behörde ergibt sich nicht, dass sich Frau Mag. M nicht nur auf die Vollmacht zur Vornahme einer bestimmten Prozesshandlung berufen hätte, sondern auf alle Erledigungen iSd § 103 Abs. 2 BAO. Solches ergibt sich auch nicht aus dem Aktenvermerk vom . Daraus folgt aber, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid an Frau Mag. M zugestellt hat, obwohl auf Grund der Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO eine wirksame Zustellvollmacht jedenfalls nicht vorgelegen hat.

Es wird im Übrigen von der belangten Behörde auch in keiner Weise eine solche ausdrückliche Erklärung zur Zustellungsbevollmächtigung behauptet, wie sie von der hg. Rechtsprechung zu § 103 Abs. 2 BAO verlangt wird.

Dem Beschwerdevorbringen entsprechend ist sohin davon auszugehen, dass dem angefochtenen Bescheid in Wahrheit mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe iSd § 97 Abs. 1 BAO Bescheidcharakter nicht zukommt.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Da aber der angefochtenen Erledigung der belangten Behörde Bescheidcharakter nicht zukommt, fehlt es an einer Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Bescheidbeschwerde (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 340, zitierte hg. Rechtsprechung).

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
ABGB §1002;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
BAO §103 Abs2;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
BAO §97 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WTBO §33 Abs1 litc;
Sammlungsnummer
VwSlg 7416 F/1999
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter
Bescheidbegriff Allgemein
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1999:1997150131.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-65672