Suchen Hilfe
VwGH 01.07.1993, 90/17/0385

VwGH 01.07.1993, 90/17/0385

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AbgVG Vlbg 1984 §27 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BAO §93 Abs2;
RS 1
Einer Erledigung kommt Bescheidcharakter nicht zu, wenn der Adressat des Bescheides in dessen Spruch nicht bezeichnet ist (Hinweis E , 83/17/0096, 0097, 0099, 0100, 0101, 0127).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/03/08 88/17/0209 2
Normen
AbgVG Vlbg 1984 §27 Abs2;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
RS 2
Das Fehlen eines im Bescheid individuell bestimmten Adressaten als des Trägers der bescheidmäßig begründeten Rechte und Pflichten führt zur absoluten Nichtigkeit eines so erlassenen Bescheides. Es bedeutet noch keinen Verstoß gegen die Vorschrift des § 59 AVG, wenn die Beh im Spruch zwar die Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet (Miteigentümer der Liegenschaft), dann aber in der Zustellverfügung diejenigen physischen oder juristischen Personen benennt, auf welche sich der Spruch bezieht. Jedoch muß die Unterlassung des Individualisierens der Träger der im Bescheid ausgesprochenen Verpflichtung auch in der Zustellverfügung des Schriftstückes der behördlichen Erledigung den Bescheidcharakter vorenthalten. "Den Miteigentümern" einer Liegenschaft kann ein behördlicher Auftrag nicht erteilt werden, weil die Gemeinschaft der Eigentümer einer Liegenschaft weder eine physische noch eine juristische Person ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH B 1992/03/10 92/07/0047 1 (hier wird nur der erste Satz herangezogen)
Normen
ABGB §1175;
AVG §9;
BAO §79;
VwGG §34 Abs1;
RS 3
Einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes

1175 bis § 1216 ABGB) kommt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die Eigenschaft einer juristischen Person nicht zu. Es ermangelt ihr die Rechsfähigkeit und Handlungsfähigkeit gleichermaßen auch die Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit für das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem VwGH.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/02/18 90/19/0278 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1.) des L B, 2.) des M B und 3.) des Ing. A B, alle in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-222/9, betreffend Wasseranschlußgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Vorarlberg zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Im "Bescheid" des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom heißt es:

"Für den Anschluß ihres Objektes in S, G-Straße an das Wasserversorgungsnetz der Marktgemeinde S ergeht hiermit an Sie nach den Bestimmungen der Wassergebührenordnung in der derzeit geltenden Fassung nachfolgende GEBÜHRENVORSCHREIBUNG ..."

Ein Adressat wird weder im Spruch noch im Betreff noch in der Begründung der behördlichen Erledigung genannt. Die Zustellverfügung lautet: "ERGEHT MIT RS AN: Gebr. B, G-Straße in S." Ein von "B R" gefertigter Rückschein findet sich im Verwaltungsakt.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 3. Feber 1989 Berufung erhoben. Diese Eingabe enthält im Briefkopf ein Firmenemblem ("GB") und folgenden Aufdruck: "GEBR. B Zimmerei u. Tischlerei S, Telefon xxxxx/xxxx." Im Anschluß an die in "Wir-Form" gehaltenen Berufungsausführungen finden sich eine Stampiglie ("GEBRÜDER B Zimmerei u. Bautischlerei S - Tel. xxxxx-xxxx") und der Namenszug "L. B".

1.2. Nachdem der erste Berufungsbescheid der Abgabenkommission der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Vorstellungsbescheid der Vorarlberger Landesregierung vom aufgehoben worden war, erging ein weiterer Berufungsbescheid der Abgabenkommission der Marktgemeinde S vom . Darin heißt es, die "Fa. Gebrüder B" habe Berufung eingebracht. Der Spruch lautet: "Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Die Fälligkeit ist bereits eingetreten." In der Zustellverfügung heißt es: "Ergeht an: Firma Gebrüder B, G-Straße in S (RSb)." Der in gleicher Weise wie oben gefertigte Rückschein findet sich im Verwaltungsakt.

Die dagegen erhobene Vorstellung vom 16. Feber 1990 enthält im Briefkopf ebenfalls das schon weiter oben erwähnte Firmenzeichen und den dort wiedergegebenen Aufdruck. Im Anschluß an die in "Wir-Form" gehaltene Eingabe findet sich ein Stempelvordruck wie jener im Berufungsschriftsatz vom 3. Feber 1989, jedoch mit der Unterfertigung "M B".

1.3. In dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom heißt es im Einleitungsteil und Spruch wie folgt:

"Mit Eingabe vom haben die Gebr. B in S gegen den Beschluß der Abgabenkommission der Marktgemeinde S vom Vorstellung erhoben. Hierüber ergeht seitens der Vorarlberger Landesregierung als Aufsichtsbehörde folgender

Spruch

Gemäß § 83 Gemeindegesetz (GG), LGBl. Nr. 40/1985, wird der Vorstellung der Gebrüder B, Zimmerei und Bautischlerei in S, gegen den Beschluß der Abgabenkommission der Marktgemeinde S vom , ausgefertigt mit Bescheid vom , Zl. 810-4/89, KEINE FOLGE gegeben."

Der Betreff und die Zustellverfügung lauten: "BETRIFFT:

Gebr. B in S; Wasseranschlußgebühr - Vorstellung"; ERGEHT AN:

1. die Gebrüder B, G-Straße in S (RSb) ..." Der Rückschein findet sich im Verwaltungsakt.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei wird wie folgt bezeichnet: "L B, Zimmermeister, M B, Schreinermeister, Ing. A B, Baumeister, im folgenden kurz "Gebr. B" genannt, alle G-Straße in S."

1.5. Mit Berichterverfügung vom ersuchte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem um Mitteilung, in welcher Rechtsform die "Gebr. B" auftreten.

Mit ergänzender Eingabe vom wurde bekanntgegeben, "daß wie auf der Beschwerde angeführt ... sie in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auftreten".

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Gemäß § 27 Abs. 2 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. Nr. 23/1984 (AbgVG), ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen; er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinen Erkenntnissen jeweils vom , Zlen. 88/17/0209 und 88/17/0210, zur inhaltsgleichen Rechtslage nach § 93 Abs. 2 BAO ausgeführt hat, fehlt einer Erledigung der Bescheidcharakter, wenn der Adressat des Bescheides in dessen Spruch nicht bezeichnet ist.

Das Fehlen eines im Bescheid individuell bestimmten Adressaten als des Trägers der bescheidmäßig begründeten Rechte und Pflichten führt daher zur absoluten Nichtigkeit eines so erlassenen Bescheides (vgl. das zum AVG ergangene

hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0047, und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung).

2.3. Der Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom kam daher mangels Nennung eines Adressaten im Spruch kein Bescheidcharakter zu.

Selbst wenn aber aus der Zustellverfügung ein Adressat ("Gebr. B") zu erschließen wäre, käme dieser nicht als möglicher Träger von Rechten und Pflichten in Betracht.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (§§ 1175 ff ABGB) stellt nämlich weder eine natürliche noch nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine juristische Person dar. Es ermangelt ihr daher grundsätzlich die Rechts- und Handlungsfähigkeit, gleichermaßen auch die Partei- und Prozeßfähigkeit für das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Nach den im Beschwerdefall anzuwendenden Abgabenvorschriften kam ihr keine spezielle Steuerrechtssubjektivität zu (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 88/17/0129, vom 18. Feber 1991,

Zlen. 90/19/0278, 90/19/0292, vom , Zl. 91/17/0107, und vom , Zl. 91/17/0176).

Auch wenn nach dem Gesagten die Berufung der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zugerechnet werden müßte, wäre sie zurückzuweisen gewesen; stattdessen wurde eine abweisliche Berufungsentscheidung getroffen. Für die als berufungswerbende Partei auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bestand auf Grund obiger Erwägungen daher auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Rechte. Mangels dieser Rechtsverletzungsmöglichkeit wäre daher die Vorstellung zurückzuweisen gewesen, sofern man diese dem Unterfertigten "M B" zurechnet. Ebenfalls zur Zurückweisung hätte die Vorstellungsbehörde gelangen müssen, wenn sie die Vorstellung als von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes erhoben betrachtet hätte.

Dadurch, daß die Vorstellung abgewiesen und nicht zurückgewiesen wurde, konnten die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes auftretenden drei Beschwerdeführer in ihren Rechten nicht verletzt worden sein.

2.4. Die Beschwerde mußte auf Grund obiger Darlegungen mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückgewiesen werden.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2, insbesondere auch auf § 51 und § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
ABGB §1175;
AbgVG Vlbg 1984 §27 Abs2;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs4;
AVG §9;
BAO §79;
BAO §93 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse
Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person
Personengesellschaft des Handelsrechts Öffentliches Recht
Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter
Bescheidbegriff Allgemein
Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne Rechtsfähigkeit
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1993:1990170385.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-64654