VwGH 08.11.1995, 95/01/0445
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | VwGG §26 Abs1 Z1; ZustG §17 Abs3; |
RS 1 | Der Umstand, daß das Postamt dem Empfänger mehrmals die Ausfolgung der hinterlegten Sendung verweigerte, weil er keinen gültigen Ausweis vorlegen konnte, vermag an der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nichts zu ändern. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1993/11/24 93/01/0950 1 |
Normen | |
RS 2 | Wenn auch vom Empfänger einer hinterlegten Sendung, deren Ausfolgung vom Postamt mangels Ausweisleistung verweigert wurde, billigerweise nicht verlangt werden kann, sich nochmals und dies allenfalls wiederholt zum Postamt zu begeben, um unter Umständen doch ohne Ausweisleistung die Behebung der betreffenden Sendung zu erreichen und auf diese Weise von dessen Inhalt Kenntnis zu erlangen (Hinweis E , 93/01/0167), so wäre es doch im Beschwerdefall im Hinblick darauf, daß er jederzeit mit einer Erledigung der Berufungsbehörde in seiner Asylangelegenheit rechnen mußte, an ihm gelegen gewesen, sich jedenfalls umgehend an eine in diesen Belangen kundige Person zu wenden, um sich darüber zu informieren, wie er sich in der vorliegenden Situation, ohne Gefahr zu laufen, Rechtsnachteile zu erleiden, verhalten soll. Dafür wären in erster Linie Flüchtlingsberater gem § 23 AsylG 1991, aber auch andere, in einer mit der Betreuung von Flüchtlingen befaßten Organsiation tätige Personen in Betracht gekommen. Es kann daher zufolge der vom Empfänger an den Tag gelegten Sorglosigkeit nicht davon die Rede sein, daß es sich hiebei lediglich um einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag gem § 46 Abs 1 VwGG nicht stattgegeben werden konnte. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
95/01/0446
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über 1. den Antrag des S in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 4.344.078/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, sowie 2. die damit verbundene Beschwerde gegen den genannten Bescheid den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag NICHT STATTGEGEBEN.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Zaire - in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellt nun in diesem Zusammenhang den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag, den er damit begründet, daß er "im Sommer 1994 durch eine Hinterlegungsanzeige der Post davon verständigt wurde, daß ein Bescheid des Bundesministeriums für Inneres bei dem für die Neustiftgasse in 1070 Wien zuständigen Postamt für ihn hinterlegt worden sei", er versucht habe, diesen Bescheid zu beheben, ihm dies jedoch verweigert worden sei, da er damals "nicht im Besitz irgendwelcher Ausweisdokumente", die er hätte vorweisen können, gewesen sei, und ihm dieser Bescheid erst auf Grund einer Ladung des Bundesasylamtes am ausgefolgt worden sei.
Der Beschwerdeführer hat zunächst zwecks Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages innerhalb von zwei Wochen, gerechnet ab , die Verfahrenshilfe beantragt. Dieser Antrag wurde mit hg. Beschluß vom , Zl. VH 95/19/0044, abgewiesen. In sinngemäßer Anwendung des § 26 Abs. 3 VwGG begann daher die Frist des § 46 Abs. 3 VwGG mit der Zustellung dieses abweisenden Beschlusses an die Partei neu zu laufen (vgl. diesbezüglich den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/09/0038). Diese Frist wurde vom Beschwerdeführer (durch die Postaufgabe am ) eingehalten, ist er doch damit im Recht, daß die an ihn unter der Anschrift N-Gasse 141, W, erfolgte Zustellung des seinen Verfahrenshilfeantrag erledigenden Beschlusses nicht wirksam war, weil er der Aktenlage nach bereits vor Stellung dieses Antrages seine Abgabestelle geändert hat, und eine Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 Zustellgesetz erst am , als ihm die Sendung tatsächlich zugekommen ist, eingetreten ist. In Ansehung der Zustellung des Bescheides vom macht der Beschwerdeführer keine Zustellmängel geltend, wobei er zutreffenderweise auch nicht die Auffassung vertritt, daß die Verweigerung der Ausfolgung der beim Postamt gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz hinterlegten Sendung einen Einfluß auf die Rechtswirksamkeit dieser Zustellung gehabt habe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/01/0950, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Einer Partei ist aber gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, wobei der Umstand, daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Beschwerdeführer hat einen Asylantrag gestellt und gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes Berufung erhoben. Er mußte daher jederzeit mit einer Erledigung der Berufungsbehörde in dieser Angelegenheit rechnen. Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer nicht damit entschuldigen könnte, er habe nicht gewußt, daß Asylbehörde zweiter Instanz der Bundesminister für Inneres sei (§ 10 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991), ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß im Rahmen der dem erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 61 Abs. 1 AVG beigegebenen Rechtsmittelbelehrung unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 5 leg. cit., in der Fassung vor der Novelle
BGBl. Nr. 471/1995, als Behörde, bei welcher die Berufung einzubringen sei, nicht auch der Bundesminister für Inneres genannt worden sei. Als der Beschwerdeführer die gegenständliche Hinterlegungsanzeige, in der seiner Behauptung nach auf ein an ihn zuzustellendes Schriftstück "des Bundesministeriums für Inneres" hingewiesen wurde, vorgefunden hat, konnte er demnach zumindest - wenn schon Zweifel bestanden haben sollten - nicht ausschließen, daß sich dieses Schriftstück auf seine Asylangelegenheit bezieht. Er hat es nun in der Folge bei der Tatsache, daß ihm dieses Schriftstück mangels entsprechender Ausweisleistung bei der Post nicht ausgefolgt wird, bewenden lassen, anstatt sich weiterhin darum zu bemühen, dieses Schriftstück ausgehändigt zu erhalten und auf diese Weise von dessen Inhalt Kenntnis zu erlangen (vgl. hinsichtlich der - sogar in der Schubhaft bestehenden - Verpflichtung, sich nach Erhalt eines Schriftstückes über dessen Inhalt Gewißheit zu verschaffen, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/01/0167). Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß er diesbezüglich Entsprechendes unternommen habe, seine Versuche in dieser Richtung aber erfolglos geblieben seien; auf Grund seines Vorbringens muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß er überhaupt untätig geblieben ist und offensichtlich noch weiter zugewartet hätte, wenn er nicht von der Erstbehörde - egal, aus welchem Grunde - für den geladen worden wäre und zu diesem Termin den angefochtenen Bescheid in Empfang genommen hätte. Wenn auch von ihm billigerweise nicht hätte verlangt werden können, sich nochmals und dies allenfalls wiederholt zum Postamt zu begeben, um unter Umständen ohne Ausweisleistung die Ausfolgung der betreffenden Sendung zu erwirken, so wäre es doch an ihm gelegen gewesen, sich jedenfalls umgehend an eine in diesen Belangen kundige Person zu wenden, um sich darüber zu informieren, wie er sich in der vorliegenden Situation, ohne Gefahr zu laufen, Rechtsnachteile zu erleiden, verhalten soll. Dafür wären in erster Linie Flüchtlingsberater gemäß § 23 Asylgesetz 1991, aber auch andere, in einer mit der Betreuung von Flüchtlingen befaßten Organisation tätige Personen in Betracht gekommen. Daß derartige Schritte, auf Grund welcher mit dem Bundesminister für Inneres ein Kontakt hätte hergestellt werden können, um die hinterlegte Sendung nach ihrer Zurückstellung gemäß § 19 Abs. 1 Zustellgesetz dort ausgefolgt zu erhalten, dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, wurde von ihm nicht einmal behauptet. Es kann daher zufolge der vom Beschwerdeführer an den Tag gelegten Sorglosigkeit auch nicht davon die Rede sein, daß es sich hiebei lediglich um einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe.
Im Hinblick darauf, daß demnach dem (zur hg. Zl. 95/01/0445 protokollierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden konnte, war somit - ebenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - auch die damit verbundene (zur hg. Zl. 95/01/0446 protokollierte) Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1995:1995010445.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-65241